Die Fassadendiebe - John Freeman Gill

  • Die Fassadendiebe
    John Freeman Gill
    Berlin Verlag
    ISBN: 978-3827013200
    464 Seiten, 24 Euro


    Über den Autor: John Freeman Gill ist gebürtiger New Yorker. Er schreibt seit Jahren, auch als Spezialist für Architektur und Architekturgeschichte für Zeitungen und Zeitschriften, darunter die New York Times, The Atlantic, The New York Times Magazine, The New York Observer, International Herald Tribune, Premiere, Avenue und The New York Times Book Review. Der in Yale promovierte Autor lebt mit Frau, drei Kindern und - wie er selbst es nennt - »etwas Halbwissen über Wasserspeier« in New York. »Die Fassadendiebe« ist sein erster Roman.


    Amazon-Kurzbeschreibung: Auch weil um ihn herum alles zu bröckeln beginnt, seine Familie, genau wie seine Stadt, hilft der dreizehnjährige Griffin seinem Vater bei dessen Mission. Der schmale, wendige Junge bekommt die Aufgabe, steinerne Art-Deco-Skulpturen und Wasserspeier zu stehlen, ganz gleich ob von der Fassade eines unbekannten Mietshauses oder eines berühmten Wolkenkratzers. Denn, so der Vater, diese Zeugen Manhattans sind im Zeichen der Kahlschlagsanierung der Siebzigerjahre vom Aussterben bedroht. Dass sein Dad ihn dabei gelegentlich in Lebensgefahr bringt, verdrängt Griffin. So kann er mithelfen, das Geld für die überfälligen Hypothekenraten für ihr Zuhause zu verdienen. Vor allem aber kann er auf diesen Touren seinem Vater nah sein. Doch was als Spleen begann, wird zur Obsession; Griffins Freundschaften, seine erste Liebe leiden unter der kompromisslosen Sucht seines Vaters, immer neue Bestandteile des alten New York zu »bewahren«. Nachdem einer ihrer Raubzüge spektakulär schiefgeht, verschwindet sein Vater von der Bildfläche. Und Griffin beginnt zu verstehen, dass man nicht alles im Leben bewahren kann. ...»Erweckt das New York der Seventies zum Leben ...



    Meine Meinung: Einige Leser werfen dem Autor vor, sich zu sehr in Beschreibungen von Gebäuden und Gebäudeteilen zu verlieren und somit zu langatmig zu werden. Mit diesem Vorwurf im Kopf habe ich nur zögerlich zu diesem Buch gegriffen und erwartete ein etwas langweiliges Buch. Umso positiver hat es mich überrascht, denn der Roman um Griffin und seine ziemlich gestörte/verstörte Familie ist alles andere als langweilig.


    Griffin erzählt aus seiner Perspektive die Geschichte seiner Familie, die in den 70 ern in einem Brownstone-Haus in New York lebt. Die Eltern haben sich getrennt, der Vater muss für die Familie und das Haus aufkommen. Er selbst lebt in einem Lagerhaus bei seiner „Sammlung“. Diese Sammlung ist sehr skurril, denn sie besteht aus „geretteten“ Gebäudeteilen. Wasserspeier, Frauenköpfe, Säulen, Adler und alles, was ehemals historische Gebäude verzierte, die abgerissen wurden, befindet sich bei Griffins Vater. Als Griffin alt genug ist, um ihm nützlich zu sein, „darf“ er mit dem Vater und seinen Helfern auf Dächer und Fassaden von Häusern klettern, die dem Untergang geweiht sind und die begehrten Verzierungen abmontieren.


    Doch es geht nicht nur um diesen Part in Griffins Leben – er berichtet von seiner ersten großen Liebe, dem ersten missglückten Kuss, vom Leben in dem Brownstone, von den Eigenheiten seiner Mutter, seiner Schwester und den Untermietern. Griffin versucht immer wieder, Nähe zu seinem Vater herzustellen, möchte seine Aufmerksamkeit bekommen, während seine Schwester alles tut, um die Eltern wieder zusammenzubringen.
    Das alles kommt durch den Ich-Erzähler sehr warm, sehr sympathisch rüber, und obwohl der Junge nie klagt, so spürt man bei allem, was er unternimmt, wie wichtig ihm seine Eltern sind. Die aber geben ihren Kindern beide keine Liebe und übersehen ihre Bitten um Zuwendung, um Zuneigung total. Vielleicht ist das der Grund gewesen, aus dem ich Griffin so ins Herz geschlossen habe.


    Der Schreibstil ist, wenn es um die Architektur geht, tatsächlich ziemlich ausschmückend, doch dadurch setzt der Autor, meiner Meinung nach, den alten, abgerissenen Gebäuden ein Denkmal. Man kann sich viele Fassaden, viele Verzierungen durch diese Beschreibungen sehr gut vorstellen und bekommt ein Bild davon, wie es in der Stadt zuging und zugeht, die immer mehr Platz braucht und die ihre alten, wunderschönen historischen Gebäude zugunsten seelenloser Wohnblocks und Wolkenkratzer opfert.


    Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen und ich denke, selbst, wenn jemand nicht besonders an Architektur interessiert ist, so ist es die Geschichte, die Griffin zu erzählen hat, trotzdem wert, zu diesem Buch zu greifen. 10 begeisterte Eulenpünktchen von mir dafür.