Lob des Schattens - Tanizaki Jun'ichiro

  • Klappentext / Kurzbeschreibung des Buches
    Aussen
    «Wie ein phosphoreszierender Stein, der im Dunkel glänzt, aber bei Tageshelle jeglichen Reiz als Juwel verliert, so gibt es ohne Schattenwirkung keine Schönheit.»


    Am Beispiel des Umgangs mit Licht und Schatten gelingt Tanizaki Jun’ichiro der faszinierende Entwurf einer japanischen Ästhetik. Kunstfertig und mit Leichtigkeit ergründet sein Essay die Wurzeln fernöstlicher Schönheit.


    Innen
    Ob Gärten, Häuser oder Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs – im Umgang mit Licht und Schatten liegt der Schlüssel zum Verständnis japanischer Ästhetik. Gerade das Halbdunkel und die irritierende Düsternis bringen den Glanz bestimmter Materialien aufs Eindrücklichste zur Geltung. Die Eleganz lackierter Flächen, das Glitzern der Gold- und Silberfäden alter Gewebe entfalten sich ausschließlich im Schattenspiel zwischen den Objekten. Farbe und Struktur japanischen Papiers rückt erst der Dämmerschein ins rechte Licht. «Das, was man als schön bezeichnet, entsteht in der Regel aus der Praxis des täglichen Lebens heraus. So entdeckten unsere Vorfahren, die wohl oder übel in dunklen Räumen leben mussten, irgendwann die dem Schatten innewohnende Schönheit, und sie verstanden es, den Schatten einem ästhetischen Zweck dienstbar zu machen», erklärt Tanizaki Jun’ichiro.


    Einen besorgten Blick richtet er Richtung Westen. Denn was bedeuten der Siegeszug des elektrischen Lichts und gleißender Helligkeit für die jahrtausendealten Schönheitsvorstellungen seiner Heimat? An der Wende zur Moderne geschrieben, wurde Tanizakis berühmter Essay zum «ästhetischen Testament Japans» (Neue Zürcher Zeitung).


    Titel der japanischen Ausgabe: In'ei-raisan (1933)



    Der Autor
    Tanizaki Jun'ichiro (1886-1965) wurde in Tokio geboren. Beide Eltern stammten aus alten Kaufmannsfamilien. Der hochbegabte Jun'ichiro, der schon in der Schule durch stilistische Glanzleistungen Aufsehen erregt hatte, studierte in Tokio englische und japanische Literatur. Er verließ die Universität jedoch ohne Abschluss und entschied sich für die Schriftstellerlaufbahn. Beeinflusst von Oscar Wilde, Edgar Allan Poe, Charles Baudelaire und seinem Lehrer Nagai Kafu nahm er von Anfang an einen antinaturalistischen Standpunkt ein und wurde zum Bannerträger des Ästhetizismus. Sein Hauptthema ist die Suche nach Schönheit und nach einer oft übersteigerten, sich am Rande des Abartigen bewegenden Sinnlichkeit und Erotik.
    1923 zog er in das Gebiet von Kyoto-Osaka und wandte sich vermehrt der traditionellen Kultur zu. Sein Hauptwerk, der umfangreiche Familien- und Gesellschaftsroman «Sasame yuki» («Feiner Schnee»), entstand 1943-1948. Tanizaki schreibt eine breit angelegte, kraftvolle, präzise Prosa.
    Der lange Essay «In'ei raisan» («Lob des Schattens», 1933) ist ein Schlüsselwerk für Tanizakis Ästhetik, zeugt sowohl von seinem ausgeprägten Sensualismus wie für seine Hinwendung zur Tradition und reflektiert in einzigartiger Weise die Situation des Umbruchs, die Spannung zwischen Alt und Neu, zwischen Ost und West, in der sich Japan in den dreißiger Jahren befand und noch heute befindet.


    Der Übersetzer
    Eduard Klopfenstein, geb. 1938, lehrte Japanologie an der Universität Zürich. Er machte sich u.a. mit der Übersetzung klassischer Tanka sowie zeitgenössischer japanischer Dichter einen Namen. Für seine vielfältigen Bemühungen um die Vermittlung der japanischen Kultur wurde er 2010 mit dem Orden "Order of the Rising Sun" ausgezeichnet.



    Eigene Meinung
    Man muss dieses Buch im Zusammenhang mit der Zeit in der es geschrieben wurde sehen: 1933. In Deutschland war das die Zeit in der sich Hitler etablierte, in Japan ist es die ShMwa-Ära in der Japan versucht, sich als asiatische Kolonialmacht im Nordosten Chinas einzurichten. Eine Zeit, in der noch nicht alles, aber doch schon vielen elektrifiziert ist.
    Tanizaki bedauert, dass die elektrische Beleuchtung, die sich mehr und mehr ausbreitet, die optische Stille der halbdunklen Räume vertreibt. Bunte Farben, Vergoldungen und ähnliches werden viel offensichtlicher und schimmern nicht nur leicht aus dem Halbdunkel heraus, wie es bei Beleuchtung mit Kerzen oder Petroleumlampen der Fall wäre. Er beschreibt in seinem Essay in der Tat ein Lob auf den Schatten, das Halbdunkel, das nur Angedeutete, etwas, das der Fantasie noch Raum gibt, etwas, das mehr Zeit und Ruhe für die Betrachtung erfordert.
    Des weiteren zieht der Autor gerne einen Vergleich zwischen der asiatischen Ansicht von 'schön' und der westlichen, schattenfreien Ansicht.


    Ein Buch, das sich leicht liest und doch zum Nachdenken anregt. Wie war es wohl in Europa, bevor die elektrische Beleuchtung Einzug gehalten hat? Wie sahen Räume, Bekleidung und Gesichter in reinem Kerzenlicht aus? Was war ohne Radio und Fernsehen an Ruhe vorhanden?


    Für mich: Unbedingt empfehlenswert!


    Vielleicht sollte ich heute abend mal die Lampen, den Laptop und den Fernseher aus lassen und nur ein paar Kerzen anzünden....