Wanderer der Nacht - Wojciech Jagielski

  • literarische Weltreisel: Uganda

    Wojciech Jagielski ist Journalist und will im Norden Ugandas, in der Stadt Gulu, für eine Reportage über die berühmt-berüchtigte Kinderarmee der Lord's Resistance Army recherchieren, die plündernd und mordend die Region in Atem hält. Seine Arbeit beginnt im Rehabilitationszentrum für befreite Kindersoldaten, wo er den ehemaligen Partisanen Samuel kennenlernt, einen zwölfjähriger Jungen, der ihm nach und nach seine grausame Geschichte erzählt. Rund um das Leben Samuels entwickelt Jagielski eine Geschichte Ugandas.
    Immer tiefer dringt er dabei in die Mentalität und Lebenswirklichkeit dieses geschundenen Landes vor, und erzählt voller Sympathie und auch Verständnis von diesen Menschen und ihren, für uns Westlern streckenweise absurd erscheinenden, Vorstellungen von Geistern, Ritualen und dem Bösen schlechthin. Dass er dabei nur mit Mühe die journalistische Distanz aufrecht erhalten kann, mag unter rein journalistischen Gesichtspunkten ein Mangel sein, macht die Reportage aber umso eindringlicher.


    Sprachlich und auch didaktisch ist dieses Buch hervorragend aufgebaut, trotz diverser ugandischer Herrscher und Diktatoren mit seltsamen Namen habe ich nie den Überblick verloren und völlig unangestrengt noch einiges über die Kolonialgeschichte Ostafrikas im Allgemeinen und die jüngere Geschichte Ugandas im Besonderen gelernt


    Trotzdem war die Lektüre alles andere als erbaulich Dabei sind es gar nicht mal die geschilderten Grausamkeiten der Kindersoldaten, die einem kalte Schauer über den Rücken treiben, sondern der Horror einer Gesellschaft, in der eine Horde scheinbar harmloser Kinder erwachsene Menschen in Panik versetzt und die Flucht ergreifen lässt. Dieses Szenario hätte sich Steven King nicht eindrucksvoller ausdenken können.
    Die titelgebenden Wanderer der Nacht sind übrigens die Kinder, die sich jeden Abend zum Übernachten aus ihren Dörfern in die Stadt begeben, um in Sicherheit vor den Zwangsrekrutierungen der Kindersoldaten der Lord's Resistance Army zu sein.


    Dieses Buch ist also eine uneingeschränkte Empfehlung für alle, die wissen wollen, was da in Afrika eigentlich los ist und wie es dazu kommen konnte. Lediglich, mein üblicher Mecker: da die Kenntnis der Topografie Ostafrikas für das Verständis des Konflikts sehr hilfreich ist, wäre eine Karte im Anhang sinnvoll gewesen, zumal mein Atlas hinsichtlich dieser Fuzzelländer rund um den Victoriasee nicht allzu viel hergibt.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)