Schützenfest - Gabriele Stave

  • Wie wohltuend, mal wieder einen Standalone-Krimi zu lesen! :-)


    Kurzbeschreibung:
    Berlin 1923: Kriminalrat Eugen Ruben hat keine Lust mehr auf Mord und Totschlag - er zählt nur noch die Tage bis zu seiner Pensionierung. Doch dann flattert ihm ein Amtshilfeersuchen der Potsdamer Behörden auf den Tisch, und Ruben will es allen noch mal zeigen: Es geht um einen seltsamen Todesfall. Der Pianist Johannes Steinbrück wurde auf einem Schützenfest in Rhunow erschossen. Der Akte nach handelt es sich um einen Unfall, aber der Kriminalrat kommt zu einem anderen Ergebnis: Mord aus Eifersucht, befindet er und bringt dafür den Chauffeur Willi Pollanz hinter Schloss und Riegel. Doch schon bald bedrängen ihn Zweifel. Und als dann eine zweite Leiche in Rhunow gefunden wird, beginnt er erneut zu recherchieren...


    Über die Autorin:
    Gabriele Stave, geboren 1948 in Berlin, studierte Journalistik an der Universität Leipzig. Sie arbeitete u. a. für die 'Wochenpost', die 'Neue Berliner Illustrierte', die Satirezeitschrift 'Eulenspiegel', als Autorin für Kinderbücher, Hörfunk und TV sowie für Ausstellungen und Kataloge. Gabriele Stave lebt als freiberufliche Schriftstellerin und Journalistin in der Nähe von Berlin.


    Meine Meinung:
    1923 war ein unruhiges Jahr für Deutschland - es brodelte an allen Orten und die Unzufriedenheit der Menschen entlud sich in zahlreichen Aufständen und Putschversuchen gegenüber der Weimarer Republik. Die Inflation trug zu der Angst und Unzufriedenheit der Bevölkerung bei: Ein Brot kostete im Mai in Berlin noch 474 Mark, im November schon 5,6 Milliarden Mark. Kein Wunder, dass die Menschen ihr Geld schleunigst in Naturalien umsetzten, um zu verhindern, dass sie abends nichts mehr für ihre Wäschekörbe voller Geldscheine bekommen.


    Während die Menschen im geschäftigen Berlin kaum Zeit haben, die politische Entwicklung zu verfolgen, pflegt man im beschaulichen Rhunow nahe Potsdam alte Traditionen. Das jährliche Schützenfest gehört zu den Höhepunkten im Veranstaltungskalender und wird auch von zahlreichen Berlinern besucht, die immer gerne einen Ausflug aufs Land machen. Dort bleiben die Leute ansonsten lieber unter sich und hinterfragen kaum ihren - für heutige Leser sehr gewöhnungsbedürftigen Obrigkeitsgehorsam, der fest im Denken der Menschen verankert zu sein scheint.


    Mit ihm bekommt auch Kriminalrat Eugen Ruben zu tun, der hier in Rhunow seinen letzten Fall vor seiner Pensionierung lösen will. Angesichts der dichten Atmosphäre, die Gabriele Stave (nicht nur durch den Berliner Dialekt ihrer Figuren) für ihre Leser erschafft, rückt der Kriminalfall manchmal vielleicht ein bisschen in den Hintergrund. Doch das trübt das Lesevergnügen keinesfalls, denn die meisten Figuren sind so lebensecht gezeichnet, dass man ihnen bei ihrem Tun gerne über die Schulter schaut. Apropos lebensecht: Staves Schreibstil passt sich perfekt der damaligen Zeit an und trägt ihrerseits zur Authentizität der Geschichte bei. Die Auflösung des Falls ist schlüssig und glaubwürdig - genauso wie das Ende der Gerichtsverhandlung, die zwangsläufig nicht für alle einen befriedigenden Ausgang hat.


    Für all jene, die einen historischen Kriminalroman vor atmosphärisch dichter Kulisse zu schätzen wissen und dafür gerne auf Hollywood-Action verzichten, ist "Schützenfest" eine ebenso interessante wie unterhaltsame Lektüre.


    Von mir gibt es dafür 8 Punkte.