Madeleine Thien: Einfache Rezepte. Erzählungen

  • Madeleine Thien: Einfache Rezepte. Erzählungen
    btb Verlag 2009. 208 Seiten
    ISBN-13: 978-3442740284. 8€
    Originaltitel: Simple Recipes
    Übersetzerin: Almuth Carstens


    Verlagstext
    In wunderbaren, ergreifenden Geschichten spürt die kanadische Schriftstellerin Madeleine Thien den oft krummen Wegen der Liebe nach. Mit wenigen Strichen fängt sie entscheidende Szenen des Familienlebens ein, ob in der Kindheit oder bei Erwachsenen, und zeigt erschreckend klar, wie Nähe, Vertrauen und Zuneigung den Menschen erst empfänglich machen für den Schmerz.


    Die Autorin
    Madeleine Thien wurde 1974 in Vancouver, British Columbia, geboren. Ihre Eltern stammen aus Malaysia und China und emigrierten in den 1960ern nach Kanada. Als Kind begann Thien mit Ballett, Stepptanz und Akrobatik, später studierte sie Tanz, wechselte dann 1994 über zu Literatur. Ihr erstes Buch "Einfache Rezepte", eine Sammlung von Kurzgeschichten, wurde mit vier kanadischen Literaturpreisen ausgezeichnet, und ihr Debütroman "Jene Sehnsucht nach Gewissheit" wurde in sechzehn Sprachen übersetzt. 2010 erhielt Madeleine Thien den Ovid Festival Prize. Madeleine Thien lebt in Montreal.


    Inhalt
    Ein Vater kocht für seine Familie. Er wäscht den Reis, sammelt ein paar kleine Körner heraus, füllt den Reis in einen Topf und bedeckt ihn mit Wasser. Das Wasser muss bis zum ersten Knöchel seines auf den Reis gesetzten Zeigefingers reichen, damit der Reis genau dann gar sein wird wenn das Wasser verdunstet ist. Die Erzählerin der Geschichte hat diese täglichen Handgriffe als Kind immer wieder beobachtet. Sie selbst wird diese Hingabe an eine einfache Tätigkeit nicht lernen, wie sie auch die Muttersprache der Eltern nicht lernen wird, die als Flüchtlinge aus Malaysia nach Kanada gekommen sind. Die Routinetätigkeit scheint nicht wichtig genug, um sie zu erlernen, vielleicht isst man in Kanada auch keinen losen Reis. Über den beschriebenen Vater und seine Familie würde ich am liebsten hunderte von Seiten lesen. Hätte ich nicht Madeleine Thiens Romane schon gekannt, hätte sie mich mit dieser Beschreibung sofort am Haken gehabt.


    Thiens Figuren sind Jugendliche und junge Erwachsene, deren Eltern als Immigranten aus Asien in einem neuen Land nie vollständig heimisch werden. Ihre Heimatlosigkeit kommt als Entfremdung und Hilflosigkeit gegenüber den Kindern zum Ausdruck. In einer Geschichte schwebt die Angst vor Gewalt und Missbrauch drohend über einer Freundschaft zwischen Jugendlichen. Ein Mädchen leidet unter der langen Abwesenheit des Vaters, der monatelang in fernen Wäldern als Holzfäller arbeitet. Sie und ihre Schwester hoffen, dass alles besser sein wird, wenn sie selbst älter sind, und erkennen, dass der Vater dieses Leben auf sich nimmt, um auch ihren Lebensunterhalt zu verdienen.


    Fazit
    Durchgehendes Thema der Erzählungen sind Erwartungen von Einwanderern an ihre Kinder, endlich die Träume ihrer Eltern nach einem besseren Leben zu erfüllen und die Einsamkeit dieser Kinder. All das ist fein beobachtet und atmosphärisch dicht niedergeschrieben.


    9 von 10 Punkten