Amélie Breton: Die Liebenden von Cabourg

  • Amélie Breton: Die Liebenden von Cabourg
    FISCHER Taschenbuch 2014. 480 Seiten
    ISBN-13: 978-3596030293. 9,99€


    Verlagstext
    Berlin - Cabourg, 1928. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter findet die junge Emma eine Schatulle mit Liebesbriefen eines Unbekannten aus der Normandie. Hatte ihre Mutter fünfundzwanzig Jahre zuvor eine heimliche Liaison? Spontan schreibt Emma an die Adresse in Cabourg, um herauszufinden, was damals geschah. Doch statt des Fremden antwortet dessen Sohn Paul. Damit beginnt ein ungewöhnlicher Briefwechsel, der tiefe Gefühle in den beiden entfacht. Doch Emma ist verlobt, und ihre Hochzeit rückt näher. Sie wagt den Schritt und reist nach Cabourg…


    Die Autorin
    Amélie Breton [Pseudonym] hat bereits viele erfolgreiche Romane geschrieben. Sie arbeitete viele Jahre als selbständige Modeagentin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie verbrachte einige Zeit in verschiedenen europäischen Ländern, doch ihr Herz schlug von jeher für Frankreich.


    Inhalt
    Die betagte Emma-Victoria, die nicht mehr allein reisen kann, ist mit einer Betreuerin an Bord der Queen Mary II unterwegs aus den USA nach Southampton. Von dort werden die beiden Frauen die Fähre in die Normandie nehmen. Ein Bündel alter Liebes-Briefe mit einem französischen Absender hatte Emma als junge Frau mit einer unbekannten Seite ihrer gerade verstorbenen Mutter konfrontiert. Josephine Pfeiffers Kinder ahnten nichts von Gustave Ricard, den sie als jung verheiratete Frau während ihrer Kuraufenthalte an der französischen Atlantikküste lieben gelernt haben musste. Gustaves Briefe von damals und die Faszination, die ihre eigene Korrespondenz mit dessen Sohn Paul auf Emma ausübt, lassen sie knapp vor ihrer Hochzeit am vorgezeichneten Lebensweg als Ehefrau zweifeln. In der Normandie ist Paul über die Nachricht vom Doppelleben seines Vaters ebenso bestürzt wie Emma und sucht Rat beim Beichtvater der Familie.


    Auf vier Zeitebenen (die betagte Emma der Gegenwart, die junge Emma 1928, Josephine 1903, Paul in der Gegenwart) führt Amélie Breton ihre Leser in eine faszinierende Epoche technischer Entwicklungen und gesellschaftlicher Veränderungen. Starre Klassenschranken und unzeitgemäße Normen verwehrten vielen den Zugang zur modernen Welt – speziell den Frauen. Emma muss das leidvoll erfahren; denn sie hat mit 22 Jahren nur die Wahl ihrem Vater zu gehorchen oder einem Ehemann. Allein lebende Frauen, die sich in der Folge des Ersten Weltkriegs ihr Schicksal nicht aussuchen konnten und ihren Lebensunterhalt zu verdienen haben, sehen sich der Verachtung des gutsituierten Bürgertums ausgesetzt.


    Eine für die Zeit der Handlung passende Sprache, weniger direkt als wir es heute gewöhnt sind, und die besondere Rolle der Briefe in Liebesbeziehungen nehmen Bretons Leser mit auf eine faszinierende Zeitreise. Unterschiedlichste Themen werden kurz angerissen: die Entwicklung von Automobilen und Flugzeugen, das Entstehen von Großunternehmen, Mode, Literatursalons, soziales Engagement der Gattinnen wohlhabender Bürger, Entwicklung einer kritischen Presse, die Geschichte französischer Seebäder und schließlich das Aufbegehren von Frauen gegen die Gängelung durch Ehemänner und selbst ernannte Moralinstanzen.


    Emma Pfeiffer wirkt als junge Frau ohne Beruf, die nur auf ihre Verheiratung wartet, aus heutiger Sicht mitleiderregend. Obwohl Emma spätestens mit ihrer Heirat einen eigenen Haushalt führen muss, scheint der väterliche Haushalt ohne ihre Führung beinahe von selbst zu funktionieren. Die Hausdame Margarete wirkt im Hause Pfeiffer in einer Person als Emmas gebildete Gesellschafterin, Haushälterin, Köchin und Wäscherin - eine sehr unrealistische Annahme, wenn man den Erzählungen unserer Großmütter und Großtanten gelauscht hat, die diese Arbeiten in den Häusern der Wohlhabenden leisteten. An dieser Stelle wirkt der zeitliche Hintergrund unglaubwürdig.


    Fazit
    Ein Liebesroman vor romantischer historischer Kulisse, in dem Liebesbriefe eine entscheidende Rolle spielen, verspricht leichte, angenehme Urlaubslektüre. Bis zur kaum überraschenden Auflösung des Geheimnisses von Josephine und Paul bleibt die Handlung durchgehend spannend. Im Kontrast zum gelungenen Plot überzeugen nicht alle Figuren durch Glaubwürdigkeit (wie Margarete). Um das Buch mit sehr gut zu bewerten, hätte es mich nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich beeindrucken müssen. Die üppige Verwendung nichtssagender Adjektive lässt die Sprache an einigen Stellen konventionell bis trivial wirken. Ein blauer Himmel am Meer bedient ein Klischee, interessanter wären Farbtöne oder Stimmungen, die die Leser nicht ohnehin mit dem Gedanken an das Meer verbinden.


    7 von 10 Punkten