Draussen vor der Tür - Wolfgang Borchert

  • Originalerscheinungsjahr 1947
    128 Seiten

    Klappentext


    Das einzige Drama des früh verstorbenen Dichters ist ein verzweifelter Protestschrei gegen die zerstörerische und verderbnisträchtige Macht des Krieges. Seine Erzählungen und Prosastücke berichten mit sicher akzentuierter Ausdruckskraft von den verheerenden Kriegsfolgen im einzelnen und im gemeinsamen Menschenleben. Drama und ausgewählte Erzählungen


    Autorenportrait


    Wolfgang Borchert, geb. 1921 in Hamburg, war Buchhändler und Schauspieler, bevor er 1941 an die Ostfront kam. Wegen "Wehrkraftzersetzung" wurde er zeitweise inhaftiert. 1945 kehrte er schwer krank in das zertrümmerte Hamburg zurück. Zwei Jahre später starb er in Basel.


    Meine Meinung:


    Vor Äonen in der Schule gelesen fiel diese Ausgabe der besten Ehefrau von allen bei ihrem Klassikerleseziel in die Hand und im Gegensatz zu ihr habe ich es jetzt gleich gelesen.


    Nicht nur das Theaterstück, das den Titel des Buches gibt, sondern weitere Erzählungen und Stücke von Borchert sind in dieser Ausgabe vereint. Ein Buch das man auch mal in einer so "normalen" Zeit wie jetzt lesen sollte -- wenn gerade kein Jübiläumskriegsendehype durch die Gegend weht. Borchert starb am Krieg und seinen Folgen im Jahr 1947- zwischen 1945 und 1947 schrieb er über die Folgen des Krieges und die Auswirkungen auf seine Generation. Natürlich kein Buch zum mal eben entspannen, keine Sommerlektüre, sondern ein Buch, das ermahnt auf eine sehr eindrückliche Art und Weise, was der Mensch dem Menschen antut und wie nach dem Krieg die Desozialisation der zurückgekehrten Soldaten als Probem von den "Weiterlebenden" ignoriert wird und wie langsam die Wunden verheilen oder wie schwer und tief die Narben bleiben.


    Draussen vor der Tür thematisiert den Versuch des Ex- Soldaten und Unteroffiziers Beckmann mit sich und seiner Situation klarzukommen nachdem er 1947 aus Sibirien zurückkommt in eine Heimat die sich schnell- zu schnell auf Frieden eingestellt hat. Er versucht klarzukommen mit seinem Leben als er feststellt, dass seine Frau micht auf ihn gewartet hat und seine Wohnung und sein Bett besetzt ist, als er feststellt, dass für ihn keine Arbeit zur Verfügung steht, da seine Art zu fragen nicht gefragt ist, als er feststellt, dass der Herr Oberst, der ihm die Verantwortung für das Leben von zwanzig Mann anvertraute und elf kamen nicht zurück, gemütlich mit seiner Familie am Tisch sitzt und ihn nicht versteht, als er mit ihm über die Verantwortung reden will, als er feststellt, dass das Leben für die anderen anscheinend einfach weiter gegangen ist. Er beschäftigt sich auch mit dem Gedanken an Selbstmord, wie so viele andere Namenlose tritt er den Weg in die Elbe an- die will ihn aber nicht, der doch überlebt aber noch nicht gelebt hat.


    Das alles mit einer Sprache, die direkt trifft und schnörkelos knapp und klar beschreibt.


    In der Schule fand ich es damals nur öde- Nachkriegszeit war halt Hobby der Deutschlehrerin und diese ganzen Trauerklopse passten mir auch nicht ins Konzept- ich war einer von denen die im Bild des Buches "drinnen" im warmen sitzen und den draussen vor der Tür nicht wahrhaben wollte- gerade deshalb ist das Buch aber auch heute wichtig- das Thema ist mitnichten veraltet und überflüssig, sondern noch immer gibt es genug, die aus welchen Gründen auch immer dieses Draussen vor der Tür symbolisieren und genug Gründe für den Leser zu fragen wo er steht oder sitzt.


    edit: Das mit der Verlinkung im "Was habt ihr diesen Monat gelesen Fred" hat doch sein gutes- fand diese Rezi nicht mehr- war ISBN falsch.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von beowulf ()

  • Zitat

    Original von beowulf
    In der Schule fand ich es damals nur öde- Nachkriegszeit war halt Hobby der Deutschlehrerin und diese ganzen Trauerklopse passten mir auch nicht ins Konzept- ich war einer von denen die im Bild des Buches "drinnen" im warmen sitzen und den draussen vor der Tür nicht wahrhaben wollte- gerade deshalb ist das Buch aber auch heute wichtig- das Thema ist mitnichten veraltet und überflüssig, sondern noch immer gibt es genug, die aus welchen Gründen auch immer dieses Draussen vor der Tür symbolisieren und genug Gründe für den LEser zu fragen wo er steht oder sitzt.


    Schön, dass du dieses Buch vorgestellt hast. Es hat an Aktualität nichts verloren, denn in diesem Buch wird einem der Wahnsinn des Krieges deutlich vor Augen gehalten.
    Wolfgang Borchert starb übrigens einen Tag vor der Uraufführung seines Theaterstücks an den Hamburger Kammerspielen (im Alter von 26 Jahren).


    Zitat

    Original von beowulf
    [...]wie so viele andere Namenlose tritt er den Weg in die Elbe an- die will ihn aber nicht, der doch überlebt aber noch nicht gelebt hat.


    Das spricht für sich.


    Viele Grüße
    Corinna

  • Oh ja, auch für mich ist Borchert einer der ganz Großen! Im September gibt es eine Neuauflage seines Gesamtwerks:

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Zitat

    Original von Cookie


    Es hat an Aktualität nichts verloren, denn in diesem Buch wird einem der Wahnsinn des Krieges deutlich vor Augen gehalten.


    Neben Draußen vor der Tür hat mich auch die Kurzgeschichte Mein bleicher Bruder sehr beeindruckt.

  • Wir mussten im Deutschunterricht vor 2 Jahren einen Klassiker vorstellen, ich habe mich für Wolfgang Borchert - Draußen vor der Tür entschieden & ich denke immer noch, dass es die beste Entscheidung war ;-)!
    Es hat mir einfach sehr gut gefallen, von der Thematik her, von der Schreibweise Borcherts her - es hat mich einfach mitgerissen. Sehr zu empfehlen!


    + Wenn du dich ein Leben lang versteckst, findest du dich irgendwann gar nicht mehr +
    (aus Sommersturm)

  • Mich hat die Lektüre von Borcherts "Draussen vor der Tür" entsetzlich deprimiert.
    Nun, das Thema selber lädt ja auch nicht zum Lachen ein, die Entfremdung der Kriegsheimkehrer, die nicht die Möglichkeit haben, in eine Normalität zurückzukehren, die ihnen selber längst fremd geworden ist, war wirklich schwere Kost.


    Wie im übrigen viele Werke der Trümmerliteratur, um die ich oft nur aufgrund ihres "Genres" einen Bogen mache.


    Heutzutage hätte man gesagt, der Autor ist mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung nach Hause zurückgekehrt, fest steht aber, das Borchert auch vor seiner Zeit in der Armee eine zerissene Persönlichkeit war, die Vieles anfing und wenig zuende brachte.
    Ich habe das Buch schrecklich traurig aus der Hand gelegt mit dem Gefühl, das alles irgendwie sinnlos ist.
    Wie gesagt wirklich schwere Kost.


    unglückliche Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Durch Herrn Palomars Hörbuchthread wurde mir dieses Buch wieder einmal in Erinnerung gerufen. Es zählt zur "Zwangsliteratur" der Schulzeit, aber dort zur Abteilung der gern gelesenen, beeindruckenden Bücher.
    10 Punkte auch von mir!
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)