Eigentlich ist Karou ein normales siebzehnjähriges Mädchen, das in Prag lebt und auf eine Kunstschule geht. Abgesehen natürlich von ihren blauen Haaren und ihren Freunden, die teils Mensch, teils Tier sind. Chimären. Trotzdem scheint Karous Welt in Ordnung zu sein. Zumindest bis seltsame geflügelte Gestalten aufzutauchen beginnen, die alles bedrohen, was ihr lieb und teuer ist.
„Daughter of Smoke and Bone“ ist zunächst eine fesselnde Geschichte über ein einzigartiges Mädchen, das mit viel Witz und Charme ihr Leben bestimmt. Der Spagat zwischen der menschlichen Welt und der, der Chimären, die sie ihre Familie nennt, gelingt ihr zunächst problemlos. Auf wunderbare Art und Weise verwebt sie ihre beiden Leben gar miteinander, ohne dass dabei das sensible Gleichgewicht aus den Fugen gerät. Es macht Spaß Karou auf ihrem Weg zu begleiten und die erste Hälfte des Buches über war ich gespannt, was wir mit ihr noch alles erleben würden.
Mir gefällt das Setting in diesem Buch wirklich ausgesprochen gut. Und auch der Schreibstil [ich habe das Buch im englischen Original gelesen] ist ebenso fesselnd, wie beeindruckend. Liest sich auch flüssig und ist genau an den richtigen Stellen rau und direkt, eben ganz, wie es auch zu Karou’s Charakter passt. Es gefiel mir auch gut, dass mit Witz nicht gespart wurde und ich besonders zu Beginn oft Schmunzeln musste.
Was mich an diesem Buch jedoch gestört hat waren die doch recht ausschweifenden Rückblenden in der zweiten Hälfte. Auch wenn sie natürlich dazu da waren, die einzelnen Charaktere, ihre Vergangenheit und die Verbindung zueinander zu erklären, ebenso wie die Welt aus der sie kommen, so waren sie mir zahlenmäßige doch so übermächtig, dass ich das Gefühl hatte, die eigentliche Geschichte – die, die in der Gegenwart spielt – bliebe ab einem gewissen Punkt auf der Strecke und vermisse zudem den üblichen Spannungsbogen. Eigentlich gab es ab einem gewissen Punkt überhaupt nicht viel, was man unter die Kategorie ‚spannend’ schieben könnte, einfach aus dem Grund, dass das Meiste in den Rückblenden geschah und man den Ausgang dieser Ereignisse ja schon dadurch kannte, dass man ja eben nebenbei auch den Erzählstrang hatte, der in der Gegenwart angesiedelt war. Das fand ich mitunter enttäuschend. Zwar ist die ganze Geschichte um Karou und Akiva recht komplex und auch interessant, bietet aber durch dieses ständige Zeitshifting nicht die nötigen fesselnden Elemente. Für mich gehört es bei Büchern dieses Genres dazu, dass ich auch zittern und bangen kann, weil ich nicht weiß, ob bestimmte Charaktere das nächste Kapitel überleben oder wie ein Kampf/Krieg ausgeht. Ich will es nicht bereits vorher wissen.
So ist die zweite Hälfte des Buches für mich mehr eine Vorgeschichte, der aber die Tatsache, dass die Erzählung nicht direkt in der Vergangenheit angesiedelt ist, so gut wie jegliche Spannung nimmt. Die erste Hälfte hingegen fand ich wirklich gut erzählt, vor allen Dingen erschien mir die Geschichte rund um Karou und ihren Ziehvater endlich einmal wirklich originell. Bücher in diesem Genre von denen ich behaupten kann, dass ich etwas Derartiges eigentlich wirklich noch nicht gelesen habe, sind mehr als selten. Umso erfreuter war und habe die ersten zweihundert Seiten des Buches auch recht zügig verschlungen. Ins Straucheln kam ich wirklich erst, als sich die Rückblenden allzu sehr häuften.
Klar, am Ende fügt sich alles nahtlos ineinander und macht durchaus Sinn, trotzdem blieb der fahle Beigeschmack, der mich beispielsweise das große Finale vermissen ließ.
Alles in einem ein schöner Auftakt zu einer neuen Reihe in einer wirklich, wirklich interessanten und einzigartigen Welt, der mir leider auf zu vielen Zeitebenen aufgebaut hat, was die Geschichte für mich in der zweiten Hälfte unnötig langwierig gemacht hat. Trotzdem bleibt die Freude auf den zweiten Band, immerhin hat das erste Buch die Vergangenheit ja erstmal zur Genüge ausgeleuchtet. Jetzt kann es ja endlich richtig losgehen. Von mir gibt es wohlwollende 7 von 10 Punkten!
PS.: Ich fand das Dover der englischen Ausgabe, die ich gelesen habe, wirklich toll. Schlicht und einfach, aber vom Motiv her passend und farblich eine Augenweide [es schimmert etwas, wenn man es im Licht dreht].