Zehntelbrüder - Ruth Cerha

  • Verlag: Eichborn Verlag;
    Gebundene Ausgabe: 352 Seiten


    Kurzbeschreibung:
    Mischa, ein junger Wiener DJ, hat zwei Stiefbrüder, einen Halbbruder, und dann sind da auch noch die Töchter der ersten Frau des Stiefvaters aus zweiter Ehe. Seine Mutter verschwindet oft und taucht wieder auf, bis sie irgendwann das Zurückkommen vergisst. Da ist Mischa elf Jahre alt. Er wächst bei seinem Stiefvater und dessen wechselnden Partnerinnen auf und versucht zwischen Zehntelbrüdern und Achtelschwestern, sich selbst nicht zu verlieren. Als er sich verliebt, gerät die bis dahin immer wieder mühsam austarierte Balance seines Lebens durcheinander.


    Über den Autor:
    Ruth Cerha, geb. 1963 in Wien, ab 1967 Ausbildung in Klavier, Violine und Tonsatz, 1982 Matura am Wiener Musikgymnasium. Studium der Psychologie, danach Ausbildung in Tontechnik sowie Gesangsunterricht. Tätigkeit als Musikerin, Sängerin und Komponistin in verschiedenen Bands, am Theater und bei Kunstprojekten. Ruth Cerha hat zwei Kinder, sie lebt und arbeitet als Klavierpädagogin in Wien.


    Mein Eindruck:
    Der Verlag Eichborn ist jetzt von Lübbe übernommen, aber dieses Buch sieht von der Gestaltung noch aus wie Eichborn pur, fühlt sich auch so an.
    Auch wenn ich meine Probleme mit dem Buch hatte, war es immer ein gutes Gefühl, die gute Arbeit dieses Verlages zu genießen.
    Dieser Roman setzt sich exemplarisch mit einer Patchworkfamilie in Wien auseinander.
    Die Hauptfigur Misha lebt mit der 10 Jahre älteren Hannah zusammen, doch seine Familie mag er ihr gegenüber nicht erwähnen. Seine leiblichen Eltern kannte er praktisch nicht. Dafür nahm Toni Mutterstelle bei ihm ein. Mit ihr ist er zwar nicht verwandt, und doch gehört er zur Familie, wie viele andere auch.


    Der Roman strahlt eine starke Atmosphäre aus, ohne Frage.
    Meine Schwierigkeit mit dem Roman ist die Erzählhaltung der Hauptfigur, langsam, ausführlich, langweilig.
    Das es auch anders geht, zeigt der Schluß des Buches, der sich aus Protokollen zusammensetzt. Mehrere Leute, die irgendwie zu dieser Familie gehören, werden befragt. Das ergibt einen witzigen Schlagabtausch und Tempo. Schade, dass das dem Roman ansonsten fehlte. Tatsächlich empfand ich Ruth Cerhas Stil als bieder.
    Außerdem sind die Nebenfiguren überwiegend blass geblieben, selbst solche extrovertierten Gestalten wie Janek und Jenny, oder Jul, selbst für die sympathische Tony gilt das.
    Für Leser, die ungewöhnliche Familienromane mögen, ist Zehntelbrüder vermutlich empfehlenswert.
    Für mich war es nicht so ganz das richtige Buch.

  • Danke für die Rezension! Auch wenn das Buch nicht ganz so gut weg kommt, hat mich dieser Satz hier neugierig gemacht, so dass ich vermutlich mal bei Gelegenheit einen Blick riskieren werde.... :wave


    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Für Leser, die ungewöhnliche Familienromane mögen, ist Zehntelbrüder vermutlich empfehlenswert.

  • Meine Meinung:


    Fragt man den jungen Wiener DJ Mischa nach seiner Familie, wechselt er gerne das Thema - zu kompliziert sind die Verflechtungen aus Stiefmüttern, Halbgeschwistern, Ex-Männern und Ex-Frauen, die gerne auch einmal untereinander getauscht werden. Für den Leser ist es zu Beginn auch nicht leicht, die einzelnen Figuren den richtigen Partnern und Eltern zuzuordnen, hier wäre ein Stammbaum oder Personenregister wirklich hilfreich gewesen. Hat man sich die Familienkonstellation einmal selbst aufgezeichnet, wird auch das aus Mischas eigener Sicht Erzählte klarer und leichter einzuordnen. Die Figuren sind fast alle authentisch gezeichnet (Janek empfand ich als weniger glaubwürdig) und lösen beim Leser mehrheitlich Empathie und Verständnis aus. Allerdings hätte man sich hier noch deutlich mehr Hintergrundinformationen über die einzelnen Familienmitglieder gewünscht. Diese werden ganz zum Schluss in Form von Gesprächsprotokollen nachgeliefert, die entstanden sind, als Mischa zusammen mit einer "Achtelschwester" einzelne Familienmitglieder zu bestimmten, auch für ihn offenen Fragen, interviewt hat. Die Protokolle bieten auch dem Leser einen neuen Blick auf die Personen und Ereignisse und hätten schon viel früher präsentiert werden können. Sie hätten sich sicher wunderbar in die sich sowieso abwechselnden Erzählstränge aus Vergangenheit und Gegenwart integrieren lassen, so wirken sie leider wie schnell nachgeschoben, obwohl die Geschichte schon abgeschlossen ist. Dieser (eigentlich recht versöhnliche) Abschluss kann sich dadurch jedoch auch nicht wirklich entfalten und erst recht nicht im Gedächtnis des Lesers festsetzen, so dass man das Buch mit einem etwas zwiespältigen Gefühl beendet.


    Von mir 7 Punkte.