Das Idol - Robert Merle

  • Inhalt Die schöne Vittoria Accoramboni ist zwar von niederem Rang wird aber von den Herren der Aristokratie wegen ihrer einzigartigen Schönheit verehrt und umworben. Der Tod des Vaters stürzt die Familie in eine finanzielle Notsituation, weshalb Vittoria verheiratet wird. Vittoria hält ihren Gemahl, den sie zwar achtet aber nicht liebt, auf Distanz. Der Herzog von Bracciano Paolo Orsini verliebt sich in die Schöne und sucht über deren Zwillingsbruder Marcello Kontakt zu der verheirateten Dame. In der Folge dieser Bemühungen entspinnt sich eine verwickelte Handlung voller Ränke und Intrigen, in die alsbald auch die Mächtigen der Zeit, der Klerus mit dem Papst an der Spitze, der Adel und die reichen Medicis hineingezogen werden.



    Robert Merle (1908-2004) war ein französischer Schriftsteller. Große Erfolge feierte er zunächst mit Gesellschaftsutopien und Dystopien ("Die geschützten Männer", "Ein vernunftbegabtes Tier","Maleville"), zeitgeschichtliche Themen ("Der Tod ist mein Beruf", "Hinter Glas") bevor er sich historischen Themen zuwandte ("Fortune de France" - 12-bändige Reihe). Mit "Das Idol" legte er 1987 einen Roman vor, der sich mit der italienischen Renaissance beschäftigt.



    Meine Meinung Mit Robert Merles Werke aus dem gesellschaftsutopischen Umfeld habe ich vor vielen Jahren regelrecht verschlungen. Sie zählen für mich zu Klassikern des Genres. Als sich der Autor historischen Themen zuwandte verlor ich zunächst das Interesse an seinen Werken. Mit den Jahren wurde ich aber auch zu einem Liebhaber historischer Stoffe und so entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass es irgendwann an der Zeit war, mich mit seinen historischen Romanen zu beschäftigen. Seine Reihe "Fortune de France", die sich um die französische Zeit der Reformation dreht, steht deshalb noch auf meiner Liste zu lesender Bücher. Zunächst habe ich mich aber mit seinem einzigen Roman beschäftigt, der in der italienischen Rennaissance spielt.


    "Das Idol" ist eine schillernde, farbenprächtige Studie der Zeit. Die Ereignisse um die Bemühungen eines liebestollen Herzogs um seine angebetete Flamme, der schönen Vittoria, sind spannend und kurzweilig zu lesen und geben einen hervorragenden Eindruck in die politische und gesellschaftliche Situation Italiens zur Zeit der Spätrenaissance. Unterschiedlichste Interessen und Bündnisse bestimmen den Handlungsverlauf, der von Ränken, Intrigen und Machtspielen bestimmt ist.


    Gewöhnungsbedürftig, aber sehr interessant, ist die Wahl der Erzählperspektiven, mit der es Merle gelingt, diese Vielschichtigkeit zu transportieren. Die Ereignisse werden nicht aus einer konstanten, übergeordnete Perspktive erzählt sondern der Autor lässt die unterschiedlichsten für den Handlungsverlauf wichtigen und unwichtigen Personen (interessanterweise mit Ausnahme der Hauptperson) als Ich-Erzähler zu Worte kommen. Es ist zunächst schwer, sich mit diesen wechselnden Sichtweisen zu arrangieren, denn immer wieder muss man sich vergegenwärtigen, aus welchem Blickwinkel man das Geschehen betrachtet. Mit der Zeit wird das aber zu einem spannenden Abenteuer, das dieses Buch zu einem echten Erlebnis macht.


    Die Geschehnisse folgen dabei anscheinend recht genau den historischen Begebenheiten. Somit spiegeln die Ereignisse den wahren, chaotischen Verlauf der Geschichte wieder. Man mag am Ende eine Moral oder ein Fazit vermissen, manche handelnden (und erzählenden) Personen verschwinden dann auch mir nichts, dir nichts aus der Geschichte, aber das scheint vom Autor durchaus beabsichtigt zu sein, denn die historische Wahrheit ist immer ein Flickenteppich mit vielen Löchern und Unklarheiten.


    Sehr schöne Charakterzeichnungen gelingen Merle z.B. Mit Catarina, der Kammerzofe und Marcello dem Zwillingsbruder Vittorias, die als Erzähler recht häufig zu Wort kommen. Sprachlich ist "Das Idol" auf sehr hohem Niveau, mit unterschwelliger Ironie und eine bestechenden Sprachwitz. Ich kann das Buch jedem Leser empfehlen, der Freude an einem guten, spannenden historischen Stoff hat: 8 Eulenpunkte.

  • Herzlichen Dank für diese Rezi. Bei Merle beeindruckt mich immer wieder die Bandbreite seiner Bücher. Für mich unverständlich, dass er vom Feuilleton immer noch etwas scheel angesehen wird. Bisher bin ich von Merle noch nie enttäuscht worden. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Wenn das so ist - ich habe allerdings solche Feuilletons auch nicht gelesen - kann ich das auch nicht nachvollziehen. Vielleicht ist seine Art zu schreiben den Herren Kritikern ein wenig zu "populär", aber seine Stoffe waren alles andere als trivial und wenn man seine Werke mit anderen, aktuelleren Umsetzungen der von ihm behandelten Genres vergleicht,sind sie auch von der literarischen Qualität für mich grundsätzlich eher im Vorderfeld angesiedelt.