Sie sind erwacht [Sleeping Giants] - Sylvain Neuvel

  • Ein kleines Mädchen radelt Abends durch den Wald, als sie ein seltsames Licht bemerkt. Sie geht nachsehen und fällt in einen Krater auf eine riesige, metallene Hand. Als Erwachsene wird sie die Forscherin, die die Hand untersucht um den Ursprung und die Funktion des Artefakts zu ergründen. Schnell stellt sich heraus, das die Hand uralt, extraterrestrisch und Teil von etwas viel Größerem ist.


    Das Buch benutzt eine interessante Erzählweise. Die komplette Erzählung erfolgt in Interviews und persönlichen Berichten. Dabei ist der Interviewer nicht einfach ein Statist, sondern integraler Bestandteil der Handlung.
    Die Interviews sind auch nicht so trocken wie man vermuten mag. Die Dialoge fliesen gut. Tatsächlich erlaubt diese Erzählweise, den Fokus beliebig auf die persönliche Ebene der einzelnen Forschungsmitglieder zu lenken, aber auch zu erweitern auf eine global politische Ebene. Durch den Einstiegspunkt in das Interview und die Teilweise entstehenden Lücken zwischen den Berichten entsteht viel Spannung und Geheimnisse. So erfahren wir persönliche Dramen und globale Konflikte gleichermaßen und können beides als gleichermaßen relevant und notwendig wahrnehmen.


    Das Buch schneidet viele interessante Themen an. Es geht darum, wie Moral und Politik Forschung beeinflussen kann oder muss. Was man bereit ist für Wissen und Fortschritt zu riskieren und zu opfern. Wie eine überragende Waffe die Weltpolitik beeinflussen würde. Die Verantwortung des Einzelnen.
    Das Schöne ist auch, das einem die Erkenntnisse nicht mit einem moralischen Zeigefinger vorgehalten werden. Man bekommt ein paar Hinweise und ein paar harte Fakten, aber das Buch lässt einen seine Schlussfolgerungen selbst treffen.
    Der Interviewer, der Erzähler, ist nicht zuverlässig, da er zu sehr in der Geschichte involviert ist. Wir können nicht genau sagen, wo er lügt und wo die Wahrheit sagt. Das Buch erwartet, das wir unsere eigene Meinung bilden.


    Trotz seiner Distanz hat das Buch übrigens durchaus ein paar spannende Stellen. Besonders die Benutzung von Live-Telefonmitschnitten funktioniert da gut.
    Alles in allem scheint das Buch aber unsere Objektivität zu verlangen, was natürlich in dieser Berichtsform am besten möglich ist.



    Ich bin sehr begeistert von diesem Buch. Ich hatte erst meine Zweifel, ob ein Buch aus Interviews einen zusammenhängenden Narrativ liefern kann, aber die Antwort ist ja, das geht. Und es geht noch mehr. Die Flexibilität in Fokus und die Tiefe der Themenbereiche hat mich sehr erfreut.
    Zusätzlich ist das Cover eins der schönsten, die ich je gesehen habe. Man kann es auf den Bildern nicht erkennen, aber die Sterne glitzern. Ein sehr schöner Effekt für ein tolles Buch:
    10 von 10 Punkten.


    Edit: Angaben der deutschen Ausgabe ergänzt. LG JaneDoe

    "I have to finish this report to the princess summarizing all my other reports to the princess."

  • Ich lese nur selten SciFi, aber hier hat mich der Klappentext und sofort angesprochen. Ich hatte vor Wochen schon eine englische Leseprobe gelesen und war furchtbar neugierig. Das Buch entwickelt sich dann auch recht spannend. Überall auf der Welt sind Teile eines riesigen Roboters versteckt. Seine Technologie ist unserer weit voraus, selbst das Material ist unbekannt. Schon bald wird klar, das nur Außerirdische ihn gebaut und zurückgelassen haben können. Eine so mächtige Waffe ist gefährlich. Wer sie besitzt hat einen eindeutigen Machtvorsprung und ist unschlagbar. So wird der Roboter schon bald auch ein Streitpunkt unter den Staaten.


    Was den Roman vor allem auszeichnet, ist seine ungewöhnliche Erzählstruktur. Die Charaktere interagieren untereinander nur in Form von direkten Dialogen, Interviews. Zwischendurch gibt es auch kurze Tagebucheinträge. Längere Passagen sind selten. Das ist nicht wirklich neu, es gibt viele Bücher, die in Form von Interviews oder ähnlichem erzählt werden. Problematisch bei dieser Erzählform ist oft, das eben nur erzählt und erklärt wird. Die Handlung wird nicht wirklich gezeigt. Das macht mir meistens nichts aus, auch hier fand ich es nicht weiter störend. Zuerst wirkte das Ganze etwas distanziert und unterkühlt auf mich. Hauptakteur ist ein namenloser mysteriöser Mensch, der die ganze Aktion im Hintergrund leitet und Kontakte zu allen möglichen Leuten hat, inklusive dem amerikanischen Präsident. Er ist zu Beginn fast selber wie ein Roboter. Erst nach und nach schleicht sich persönliches ein, er wird zunehmend sarkastisch und zeigt seinen Sinn für Humor. Auch lernen sich die Charaktere untereinander besser kennen und so werden ihre Gespräche menschlicher und persönlicher. So findet trotz des schwierigen Stils eine Charakterentwicklung statt.


    Die Story selber ist spannend und nicht sehr alienlastig. Die technischen Dinge halten sich in Grenzen und die politischen Verwicklungen ebenso. Zudem passiert auch viel im Hintergrund. Die Kapitel heißen „Files“ und sind durchnummeriert. Allerdings fehlen immer mal wieder Files. So kommt nach File 31 File 33. Wo ist denn die 32? Oder nach 129 folgt 141. Da wird uns Lesern wohl nicht alles erzählt.


    Der Handlung dieses Buchs endet fast sogar rund. Man könnte es dabei belassen. Aber im Epilog macht uns der Autor gleich neugierig auf das Folgeband.


    Ich weiß nicht, ob richtige SciFi-Leser mit diesem Buch zufrieden sein werden. Dafür mag es Lesern wie mir, die eigentlich selten in diesem Genre unterwegs sind, gefallen. Vergleiche zum „Marsianer“ finde ich unpassend. Die Bücher ähneln sich kein bisschen. Mir hat das Buch gut gefallen, es liest sich sehr flüssig und ich habe an den Figuren und der Sache rund um den Roboter großen Anteil genommen. Ich bin schon sehr gespannt auf das nächste Buch. Im Englischen ist es schon angekündigt.


    Ein Wort noch zum Cover: Es ist zwar ohne rechten Bezug, aber dieses mechanische Auge ist faszinierend und wunderschön gestaltet. Ich fand ja schon das englische Originalcover sehr schön und mysteriös, aber das Deutsche ist wirklich sehr gut gelungen.