Für dieses Buch spricht ganz klar, dass ich es, obwohl nur zufällig als "literarische Zwischenmahlzeit" zur Hand genommen, innerhalb kürzester Zeit gelesen hatte. Die Sprache ist klar und einfach, vielleicht manchmal etwas zu schnörkellos, der fortlaufenden Handlung ist leicht zu folgen, die Personen sind im Wesentlichen glaubhaft, und die Spannung ausreichend. Doch eben nur "ausreichend". Rückblickend muss ich sagen, dass ein guter Lesefluss leider noch keine überragende Qualität bedeutet. Ich habe hier viele gute Ansätze vorgefunden, die jedoch meiner Ansicht nach oft im luftleeren Raum endeten, ohne zu etwas zu führen.
Der Klappentext verspricht Spannung pur. Hat Rose nun den Tod des Babys verursacht? Und das mit Absicht? Ist sie der Mutter absichtlich über Monate gefolgt, ist sie gestört, ist sie eine "Perverse", wie es im Gefängnis-Jargon heißt?
All diesen Fragen wäre ich gerne gefolgt. Doch im Verlaufe des Buches fragte ich mich öfters, was das Ganze eigentlich sollte.
Das Buch beginnt in der Tat geschickt. Es gibt einen Prolog in der Ich-Form, von Rose erzählt. Er schildert die Nacht des Unglücks, und lässt dabei angenehm viele Punkte offen. In den folgenden Kapiteln, die im "Heute" spielen, wechselt die Perspektive zunächst - überraschenderweise zur Erzählweise in der dritten Person, welche von der Bewährungshelferin Cate Austin handelt. Cate soll Rose treffen und beurteilen, und insofern ist sie natürlich wichtig für die Handlung. Dieser Erzählstrang wechselt ab mit Tagebuch-Einträgen von Rose, die sie in ihr "schwarzes Buch" schreibt. Das ist dann wiederum gesplittet in die Schilderung des Gefängnisalltags und die Begegnungen mit Cate, sowie in Rückblenden, die Schilderung von Roses Leben. Und genau hier fängt das Buch an, schwerfällig und unwahrscheinlich zu werden.
Es scheint mir einfach, als wäre das Projekt der Autorin ein wenig "aus dem Ruder gelaufen". Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie lieber die Konfrontation Cate/Rose in der Gegenwart, oder Roses eigene Rückblicke in den Fokus rücken sollte. Es beginnt regelmäßig geplottet, wird aber immer unausgeglichener. Die Tagebucheinträge werden immer häufiger und länger, ja, sie nehmen am Ende überhand. Die Abschnitte um Cate in der Gegenwart scheinen am Ende bloße Staffage zu sein, und das fand ich immens schade. Wozu wird ihr Charakter dann überhaupt aufgebaut, wozu erfahren wir, dass sie alleinerziehende Mutter mit Schuldgefühlen ist? Wozu wird angedeutet, dass Rose sie von einer Mitinsassin mit Freigang ausspionieren lässt, wenn alle diese Fäden am Ende im Sande verlaufen?? Ich fühlte mich schon ein wenig verschaukelt.
Auch Roses Einträge in ihr "schwarzes Buch" lassen einen roten Faden vermissen. Anfangs klingen sie wie eine Lebensbeichte, dann wieder wie ein Brief an ihren Lebensgefährten, dann wieder wie ein Versuch, sich vor der Bewährungshelferin zu rechtfertigen - der sie das Buch am Ende ja auch übergibt. Doch keiner dieser Aspekte ist eindeutig. Zudem fallen die Kapitel-Unterteilungen manchmal mitten in die Einträge, was ich umständlich und ungeschickt fand. Das hat den Lesefluss und die Logik gestört.
Am Ende ist mir einfach nicht klar, was das Buch mir sagen wollte. Rose hatte eine tragische Kindheit, sicher, aber die las sich auch wieder wie zusammengeschustert aus allerlei Krimis und Dramen. Nichts Besonderes. Jedenfalls nichts, was Roses Verhalten letztlich rechtfertigen würde. Zudem wage ich an manchen Aspekten der Handlung zu zweifeln. Manche Handlungsweisen waren mir einfach zu konstruiert, zu unwahrscheinlich - was ich hier aber, neuen Lesern zuliebe, nicht näher schildern möchte. Zudem konnte man sich den wahren Hergang jener Nacht als Leser bald denken - aber letztlich geklärt wird dies nicht. Nur angedeutet. Frustriert wird also auch der Krimi-Fan aus diesem Buch hervorgehen.
Abschließend möchte ich der Autorin durchaus Talent bescheinigen. Aber sie sollte in Zukunft zu weniger "literarischem Firlefanz" wie Perspektivenwechsel, Rückblenden etc. greifen. Ich glaube, sie hätte durchaus Talent, einen reinen Briefroman zu schreiben, oder ein Buch, das allein (!) aus der Rückblenden-Perspektive geschrieben ist. Weniger ist eben manchmal doch mehr.