Adrian J Walker: Am Ende aller Zeiten

  • Adrian J Walker: Am Ende aller Zeiten
    FISCHER Tor 2016. 432 Seiten
    ISBN-13: 978-3596037049. 14,99€
    Originaltitel: The End of the World Running Club
    Übersetzer: Nadine Püschel und Gesine Schröder


    Verlagstext
    Wie weit würdest du gehen … für die, die du liebst? Adrian J. Walker hat mit „Am Ende aller Zeiten“ einen postapokalyptischen Roman geschrieben, in dem ein ganz normaler Familienvater vor die größte Herausforderung seines Lebens gestellt wird.


    Der Autor
    Adrian J Walker wurde Mitte der 70er Jahre in einem Vorort von Sydney geboren, verbrachte aber einen guten Teil seiner Jugend in England. Er studierte in Leeds, arbeitete als Informatiker und lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in London.


    Inhalt
    Ein Meteoritensturm hat die britischen Inseln verwüstet. Ein Jahr zuvor schon wurden von Astrophysikstudenten verdächtige Veränderungen in der Nähe eines Jupitermondes beobachtet. Die folgende Hitzewelle fackelte das Land förmlich ab. Selbst Zahlen der Toten und Überlebenden könnten das Ausmaß dieser Katastrophe nicht begreifbar machen.


    Der Icherzähler Ed konnte sich allein in ein Haus retten, das kurz davor ist, ins Meer abzurutschen. In seinem begrenzten, winzigen Universum könnte er der einzige Überlebende sein, abgeschnitten von Informationen aus der Außenwelt. Vor der Katastrophe war Ed ein verbitterter, übergewichtiger Mann, ausgelaugt von Beruf, dem täglichen Pendeln und den Ansprüchen seiner Frau und seiner Kinder. Eds Gedanken schweifen zurück zu dem Tag, der für ihn das Ende der Zivilisation werden sollte. Im zerstörten Edinburgh gab es keinen Strom mehr, die meisten Bewohner waren von der unvorstellbaren Hitzewelle getötet worden, Überlebende flüchteten aus der Stadt. „Wenn der Wind weht“, Geschichte einer Atomkatastrophe, hatte Ed als Kind lange Alpträume bereitet. Nun verschanzt er sich mit Frau und Kindern in einem Kellerraum – ein sinnloses Unterfangen, wenn man keine Vorräte angelegt hat. Für das Überleben seiner Familie ist von Ed nichts zu erwarten, in technischen Fragen ist er ein Versager. Bei der angeblichen Evakuierung ganz Englands wird Ed von Beth und den Kindern getrennt und schlägt sich seitdem auf der Suche nach seiner Familie allein durch. Er will unbedingt den Süden Englands erreichen, ehe die Evakuierten das Land per Schiff verlassen werden.


    Jedes apokalyptische Szenario ist zeitlich begrenzt; weil die Menschen den Wettlauf um Wasser und Lebensmittel zwangsläufig verlieren werden. Wenn alle auf der Flucht sind, wer kann Lebensmittel anbauen, Verletzte pflegen oder seine Gruppe gegen Konkurrenten verteidigen? Wer hätte die körperliche Konstitution, eine Krise in diesem Ausmaß durchzustehen? Wem kann man Glauben schenken, wie interpretiert man die Motive konkurrierender Gruppen richtig? Wer führt, wer entscheidet, wer sorgt für Disziplin? Schon bald gibt es nichts mehr zu entscheiden, weil andere längst entschieden haben. Wie zu erwarten war, schließt Ed sich auf seinem Pilgerweg ans Meer anderen Flüchtlingen an. Er kämpft mit allen Mitteln um seinen Platz, getrieben von der Sehnsucht nach seiner Familie. Ein Briefträger aus dem australischen Outback und eine ehemalige Soldatin bringen ihre Fähigkeiten ins Team ein; die Gruppendynamik ähnelt einem verminten Gelände.


    Fazit
    Adrian J Walkers postapokalyptische Geschichte des 35-jährigen Schotten Ed wirkt äußerlich wie eine vollgeschriebene Kladde, deren ausgefranste Blätter von einem Gummiband (in geprägter Lackoptik) zusammengehalten werden. Der Kampf kleiner Gruppen Überlebender gegeneinander hält den Spannungsbogen in Walkers Endzeitroman gespannt, auch wenn ein Icherzähler sicher überleben wird, um seine Geschichte niederschreiben zu können. Das höchst emotionale Ende ließ für mich die Frage offen, ob Ed sich auf seinem Weg auch persönlich weiterentwickelt hat.


    7 von 10 Punkten

  • Dystopien waren vor ein paar Jahren schwer angesagt aber der Hype war so schnell vorbei wie er begonnen hat. Im Schlepptau von "Die Tribute von Panem" kamen etliche kreative und spannungsgeladene Romane aber auch allerhand hanebüchener Quatsch in die Buchhandlungen. Wie die Welt nach einem Weltuntergang aussieht, ob nun von der Natur oder vom Mensch verursacht ist im Prinzip piepegal, und wie sich die gruselige Realität der Postapokalypse den wenigen Überlebenden präsentieren wird weiss niemand. Jeder von uns hat seine eigenen Visionen wie diese aussehen könnte. Manche von uns haben spektakuläre Phantasien andere haben eher nüchterne Vorstellungen. Was sich in unseren Köpfen für Gedanken abspielen hat also eine riesige Bandbreite. Der Autor Adrain J. Walker hat seine ganz persönliche Utopie in diesem Buch niedergeschrieben und je nachdem wie sie sich mit unseren Vorstellungen deckt, dürfte die Bewertung für diesen Endzeitroman ausfallen. Ich bin der Meinung, der Autor hat einen guten Mittelweg zwischen Spektakel und Pragmatismus gefunden und erzählt eine gute bis sehr gute Geschichte.


    Im Zentrum der Handlung steht Edgar und seine Familie die in Edinburgh leben. Edgar ist Mitte dreissig und sein Leben ist bereits festgefahren. Vor seinen väterlichen Pflichten drückt er sich wo er nur kann und er schiebt den nicht vorhandenen Stress in seinen nutzlosen Job in einem überflüssigen Konzern als Ausrede vor. Seine körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ebenso rapide ab wie sein Gewicht in die Höhe schnellt. Wahrscheinlich ein Mensch wie es Tausende von seiner Sorte gibt. Ein Normalo der nicht fähig ist, eine Geschichte über 400 Seiten zu prägen und auf seinen Schultern zu tragen. Gut dass ihm der Autor nach dem Inferno des Weltuntergangs durch einen Asteroiden- und Meteoritenregen weitere Personen zur Seite stellt die ihm tragen helfen. Ein kleines Grüppchen Überlebender versucht zu Fuss vom schottischen Edinburgh ein paar hundert Kilometer an die südliche Küste Englands zu gelangen. Gerüchtehalber soll es dort Schiffe geben, die Überlebende auf die weniger verwüstete Südhalbkugel evakuieren. Edgars Frau und seine zwei Kinder konnten durch Zufall in einen Rettungshelikopter einstiegen und wurden nach Südengland gebracht. Vom Gedanken des Wiedersehens beseelt, quälen sich Edgar und seine Mitstreiter als eine Art Laufgruppe am Ende aller Zeiten durch eine kraterverseuchte und entvölkerte Welt Richtung Süden und sie treffen immer wieder auf merkwürdige Menschen die die Katastrophe überlebt haben.


    Der Schriftsteller Adrian J. Walker pflegt einen eingängigen Schreibstil und er schweift regelmässig für ein paar Zeilen in die Gedankenwelt seiner Protagonisten ab um dann in die bittere Realität zurückzukehren. Dies macht die Figuren menschlich und bringt sie dem Leser näher. Das es allesamt keine Superhelden mit kolossalen Fähigkeiten sind sondern normale Bürger wie du und ich hat mir ungemein gefallen. Das Aussergewöhnliche an dieser Geschichte sind die Einsprengsel zum Laufen die der geniale englische Buchtitel "The End of the World Running Club" in sich trägt und der auf Deutsch wieder einmal fehlt. Schade, dass der Verlag nicht den Mut hatte den Titel mit "Laufgemeinschaft" oder etwas ähnlichem zu ergänzen. Ansonsten scheint mir der Roman tiptop übersetzt zu sein und an dieser Stelle ein Lob an die beiden Übersetzerinnen die die Aura der Geschichte einfangen und in die deutsche Sprache übertragen konnten. Erwähnen möchte ich noch, dass die Geschichte ein eher ungewöhnliches Ende findet. Etwas abrupt als hätte der Autor huschhusch ein Ende finden müssen aber warum nicht? Ich kann mich mit dem Schluss gut arrangieren.


    Mir persönlich hat dieser Roman unheimlich gut gefallen weil er pageturner Qualitäten besitzt die mit ruhigeren Passagen einhergehen. Eine überzeugende Mischung die für spannende Lesestunden sorgt. Trotz des vielen Lobes mache ich in der Wertung einen Abzug da es mir letzten Endes an einer originellen Idee fehlt. Wo ist der zündende Gedanke, wo ist die innovative Szene die diese Geschichte zu einem absoluten Unikat machen? Leider fehlt dieser letzte Zwick Individualität den es für eine noch bessere Bewertung braucht. Wertung: 8 Eulenpunkte

  • Endzeitschmöker gibt es viele und dieser gehört zu den besseren. Sieht man von den genretypischen Übertreibungen ab, ist das Buch durchaus gelungen. Die Dezemberkälte und das eiskalte Meer Britanniens scheinen den Helden nichts auszumachen, was wohl daran liegt, dass der Autor in Australien geboren wurde. Never mind, darüber schauen wir großzügig hinweg – in diesen Thrillern verfügen die Helden eben über mehrere Leben.


    Der Plot ist schlüssig und die Umsetzung ist spannend. Es gibt auch nachdenklich machende Momente und genau diese haben mir am besten gefallen. Wenn die Welt zusammengebrochen ist, reduzieren sich die Bedürfnisse des Menschen aufs Überleben. Aus dieser Perspektive erscheint uns das von Smartphone und Internet bestimmte Leben der Wohlstandsbürger lächerlich. Und man stellt sich als Leser tatsächlich die Frage, was denn wirklich wichtig ist im Leben: Die Sorgen, die uns den Kopf zumüllen, erscheinen uns plötzlich ebenso überflüssig wie unsere Gewohnheiten, mit denen wir unseren Körper vergiften und unser Leben versauen.


    Kein Happy End – oder vielleicht doch, denn der Verfasser lässt es uns zu Ende denken.