Willa Cather: Sapphira und das Sklavenmädchen

  • Willa Cather: Sapphira und das Sklavenmädchen
    btb Verlag 2011. 256 Seiten
    ISBN-13: 978-3442743049. 9,99€
    Originaltitel: Sapphira and the Slave Girl (engl. 1940)
    Übersetzerin: Elisabeth Schnack


    Verlagstext
    Willa Cathers letzter Roman ist das eindrückliche Porträt der Südstaaten am Vorabend des Bürgerkriegs und kann in einem Atemzug mit Margaret Mitchells „Vom Winde verweht“ genannt werden. Im Zentrum steht der Konflikt zweier ungleicher Frauen: Sapphira, die eisern am sozialen Gefüge des Südens festhält und sich mit allen Mitteln gegen die neue Zeit stemmt. Und Nancy, das Sklavenmädchen, dem ein Verhältnis mit Sapphiras Mann nachgesagt wird.


    Die Autorin
    Als Achtjährige übersiedelte Willa Cather (1873–1947) mit ihren Eltern von Virginia nach Nebraska, wo sie mit der unermesslichen Prärie, aber auch mit den dortigen Einwanderern aus der Alten Welt Bekanntschaft schloss. Diese Erfahrungen eines Neben- und Miteinander verschiedener Ethnien, Religionen und Kulturen prägten sie tief. Obwohl sie als Lehrerin, Redakteurin und später als erfolgreiche Schriftstellerin vor allem in New York lebte, spielen ihre Werke meist in der heroischen Weite der Prärie des amerikanischen Westens und Südwestens, der sie so ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Willa Cather erhielt den Pulitzer-Preis und gilt als eine der großen amerikanischen Erzählerinnen.


    Inhalt
    Nach Sapphira Colberts Tod fragten sich alle, die sie kannten, ob es ein Fehler gewesen war, dass sie aus Loundoun County hierher gezogen und mit ihrem Mann die Mühle in Back Creek/Virginia übernommen hatte. Sapphira wirkte stets eine Spur zu fein für das abgelegene Bergtal. Die Mühle mit den umliegenden Ländereinen hatte Sapphira geerbt, ihr Mann Henry arbeitete sich in den ungewohnten Beruf erstaunlich gut ein und genoss hohes Ansehen im Ort. Wie es in jener Zeit üblich war, verfügte Henry über Mühle und Farm, obwohl das Vermögen und einige Sklaven Sapphira mit in die Ehe gebracht hatte. Sapphira war sehr wohl in der Lage, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, beschränkte sich nach ihrer Heirat jedoch darauf, den Haushalt zu führen und die Sklaven im Haus zur Arbeit anzuleiten. Kutscher, Gärtner, Mühlenarbeiter, Hausmädchen gehören zum Haushalt der Colberts.


    Wer bei den Colberts rein juristisch gesehen welche Entscheidungen zu treffen hat, wird zur schicksalsträchtigen Frage, als es im Jahr 1856 einen Konflikt um die Mulattin Nancy gibt. Sapphira will Nancy verkaufen und hält die Gründe dafür lange verborgen. Die Sklaven gehören zwar Sapphira, aber Henry als Landbesitzer müsste im Fall eines Verkaufs den Kaufvertrag unterschreiben. Aus religiöser Überzeugung ist Henry Gegner der Sklaverei. Er ist sich jedoch auch des Problems bewusst, dass Sklaven seit Generationen nur Anweisungen ausgeführt haben und sich nun kaum von einem Tag auf den anderen selbst um Arbeit und Unterkunft kümmern können. Henry will auf keinen Fall einen seiner Leute verkaufen, deren Familien seit Generationen für seine Familie gearbeitet haben. Er persönlich will auf niemanden verzichten, mit dem er zusammenarbeitet und an den er gewöhnt ist. Sapphira spielt im Konflikt nicht mit offenen Karten, wie beim Blick auf die unterschiedlichen Ansichten zum Fall Nancy deutlich wird. Forciert wird die komplizierte Situation durch die damalige Ansicht, dass schwarze Frauen, die vom Besitzer oder einem anderen Weißen missbraucht werden, die Verantwortung für eine wahrscheinliche Schwangerschaft selbst zu tragen hatten. Die - abhängige - Sklavin trug moralisch die Schuld; der Täter konnte unbeirrt weitermachen. Als dritte Partei im Konflikt tritt die verwitwete Tochter Rachel der Colberts auf, die mit zwei kleinen Töchtern wieder auf dem Besitz ihrer Eltern lebt.


    Nach einem Zeitsprung von 25 Jahren tritt die Autorin selbst in ihren Roman und erzählt die Geschichte zu Ende, so als hätte sie sie als kleines Mädchen in der Küche ihrer Eltern vom Hauspersonal erfahren. Die Figur der Rachel, die im Roman stets Mrs. Blake genannt wird, soll stark an Willa Cathers Großmutter angelehnt sein.


    Fazit
    Willa Cather erzählt für die damalige Zeit alltägliche Ereignisse, die alles andere als banal sind. Cather hat sich in einer Rede sehr kritisch zum amerikanischen Roman geäußert, in dem es immer nur darum ginge, wer am Ende wen bekommt. Dagegen stellt sie den russischen Roman, in dem das Land lauter spräche als die Menschen. Cather erzählt ruhig, fast distanziert, mit großer Liebe zu Details, die ein äußerst lebendiges Bild jener Zeit entstehen lassen und in denen die Landschaft eine entscheidende Rolle spielt. Man kann Cather als Schöpferin starker Frauenfiguren sehen; ich finde die Figur des Henry Colbert und des Hauspersonals ebenso gut gelungen. „Sapphira und das Sklavenmädchen“ hat als Klassiker nichts an Aktualität verloren. Das Buch erzielt seine Wirkung durch die Nähe der Autorin zu Zeitzeuginnen der Epoche vor dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865). Zwischen der mündlichen Überlieferung, die in Cathers Schreiben einfließt und dem Versuch zeitgenössischer Autoren, Lesern von heute die Atmosphäre jener Zeit zu vermitteln, liegen Welten.


    Zitat
    Wir hatten drei Küchentische: einen, um das Brot zu kneten, einen anderen, um Kuchen und Pastetenteig zu machen, und einen dritten mit einer Zinkplatte, um Geflügel und Kaninchen zu zerlegen und Truthähne zu füllen. In den hohen Wandschränken wurden Zucker, Gewürze und Lebensmittel aller Art untergebracht; unsere Farmwagen holten große Vorräte davon aus Winchester. Hinter den Türen eines ganz besonderen Eckschränkchens bewahrte man Krüge mit Kognakfrüchten auf, und Glaskrüge enthielten Ingwer und in Whiskey getränkte Orangenschalen. Eingemachtes Gemüse und Früchte, die nicht in Alkohol konserviert waren, standen in einem kalten Keller: Ein richtiger Bach floß durch ihn hindurch!“ (Seite 237)


    10 von 10 Punkten