Beiträge von rumble-bee

    Für dieses Buch spricht ganz klar, dass ich es, obwohl nur zufällig als "literarische Zwischenmahlzeit" zur Hand genommen, innerhalb kürzester Zeit gelesen hatte. Die Sprache ist klar und einfach, vielleicht manchmal etwas zu schnörkellos, der fortlaufenden Handlung ist leicht zu folgen, die Personen sind im Wesentlichen glaubhaft, und die Spannung ausreichend. Doch eben nur "ausreichend". Rückblickend muss ich sagen, dass ein guter Lesefluss leider noch keine überragende Qualität bedeutet. Ich habe hier viele gute Ansätze vorgefunden, die jedoch meiner Ansicht nach oft im luftleeren Raum endeten, ohne zu etwas zu führen.


    Der Klappentext verspricht Spannung pur. Hat Rose nun den Tod des Babys verursacht? Und das mit Absicht? Ist sie der Mutter absichtlich über Monate gefolgt, ist sie gestört, ist sie eine "Perverse", wie es im Gefängnis-Jargon heißt?
    All diesen Fragen wäre ich gerne gefolgt. Doch im Verlaufe des Buches fragte ich mich öfters, was das Ganze eigentlich sollte.


    Das Buch beginnt in der Tat geschickt. Es gibt einen Prolog in der Ich-Form, von Rose erzählt. Er schildert die Nacht des Unglücks, und lässt dabei angenehm viele Punkte offen. In den folgenden Kapiteln, die im "Heute" spielen, wechselt die Perspektive zunächst - überraschenderweise zur Erzählweise in der dritten Person, welche von der Bewährungshelferin Cate Austin handelt. Cate soll Rose treffen und beurteilen, und insofern ist sie natürlich wichtig für die Handlung. Dieser Erzählstrang wechselt ab mit Tagebuch-Einträgen von Rose, die sie in ihr "schwarzes Buch" schreibt. Das ist dann wiederum gesplittet in die Schilderung des Gefängnisalltags und die Begegnungen mit Cate, sowie in Rückblenden, die Schilderung von Roses Leben. Und genau hier fängt das Buch an, schwerfällig und unwahrscheinlich zu werden.


    Es scheint mir einfach, als wäre das Projekt der Autorin ein wenig "aus dem Ruder gelaufen". Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie lieber die Konfrontation Cate/Rose in der Gegenwart, oder Roses eigene Rückblicke in den Fokus rücken sollte. Es beginnt regelmäßig geplottet, wird aber immer unausgeglichener. Die Tagebucheinträge werden immer häufiger und länger, ja, sie nehmen am Ende überhand. Die Abschnitte um Cate in der Gegenwart scheinen am Ende bloße Staffage zu sein, und das fand ich immens schade. Wozu wird ihr Charakter dann überhaupt aufgebaut, wozu erfahren wir, dass sie alleinerziehende Mutter mit Schuldgefühlen ist? Wozu wird angedeutet, dass Rose sie von einer Mitinsassin mit Freigang ausspionieren lässt, wenn alle diese Fäden am Ende im Sande verlaufen?? Ich fühlte mich schon ein wenig verschaukelt.


    Auch Roses Einträge in ihr "schwarzes Buch" lassen einen roten Faden vermissen. Anfangs klingen sie wie eine Lebensbeichte, dann wieder wie ein Brief an ihren Lebensgefährten, dann wieder wie ein Versuch, sich vor der Bewährungshelferin zu rechtfertigen - der sie das Buch am Ende ja auch übergibt. Doch keiner dieser Aspekte ist eindeutig. Zudem fallen die Kapitel-Unterteilungen manchmal mitten in die Einträge, was ich umständlich und ungeschickt fand. Das hat den Lesefluss und die Logik gestört.


    Am Ende ist mir einfach nicht klar, was das Buch mir sagen wollte. Rose hatte eine tragische Kindheit, sicher, aber die las sich auch wieder wie zusammengeschustert aus allerlei Krimis und Dramen. Nichts Besonderes. Jedenfalls nichts, was Roses Verhalten letztlich rechtfertigen würde. Zudem wage ich an manchen Aspekten der Handlung zu zweifeln. Manche Handlungsweisen waren mir einfach zu konstruiert, zu unwahrscheinlich - was ich hier aber, neuen Lesern zuliebe, nicht näher schildern möchte. Zudem konnte man sich den wahren Hergang jener Nacht als Leser bald denken - aber letztlich geklärt wird dies nicht. Nur angedeutet. Frustriert wird also auch der Krimi-Fan aus diesem Buch hervorgehen.


    Abschließend möchte ich der Autorin durchaus Talent bescheinigen. Aber sie sollte in Zukunft zu weniger "literarischem Firlefanz" wie Perspektivenwechsel, Rückblenden etc. greifen. Ich glaube, sie hätte durchaus Talent, einen reinen Briefroman zu schreiben, oder ein Buch, das allein (!) aus der Rückblenden-Perspektive geschrieben ist. Weniger ist eben manchmal doch mehr.

    Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken


    Warum dieses Buch als "Krimi" beworben und eingeordnet wird, ist mir schleierhaft. Der Held ist ein Auftragskiller auf der Flucht, und sein letzter "Job" ist wohl gründlich daneben gegangen - gut. Aber das ist auch schon alles, was in diesem Buch an einen Krimi erinnert. Es ist in der Tat schwer einzuordnen, und schon allein von daher finde ich es ein mutiges und innovatives Stück Literatur.


    Ich würde es irgendwo zwischen Roadmovie, Satire, Liebesgeschichte und Parabel ansiedeln. Klingt komplex, aber so ist eben das Buch. Ich glaube ferner, dass es vorrangig in und für Island geschrieben wurde - denn wie hier die Isländer und ihre Marotten und nationalen Eigenheiten aufs Korn genommen werden, und das auch noch von einem Killer, das hat schon sehr schräg-humorige bis zynische Anteile. Island als ein "Altersheim für Auftragskiller", diese Formulier- bzw. Fabulierkunst grenzte an Dreistigkeit - wenn sie nicht so lustig wäre. Es wird in der Tat so ziemlich alles an Island karikiert. Vom Wetter, über die (Mond-)Landschaft, über die Frauen, den Verkehr, die Hauptstadt, die Jobs, die Religion, bis hin zum Volkssport "Eurovision Song Contest", ist alles dabei. Letzteren Punkt fand ich besonders amüsant, da ich an diesem Wettbewerb schon immer eher das Lustige gesehen habe...


    Das Buch verlangt dem Durchschnittsleser so einiges ab - denn hier geht es offenkundig eben nicht darum, sich mit irgendeiner Figur zu identifizieren, oder sie gar zu "mögen". Protagonist ist Tomislav Boksic, ein Auftragskiller aus Kroatien, der im Balkan-Krieg war, und seitdem ein mehr als gestörtes Verhältnis zu seiner Umwelt hat. Mit schnoddrigem Ton und rotzfrechem Humor erzählt er seine Geschichte, durchgehend in der Ich-Perspektive. Nun ist es nicht so, dass es sich permanent um derben Schenkelklopfer-Humor handelte - nein, die Kunst liegt hier oft zwischen den Zeilen. Oft bleibt einem als Leser auch das Lachen im Halse stecken, da sich der Zynismus des Helden eben aus seinen Kriegserlebnissen speist. Und so ganz nebenbei spielt er, in Nebensätzen oder in Kapitelüberschriften, auf bekannte Filme oder Bücher an, was mir persönlich einen Heidenspaß gemacht hat.


    Keine Figur ist in diesem Buch das, was sie zu sein scheint. Fernsehprediger, die so ihre privaten Abgründe haben; Leiharbeiter, die in düstere Geschäfte verwickelt sind; Kleriker mit Kampfsportausbildung; Töchter mit mehr als fragwürdigem Liebesleben; und noch etliches mehr. Dazu eine Handlung, die man - vielleicht - nur in bekifftem Zustand ernst nehmen kann, so überdreht ist sie. Und sie mündet auch noch in ein Finale, das Tarantino nicht besser hingekriegt hätte - der kommt übrigens auch (indirekt) im Buch vor. Insofern ist das Ende vielleicht als Hommage gedacht, wer weiß.


    Ich mag das Buch einfach nicht "festlegen", dafür scheint es mir viel zu schade. Ich habe es genossen, obwohl ich aufgrund des Klappentextes eher seichteren Humor erwartet hatte. Doch das Buch hat zum Glück mit wesentlich mehr Untiefen aufgewartet, und hat sich so vor dem schnellen Vergessen gekonnt gedrückt. Ich empfehle es wärmstens allen, die sich einen Mix aus Quentin Tarantino, Arto Paasilinna und Monty Python vorstellen mögen.

    Hi, Dschaenna -


    also, ich bin mir schon sehr (!) sicher, wer da gemeint war mit dem "norwegischen Gast". Ich möchte das nur nicht so offen hier hin schreiben - Moment, gab es da nicht eine Spoiler-Funktion?? Oh je, ich als Technik-Embryo...
    Ich fand, das war klar zu ersehen aus den zahlreichen Andeutungen, die sich über das Buch verteilt hatten. Siehe besonders die Stichworte "Terrorist" und "Anwesenheit der Amerikaner"... :-))


    Hier aber erstmal der Text meiner Rezension.




    Mehr Kammerspiel als Krimi


    Ich war ganz überrascht, als ich sah, dass viele Leser dieses Buch eher mittelmäßig und sogar schlecht bewerten. Mir scheint, hier liegt ein geradezu klassischer Fall von Missverständnis vor: mag ich die Hauptperson nicht, muss das Buch schlecht sein. Zugegeben, die Protagonistin, die querschnittgelähmte ehemalige Kommissarin Hanne Wilhelmsen, ist sicher niemand, den man gerne kennenlernen würde. Aber nimmt man einmal von diesem Wunsch Abstand, man möge sich mit der ermittelnden Person doch bitteschön identifizieren können, dann kann ich nur feststellen, dass das Buch handwerklich einwandfrei und auch spannend geschrieben ist.


    Ich würde es allerdings viel weniger als "Krimi" bezeichnen, sondern eher als "Kammerspiel". Hier werden Menschen in einer Extremsituation geschildert, und zwar nahezu exemplarisch. Die Autorin hat eine grandiose Gabe, Gesellschaften, Typen und Verhaltensweisen zu beobachten und zu schildern. Hanne Wilhelmsen fungiert in diesem Buch insofern als "Kamera". Sie führt dem Leser vor, was alles in einem eingeschneiten Hotel in den Bergen passieren kann - Panik, Gruppenbildung, Revolten, dann wieder einsetzende Routine, Verdächtigungen, und so weiter. Aus rein, sagen wir mal, soziologischer Hinsicht fand ich das Buch einfach nur beeindruckend, mit teils sehr denkwürdig gewählten Formulierungen.


    Der Krimi ist für mich definitiv in den Hintergrund getreten. Ich gebe zu, es wird dem Leser auch nicht leicht gemacht, mitzuraten. Es ist beinahe unmöglich. Denn Hanne Wilhelmsen behält eben vieles gerne für sich. Sie ergeht sich in mysteriösen, verklausulierten Andeutungen. Manchmal bittet sie um etwas, oder geht einem Detail nach - allerdings ohne dass der Leser wüsste, warum. Aus meiner Sicht passte das aber sehr gut zu ihrem Charakter. Seit sie angeschossen wurde, sitzt sie im Rollstuhl, und bekanntermaßen werden solche Personen entweder besonders lebenslustig, oder eher verbittert, und ziehen sich zurück. Hanne gehört eindeutig in die zweite Gruppe.


    Ich finde, man kann im Verlaufe des Buches aber sehr schön erkennen, wie sich diese offensichtliche "Verbiesterung" langsam löst. Hanne merkt, dass ihr das Ermitteln eigentlich doch Spaß macht, und dass ihr etwas fehlt. Insofern ist das Ende für mich offen. Vielleicht geht sie doch wieder in den aktiven Dienst zurück. Zudem hat mir der "Showdown" wirklich gut gefallen. Ganz klassisch, wie eine Miss Marple oder ein Hercule Poirot, dröselt sie alle offenen Fäden auf, während alle im Salon versammelt sind. Nun macht auch ihre vorherige Geheimniskrämerei Sinn - denn in diesem Hotel konnte sie quasi nicht offen ermitteln, da die Lage durch den Schneesturm eh schon sehr angespannt war.


    Ich ziehe eigentlich nur deshalb einen Stern ab, weil mir die Handlung um den "norwegischen Gast", die ja immerhin dem Buch seinen Titel verleiht, zu kurz kam. Die Andeutung, wer dieser Gast denn nun gewesen ist, fand ich allerdings vollkommen raffiniert. Man müsste das Buch eigentlich noch einmal von vorne lesen, denn ganz langsam und unerbittlich reimt sich Hanne zusammen, wer da offensichtlich unerkannt mitreisen sollte. Sie sieht ihn erst ganz am Schluss, für eine Sekunde - und da blieb mir doch vor Staunen der Mund offenstehen. Ich werde es nicht verraten, keine Sorge - aber das hat dem Buch im Nachhinein doch eine gewisse Würze verliehen. Vor allem habe ich dann erst verstanden, was die "falschen Kurden" im Buch sollten.


    Ich vergebe letzten Endes doch eine Lese-Empfehlung. Allerdings nur an solche Leser, die bereit sind, sich einer durch und durch unsympathischen Heldin zu stellen - und die nicht vordergründig eine "spannende Ermittlung" erwarten.

    Michael Frayn zeigt, wie Komödie geht


    Ach, wir armen Deutschen. Mit Humor und Unterhaltung haben und hatten wir immer schon unsere Probleme. Nicht, dass wir humorlos wären - aber Humor wird hierzulande doch eher als "unkulturell" betrachtet, und läuft nur selten zur Höchstform auf. In angelsächsischen Ländern sieht man das erfreulicherweise anders. Michael Frayn tritt hierfür den denkbar besten Beweis an - er schreibt eine Komödie, die auch literarischen Ansprüchen genügt, die ebenso unterhält wie kritisiert, die hinter Kulissen blickt und Zwerchfelle erbeben lässt, und - die in einem wahren Feuerwerk der Abstrusität endet. Jedoch nicht ohne eine gehörige Portion Augenzwinkern.


    "Selten so gelacht"; endlich stimmt dieser Ausspruch wieder einmal. Schon allein durch die Struktur des Buches wird die humoristische Absicht unterstützt: mit ein paar klaren Strichen und aussagekräftigen Szenen werden die Hauptpersonen vorgestellt, bevor sich die einzelnen Ebenen immer schneller verwirren. Da wäre einerseits Nikki, die persönliche Assistentin der Fred-Toppler-Stiftung, welche auf der griechischen Insel Skios ihren Sitz hat. Einerseits gefangen in ihrem anspruchsvollen, doch auch langweiligen Beruf. Dann Mrs. Fred Toppler selbst, sowie das gesamte Personal, das nur mühsam die Kulisse einer leicht versnobten internationalen Stiftung aufrecht erhält. Jeder hofft auf Posten und Pöstchen - die einzige Freude, die einem hinter dieser glänzenden Fassade noch bleibt. Dann wären da noch Dr. Norman Wilfred, der diesjährig eingeladene Redner des Abschlussabends. Lässig seinen Champagner schlürfend, sitzt er in der Business-Class des Flugzeugs, und ahnt noch nicht, in welche Wirren er bald gezogen werden wird. Und - derjenige, der das Chaos ins Rollen bringen wird: der Hallodri und Lebemann Oliver Fox. Er ist eigentlich auf dem Weg zu einem amourösen Abenteuer, das er aber schon bereut, noch bevor es begonnen hat. Halb unbewusst sucht er nach einem Ausweg aus seiner verfahrenen Situation - und greift nur allzu gern zu, als Nikki ihn am Flughafen für den prominenten Gast hält...


    Nach der erfreulich kurzen und klaren "Exposition", der Einführungsphase also, geht es so richtig rund in diesem Buch. Nahezu spiegelbildlich werden aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten die fortschreitenden Etappen der heraufziehenden Katastrophe geschildert. Der Autor hält dabei immer voll und ganz zu der Figur, bei der er sich gerade aufhält - und kommt dennoch mit wenigen Worten aus. Er findet immerzu die treffende Pointe, das entlarvende Detail. Man hat als Leser Verständnis mit nahezu allen; ja, auch mit Oliver Fox, der sich unversehens in der Rolle eines Prominenten wiederfindet, und dies zunehmend genießt.


    Keine einzelne Szene wirkt dabei jedoch überladen - immer geht es nur genau einen Schritt weiter, ein kurioses Detail kommt hinzu, eine Verwirrung mehr. Nahezu klassisch ist hier das Motiv der Koffer-Verwechslung; belebt wird das Ganze aber auch ungemein von den herrlich ausgesuchten Nebenfiguren. Da wären z.B. die schreiend komischen griechischen Taxifahrer Stavros und Spiros, die durch ihr grauenhaftes Englisch nicht unwesentlich zur Verwirrung beitragen. Die Telefonistin Elli, die den echten Dr. Norman Wilfred unwissentlich in der Pampa herumschickt. Die eifersüchtige Ex-Freundin von Oliver Fox. Es werden hysterische Telefonate geführt, SMS geschickt, Taxis rasen über die Insel, im verzweifelten Versuch, endlich diverse Koffer und deren Besitzer zueinander zu bringen. Und alles steuert unweigerlich auf den einen Moment zu, an dem der ominöse Vortrag in der Stiftung gehalten werden soll...


    Der Autor hat sich zum Glück nicht der platten Versuchung hingegeben, den Hochstapler auffliegen und das Buch erwartbar enden zu lassen. Nein, er schiebt genüsslich noch eine Parenthese ein, in der er sich an den Leser wendet - und dann endet alles völlig anders, als man gedacht hat. Und zwar noch chaotischer, als befürchtet. Nur der Leser hält am Schluss alle Fäden in der Hand, während die Figuren durch die Trümmer ihrer Existenz taumeln. Oder während sie schon auf dem Weg zum nächsten Abenteuer sind. Aber wer ist dabei wer? Das werde ich nicht verraten!


    Endlich ist es einmal keine Phrase, wenn ich zugebe, mich köstlich amüsiert zu haben. Michael Frayn hat mich von seinem Talent als Komödienschriftsteller völlig überzeugt. Auf hohem Niveau nimmt er menschliche Schwächen aufs Korn, und unterhält gleichzeitig seine Leser auf das Beste. Ich fürchte nur, dass der Sprachwitz in der Originalversion noch besser wirken würde - aber auch die deutsche Übersetzung funktioniert gut bis sehr gut. Herrlich, bitte mehr davon! Dies ist der beste Beweis dafür, dass Humor und Unterhaltung eben doch Stil haben können.

    Josefa, in ein paar Punkten sprichst Du mir wirklich aus der Seele! Die ganzen Ungereimtheiten habe ich zwar auch wahrgenommen, habe sie aber besser "überlesen" können als Du. Sehr gelacht habe ich aber über Deine Ausführungen zum Testament! Großwesir von Zamponien, kicher... wirklich bissig, aber treffend formuliert!


    Hier nun meine Rezension, die insgesamt ein wenig wohlwollender ausfällt.


    "Kein Volltreffer, aber auch kein Streifschuss


    Vielleicht war es ein wenig ungünstig, ausgerechnet mit diesem Band um Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein anzufangen, denn es ist schon der vierte von fünf bisher erschienenen Bänden. Doch er lief mir zufällig auf einem Trödelmarkt über den Weg, und mir war gerade nach etwas leichterer Unterhaltung. Erst skeptisch (bei angeblichen Bestsellern bin ich das immer), dann immer mehr gebannt, tauchte ich in dieses wirklich gut gemachte Buch ein, um es innerhalb von nur zwei Tagen zu verschlingen.


    Um es gleich zu sagen: Weltliteratur ist dieser Krimi natürlich nicht; dafür fehlt es doch an ein paar Ecken. Aber gegen einen gut gemachten, leicht konsumierbaren Krimi ist ja bisweilen nichts einzuwenden.


    Was mir gut gefiel, war vor allem die Einteilung und der ausgefuchste Spannungsbogen. Die Handlung spannt sich vom 6. November 2008 bis zum 25. November 2008, und jedem "Tag" ist ein Abschnitt, ein Kapitel, gewidmet. Das fand ich sehr logisch, nicht so gezwungen wie manchesmal Kapitel in Krimis sind. Schön gemacht auch die Tatsache, dass jeder "Tag" genau mit einer Szene beginnt, die früh morgens spielt, und dementsprechend mit einer Szene am späten Abend oder nachts endet. Das war wirklich nett. Auch den Spannungsbogen fand ich sehr ausgetüftelt. Der Leser war immer genau einen Schritt weiter als die Ermittler: eine Frage, ein Rätsel, das in einem Kapitel gestellt wurde, erfuhr seine Lösung (für den Leser!) prompt im nächsten. Auch war die Handlung auf angenehm vielfältige Stränge aufgeteilt, die sich flott abwechselten. Der Spannungslevel wurde so kontinuierlich hoch gehalten.


    Über die Handlung an sich möchte ich nur am Rande ein paar Worte verlieren, weil, wie so oft, darin nicht der Hauptreiz des Buches liegt. Krimi ist eben Krimi. In diesem Band wird ein angeblicher doppelter Mädchenmörder nach 10 Jahren aus dem Gefängnis entlassen, und kehrt - ausgerechnet - in sein Heimatdorf Altenhain zurück. Die Schilderung der diversen Animositäten und Abhängigkeiten in diesem Dorf fand ich schon sehr treffend, und teils auch erheiternd, gemacht. Da blinzeln Nachbarn hinter Gardinen, schwatzen Hausfrauen im Tante-Emma-Laden, malen Unbekannte hässliche Parolen an Hauswände. Und keiner will niemals etwas gewusst haben. Man fühlte sich wirklich sehr gut in dieses Dorf versetzt. Diese Szenerie habe ich beinahe mehr genossen als den eigentlichen Fall.


    Den Kommissaren Kirchhoff und Bodenstein kommen allerdings bald Zweifel an der Schuld des vermeintlichen Täters. Die Verdachtsmomente steigern sich immer mehr - zuerst wird die Mutter des jungen Mannes tätlich schwer angegriffen, und dann verschwindet ein drittes Mädchen - doch kann es diesmal wieder Tobias gewesen sein? Es will alles nicht so recht zusammenpassen. Die Spannungsspirale schraubt sich stetig nach oben. Doch die Autorin begeht dann leider einen Fehler in meinen Augen - sie erliegt der Versuchung, auf den letzten 50 Seiten noch einmal ein paar Verwicklungen mehr hinzuzufügen, die nicht immer logisch sind. Hätte sie sich rein auf die Handlungsfäden beschränkt, die vorher auch schon da waren, hätte ich den Schluss als "runder" empfunden. So aber war es ein wenig "unwirklich".


    Zu den Kommissaren selbst - in beinahe skandinavischer Manier stattete die Autorin ihre beiden Ermittler mit allerlei privaten Problemchen aus, die jedoch nicht zu drastisch waren. Pia Kirchhoffs Bauernhof ist vom Abriss bedroht, und Oliver von Bodenstein hat schwere Eheprobleme. Allerdings fand ich, dass Pia in diesem Buch zu kurz kam. Ich kann mich nur an drei Szenen erinnern, in denen es um ihren Hof und das Bauamt ging. Oliver von Bodenstein hingegen und seiner untreuen Ehefrau werden mindestens sechs bis sieben Szenen gewidmet - ich habe nicht nachgezählt. Jedenfalls bestand da für mich ein deutliches Ungleichgewicht. Auch hatte ich das Gefühl, man müsse die Vorgänger-Bände besser schon gelesen haben, um den Figuren wirklich nahe zu kommen. Sie waren zwar nicht unglaubwürdig, aber doch ein wenig "theoretisch".


    Mein letzter "Kritikpunkt", wenn man denn so will, betrifft die Sprache. Sie ist nicht schlecht, nein, für einen Krimi gut lesbar, nicht zu brutal, und auch nicht zu niveaulos. Aber ich fand die Ausdrucksweise der einzelnen Figuren zu wenig ausdifferenziert. Vom Tonfall her konnte ich die Personen kaum unterscheiden, und genau das hätte für mich den Unterschied ausgemacht zu einem Krimi, der wirkliche Weltklasse hat. Denn einen Lesesog hat das Buch für mich durchaus entwickelt.


    Insgesamt macht das Buch neugierig auf mehr von dieser Autorin, wenngleich man auch den Eindruck hat, dass Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein ein klein wenig stromlinienförmig geraten sind."

    Hallo Paradise Lost,


    Dein Nick deutet ja schon darauf hin, dass Du gerne englische Originale liest, gell? :-) "Paradise Lost" mussten wir uns in den ersten Semestern schon antun.


    Wie dem auch sei, Deiner Rezension kann ich in fast allen Punkten zustimmen. Ich fand BEIDE ersten Bände, also den "Uncle Montague" und "Tales of Terror from the Black Ship" gleich gut. Nur diesen dritten ein wenig schwächer. Mir hat bei diesem dritten Band das "vereinende Moment" gefehlt. Im ersten Band war das ja Onkel Montagues Kaminzimmer, und die seltsamen Gegenstände, die sich darin befanden. Im zweiten Band war es halt das Seefahrer-Setting, und allesamt waren sie Seefahrer-Geschichten. Hier, im dritten Band, geht es ja ein wenig, nun ja, "bunter" zu. Allerdings fand ich es einen netten Einfall, die geheimnisvolle Dame ausgerechnet "Woman in White" zu nennen, was ja, wie der Autor selber zugibt, eine bewusste Anspielung auf den Großmeister des Grusels, Wilkie Collins, ist.


    Ich habe übrigens auch die englische Ausgabe gelesen - und zwar als E-Book auf dem Kindle. Die Kindle-Ausgaben sind übrigens auch auf Englisch sehr günstig zu bekommen! :-)

    Gummibärchen, lass dich drücken! Du sprichst mir aus der Seele! Ich kann die Stellen schon gar nicht mehr zählen, an denen ich bei diesem Buch mit dem Kopf geschüttelt habe - so etwas wäre im Leben nicht (!!) so passiert! Und trotzdem ist da eine gewisse Spannung, die einen das Buch schnell lesen lässt. Das ist eine ganz kuriose Mischung.


    Ich bin sehr erleichtert, dass auch anderen Lesern diese "Unwahrscheinlichkeiten" aufgefallen sind.


    ***
    Hier ist noch der Text meiner Rezension.


    "So, nun bin ich doch schneller durch dieses Buch getaumelt, als erwartet. Unspannend war es nun gerade nicht! Aber, wie soll ich sagen - ich verleihe meine vier Sterne, die der rasanten Lektüre geschuldet sind, fast widerwillig. Denn andererseits habe ich mich fast ein wenig von Sabine Thiesler "entwöhnt". Ich durchschaue sie einfach zu schnell, und finde auch zunehmend strukturelle und logische "Macken" in ihren Büchern. Aber das spricht ja grundsätzlich nicht dagegen, dass man sich von ihren Thrillern gut unterhalten lassen kann.


    Zum Inhalt und zur Handlung ist hier schon genug geschrieben worden. Das will ich gar nicht weiter zerpflücken. Sagen wir einmal so, das Buch zerfiel für mich beim Lesen in zwei Teile, obwohl ich den Klappentext natürlich kannte. Während der ersten Hälfte dachte ich noch, ich hätte es mit einer Kopie von "Vertigo" oder einem Anklang an "Rebecca" zu tun. Hier ging es ja mehr um Jonathans Besessenheit, um seinen Drang, Sofia nach dem Muster seiner verstorbenen Tochter zu formen. Hier war der Grusel eher untergründig, und die Handlung baute sich sehr langsam auf.


    Richtige Spannung kam für mich daher erst in der gefühlten zweiten Hälfte des Buches auf. Hier ändert sich der Charakter des Buches. Plötzlich weiß man auch, welchen Sinn der Prolog machte - denn er taucht fast genau wörtlich (!) wieder auf, diesmal mit dem Namen des Handelnden. Jetzt geht es nicht mehr um Sofias Ähnlichkeit mit Giselle, sondern um Jonathans Rache. Das war zwar schon, wie gesagt, von der Handlung her durchaus spannend - die letzten 70 Seiten sind bei mir nur so geflogen. Dennoch. Ich kann meine Bedenken leider nicht allzu nah beschreiben, ohne zu spoilern. Bei etlichen Details habe ich einfach nur den Kopf geschüttelt; das wäre im Leben nicht (!!) wirklich so passiert. Außerdem fand ich, dass ein paar Nebencharaktere, und auch ein paar Episoden, in dem Buch einfach überflüssig waren. Warum muss ich vom Privatleben der Krankenschwester wissen, die gerade Dienst hatte, als das Baby verschwand? Warum muss ich von Amandas und Riccardos Jugend wissen? Das ist für die eigentliche Handlung völlig unerheblich. Und auch die Episode mit den Holländern fand ich eher abartig, als erhellend...


    Ein paar Details waren allerdings schön erdacht. So zum Beispiel die leisen Verdachtsmomente, die Sofias Vater, Kommissar Neris Frau oder der Priester haben, die sich aber nie durchsetzen. Überhaupt war es nett, dass Commissario Neri wieder einmal auftauchte; er ist so etwas wie der "running gag" in den Büchern von Sabine Thiesler. Allerdings ist dieser Witz natürlich an solche Leser verschwendet, die nicht alle Bände kennen.


    Insgesamt gibt es von mir eine eingeschränkte Empfehlung. Gut geeignet ist das Buch vor allem für eingefleischte Fans von Sabine Thiesler. Für Toskana-Fans ebenso, denn das Lokalkolorit ist wieder einmal enorm. Auch für Leser, die "einfach nur" eine spannende Geschichte wollen, ohne sich allzu viele Gedanken um Wahrscheinlichkeit oder Logik zu machen. Aber leider ist es eben nichts für solche Leser, die "literarische Krimis" mit Anspruch, wie zum Beispiel die von Fred Vargas, gewöhnt sind."

    Ich war sehr überrascht, als ich das Buch, nein, das Büchlein, schließlich in Händen hielt. Der Klappentext hatte Mystisches versprochen, und nun hatte das Ganze kaum mehr als 180 Seiten, in großer Schrifttype gesetzt.Das wäre ja in wenigsten Stunden gelesen. Und ich sollte recht behalten. Fast wie ein Schnellzug sauste die Geschichte an mir vorbei, die im Klappentext schon fast vollständig geschildert ist: in einem einsamen Dorf wird plötzlich ein Seil auf der Wiese gefunden, das in den Wald führt, und dessen Ende man nicht sieht. Die Dorfbewohner können sich der Faszination des Rätsels nicht entziehen, und schicken einen Erkundungstrupp los - der viel länger ausbleibt, als erwartet...


    Doch entgegen meiner Vermutung, verleitet mich die Kürze und ausgesprochen leichte Lesbarkeit nun gerade nicht (!) zu einer vorschnellen Aburteilung als "seichte Kost". Das Buch hat Untiefen, die mir erst jetzt, einen Tag nach der Lektüre, so richtig zu Bewusstsein kommen.


    Irgendwo hatte ich einen Vergleich mit "Die Wand" von Marlen Haushofer gelesen, und dem kann ich zustimmen. Auch die "Wand" las sich, oberflächlich gesehen, eher langweilig und leicht, hatte aber eine Bedeutung, die weitaus tiefer reicht. Auch das "Seil" geht in seiner Bedeutung weit über den reinen Text hinaus. Ich würde sogar noch einen weiteren Vergleich ziehen wollen - ich dachte auch an "Das Experiment". In extremen Situationen treten nämlich oft die wahren Charaktereigenschaften der Menschen hervor. So auch hier. Vom Sich-Aufspielen, über das Dozieren, Plündern, Aufwiegeln und letztlich Morden, ist alles dabei.


    Nur mit der Aufschrift "Roman" auf dem Cover bin ich nicht recht glücklich. "Parabel", wie im Klappentext, trifft es weitaus besser. Dafür spricht auch, dass die Geschichte nicht eindeutig "verortet" ist, weder was Zeit, noch Schauplatz betrifft. Ebenso ist der Beginn recht abrupt, wie auch das Ende. Doch all das hat mich weniger gestört. Ich habe, trotz des eher gemächlichen Tempos, teilweise den Atem angehalten, und gebannt beobachtet, wie der sehr eigenwillige Expeditionstrupp nach und nach verrohte. Hier lag für mich die wahre Bedeutung des Textes. Da war mir das offene Ende schon fast egal.


    Was mir jedoch nicht egal war, und was auch zu einem Stern Abzug führt, sind zwei Tatsachen. Erstens hat das Buch keinen eindeutigen Protagonisten, keinen Erzähler. Ich finde, durch einen solchen hätte die Geschichte an Eindringlichkeit gewonnen. Zweitens hat mich einfach die Rollenaufteilung gestört - die Männer ziehen los, die Frauen bleiben daheim und hüten die Häuser. Auch wenn die Frauen letztlich das bessere Los gezogen hatten, so habe ich mich doch ein wenig geärgert.


    Insgesamt würde ich das Buch allen empfehlen, die willens und fähig sind, hinter die Fassade eines oberflächlich leicht zu lesenden Textchens zu schauen, um sich Fragen über die wahre Natur des Menschen zu stellen.

    So. Sie stehen nun also etwas ratlos vor diesem Buch - "Dierk Gewesen und die Glorreichen Sechs". Und Sie finden, dass der Titel schon verdächtig albern klingt, bzw. Sie fragen sich, ob der Autor da bewusst auf etwas angespielt hat - den berühmten Film "Die glorreichen Sieben" nämlich. Und soll ich Ihnen was sagen? Er hat. Hundert Pro. Allerdings mit genau der leicht albernen Absicht, die wir ihm instinktiv unterstellen. Schauen wir uns noch dazu das Cover an. Ein Typ, der mitten aus "Starsky & Hutch" oder zumindest "Pulp Fiction" entsprungen scheint, noch dazu eine Großstadtkulisse und Haie (Haie?? Ja, Haie!). Da denken Sie nun wahrscheinlich, das Ganze wäre wohl ein wenig abgedreht. Und schon wieder haben Sie Recht.


    Wenn Sie also jetzt noch nicht geschnallt haben, dass dieses Buch ein ziemlich irrer Trip wird, dann sollten Sie besser Leine ziehen. Ganz im Ernst. Dann dürfen Sie sich aber nicht über die anderen, mutigeren Leser wundern, die tagelang nicht mehr ansprechbar sind, und sich in den Ecken vor Lachen wälzen.


    Aber damit Sie nicht auch noch beleidigt sind, betrachten wir doch lieber mal, was Sie mitbringen müssten, um dieses Buch zu genießen. Denn genießen kann man es durchaus; dafür lege ich meine Hand ins Feuer! Wenn, ja wenn...


    ...wenn man gehörig in den folgenden Fachbereichen geschult ist: B-Movies, Actionfilme, Nonsens, und Comic-Helden. Alles das vermengt der Autor großzügig (und, wie ich finde, durchaus auch mutig) miteinander, schüttelt einmal kurz durch, würzt es kräftig mit seinem ureigenen Humor und Sprachwitz, und fertig ist der Buch gewordene Monty-Python-Film. Oder der deutsche Douglas Adams. (Wenn Sie die natürlich auch schon nicht mochten, ist Ihnen damit leider nicht geholfen...)


    Fühlen Sie sich bloß nicht verhohnepipelt, wenn ich Ihnen jetzt nix vom Inhalt erzähle. Denn das brächte so was von wenig, das glauben Sie gar nicht. Sicher gibt es hier so etwas wie eine Story, aber die ist um Himmels willen nicht so ernst zu nehmen wie in einem klassischen Krimi oder Thriller! Aber das haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht. Gut, ich will mal nicht so sein, und mache den Sack ein wenig auf. Da gibt es einen durchgedrehten Kommissar (der Typ vom Cover), der so ziemlich alles zu Schrott fährt, seine Untergebenen scheucht, und zwischendurch doch mal gar nicht so falsch liegt. Es gibt die schöne Ex, die von einem finsteren Finsterling (mann, ist der vielleicht finster) entführt wurde. Es gibt wilde Wissenschaftler, vörmliche Vorgesetzte, halbdebile Handlanger, und hungrige Haie. Und noch dazu eine angestrebte Weltherrschaft (James Bond lässt grüßen), eine Verfolgungsjagd, Sprachspielereien am laufenden Band, und ein etwas überraschendes Ende. Punkt.


    Ich hab's ja gesagt, den Inhalt zu beschreiben, bringt nix. Aber das Buch tatsächlich zu lesen, das bringt was! Nämlich Spaß. Und Muskelkater im Zwerchfell. Und - so steht zu hoffen - den Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit einem der irrsten Helden, die man sich denken kann.

    Ich wusste ja schon länger, dass man Verlagen nicht immer trauen darf. Die haben bisweilen merkwürdige Angewohnheiten; insbesondere, was die Vermarktung der im eigenen Hause verlegten Bücher betrifft - die Erstellung von Klappentexten und Untertiteln beispielsweise. Doch ich gebe diesem Sachbuch, das sich liest wie ein Streitgespräch mit der besten Freundin, dennoch 5 Sterne. Denn für die Eigentümlichkeiten des Verlagswesens kann die Autorin Anja Hilscher ja nichts.


    "Meine bunte muslimische Welt", so lesen wir im Untertitel (auf den die Autorin nur bedingt Einfluss hatte, wie sie sagt). Wer hier nun einen Bericht einer in Deutschland lebenden Muslima über ihren Alltag erwartet, würde enttäuscht. Sie würzt ihre Ausführungen zwar hin und wieder mit selbst erlebten Episoden, doch ist dies nicht ihr Fokus. Ihr Ziel ist es, in einem flüssig zu lesenden Text, der sich an wirkliche Menschen richtet (und nicht an Akademiker oder Sesselpupser), mit einigen gängigen Vorurteilen dem Islam gegenüber aufzuräumen. Sie will unsere Schubladen aufreißen, und im Gehirn gründlich durchlüften. Genau dies gelingt ihr meiner Ansicht nach hervorragend!


    Dieses Buch hat nicht allzu viele Seiten, und liest sich, oberflächlich betrachtet, vielleicht (zu) schnell. Sicher ist es auch kein Lexikon, und vor dahingehenden Erwartungen möchte ich den potenziellen Leser ausdrücklich warnen! Man kann, so man entsprechend sensibel dafür ist, durchaus die gerunzelte Stirn der Autorin vor sich sehen, das Zähnezusammenbeißen, wenn sie wieder einmal etwas weglassen, vereinfachen oder umgehen musste. Sie hat sich, von ihrem Bauchgefühl und ihrer Alltagserfahrung geleitet, einmal die gängigsten Klischees vorgenommen, die über den Islam so im Umlauf sind. Diese behandelt sie nun schön der Reihe nach, eins pro Kapitel. Zwar verwendet sie dafür eine eingängige Sprache, die auch nicht frei von Ironie oder teilweise auch Sarkasmus ist - aber hinter all dem schimmert ihr Bemühen um das "Brückenbauen" durch. Es darf auch schon mal ein Witz oder Sprachspiel mehr sein, wenn dafür nur der Punkt rüberkommt, der ihr am Herzen liegt. Und genau das fand ich ausgesprochen liebenswert.


    Ferner hat mich überzeugt, dass Anja Hilscher ihre Hausaufgaben scheinbar gemacht hat. Sie schreibt hier nicht aus dem luftleeren Raum heraus; nein, sie argumentiert durchaus fundiert, und nah an Quellentexten, nah an dem, was für sie der wahre Geist des Islam ist. Was eben genau die Fanatiker, die unser Bild vom Islam leider oft prägen, nicht tun... Sogar Bibelzitate kommen vor. Das nenne ich überzeugend und ausgewogen.


    Schon allein das Cover bringt für mich auf den Punkt, was dieses Buch auszeichnet (hier muss ich dem Verlag wirklich gratulieren): ein paar orientalische Pantoffeln, ein Gegenstand mit Signalwirkung, der vielfach interpretierbar ist ("unter dem Pantoffel stehen", beispielsweise). Noch dazu in einem auffälligen Kontrast zur Hintergrundfarbe (Rot / Grün), so dass auf sehr feine Art und Weise die wertende Instanz ins Spiel kommt (richtig / falsch). Ja, man muss und soll sich Gedanken machen zu diesem Buch. Man kann nicht mehr in seinem bequemen gedanklichen Kämmerlein sitzen bleiben, und Allah einen bösen Mann sein lassen, und jeden bärtigen Ausländer einen Terroristen. Was man allerdings sehr wohl kann: der Autorin für ihren Mut danken, und auf eine Fortsetzung hoffen.

    Ich war nicht ganz so begeistert von dem Buch. Hier meine Rezension


    ***


    Es scheint mir unter den Rezensenten eine Tendenz vorzuherrschen, dieses Buch fast allein aufgrund seines Themas zu bejubeln. Doch das greift mir persönlich zu kurz. Sicher, es ist interessant und auch wichtig, sich zu fragen, wie sich die digitale Vernetzung der Menschheit weiterentwickeln könnte und sollte. Mutig war der Autor Benjamin Stein also auf jeden Fall, und auch in sprachlicher Hinsicht recht treffsicher. Dennoch - als Buch "an sich" ist es für mich nicht wirklich ausgereift. Ob es am Autor oder am Lektorat gelegen hat, kann ich nicht beurteilen, aber mir kommt es so vor, als sei die Geschichte auf halbem Weg ihrer Entwicklung, irgendwo zwischen Novelle und Roman, einfach "in den Druck geschickt worden" - obwohl sie noch gar nicht "ausgewachsen" war.


    Denn ein Roman ist es eigentlich nicht. Es gibt vier Erzählabschnitte, und jeder davon beginnt eigentlich in der Gegenwart, mit dem Aufwachen des Programmierers und Entwicklers Ed Rosen. Doch schon nach drei bis vier Sätzen verliert sich der Ich-Erzähler in Erinnerungen, kommt vom berühmten Hölzchen aufs Stöckchen, beschreibt in immer neu angestoßenen Schnipseln seinen Werdegang - und auch den Werdegang des von ihm erfundenen Produktes, des UniCom. Wie es scheint, findet er nur mit größter Mühe gegen Ende des Buches in die Gegenwart zurück, in den eigentlichen Erzählmoment. Und das Ende kam dann für mich relativ "schwebend" und sinnfrei rüber - das Buch endet irgendwie nicht wirklich, es verliert sich eher. Und genau das hat mich gewurmt. Mag sein, dass genau dieser Eindruck vom Autor beabsichtigt war, um zu zeigen, wie sehr eine Rundum-Vernetzung dem Menschen schaden kann - aber aus erzählerischer Sicht hatte diese Methode in meinen Augen auch Nachteile. Zu vieles blieb für mich offen; ich habe mich wirklich ein wenig geärgert, weil ich z. B. partout nicht verstanden habe, was nun aus der Freundin und der Geliebten geworden ist. Und aus dem Chef!


    Aber immerhin verleihe ich dem Buch drei Sterne, und das steht bei mir für eine durchaus solide schriftstellerische Leistung. Bewundert habe ich vor allem die Charakterzeichnung des Autors, und seine Fähigkeit, in einer leicht lesbaren Sprache auf viele Tiefgründigkeiten anzuspielen. Man kann mit dem Erzähler Ed Rosen mitfühlen, wie er langsam aber sicher in seiner eigenen, erfundenen Welt abdriftet. Vor allem die Erotik ist hier ein Hauptgrund, und die entsprechenden Szenen sind mit Geschmack und nicht zu derb ausgeführt worden. Allerdings muss ich doch sagen, dass man sich streckenweise sehr an berühmte Vorbilder erinnert fühlt - Schnitzlers "Traumnovelle", verfilmt als "Eyes Wide Shut" von Stanley Kubrick, steht da sicher an erster Stelle. Aber auch Schwarzeneggers "Total Recall" kam mir in den Sinn.


    Könnte ich Wünsche äußern, würde ich den Autor bitten, dass er das Buch für mich umschreibt - als wirklicher Roman, der sich geradlinig entwickelt, mit deutlich mehr Seiten, und vor allem: nicht nur aus der Rückblende geschildert, hätte mich die Geschichte besser erreicht.

    Bücherwürmer lieben Bücher über andere Büchernarren, das scheint geradezu ein Naturgesetz zu sein. Zudem hat das Genre ja in den letzten Jahren durch Autoren wie Alberto Manguel (oder in jüngster Zeit Nick Hornby oder Susan Hill) zusätzlich immens an Auftrieb gewonnen. So konnte es wohl nicht ausbleiben, dass auch dieser Veröffentlichung von Nina Sankovitch eine gewisse Aufmerksamkeit sicher war. Der Bericht über ein ganzes Lesejahr, ein Buch pro Tag...? Dem konnte ich unmöglich widerstehen!


    Und doch ist das Buch bei mir knapp an der Höchstwertung vorbeigeschrammt. Ich habe es gerne gelesen, keine Frage, fand es amüsant, teils auch lehrreich, leicht zugänglich, flüssig geschrieben. Aber: ein wenig am eigenen Klappentext vorbei ist es dann doch. Das "Rezept" hörte sich fantastisch an, ist aber meines Erachtens nicht zu 100 % umgesetzt worden. Immerhin aber zu, sagen wir mal, 80 Prozent!


    Der Anlass, dieses Buch zu schreiben, war leider ein tragischer - es war der Tod von Nina Sankovitch' Schwester. Drei Jahre lang floh sie vor ihrem Schmerz und ihren Gefühlen, bis sie für sich die Notbremse zog und in ein Jahr des Lesens abtauchte. Gut, nun hat man persönlichen Schmerz nicht zu bewerten - aber ich hätte mir für dieses Buch einfach gewünscht, der Tod der Schwester wäre auch allein der Anlass geblieben, wäre nur am Anfang aufgetaucht. Doch nein. Auch noch aus dem unmöglichsten und eigentlich unwahrscheinlichsten Buch zieht Nina eine Parallele, sieht ihre Schwester darin, erinnert sich an ihr gemeinsames Leben. Das mag zwar psychologisch gesehen verständlich sein, aber in einem Buch über ein Lesejahr hat es mich, man entschuldige bitte, im Verlauf der Lektüre zunehmend genervt.


    Auch fand ich schade, dass das Buch nach dem großartigen ersten Drittel zunehmend an Struktur verlor. Anfangs beschreibt die Autorin noch, wie sie ihren Tagesablauf im Lesejahr strukturiert, welche Schwierigkeiten es gibt, wie sie zu ihrer Lektüre kommt. Doch all das versandet nach und nach. Es gibt nur noch "thematische" Kapitel, bei denen man manchmal den Zusammenhang mit dem Lesejahr suchen muss. Kapitel über Liebesgeschichten, über Sex, über Mitgefühl in Büchern, über Krimis (wobei ich das Kapitel über Krimis das beste fand). Hin und wieder werden Titel erwähnt, die sie gelesen hat - aber nicht, WANN im Lesejahr das war, und wie sie zu den Büchern kam. Der Jahresablauf verschwindet fast vollständig; hingegen gewinnt die Darstellung der eigenen Familiengeschichte immer mehr Raum. Ich fand dies schade - da ich, dem Klappentext zufolge, etwas anderes erwartet hatte.


    Immerhin, es gibt einen Anhang mit all den Büchern, die sie in ihrem Lesejahr verschlungen hat. Und es gibt die Adresse ihres Blogs, auf dem sie täglich (!) ihre Rezensionen veröffentlichte. Vermutlich sollte man sich lieber den durchlesen, wenn man tatsächlich an ihrer Meinung zu ihrer Lektüre interessiert ist. Ich möchte meine leichte Enttäuschung aber insofern abmildern, als das Buch durchaus den einen oder anderen Lichtblick bescherte, die eine oder andere Einsicht, was Bücher und Lebenserkenntnis betrifft. Ich werde es sicher noch öfter zur Hand nehmen, und an den Stellen schmökern, die mir besonders gefallen haben.

    Mein Leseeindruck konnte nun genügend "sacken", und ich fühle mich in der Lage, eine Rezension zu schreiben. Denn obwohl dieses Buch, soweit ich weiß, noch nicht auf Deutsch erschienen ist, wünsche ich ihm viele weitere Leser! Auch deshalb und gerade weil es in manchen Punkten sicher nicht den gängigen Erwartungen entspricht, und auch weil die Autorin sicher so manche streitbare Meinung vertritt.


    Wir deutschen Leser haben bei "Büchern über Bücher", zumal wenn sie von Schriftstellern oder Kritikern verfasst werden, immer eine bestimmte Erwartung, wie mir scheint. Wir wollen Leitlinien, wir wollen eine Handreichung, "was man lesen soll", wir wollen einen Kanon. Wir sind sehr daran gewöhnt, dass man uns sagt, was wir über dieses und jenes zu denken haben. Doch genau diesen Ansprüchen verweigert sich Susan Hill konsequent. Dennoch finde ich ihr Buch überaus gelungen, und sehr geradlinig geschrieben - denn beim Schreiben ist sie ihrem ganz eigenen "Leitfaden" gefolgt.


    Vorab: sie beschreibt eben nicht (!!) ihr Lesejahr, sondern die Vorbereitung dazu. Anlass war die Suche nach einem bestimmten Buch, "Howards End". Sie streift dazu durch ihr ganzes Haus, nimmt dieses und jenen Band in die Hand, erinnert sich, sucht weiter, entdeckt so manches, was sie vergessen hatte. Und genau das macht den Reiz des Buches aus. Man merkt so wunderbar, wie sich ihr ganzes Leben entlang von Büchern entwickelt hat, wie ihr Bestand wuchs, und wie beim Lesen oft eins zum andern kommt. Mir hat sich hier besonders folgender Satz sehr eingeprägt, der mich schmunzeln ließ, und der mir eine gute Vorstellung von Susan Hills Haus und den Regalen vermittelte: "I sometimes wonder if the books came into this house or if the house grew around them." Köstlicher Satz!


    Vom Stil her ist das Buch halb Essay, und halb Biografie, und genau das hat mir gut gefallen. Denn ihre Biografie ist ja nun eben mit Literatur sehr verbunden! Sie ist Schriftstellerin, und wollte auch immer eine werden. Es ist faszinierend nachzulesen, wie vielen Schriftstellern sie im Laufe ihres Lebens begegnet ist, und welche Anekdoten sie damit verknüpft. Sie hat in zahlreichen Komitees gesessen, hat zahlreiche Interviews geführt. Besonders gut hat sich mir dabei vermittelt, wie anders die literarische Szene in England aufgebaut ist, welch anderen Eindruck man von außen zu einem literarischen "Kosmos" so hat. Außerhalb Englands kennt man meist nur die Preisträger, oder diejenigen, die sich auch hier gut verkaufen. Doch was die eigentliche "literarische Identität" eines Landes ausmacht, wird oft ganz anders bewertet. Sehr aufschlussreich!


    Ganz locker und unaufdringlich, dabei doch immer dem Ziel ihres Buches folgend, verknüpft Susan Hill mit ihren Erinnerungen die eher "essayistischen" Anteile. Die sind oft leichtfüßig, immer gut zu lesen, aber mit viel Hintersinn, und teils beißenden Untertönen. Da gibt es teils witzige, teils tiefschürfende Absätze über den Einfluss des Internets auf unser Leseverhalten, über den Sinn von Serien und Sammelbänden, über E-Books, über Schrifttypen und Sonderausgaben, über das angemessene Lesetempo, und und und. Ich habe wirklich viel dazugelernt.


    Die eher "streitbaren" Aspekte ihrer Ansichten habe ich gut verdauen können, weil sie sie immer erklärt. So mag sie zwar Dickens und Hardy, aber schätzt ausgerechnet ihre weniger bekannten Werke. Den "Oliver Twist" erwähnt sie nicht einmal! Ebenso wenig die "Tess of the D'Urbervilles". Tja...! Doch ich habe sie verstanden, und hatte nicht den Eindruck, dass sie eine oberflächliche Leserin ist. Eher im Gegenteil. Auch kann sie mit Jane Austen nichts anfangen, was mich im ersten Moment verblüfft hat - doch ihre Argumente hierzu leuchteten mir ein. Eher verschroben bis liebenswert erscheint mir die Tatsache, dass sie mit australischen und kanadischen Autoren nichts anzufangen weiß... so hat wohl jeder Leser seine "Macken"...!


    Doch am kuriosesten war für mich die Entdeckung von Susan Hill als Autorin. Dieses Buch hat mir so gut gefallen, dass ich über sie nachgeforscht habe, weil - so muss ich zu meiner Schande gestehen - sie mir bislang völlig unbekannt war. Und siehe da - sie ist die Autorin der Romanvorlage zu "Die Frau in Schwarz", ein Film, der gerade in unseren Kinos läuft. Noch kurioser: sie selber liest kaum Krimis, Grusel oder Horror. Als Autorin aber ist sie genau mit diesem Genre erfolgreich geworden - zumindest in England. Das fand ich doch irgendwie witzig...!


    Ich möchte dieses Buch wirklich allen deutschen "Bibliomanen" ans Herz legen, auch und gerade denjenigen, die sich für England interessieren. Man wird ein wenig aus seiner engen, deutsch-kulturell gefärbten Weltsicht herausgerissen - und das tut auch mal ungeheuer gut. Und ein Lesevergnügen ist dieses Buch aufgrund seines witzig-geistreichen Stils allemal.

    Ein wenig enttäuscht bin ich schon. Oder hatte ich einfach schon zu viele Vorkenntnisse? Wie dem auch sei; das Buch hat mir (zumindest was Jesus und Buddha betrifft) nicht viel Neues vermittelt. Und der Klappentext hat ein Bild gezeichnet, das letztlich nicht mit dem Buch überein stimmte.


    Es ist die Rede von "überraschender Modernität" aller drei Lehrer, von Antworten auf drängende Lebensfragen. "Eine einmalige spirituelle Anleitung für alle, die vom Leben mehr erwarten."


    Eine Anleitung ist es nun ganz gewiss nicht! Und es findet auch keine spezielle Beantwortung von aktuellen Lebensfragen statt. Es ist, ein wenig grob gesprochen, nicht mehr (und auch nicht weniger) als die Erledigung einer "Hausaufgabe" in gehobener Schulaufsatz-Form: Vergleiche die Lebensläufe von Sokrates, Jesus und Buddha, und stelle die Gemeinsamkeiten ihrer Lehre heraus.


    Die Aufgabe ist, ganz nach französischer Wissenschaftstradition, penibel und gründlich erledigt worden, mit ausführlichen Zitaten aus den entsprechenden Schriften (die Bibel, Platon, buddhistische Sutras, oder auch zeitgenössische Historiker). Mir persönlich waren die Zitate aber schon fast zu gründlich; sie waren teils so lang, dass es für mich den Lesefluss gestört hat. Ich hätte viel lieber des Autors ausführliche eigene Gedanken zum Thema gelesen! Doch immer genau dann, wenn es in dieser Hinsicht spannend wurde, brach er ab, ging nicht weiter. Doch wie gesagt, das mag teils auch daran liegen, dass ich recht gute Vorkenntnisse hatte.


    Überhaupt gibt der Autor sehr wenig von sich preis, vor allem, was den Anlass zum Schreiben dieses Buches betrifft. In einem denkbar kurzen Vorwort heißt es lapidar, genau diese drei Persönlichkeiten hätten ihn schon lange fasziniert und beschäftigt. Mehr nicht. Das war mir zu "billig" und zu mager; zumal ja aus logischer Sicht durchaus nicht einleuchtet, warum ein Philosoph zusammen mit zwei späteren Religionsstiftern untersucht wird. Die Begründungen hierzu sind spärlich.


    Auch fragte ich mich: wenn schon Philosophie, Lebensanleitung und Religion zusammengeworfen werden, warum der Kreis der untersuchten Personen dann nicht größer ist (Mohammed hätte für mich unbedingt dazugehört!) - und warum keine Frauen Eingang in das Buch gefunden haben! Ich denke da z. B. an eine Hildegard von Bingen, oder eine Theresa von Avila.


    Mein Eindruck ist, der Autor hat sich mit diesem Buch mehr oder weniger ein "Privatvergnügen" gegönnt. Er hat im Laufe von Jahrzehnten Unmengen von Notizen zusammengetragen, und hat seine Kapitel fast im Stechschritt "abgearbeitet". Nur am Rande tauchen strittige Punkte oder ungeklärte Fragen auf. Wirklich gut und tiefschürfend fand ich eigentlich nur die Eingangsphase des Buches, in der untersucht wird, ob die Drei tatsächlich historische Personen sind - und wenn ja oder wenn nein, welche Auswirkungen das auf unsere heutige Interpretation hat. Dieser Abschnitt war sehr gut gemacht.


    Durch die "Abarbeitung" der Kapitel entsteht teilweise auch eine recht gedrängte Darstellung, die zwar nicht direkt falsch ist, die aber beim Laien durchaus falsche Eindrücke hervorrufen kann. Ein Beispiel: Die "Trikaya-Lehre" hat nur sehr, sehr von ferne etwas mit dem zu tun, was der Buddha selber (!!) gelehrt hat, was "Buddhismus" wirklich ausmacht. Der "Durschnittsbuddhist" wird von dieser Lehre nie etwas gehört haben. Von daher ist die Erwähnung dieses Spezialthemas in einer Überblicksdarstellung verfehlt.


    Ich gebe allerdings dennoch drei von fünf möglichen Sternen. Für die gute Lesbarkeit, und für die reine Fleißarbeit. Und für den einen oder anderen Gedankenanstoß. Aber wirklich neu oder "notwendig" ist dieses Buch nicht.

    Wenn ich könnte, würde ich sechs Sterne vergeben anstatt 5! Dies war für mich bislang mit Abstand das beste Buch, das ich im Rahmen der Debütautoren-Aktion lesen durfte. Eine echte Bereicherung, sowohl was den Inhalt, als auch den Schreibstil betrifft.


    Was dieses Buch für mich besonders auszeichnete, war vor allem der Schreibstil, die Form, in die die Erlebnisse des Autors gegossen wurden. Es ist weder eine reine Reisebeschreibung, die trocken von Station A nach B nach C läuft. Es ist aber auch keine historische Abhandlung, kein "Zettelkasten", und auch keine "Nummernrevue". Es ist etwas ganz Eigenes, das wunderbar ausbalanciert zwischen Belletristik und Sachbuch einzuordnen ist. Meine allerhöchste Bewunderung für dieses Kunststück!


    Einfach "schön" fand ich schon die Idee, die Kapitel zu den einzelnen Stationen der Reise mit den "Elementen" zu betiteln, also "Eis" für die Ukraine, "Blut" für Moskau, "Wind" für Sankt Petersburg, "Wasser" für Sibirien, "Gras" für die Steppe, und "Holz" für die Taiga. Wie man beim Lesen merkt, haben diese Bezeichnungen ihre Berechtigung, und kommen in der Schilderung vor. Dies unterstreicht den Eindruck einer Naturgewalt, den Russland noch heute ausstrahlt.


    Der Autor lässt die zeitlichen Abläufe seiner Reise ganz bewusst etwas im Dunkeln. Er verknüpft die Stationen seiner Reise eher anhand von Hinweisen, die er von Menschen bekommt, die er trifft. Es ist fast wie bei einer Schnitzeljagd; er gelangt, durch die unmöglichsten Begegnungen, von einer kuriosen Station zur nächsten. Mönche, Altgläubige, religiöse Sonderlinge aller Art; aber auch Menschen, die um jedes Fitzelchen ihres Nationalstolzes ringen, Menschen, die Angehörige in allen möglichen Scharmützeln verloren haben. Mir hat sich ein Bild eines bis ins Absurde hinein zersplitterten Landes vermittelt - dabei waren die historischen Hintergründe geschickt eingebaut, und haben mir, soweit das überhaupt möglich ist in einem Land wie Russland, ein wenig Verständnis ermöglicht.


    Besonders gelungen empfand ich auch die Tatsache, dass der Autor die zahlreichen Absurditäten dieser Reise zwar deutlich unterstreicht, sich aber zumeist einer Wertung enthält. Auch wenn es von religiösen Spinnern, wie man wohl sagen würde, während der Reise nur so gewimmelt hat - man merkt Jens Mühling deutlich an, dass er alle diese Personen zuallererst als Menschen wahrgenommen hat. Lediglich bei den anscheinend nicht auszurottenden Trinkgelagen der russischen Männer schimmert so etwas wie Fassungslosigkeit oder Entrüstung bei ihm durch.


    Dieses Buch versucht weder, zu missionieren, noch, zu verklären - es ist aber auch keine reine Beschreibung, und gerade darin liegt sein Wert. Der Leser schwankt zwischen ungläubigem Lachen, Kopfschütteln und Mitgefühl. Er wird mitgenommen auf eine unvergessliche Reise, und erhält Einblick in eine Welt, die ihm sonst verschlossen bliebe. Obwohl Russland wahrscheinlich nie ganz verstanden werden kann, wünsche ich mir mehr solcher Bücher - damit das Fremde weniger fremd wird.

    Ich habe das Buch neulich erst gelesen, und habe die Rezi mal in einer etwas anderen Form verfasst. Nämlich als Brief an Nina. Lest selbst.


    ***


    Menschenskind, Nina, da haste ja wat jemacht. Ick freue mir wie Bolle, det ich dich nu 'n bisschen besser kennenlernen durfte. Sind ja ne Menge Jerüchte über dir im Umlauf, wa...! Aber du selba, du trotzt noch immer jede Beschreibung - und det is auch jut so.


    Wat ich an den Buch so jrandios fand, war seene Authentizitäht. Du verstellst dir ja null, mein Respekt! Nur manchmal, Nini, hatte ich det Jefühl, du jehst 'n bisschen schnell über manche Epihsohde hinwech - wie beispielsweise die Vahältnisse bei dir zu Hause, und deine Schwangerschaften, beziehungsweise Abtreibungen. Aber andererseits, Nini, is det ja deine Sache, wat du an dein Leben wichtich findest. Det nehm ich mal so hin, wie du dir darstellst.


    Vielet hab ich auch janich jewusst, det war totaal interessant. Dat du Wolf Biermann kennz... und dat deine Mami dich immer irjendwo abjeladen hat... Aber mal janz ehrlich, Nini, obwohl du immer sachst, det da keene haaten Jefühle wärn - jeschockt war ich doch. Hätt man mich jefragt, wär da schon lange die Fürsorge bei euch aufjekreuzt, da kannste aba für!


    Janz toll, und eijentlich fast noch intaressanter als dein Weg zum Glauben, fand ich dein Weg zur Musik. Du hast ja niemals nich an dir jezweifelt, hast schon als Kind det Schreiben von Autogrammkaaten jeübt. Und hast durch deine Musik immer wat ausdrücken wollen. Von wegen, "bloß Punks" und so...!


    Dein Glaubensweg hab ich besonders aufmerksam vafolgt. Ick freu mir für dich, janz ehrlich! Relijion sollte glücklich machen, und det scheint dir ja jelungen zu sein. Nur, Nini, janz unter uns - 'n bisschen traurich bin ich ooch. Weil, ich glaub dir zwar, det du enttäuscht warst von den Babaji. Aba, ich als Buddhistin weiß 'n bisschen Bescheid übern Hinduismus, weil det sozusagen det kulturelle Umfeld vom Buddha war. Und meine Meinung is, Hinduismus is für die Hindus genau so ne ernstzunehmende Sache wir für andere det Christentum. Ick vermute, der Babaji hat vielleicht janix Böset jewollt. Nur der Export von seine Relijion in westliche Köppe hat halt nich jeklappt. Det is übahaupt 'n jroßet Problem von asiatischen Lehrern - det lässt sich einfach nich eins zu eins auf westliche Vahältnisse übatragen. Nu ja, für dich war et halt nix, und jut.


    'N bisschen schwindelich is mir ja schon nach der Lektühre. Wat fürn Trip. Aba det du den Mut hattest, det alles mal klazustellen, verdient den jrößten Respekt. Und du hast definitiv die Gabe, intaressant zu schreiben. Also, ich werd dein Buch weiterempfehlen. Mach et jut, Nina!

    Mensch, bin ich froh, dass ich nicht die Einzige bin, die über Stephan Kulle so denkt! Besonders fandorina möchte ich zustimmen!!


    Hier der Text meiner Rezension, die ich kürzlich erst geschrieben habe.


    "
    Stephan Kulle und ich - nicht gerade die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft. Eher ein fortwährendes Ringen. Zuerst hatte ich von ihm "40 Tage im Kloster des Dalai Lama" gelesen, und war schon damals konsterniert, weil mir das Buch erstens zum großen Teil am Thema vorbei, und zweitens fürchterlich seicht geschrieben schien. Ich dachte mir, wenn er über sein eigenes Fachgebiet, also den christlichen Glauben, schreibt, würde es vielleicht besser. Doch leider nein. Seicht - seichter - Kulle. Und schon wieder größtenteils am Thema vorbei! Das wundert mich nun doch immens. Der Mann ist Journalist, und arbeitet beim Fernsehen! Da hätte ich knackige Analysen und griffige Statements erwartet...


    Ich möchte vorab betonen, dass ich selbstverständlich nicht seinen Glauben (!) be- oder verurteile. Immerhin nehme ich ihm durchaus ab, dass er überzeugter Christ ist. Ich kann aber nicht umhin, das Buch eben als Produkt, "als Buch an sich", zu beurteilen. Und daher rührt mein überwiegend negativer Eindruck.


    "Warum wir wieder glauben wollen", so lautet das Motto des Buches. Recht nett eingeleitet und abgeschlossen wird es durch eine Rahmenhandlung: Stephan Kulle hat einen Freund, der schwer krank war, und sich in dieser Zeit Fragen zum Glauben stellte. Wenn ich das also richtig verstehe, nimmt Herr Kulle den Besuch im Krankenhaus, bei seinem verzweifelten Freund, zum Anlass, dieses Buch zu schreiben. Er stöbert in seinen Gedanken, um seinem Freund überzeugende Antworten liefern zu können.


    Dennoch finde ich, dass er sich dann diese Rahmenhandlung hätte sparen können. Die Gedanken sind so ungeordnet, und beschreiben eigentlich eher sein ganz persönliches Erleben mit dem Thema Glauben - sie beschreiben allerdings NICHT (!), wie der Titel vermuten ließe, eine Analyse der Gesellschaft, oder religiöser Trends. Ich hätte es ehrlicher oder überzeugender gefunden, wenn der Autor aus diesem Buch eine "religiöse Autobiographie" gemacht hätte. Es fängt nämlich an mit Erlebnissen aus seiner Kindheit, geht über sein Theologiestudium über seine Zeit in Rom bis hin zum Weltjugendtag und allerlei Binsenweisheiten, die man schon tausendmal gehört hat. Ich konnte teilweise nicht mehr als zwei Kapitel am Stück lesen, weil ich mich entsetzlich durch diese Banalitäten hindurch gequält habe.


    Wohlgemerkt, ich meine den Schreibstil, nicht den Glauben an sich! Jede Episode aus dem aktuellen Zeitgeschehen wird unendlich ausgewalzt, manche Formulierungen wiederholen sich mit schöner Regelmäßigkeit. Manchmal habe ich innerlich gestöhnt - nicht schon wieder ein ausufernder Abschnitt über die böse, böse Konsumgesellschaft... Was mich daran besonders ärgerte, war die unentschlossene Haltung des Autors. Da las ich immer wieder Formulierungen wie "Könnte es sein, dass..." und "Möglicherweise ist es ja so, dass..." Und was war die Antwort? "Ich weiß es nicht." Aaaaargh! Dann brauche ich dieses Buch nicht!


    Es dauert geschlagene 227 Seiten, bis der Autor endlich seine selbst gestellte Frage zu beantworten versucht - erst kurz vor Ende des Buches kommt ein Abschnitt, der wie das Buch selber betitelt ist: "warum wir wieder glauben wollen". Reichlich spät. Und auch hier gibt es keine wirklichen Antworten; schon nach wenigen Zeilen verliert sich der Autor in verschwurbelten Gemeinplätzen. Ärgerlich.


    Es tut mir selber fast leid, aber ich mag dem Buch einfach nicht mehr als zwei Sterne geben. Obwohl ich Herrn Kulle persönlich, so weit ich das überhaupt beurteilen kann, recht sympathisch finde. Aber ein guter Autor ist er in meinen Augen leider nicht. Ich empfinde seinen Schreibstil als eher geeignet für Kolumnen oder Kalendersprüche."

    Am Anfang habe ich mich mit diesem Buch schwer getan. Ich wusste zwar, dass es sich um eine Neuauflage eines Bestsellers aus den 50ern handelt; dennoch schien mir die Erzählweise ein wenig bieder, und die Vorkommnisse so haarsträubend stereotypisiert. Dies änderte sich jedoch spätestens nach dem ersten Drittel des Buches - die Erzählstränge wurden alle ausnahmslos zu einem Ende geführt, welches nicht immer unbedingt rosig war. Es kamen Schattenseiten und unerwartete Entwicklungen vor, und genau das hat für mich das Buch emotional ausbalanciert.


    Eines möchte ich jedoch vorab sagen. Ich halte die ganze Gestaltung und Aufmachung des Bandes für verfehlt, da sie an der Botschaft und der Absicht der Autorin komplett vorbeigehen. Sicher, wie manche Rezensenten auch schon sagten - man fühlt sich an "Sex and the City" erinnert. Aber die Autorin bezeichnet ihr Buch im Nachwort selber ausdrücklich als "soziologisches Dokument", und sie erklärt ausführlich, dass für sie die Erzählung allgemeingültiges Potenzial hat. Und es sind stark autobiographische Elemente enthalten. All dies, sowie die eigene Lese-Erfahrung, spricht für mich gegen (!) die These vom locker-leicht-flockigen Frauenbuch. Dieses Buch hätte eindeutig ein Hardcover verdient! Und auch das alberne Bild vom Cover, sowie der lustig bedruckte Buchschnitt (Szenen aus New York und Cocktailgläser) führen den möglichen Leser in der Buchhandlung auf eine meiner Meinung nach falsche Fährte. Um es einmal ganz klar zu sagen: die Leser , die von dieser Gestaltung angezogen werden - an die ist das Buch im Grunde verschwendet.


    Es hat für mich im Laufe der Lektüre überraschend allgemeingültige und sogar "literarische" Qualitäten entwickelt, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Ich war vor allem fasziniert, wie der doch gleichbleibend elegante Schreibstil auch Hintersinnigkeiten, sozialen Sarkasmus (besonders Chefs und Männern allgemein gegenüber) und Tragisches in sich fassen konnte. Anfangs war ich ein wenig verwirrt, da die Erzählweise eher episodisch ist. Caroline Bender ist eindeutig das "alter ego" der Autorin, und sie ist auch eine der sehr wenigen Figuren in diesem Buch, die "rund" geschildert sind, und keine Stereotypen. Aber - sie ist nicht (!) die Heldin, denn eine solche gibt es in diesem Buch nicht. Wie in einer Moritat, werden die erzählten Episoden dem Leser vorgeführt - die Autorin wechselt dabei mühelos die Perspektive zur jeweiligen Figur, ohne sich an irgendeine von ihnen mehr als an eine andere zu binden. Verbunden werden die erzählten Episoden dann mit Kapiteln, die fast "viktorianisch" im Erzählstil beginnen: "...der Sommer in New York", "der Herbst in New York", "Weihnachten in New York"... Ich fand diese Technik äußerst passend und eindrucksvoll. Außerdem wurde die Stadt New York für mich so fast zu einer weiteren "Person". Der Leser merkt deutlich, dass die Autorin selbst dort gelebt hat.


    Man muss sehr vorsichtig sein, was man inhaltlich über dieses Buch aussagt. Denn sicherlich sträuben sich der heutigen Leserin ob mancher Vorkommnisse schier die Nackenhaare! Immerzu Hochzeit, Hochzeit, Hochzeit! Als ob es sonst kein Leben gäbe. Und dazu dann diese naiven Dummchen, besonders April und Gregg - oft hätte ich sie schütteln mögen! Und dieses Nicht-Wissen, oder auch Nicht-Wissen-Wollen, was der Chef eigentlich (!) will, wenn er einen bittet, länger zu bleiben... und dazu diese Unmengen Alkohol. Martinis und Cocktails, wohin man nur schaut. Aber, und dies ist ein sehr großes "aber": man muss das alles im Rahmen der geschilderten Zeit sehen. Ich fürchte, es wird damals wirklich so gewesen sein. Das Bild der Frau hat sich erst in den letzten Jahrzehnten gewandelt, was wir oft nicht wahrhaben wollen. Und immerhin: Caroline Bender ist sozusagen die "Galionsfigur" des Buches, die einzige, die auch an sich und die Karriere zu denken scheint. Insofern muss das Buch damals revolutionär gewirkt haben. Erst recht durch sein angenehm offenes Ende - was ich hier nicht verraten werde. Denn am Ende überrascht Caroline alle - auch sich selbst.


    Ich habe mit mir gerungen, was die Sternezahl angeht. Da ich 4,5 Sterne nicht vergeben kann, lautet mein Motto "im Zweifel für den Angeklagten"... Ich vergebe also 5 Sterne, bzw. 10 Punkte. Allerdings mit der Bemerkung, dass das Buch unbedingt mit einem "weiteren Blick" gelesen werden sollte. Es weist über sich und seine Zeit hinaus, und gerade darin liegt sein Wert. Die angenehm flüssige Neuübersetzung unterstreicht diesen Effekt, und macht das Buch zu einer kleinen Perle.

    Rotes Gold - auch für den Leser?


    Meine selbst gestellte Frage möchte ich mit einem entschiedenen "Jein" beantworten. Einerseits finde ich, dass sich der Autor in manchen Punkten verbessert hat - der ganz große Wurf ist ihm aber immer noch nicht gelungen.


    Zugegeben - es muss vielleicht nicht immer der große Wurf sein. Überaus gefällig geschrieben war das Buch allemal, es las sich sehr flüssig, und war auch nicht ohne humoristische Elemente. Ich fand es in diesem Band einfach glaubhafter, dass Xavier auf die Suche "geschickt" wird, und auch noch ein wenig widerwillig. Ich fand es schon im ersten Band nicht gut begründet (besser gesagt, überhaupt nicht), warum er selber zum Ermittler wird. Hier ist es der Bürgermeister von Paris, dessen Ruf auf dem Spiel steht - denn bei seinem Dinner starb schließlich der Starkoch Ryuunosuke Mifune.


    Der sympathische, weil leicht übergewichtige und den Genüssen zugeneigte Koch Xavier Kieffer nimmt hier eine viel natürlichere Rolle ein als in "Teufelsfrucht". Er ist in der Sushi-Szene selber relativ fremd, und so ist es nur logisch, dass ihm nach und nach Informationen von den Beteiligten "zugespielt" werden. Er stolpert ein wenig durch die Handlung, zieht aber die entscheidenden Schlüsse selber, was ich nachvollziehen konnte. Denn ein wirklicher, knallharter Ermittler ist er halt immer noch nicht - dazu passte auch der Schluss, der diesmal weitaus weniger James-Bond-artig, wesentlich undramatischer, aber eben doch hintersinnig, ausfiel. Er begegnet dem Täter "von Mann zu Mann", und in dieser Szene habe ich den Hut vor Xavier gezogen. Das passte zu ihm, und hat das Buch zu einem recht harmonischen Abschluss geführt. Sehr nett auch der Epilog - hier konnte man nur erahnen, was aus dem Versteck des Täters geworden ist. Das fand ich sehr nett gemacht.


    Die Handlung selber kann man gar nicht näher beschreiben, weil es da wenig zu beschreiben gibt. Xavier erhält Hinweis auf Hinweis, und fährt dann die Orte ab, und spricht mit Menschen, die etwas wissen könnten. Die Handlung ist also nicht im eigentlichen Sinne "spannend", weswegen ich auch keine 5 Sterne geben möchte. Allerdings, und das muss ich dem Autor wirklich zugute halten, hat er es diesmal noch eleganter verstanden, Hintergründe zu allen möglichen Themen einzuarbeiten. Und zwar nicht nur zur Sushi-Szene und zur Thunfisch-Jagd! Es ging genauso um Brüssels Bürokraten, um moderne Trends in Restaurants ("W-Lan"!), um die Entwicklung von Stadtvierteln, und die Geschichte Luxemburgs und dessen Bevölkerungsentwicklung. Gepunktet hat der Autor bei mir ferner dadurch, dass er humorvoll die Eigenheiten von gewissen Bevölkerungsgruppen aufs Korn genommen hat. Besonders die Überlegungen dazu, wie sich Reisegruppen in Restaurants verhalten, haben mich schmunzeln lassen! Aber auch der ignorante, amerikanische Multimillionär beim Gala-Dinner hat mich amüsiert.


    Was mir weniger gefiel, war die recht lieblose Behandlung von Nebenfiguren. Wie ich schon anhand der Leseprobe vermutet hatte, spielt Valérie, Xaviers Freundin, mehr oder weniger die Rolle einer hübschen Dekoration. Aber eine tiefere Bedeutung für die Handlung hat sie nicht. Nett fand ich zudem zwar auch, dass Xaviers trinkfester Freund, der Finne, wieder auftaucht - aber auch seine Rolle hätte besser herausgearbeitet werden können. Nun gut, er ist sozusagen moralisch gesehen die "andere Hälfte" von Xavier, und bringt ihn durch seine immerzu provozierenden Kommentare auf andere Gedanken. Aber eigentlich hätte man ihn weglassen können. Schade.


    Außerdem sind mir, besonders zu Beginn des Buches, diverse zeitliche Anschlüsse zwischen den Kapiteln negativ aufgefallen - weil sie nämlich überhaupt nicht stimmten. Beispiel gefällig? An einem Mittwoch (!) besucht Xavier den Bürgermeister in seiner "Jagdhütte", und bewundert dabei seine Leberpastete. Kaum zurück in seinem Restaurant, hat seine Sous-Chefin ein Gericht just mit Leberpastete kreiert, da sie in der Vorratskammer ein großes Paket, geschickt vom Pariser Bürgermeister, fand - und zwar "gestern" angekommen. Das wäre dann der Dienstag gewesen - was jedoch logisch unmöglich ist, da der Bürgermeister erst am Mittwoch von Xaviers Begeisterung für diese Marke erfuhr. Da gab es noch ein oder zwei weitere Dinge, die ich aber hier nicht breittreten will. So etwas dürfte eigentlich nicht passieren. Da hat wohl das Lektorat geschlampt.


    Insgesamt pendelt sich meine Meinung also auf den besagten vier Sternen ein - das Buch hat gut unterhalten, viel Wissenswertes über Sushi und moderne Koch-Trends vermittelt, und hat mir den Koch Xavier Kieffer persönlich ein wenig näher gebracht. Nur wirklich "gepackt" hat es mich - noch? - nicht.

    Meine Güte, das war ja was. Ich wusste zwar schon aus anderen Rezensionen, dass ich hier eben nicht (!) die vermutete Liebesgeschichte erwarten durfte. Dennoch, das Tempo, welches das Buch nach einer Weile aufnahm, hat mich teilweise verwirrt. Zwar im positiven Sinne, da ich es kaum mehr aus der Hand legen konnte. Aber der Grad meiner Verwirrung entspricht in etwa dem Effekt, als würde man eine gemütliche Runde auf dem Riesenrad erwarten - würde aber dafür eine Waschmaschine im Schleudergang bekommen.



    Dieses Buch ist ganz und gar auf die Handlung, den Plot, ausgerichtet, oder doch überwiegend. Im ersten Drittel wird dies auf zwei verschiedene Perspektiven verteilt: Jonathan und Madeline, die in San Francisco und Paris leben, und die am New Yorker Flughafen ihre Handys vertauscht haben. In diesem Teil des Buches stöbert jeder für sich im Mobiltelefon der anderen Person, getrieben zuerst von Neugier, dann Staunen, danach purer Faszination. Denn bei ihren Nachforschungen stoßen sie auf ein verbindendes Element in ihrer beider Vergangenheit - einer Vergangenheit, die beide eigentlich lieber begraben hätten...


    Es folgt eine kurze Phase des Rückblicks, auf das "Damals" vor etwa drei Jahren. Anschließend laufen die vorher getrennten Perspektiven Jonathans und Madelines endlich zusammen, sie treffen sich, und auch die Handys finden wieder zu ihrem wahren Besitzer. Doch sich bremsen, das können die Beiden nun nicht mehr. Nun forschen sie gemeinsam weiter, was aus den Dingen von damals geworden ist. Und warum sie beide darunter leiden mussten. Die Handlung entwickelt sich zu einem Haken schlagenden Kaninchen, die vor überraschenden Wendungen nur so strotzt. Hier wird das Buch endgültig zum Thriller, da es auch um ein Wettrennen mit der Zeit geht. Inklusive Showdown und Verfolgungsjagd quer durch New York. Und ganz am Schluss geht es dann doch noch um die Liebe...


    Ich liebe Bücher, die Überraschungen bereit halten, die fesseln, und flüssig geschrieben sind. Allerdings darf dies nicht zu Lasten der Charakterisierung und des allgemeinen Anspruchs gehen, und da bin ich mir bei diesem Buch nicht letztgültig im Klaren. Die Glaubwürdigkeit der charakterlichen Wandlung der beiden Protagonisten, vom einfachen Bürger hin zum kaltblütigen Ermittler, war doch ein wenig übers Knie gebrochen. Zumindest, was Jonathan betrifft - meine Ansicht zu Madeline kann ich leider nicht näher beschreiben, ohne Entscheidendes vorweg zu nehmen. Auch die Personen in Jonathans und Madelines Umfeld kommen mir einfach zu wenig vor - Jonathan hat einen Sohn, und Madeline - eigentlich - einen Verlobten. Doch diese Fäden werden nach einer Weile mehr oder weniger fallen gelassen, was ich schade fand. Und am Ende lief mir alles doch eine Spur zu süßlich auf den - eigentlich überflüssigen - Epilog hinaus. Nun ja.


    Ein wenig überfordert war ich auch von der ganzen Thematik rund um Elektronik und die neuesten Medien. Aus meiner persönlichen Erfahrung habe ich einfach keine Vergleichsmöglichkeiten - ich besitze keines dieser supermodernen "Smartphones", und kann mir nicht vorstellen, welche Datenmengen die angeblich zu speichern imstande sind. Zudem würde ich solch belastendes Material nie im Leben (!!) täglich mit mir herumtragen wollen. Und was da nicht noch alles vorkam - Flugtickets wurden per E-Mail gesendet, Kinder schauten Filme auf einem Tablet-PC, Handys liessen sich ganz einfach von zu Hause aus orten, und so weiter und so fort. Das mag ein technisch versierterer Leser anders beurteilen, mich aber hat es ein wenig "erschlagen".


    Der letzte Grund, warum ich trotz Rekord-Lesezeit und gutem Spannungsbogen einen Stern abziehe, ist die meiner Meinung nach nicht gänzlich geglückte Übersetzung. Da gab es Eigenheiten, die mich haben die Stirn runzeln lassen. Ein Restaurant hat keinen "Patron"! Im Französischen bedeutet "patron" einfach "Chef" oder "Inhaber". Weitere Fundstücke: ein paar Begriffe aus dem Rugby wurden wörtlich (!) übersetzt, was mich sehr konsterniert hat. Da wurde der "Halfback" oder der "Quarterback" plötzlich zu einem "Halbmittleren"... sehr merkwürdig. Richtig gegruselt hat mich die Schreibweise "Star Treck" (sic!) mit "ck" anstatt, wie es richtig heißen müsste, mit "k" (also "Star Trek"). Und das schottische Nationalgericht "Haggis" (ein Begriff, der meiner Meinung nach schon zum Allgemeinwissen gehört) mutierte umständlich zu "gefülltem Schafspansen". Das hätte man einfach beim Originalbegriff belassen sollen. Unglücklich auch folgende Unterhaltung zwischen Madeline und Jonathan: "Du bist hier nicht im Da-Vinci-Code!" - wobei die Übersetzer übersehen haben, dass Buch und Film in Deutschland ganz anders heißen, nämlich "Sakrileg". Es gäbe noch mehr Beispiele, aber dabei will ich es bewenden lassen.


    Ich bleibe letztlich bei meinen zuerst instinktiv gewählten vier von fünf Sternen, und einer eingeschränkten Leseempfehlung. Und zwar für solche Leser, die gerne einmal in ein Buch voller überraschender Wendungen eintauchen wollen, und dafür auch die eine oder andere Holperigkeit in Kauf nehmen.