Jahreswertung 2017

  • Liebe Eulen,


    die Regelungen der Jahreswertung unseres Schreibwettbewerbs entsprechen denen der Vorjahre.

    Mit einer kleinen Änderung:


    Da die Beteiligung am Schreibwettbewerb in diesem Jahr sehr gering war, werden dieses Mal nur die Sieger der einzelnen Monatsrunden für die Jahreswertung 2017 zugelassen.


    Die Abstimmung beginnt wieder bei Null. Alle Texte haben die gleiche Chance auf den Jahresgewinn. Die Wertung findet wie in den Monatsrunden verdeckt statt und läuft vom 10. – 20. Dezember 2017. Hier geht es zum Punkteformular.

    Am 21. Dezember werden die Wertungen veröffentlicht und der Jahressieger / die Jahressiegerin 2017 bekannt gegeben.


    Der Verfasser / die Verfasserin des Gewinnertextes erhält einen Büchergutschein im Wert von 25.- €.


    Viel Erfolg!

  • "Verwandelt"

    Thema: Verwandelt

    Autor: Serendipity8

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    Alles ist ruhig. Ich höre nur meinen eigenen Herzschlag. Die ganze Wohnung ist still. Die Natur ist still. Sie könnte so schön sein, diese Stille. Aber sie ist vor allem beängstigend. Vor ein paar Tagen war nur Hektik: Ist alles gepackt? Wo kommt der Schrank hin? Himmel, wo ist die Lampe? „Da ist uns beim Tragen leider die Ecke an die Wand gestoßen, aber das sieht man kaum“. Umzug. Aufregend und so stressig, dass man nicht bemerkt, was es bedeutet. Jetzt bin ich alleine. Hab noch nie richtig alleine gewohnt. Werde ich das schaffen? Hab lange gebraucht, um diesen Schritt zu wagen. Es muss klappen. Wird es das? Gedankenspirale. Doch die letzten Tage waren Stress. Die Augen fallen zu. Ich denke erst mal nicht mehr nach.


    Was man in der ersten Nacht in der neuen Wohnung träumt, das wird wahr! Danke, Oma Helga. Aber ich hab nichts geträumt. Gutes Zeichen? Schlechtes Omen? Keine Ahnung. Ich stehe auf und frühstücke. Die Küche ist noch ganz sauber. Wie automatisch wische ich danach den Küchentisch sauber und stelle alles ordentlich zurück. Dann einkaufen. Hab ja kaum was zu essen. Ideen fallen mir ein: meine Lieblingsessen, gesund soll es aber auch sein. Los zum Einkaufen. Tasche vergessen. Kurz zurück. Dann los.


    Verwandelt. Plötzlich organisiert. Selbstständig.


    Die Tage fliegen nur so vorbei. Der Alltag holt mich ein. Eigene Wohnung? Kaum ein Problem. Ich will, dass es sauber ist. Für mich. Nicht für den Besuch. Mein Zimmer bei den Eltern war immer chaotisch. Nur wenn Besuch kam, wurde schnell mal sauber gemacht. Jetzt ist das anders. Jetzt weiß ich, wo alles hin soll. Was wo seinen Platz hat. Wenn Freunde da sind, wird es bestimmt chaotisch, aber man kann schnell aufräumen. Ich bin kein Putzfreak, aber ich lege jetzt mehr Wert darauf. Es ist ja nun meins.


    Verwandelt.


    Es ist Wochenende. Es gibt nichts zu tun und deswegen fahre ich zu meinen Eltern. Welche Freude! Obwohl man über Handy im Kontakt war, ist es jetzt etwas anderes. Meine Mutter umarmt mich und bringt mir Tee. Wir unterhalten uns. Mein Vater legt für einige Zeit den PC zur Seite und will alles über den ersten Monat wissen. So viel hat er früher nie geredet an einem Tag.


    Verwandelt. Ich bin nun Gast, nicht Hausbewohner.


    Wieder zu Hause. Wie sich das anfühlt. Diese Wohnung – sie ist nun mein ZUHAUSE. Da wo ich gerade herkomme, bei meinen Eltern, was ist das dann? Das ist doch auch mein Zuhause? Ich muss das neu definieren. Vielleicht kommt das mit der Zeit.


    Der Alltag wird alltäglich. Es ist nicht mehr neu, regelmäßig einzukaufen, Freunde zu empfangen, das Bad, die Küche zu putzen. Alles ist normal, alles ist gewohnt. Ich koche gerne. Hab ich früher an Wochenenden gemacht. Jetzt ist es Routine.


    Verwandelt. Schon lange in Zahlen, aber jetzt immer mehr: Erwachsen.

  • "Kein Job für Jedermann"

    Thema: Streng geheim

    Autor: Inkslinger

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    Stundenlang laufe ich schon durch die Gegend. Die Sonne brennt mir auf den Schädel und schwitzende Menschen drücken sich in den engen Straßen an mir vorbei. Heute ist einer dieser Tage, an denen ich meinen Job hasse. Wäre ich doch bloß Bankkauffrau geblieben. Dann säße ich jetzt in der klimatisierten Filiale und würde Geld zählen anstatt ihm hinterher zu rennen wie ein geisteskranker Gauner. In stetiger Ungewissheit, was auf mich zukommt.

    Doch ich mag das selbstständige Arbeiten. Kein Boss, der mir ständig im Nacken hockt und sagt, ich solle schneller machen. Kein Katzbuckeln und einschleimen, nur klare, präzise Absprachen mit dem Auftraggeber. Wenn ich mal was verbocken sollte, kriege ich das sofort zu spüren. Dafür brauche ich keinen Chef, der mir auf die Finger klopft. Unser Job ist hart, aber er zahlt sich aus.

    Menschen wie ich werden gebraucht, obwohl manche niemals zugeben würden, meine Dienste in Anspruch genommen zu haben. Aber auch, wenn es undankbare Kunden gibt, kann ich mich eigentlich nicht beschweren.

    Jetzt wird’s aber Zeit. Mein Auftrag erfordert größte Diskretion und Konzentration. Ein Fehler, und ich lande in Teufels Küche.

    Ich schleiche durch die Hintertür in das Haus der Zielperson. In der Küche riecht es nach Zwiebeln und Fett. Der Familienhund hebt nur kurz den Kopf als ich eintrete und döst dann weiter. Die tagelange Annäherungsphase zeigt letztendlich doch Wirkung.

    Selbstzufrieden stelle ich meinen Arbeitskoffer auf die Küchentheke und fange an. Ich präpariere alles mit meisterlich ruhiger Hand. Drähte werden gespannt, Tinkturen gemischt.

    Nach vier Stunden bin ich fertig. Ich werfe dem Hund noch ein Leckerli hin, dann verschwinde ich genauso, wie ich gekommen bin. Ungesehen und ungehört.


    Am nächsten Tag klingelt mein Arbeitshandy. Die Auftraggeberin ist dran. Anscheinend ist sie keine der undankbaren Sorte.

    „Hallo! Ich wollte mich persönlich bei Ihnen bedanken. Die Überraschungsparty für meinen Mann war einfach super! Ich habe Sie all meinen Freundinnen weiterempfohlen!“

    Wieder ein zufriedener Kunde. Ich liebe meinen Job!

  • "Genau wie immer“

    Thema: Rituale

    Autor: Serendipity8

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    Tonio öffnet die Haustür. Heute ist das Wetter zum Glück wieder etwas kühler. Gestern war es so heiß gewesen, dass er sich nicht sicher war, was er anziehen konnte, um nicht zu wenig zu tragen – so cool wie die Basketballspieler in ihren Sport-Tops war er nicht – und nicht zu viel zu tragen und durch Schwitzen aufzufallen. Heute trug er ein schwarzes T-Shirt und eine blaue Jeans. Bloß nicht auffallen. Er lief bis zur Ampel an der Hauptstraße und dann direkt nach rechts und zur Bushaltestelle. Dort angekommen stellte er sich genau vier Meter neben das Haltestellenschild. Dann drehte er den Kopf nach links und beobachtete die Kurve, bis der Bus dort erschien. Es würde noch zehn Minuten dauern, aber Tonio war lieber zu früh an der Bushaltestelle. Die Frau mit dem kleinen Pudel, die jeden Morgen genau zwei Stationen mitfuhr, war heute etwas später dran. Der Mann mit dem Aktenkoffer saß schon auf der Parkbank. Jetzt fehlte nur noch die junge Frau, die bis zur Berufsschule mitfuhr. Tonio hatte sich genau gemerkt, wer immer mit ihm Bus fuhr und wusste, wo die Personen bevorzugt saßen. Nach weiteren zwei Minuten waren alle aufgetaucht und warteten neben Tonio. Lediglich die ältere Frau mit einem Gehstock, die heute neben dem Anzugsmann auf der Bank wartete, war sonst nicht dabei. Plötzlich hörte er laute Kinderstimmen. Am Ende der Straße war eine Grundschulklasse aufgetaucht und lief in Zweierreihen auf die Haltestelle zu. Tonios Herzschlag wurde schneller. Eine Kindergartengruppe hat zwischen 20 und 30 Kindern. Der Bus hatte um diese Zeit etwa noch 17 freie Plätze. Das würde alles durcheinander bringen. Wo würde sich dann der Mann mit dem Aktenkoffer hinsetzen? Würde Tonio seinen Platz bekommen? Je näher die Kinder kamen, desto mehr steigerte sich Tonios Panik. Doch an der Ampel hielt die Gruppe an und überquerte die Straße. Tonio atmete tief durch. Heute würde alles genau wie immer sein. Als der Bus näher kam, wurde Tonio übel. Erst nach ein paar Sekunden registrierte sein Gehirn, warum. Normalerweise fuhr ein älterer, freundlicher Iraner den 8 Uhr Bus am Mittwoch. Heute saß ein jüngerer hinter dem Lenkrad, den Tonio noch nie gesehen hatte. Schon tauchte das nächste Problem auf. Der Bus hielt nicht genau vor Tonios Füßen, sondern einen Meter weiter vorne. Er versuchte, als erster einzusteigen, doch eine ältere Frau stand näher an der Tür. Er schaffte es nicht und musste sie vorlassen. Sein Puls stieg. Seine Atmung wurde schneller. Die Frau kaufte eine Karte und suchte Kleingeld. Tonio blickte sich nervös um. Er konnte sich nicht an der Frau vorbeiquetschen. Nach sich endlos anfühlenden Sekunden ging sie endlich weiter und Tonio ging schnell durch den Gang bis ganz nach hinten. Hoffentlich hatte alles geklappt. Dann erblickte er seinen besten und einzigen Freund Micha, der in der zweitletzten Reihe links saß und ihm einen Platz freigehalten hatte. Genau wie immer. Tonios Atem beruhigte sich. Er gab ihm die linke Hand und setzte sich dann an den Fensterplatz. Genau wie immer.


  • "Die trostlosen Tage“

    Thema: Farbenfroh

    Autor: Johanna

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    Endlich, jetzt ist es vollbracht

    Sie erstrahlt wieder, in all ihrer Pracht.

    Die Leere, so groß seit Freitag nacht

    Ihr ward nun der Garaus gemacht.


    Die Zeit des Vermissens,

    Trotz vorherigen Wissens,

    War dunkel, traurig und nackt.

    Es fehlte so sehr der Kontakt.


    Kein lesen, kein schreiben,

    wo sollt ich nur bleiben?

    Plaudern, meinen und reden,

    das hat allen so sehr viel gegeben.


    Die Bücher, sie lagen im Dunkeln

    Entschwunden ihr Funkeln.

    Es war so farblos, trist und grau,

    Wie ein mentaler Supergau.


    Aber, nun ist es soweit,.

    Fort ist sie, die Trostlosigkeit.

    Die Leere, sie starrt nicht mehr mich an

    Ich bin wieder voll von Tatendrang.


    Darf schreiben, lesen und genießen

    Mir kein´ mehr hinter die Binde gießen.

    Ich war so derart zerrissen,

    vor lauter traurigem Vermissen.


    Nun geht’s wieder aufwärts, in neuem Gewand

    Er regt sich wieder, mein erstarrter Verstand.

    Die Welt erstrahlt plötzlich herrlich bunt,

    Und ich bin wieder völlig gesund.