Ein guter Mensch – Jürgen Bauer

  • Der Autor (Quelle: Amazon)
    Jürgen Bauer wurde 1981 geboren und lebt und arbeitet in Wien. Mit seinen Theaterstücken nahm er am Programm »Neues Schreiben« des Wiener Burgtheaters teil. Seine journalistischen Arbeiten erscheinen regelmäßig in internationalen Zeitungen und Zeitschriften. 2013 erschien bei Septime sein Debütroman Das Fenster zur Welt, 2015 sein zweiter Roman Was wir fürchten. Jürgen Bauer erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, 2014 etwa das Aufenthaltsstipendium des Literarischen Colloquiums Berlin. 2016 wurde er zum »Festival Neue Literatur« in New York sowie zum »Festival Zeitgeist« in Washington, D.C. eingeladen.


    Das Buch (Quelle: Amazon)
    Wie schon in den Jahren zuvor wird Mitteleuropa erneut von einer Hitzewelle heimgesucht. Wasserknappheit, zunehmend schlechte Stromversorgung und steigende Kriminalität bringen die sozialen Strukturen der Großstadtgesellschaft ins Wanken. Die Politik steht der Situation hilflos gegenüber, die Südgrenzen werden geschlossen, der Polizeiapparat wird erweitert und das kostbarste Gut Wasser streng kontrolliert, rationiert und über ein ausgeklügeltes Versorgungssystem zugeteilt.


    Marko versucht mit seinem Freund Berger als Tankwagenfahrer einen Beitrag zu leisten und die schweigende Mehrheit, die sich mit der Situation abgefunden hat, mit Wasser zu versorgen. Wie den meisten fehlte auch Marko das nötige Geld, um das Land Richtung Norden zu verlassen, zudem er sich auch noch um seinen kranken Bruder kümmert, der den alten Familienhof nicht aufgeben will. Er gibt den Glauben an ein erträgliches Leben auch dann nicht auf, wenn Berger längst an dieser Möglichkeit zweifelt. Gemeinsam arbeiten sie dafür, sich eine lebenswerte Perspektive zu erhalten.
    Das plötzliche Auftauchen einer mysteriösen, schnell wachsenden Bewegung bringt die Kräfteverhältnisse allerdings durcheinander. »Die dritte Welle« feiert dekadent auf den nicht zu vermeidenden Kollaps zu und setzt der Rationierung und dem Haushalten die Verschwendung entgegen und stellt somit das gültige System infrage und zwingt beide dazu, ihre Haltungen zu überdenken.


    Meinung
    Die Stärke des Buches ist die Atmosphäre, die es vermittelt. Sie ist mehr als gelungen. Man kann sich die Hitze gut vorstellen, die mich nicht verlassen hat, nachdem ich das Buch zur Seite gelegt hatte.


    Der Autor schreibt in einer klaren Sprache, so dass man das Buch gut in zwei Tagen durchlesen kann. Manchmal gehen die Übergänge ein wenig zu schnell. Hier hätte er besser Tempo herausgenommen und ein bisschen mehr erzählt.


    Insgesamt ein bisschen viel Tristesse für schwache Nerven. Was fehlt, ist vielleicht ein Stückchen Hoffnung auf die Zukunft. Aber das Einzige, was mir nicht wirklich gefallen hat, ist die Tatsache, dass sich alle Freunde des Protagonisten Marko immer wieder an entscheidenden Punkten des Buches wiederfinden. Wir sind in einer Großstadt – da ist es aus Gesetzen der Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass sich die Freunde (Aleksander, Imre, Berger, Kali, Kowalski) ständig wiedersehen, sei es, ob die Handlung gerade in der Klinik, am Arbeitsplatz, auf der Demo oder im Schwimmbad … spielt. Das wirkt etwas konstruiert.


    Die Menschen fliehen vom Süden in den Norden – eine Anspielung auf das, was sich seit Jahren tatsächlich vollzieht. Und es gibt Parallelen, wie eine scheinbar alternativlose Politik angepriesen wird, als Imre vor der Menschenmasse steht und in ein Megaphon spricht:


    „Wir sind Gefangene von unvernünftigen Positionen. Und wisst ihr was? Man verkauft uns unsere Gefangenschaft auch noch als alternativlos. Wir hätten keine Wahl. Aber das glauben wir nicht mehr!“ S. 211


    Kann ein Mensch gut bleiben, wenn die Welt untergeht? Ob man unter diesen Umständen ein guter Mensch bleiben kann, ist die moralische Frage des Buches. Eindeutig nein, wenn man danach fragt, ob man sich die gute Gesinnung erhalten könne. Eindeutig ja, wenn es um das Überleben derjenigen geht, die in der Lage sind, eine zukünftige Gesellschaft aufzubauen.