Du warst ja richtig schnell!
Ebbe war wohl echt ein einsamer Mensch. Sie hat doch in nichts wirklich Erfüllung gefunden. Gut, eine Zeitlang hat Karl ihre Träume erfüllt, aber der hat dann ja auch sein eigenes Leben geführt, in das seine Eltern ja scheinbar nicht so richtig reingepasst haben. Warum sonst hat er sich die ganzen Geschichten ausgedacht?
Ebbes Enkelin (Theas Tochter), die in den Internatsferien immer bei den Großeltern war, schilderte sie als eine Frau, die innerlich immer wütend war. Es wurde alles und jedes bemängelt, nichts konnte man ihr recht machen. So erzählten es auch die anderen. Ebbes Art der Kommunikation war eisig und mit demütigenden sarkastischen Sprüchen. (Das kennt man ja auch schon aus Karls Erzählungen, Stichwort Nasenlöcher oder Hintern.)
Mit dem Umzug nach Paris hat sie sich ihre Träume erfüllt und anfangs war sie ja auch glücklich bei Karl. Die beiden sollen sich manchmal angeschaut haben wie Verliebte (Dazu gibt es auch ein schönes Bild aus der Zeit im Harvestehuder Weg. Das ist auf meinem Collage-Post auf Instagram zu sehen) . Aber irgendwann wurden ihre ständige Einmischungen wohl zu übergriffig. In der Familie wird erzählt, Karl sei erleichtert gewesen, als sie in sein Schloss in der Bretagne zog. Er habe den Bediensteten viel Geld zahlen müssen, damit sie nicht vor ihren Launen davonrennen.
Dennoch:
Es liegt mir fern, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Es gibt immer Gründe, warum jemand zu dem Menschen wird, der er ist. Und das habe ich im Roman auch dazustellen versucht.
Ebbe entstammt einer preußisch strengen Familie, in der absoluter Gehorsam gefordert wurde. Ein Kind hatte da gar nichts zu sagen, Liebe und Zuneigung galt als Verzärteln. Gleichzeitig wurde ihr vermittelt, etwas Besonderes zu sein. Der Vater war in der katholischen Zentrumspartei ein hohes Tier und kannte den Kaiser höchstpersönlich. Das Kreisständehaus hatte etwas von einem Schloss, Ebbe war umgeben von Bediensteten. Der tiefe Sturz der Familie nach dem Tod des Vaters und die Folgen der Hyperflation werden natürlich etwas mit ihr gemacht haben. Erstmals hat sie Armut und Not am eigenen Leib erlebt. Ihrer Enkelin erzählte sie von schrecklichen Erlebnissen in Berlin. Und dass die goldenen Zwanziger gar nicht so golden waren.
Eigentlich hat Ebbe zeitlebens danach gestrebt, wieder in die privilegierte Klasse zu kommen, aus der sie gekommen ist. Nur eben als emanzipierte Frau.
Otto war für derartige Ansprüche viel zu bodenständig. Und sein Rollenbild war zudem recht antiquiert.
Wobei sich mir die Frage gestellt hat, ob das Buch hätte erscheinen können, solange Karl noch am Leben war? Nachdem er ja schon recht ärgerlich war, als die Familie und Freunde einen Teil seiner Geschichten korrigiert haben.
Wenn Karl noch am Leben wäre, hätte ich das Buch wahrscheinlich gar nicht geschrieben. Er hat ja schon die Biografin Alice Drake mit Klagen überzogen, ist aber nicht durchgekommen. Tatsächlich hätte ich auch Respekt vor seinem Geheimhaltungsbedürfnis gehabt. Jeder hat ein Recht auf Privatleben.
Otto hat zu mindestens in seiner zweiten Ehe keine Geborgenheit gefunden, was ich recht tragisch finde. Er hat zwar Erfüllung in seiner Arbeit gehabt, aber als das dann zu Ende war, war da halt auch ein schwarzes Loch. Ebbe hat sich ja lieber um Karl gekümmert. Irgendwie wirkte er am Schluss recht einsam und alleingelassen auf mich. Durch den Umzug nach Baden Baden ist dann ja auch der Kontakt zu Kurt weniger geworden. Und seine Mädels haben sich ihr eigenes Leben aufgebaut.
Ja, das ist das wirklich Tragische an der Geschichte. Otto hatte letztlich nur für seine Arbeit gelebt. Die Firma war wie eine zweite Familie. Er ist – so wurde es mir erzählt –, nach dem Umzug nach Baden-Baden regelrecht in sich zusammengesunken.
Was mich ja echt empört hat, war, dass Ebbe dann auch noch Ottos Testament missachtet hat und das Erbe der Kinder verprasst hat. Die beiden Töchter haben ja eigentlich wirklich gar nichts geerbt von dem, was Otto mühsam aufgebaut hat. Karl hat ja schon zu Lebzeiten ordentlich abgesahnt.
Doch, die beiden Töchter hatten nach seinem Tod auch Geld bekommen. Nur die Häuser, die zur Alterssicherung gedacht waren, nicht. Thea und Christel haben im Alter entsprechend bescheiden gelebt.
Ja, auch ich war sehr empört. Und ich habe lange mit dem tragischen Ende der Geschichte gehadert. Als Autorin möchte man ja, dass die Leserinnen und Leser das Buch zufrieden zuschlagen. Aber dann hätte ich die Wahrheit durch Fiktion verdrängen müssen und das widersprach meinem Anspruch, nah an der Wirklichkeit zu schreiben.
Es ist wie es ist. Ich hätte mir tatsächlich auch gewünscht, dass Karl am Ende Gerechtigkeit herstellt und zumindest den Nachkommen seiner Schwestern etwas von seinem Vermögen hinterlässt. Stattdessen hatte er sich einmal bei Kurts Sohn empört, dass Thea ihn und seine Mutter verklagt hat. Offenbar war er persönlich gekränkt.
Danke auf jeden Fall für diese wirklich interessante Dilogie. Wer hätte gedacht, dass Karl Lagerfeld so interessante Vorfahren hatte Und gerade das zweite Buch erklärt auch ziemlich gut, wie er zu dem Menschen wurde, den wir alle aus der Zeitung kennen.
Mir haben die beiden Bücher wirklich gut gefallen.
Dir vielen Dank, dass Du Deine Gedanken und Leseerlebnisse ausführlich geschildert hast. Das war immer sehr bereichernd.