Beiträge von Grizzly

    Die Serie hat gesellschaftstheoretisch einiges zu bieten, man nehme zB die gestrige Folge: wem gehört das Eigentum? Wer hat das Recht, den Gegenstand x zu besitzen, bzw., haben die anderen nicht auch ein Anrecht auf x?


    Das ist nur beispielhaft, jede Folge scheint sich eine Entwicklungsphase der Gesellschaftwerdung zu greifen und überlagert sie mit den Vorerfahrungen der Figuren, wobei diese Erfahrungen thematisch eng (durch Analogie oder Kontrastierung) an die Inselvorkommnisse geknüpft sind (bsp: vorletzte Folge, hierarchische-patriachalische Strukturen werden ausgebildet, äquivalent zur Vorerfahrung der Koreanerin, die sich ihrem Mann unterordnet).

    Ohne Toms Vorschlag gelesen zu haben: wie wäre es mit einem Kompromiss? D.h., ihr stellt einfach zwei Portale nebeneinander, eins für Bücherthemen, ein anderes für die Vorgänge in der Plauderecke u.a..


    :-)

    @BabyJane: Probleme mit dem Ego?


    Ich putze meine Zähne mit einer hundsgewöhnlichen Zahnbürste zweimal am Tag, bei deftigen Mahlzeiten auch drei- oder viermal...

    Zitat

    Tom:
    Und die Wahl eines (ehemaligen) Mitglieds der Hitlerjugend irgendwie auch ...


    Gemäß des Erlasses vom 01.12.1936, dem Gesetz über die Hitlerjugend:


    Zitat

    [...]§1. Die gesamte deutsche Jugend innerhalb des Reichsgebietes ist in der Hitlerjugend zusammengefaßt.[...]


    Zitiert von dhm.de

    Jap, das Buch erschien erstmals 1985, ist überholt, weil die Wissenschaft eben ein schnelllebigeres Geschäft ist. Ändert aber nichts an der Richtigkeit der Beobachtungen und Schlüsse, die Postman zieht. Außerdem lassen sich, wie ich in der Buchvorstellung schrieb, deutliche Parallelen zu unserer deutschen Fernsehgesellschaft aufspüren, die Schwächen auf der anderen Seite: bei uns gibt es keine, zumindest mir bekannte, einflussreiche Fernsehpastoren, die Kritik an Fernsehfundamentalismus und Showpredigten fällt also weg! Zweitens sind die Extrema des heutigen Fernsehens, wie Big Brother, Live-Geburten und Dschungelcamp, bei Postman logischerweise außen vor. Die Grundlage des Buches bleibt aber sehr gut und zeigt uns das wichtigste: ein gutes Buch ist besser als der beste Film.

    Ja, ich habe diese Woche nur 2 1/2 Stunden geschaut, alleine 120 Minuten Chelsea - Bayern. Vor ein, zwei Jahren lief da nichts unter einer Stunde täglich, bei zwei Freunden von mir ist das zuweilen noch krasser: mindestens zwei Stunden am Tag...

    Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie.


    »Problematisch am Fernsehen ist nicht, daß es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, daß es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.« Neil Postman


    Verlag: S.Fischer
    Seitenzahl: 207
    ISBN: 3-596-11233-8



    Orwell konstruierte in 1984 den Archetypus des totalitären Staates, nicht zuletzt die Brillanz seiner Arbeit nötigte den Leser, in der Sowjetunion wohl zurecht die Entsprechung Ozeaniens zu finden. Als der sowjetische Machtblock im Räderwerk der Geschichte zerstob, atmete die westliche Welt auf: Orwell gebannt, das Gespenst des Kommunismus besiegt? Wäre da nur nicht Orwells prophetischer Bruder, kein Geringerer als Aldous Huxley, der dieser Leichtfüßigkeit einen Strich durch die Rechnung macht; die Gefahr unserer Freiheit liege nicht etwa im Totalitarismus, sondern daran, daß die Gesellschaft zu einem Rummelplatz verkomme, argumentiert Postman, ganz im Stile einer Brave new world.


    Auf den deutschen Leser wirkt es zunächst ernüchternd, daß Postman seine Analyse auf die amerikanische Medienlandschaft, explizit: das Fernsehen, beschränkt. Das hat zwei gute Gründe. Erstens war er selbst Amerikaner, zweitens ist der amerikanische Markt der Prototyp der Unterhaltungsindustrie und war zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen von den kontinentaleuropäischen Entwicklungen verschieden. Der deutschen Leser darf aber unbesorgt sein, finden sich doch in der Analyse Postmans allerlei Extrema, auf die unsere heutige, deutsche Gesellschaft prallt.


    Medien bestimmen den Diskurs, heißt es. Der öffentliche Austausch in einer Kultur sei also gebunden an das vorherrschende Medium, an die Quelle der Information, an das Mittel, mit dem die Leute untereinander in Kontakt treten. Das war schon immer so: in Kulturen, die sich auf mündliche Überlieferung fixierten und in Kulturen, die sich der Druckerpresse bedienten. In Letzterem erkennt Postman den entscheidenden Fortschritt der Zivilisation: die Gliederung der Schriftsprache, ihre Logik und Kontinuität, das Innehalten in der Abfassung von Gedanken, habe die Auffassungsgabe und schließlich die Art des öffentlichen Austauschs erheblich beeinflusst, belebt und zum Guten hin verändert. Man will nun meinen, daß ein Schritt zu televisuellen Medien gleichsam ein ähnlich bedeutender Fortschritt sei, wie derjenige von mündlicher Überlieferung zum Buchdruck - weit gefehlt, sagt Postman, das sei vielmehr ein Rückschritt sondersgleichen!


    Die Welt des Fernsehens sei eine “Und-jetzt”-Welt, eingespannt in Erzählstrukturen, Dramatik und Show-Einlagen. Nichts sei vor derlei Inszenierungen sicher: Religion, Politik, Nachrichten fügen sich stramm in Reih’ und Glied des Show-Business. Etwas anderes gebe es auf der Mattscheibe gar nicht, was zwinge die Menschen denn sonst, stundenlang auf den Schirm zu glotzen, wenn nicht die Unterhaltung? Die ist in Postmans Augen nicht das große Problem, das Fernsehen sei, so hält er es erstaunlicherweise, gerade dann am besten, wenn es schlecht ist, das heißt, wenn es nur unterhalten möchte. Das ist natürlich kein Grund, die Glotze einzuschalten.


    Viel schlimmer sei es allerdings, wenn es unterrichten will, Informationen übermitteln möchte. Dabei würden diese kurzerhand in das Mieder der Unterhaltung gepresst und verkümmerten deswegen. Überhaupt verkümmere alles: unsere Fähigkeit zu denken, zu sprechen, zu argumentieren, Wahrheit und Aufrichtigkeit verkümmere. Das Fernsehen habe schlichtweg nicht die Zeit, zu erläutern, die Menschen im Fernsehen nicht die Zeit zu denken, klar und sachlich zu reden (Anmerkung: in der Online-Ausgabe einer renommierten Wochenzeitschrift fand sich ein überaus lesenswerte Artikel über die Struktur der Sendung ’Sabine Christiansen’) und die Menschen vor dem Fernseher nicht die Lust, sich ausufernde Argumentationen, Erläuterungen, Gedanken anzuhören, anbei sei ohnehin jedes derartige Format gescheitert, weil es fast kein Mensch sehen wolle. Daneben zimmerten wir durch das Fernsehen eine zweite Wirklichkeit auf, säßen auf dem Pulverfass seines suggestiven Charakters (schließlich erlauben Sendeformate keine Fragen und sind in sich abgeschlossen, sie servieren uns und wir nehmen dankend entgegen) und beteten schlussendlich den Götzen Unterhaltung an: es ließe sich nicht mehr lernen, wenn es keinen Spaß mehr mache, es ließe sich nicht mehr arbeiten, wenn es keinen Spaß mehr mache, es ließe sich nicht mehr glauben, wenn es keinen Spaß mehr mache, diese Liste ließe sich beliebig weiterführen, wenn es denn Spaß macht.


    Das alles ist gar kein Problem, wäre da nicht das Schlimme: unser Leben ist vom Fernsehen durchsetzt, wir benützen es als Informationsquelle, als Informationsautorität, es sagt uns neuerdings, wie wir zu sein haben, es ist normativ, es ist überall, es ist Teil unserer Wirklichkeit. Postman verneint abschließend die Vernichtung des Fernsehers, er verneint es mit Hinblick auf den utopischen Anstrich dieser Forderung, er verlangt stattdessen den höchst kritischen Umgang mit dieser Form des Mediums. Am besten ist es natürlich, es gar nicht erst einzuschalten.


    Was dieser Mann in seiner einfachen Sprache mit seinen zahlreichen Belegen ablieferte, veränderte mich, bestimmt seitdem meinen Umgang mit dem kleinen Diktator im Wohnzimmer, vielleicht hat es mich so sehr verändert, wie kein Buch in den letzten Monaten. Auch wenn sich seit der Erstveröffentlichung viel getan hat, an Postmans Stelle noch kritischere, noch schärfere Augen getreten sind, wenn, wie neueste Beobachtungen zeigen, Orwells Prophezeiung nur totgeglaubt wurde und in die einstige Vorzeigedemokratie einkehren könnte, wenn Huxley und Orwell wider Erwarten im Gleichschritt marschieren und beide Recht hätten: Postman trägt mit diesem und seinen anderen Büchern die Stimme der Vernunft an die Öffentlichkeit, selbst wenn es für die Spaßgesellschaft die Stimme eines Rufers in der Wüste ist.

    beendet: Mächler/Marti - Woher eine Ethik nehmen? +


    beendet: Dan Brown - Illuminati --/- (nicht zuletzt nach dem Überleben des Sturzes aus schwindelerregender Höher habe ich über diesen heillosen Unsinn Sturzbäche an Tränen gelacht - unvorstellbar, warum andere Zeitgenossen ausgerechnet daran Gefallen finden)


    beendet: William Golding - Herr der Fliegen +


    nahezu beendet: Neil Postman - Wir amüsieren uns zu Tode ++ (sollte ich es heute oder morgen abschließen, findet sich gegen Ende der Woche eine ausführliche Rezension im Sachbuchbereich)


    begonnen, noch nicht beendet: Alexander Solschenizyn - Der Archipel GULAG (bisher ++)


    begonnen, noch nicht beendet: Siegfried Lenz - Deutschstunde (bisher +)


    begonnen, noch nicht beendet: Thomas Mann - Der Tod in Venedig (keine Bewertung möglich)

    Zitat

    Kopiert von ozeane.de:


    Der Schwarm, S. 222:
    "Wie überlebte man als Robbe oder Fisch in den dunklen und kalten Gewässern der Antarktis? Wie erhielt man Einblick in ein Biotop, das von einer geschlossenen Eisdecke überzogen war?"


    Vorlage: Live auf Sendung – Wildleben via Satellit und Sender
    "Wie überlebt man als Robbe oder Fisch in den dunklen und kalten Gewässern der Antarktis? [...] Wie erhält man Einblick in einen Lebensraum, der [...] von einer geschlossenen Eisdecke bedeckt ist?


    [Anm: Hervorhebung der Textstelle mit Fettdruck von mir!]

    Die Bestätigung des Verdachts der wortwörtlichen Wiedergabe von Formulierungen aus redaktionellen, journalistischen Texten des Klägers würde für Schätzing unangenehme Folgen haben, dabei ist nicht etwa entscheidend, daß er sich einer Großzahl fachspezifischer Literatur bedient hätte und das mit Sicherheit tat, wie der Verlag zurecht anmerkt, sondern genaueste, will heißen: schriftlich fixierte Gedankengänge eines Anderen ungekennzeichnet in seinen Opus eingespeist haben könnte. Was den Kläger wiederum entkräftet, ist der Versuch einer außergerichtlichen Einigung.

    JASS


    "Mitnichten, mitnichten", sprach die Päpstin und wischte sich die Hand an der Kittelschürze ab.


    Nein, ich habe vorhin im Überfliegen von Historikusens Verabschiedungsgala (?) einen Zwischenruf der Administration vernommen, man solle doch etwas mehr zu Bücherdiskussionen schreiben. Da es in anderen, größeren Boards Usus ist, Beiträge in Offtopic-Bereichen nicht mitzuzählen, halte ich eine Einführung nicht nur für überlegenswert (da bewährt), sondern auch für einen Ansporn, mehr noch zu Büchern zu schreiben. Ich spiele da auf die Eitelkeit des Einzelnen an, der in zweijähriger Mitgliedschaft nicht nur dadurch auffallen will, tausende Beiträge in der Plauderecke abzukanzeln...

    Da andernorts, in der kärgsten aller kargen Wüsten, namentlich der berüchtigsten aller berüchtigsten Saharen, namentlich der Saharis, die Befehle durch den Wind peitschten wie der fliegende Holländer über den Atlantik - besagter Befehl also, in der nächstbesten Strafkolonne zu den Bücherforen zu wüstenschiffen, um dorten gefälligst seinen Unrat abzuladen, habe ich mich, untertänigst wie ich bin, nebst allen Unbequemlichkeiten die mein zartes Seelenkleid zerknüllen, dazu aufgeraffet, dem Forenkreml mitteilen zu dürfen, daß ich in eben diesem Bandwurmsatze einen wohlformulierten Gedanken, der mir in sonnigen Zeiten wie ein Vogel ins Gebälk flatterte, eben diesen formwohlen Gedanken der Forenobrigkeit gewissermaßen knechtisch an das majestätisch-verzierte Nachttöpfchen zu tragen:


    Wäre es Ansporn genug, in den Büchersparten zu schreiben, wenn man einzig dorten den Beitrag zur Beitragszahl zählte? Oder satteln wir das buckligste aller Kamele (Nestroy) von der anderen Seite: für Beiträge in der Plauderecke gibt's zünftig-zukünftig keinen Strich mehr auf der Weste des Wüstenschiffs, oder wieder anders gesagt: Beiträge werden nur in bestimmten Oasen (also die ganze Bücherpalette) angerechnet.


    So, ich hoffe, ihr erlabtet euch an meiner Feder,


    dienerisch-buckelnd,


    Euer Grizzly, der nicht anders konnte:peitsch