Beiträge von Tanja Kinkel

    Willkommen, Lady Perry! :wave


    Umarbeitung der Märchen in späteren Auflagen: stimmt, eine bestimmte grundsätzliche Änderung wird später im Roman auch angesprochen. :-) Wobei das üble Ende so mancher Märchenfigur erhalten blieb.


    Annettes Wortspiele mit dem Grimm‘schen Nachnamen: muß sie bei der ersten Droste-Grimm Begegnung wohl wirklich gemacht haben, denn darauf beziehen sich ein paar Briefe von Jenny & Wilhelm Grimm auf etwas kryptische Weise. Übrigens war Annette nicht die einzige, die sich zu Wortspielen angeregt fand; es gab eine zeitgenössische Komödie über „Jacob und Wilhelm Zorn“ mit dem Titel „Einer muß heiraten“. Jeder wußte, wer gemeint war. Heute kann man eine Puppen-Fassung dieser Komöde in der „Grimmwelt“ in Kassel sehen.

    Rouge, woran Grimm genau litt, läßt sich aus der Ferne natürlich nicht medizinisch eindeutig diagnostizieren, aber die Biographen haben sich auf Herzbeschwerden und asthmatische Anfälle geeinigt. Übrigens habe ich erst durch die Recherche erfahren, daß damals gerade Elektroschocks als brandneue (Wortspiel nicht beabsichtigt) Methode in Kurbädern verwendet wurden...

    Hörbuch: früher hatte mich der Hörbuch-Verlag vorher informiert, respektive, wenn mehrere Sprecher zur Auswahl standen, mir CDs gesandt und mich gefragt, wer mir am Besten gefiele. Bei "Schlaf der Vernunft" ist jedoch kein Hörbuch gemacht worden (warum, weiß ich nicht), und daß es bei "Grimms Morde" eines zum Downloaden geben würde, erfuhr ich erst vor ein paar Wochen. Bis heute habe ich noch keines, und wer die Hörfassung spricht, habt Ihr mir als erste verraten...


    Apropos verraten: leider gilt wieder, daß ich das nächste Romanthema noch nicht diskutieren kann - auch, weil ich noch zwischen zwei, drei Ideen hin und her schwanke, die ich eigentlich alle machen möchte...

    Re: Hörversion, gut zu wissen, bisher hat mir der Verlag nämlich kein "Belegexemplar" (d.h. Link zum DownloadenL) zukommen lassen...


    Re: Zitat am Anfang - bei der Recherche habe ich mich nicht nur durch Biographien, sondern auch durch Briefwechsel gelesen. (Die Stabi in München hat z.B mehrere Grimm-Briefwechsel-Ausgaben im Magazin.) Es ist immer eine gute Möglichkeit, sich in die "Stimme" einer historischen Person einzuhören, wenn Briefe erhalten sind.


    Da es für den Roman wichtig ist, wie stark Polizeistaatelemente in Kurhessen damals vertreten waren, mit gehörigem Druck von oben, dachte ich, es wäre eine gute Einleitung.

    Rumpelstilzchen und Rosenstolz, auch ich hätte eine solche Entscheidung nicht treffen wollen.


    Re: Hungerstreik im Allgemeinen, die zusätzliche Ironie ist ja, daß diese Taktik von Gandhi "erfunden" wurde, und erfolgreich eingesetzt, aber spezifisch als Mittel des gewaltlosen Widerstands.

    Zitat

    Original von Rosenstolz


    Ja, das Bild ist schon schlimm - aber es war doch seine Entscheidung, zu verhungern, oder?
    Die Menschen auf den "Opfer-Bildern" hatten diese Wahl zwischen Leben und Tod nicht.


    .


    Rosenstolz, das ist natürlich richtig. (An einer späteren Stelle im Roman sagt Angelika auch etwas Ähnliches zu Martina.) Es war auch ein sehr bewußte Taktik der RAF, den eigenen Körper als Waffe einzusetzen. (Wir haben inzwischen die Kassiber, um das zu belegen. Einschließlich desjenigen von Gudrun Ensslin an Holger Meins, in dem sie ihm mehr oder weniger befiehlt, den Hungerstreik bis zum Tod durchzuziehen. Das war der Sympathisantenszene und Leuten wie Martina natürlich nicht bekannt.) Nur: soweit es die sogenannte "zweite Generation" betraf, hat sie funktioniert. (Und nicht nur diese: es waren an die 4000 Leute, die beim Begräbnis von Holger Meins in Hamburg auf die Straße gingen, und nur wenige von denen wurden später selbst Terroristen.) Sie sahen diesen Tod nicht als Selbstmord, sondern als "Mord auf Raten" (Zitat Otto Schily, später Innenminister) durch den Staat.


    Nebenbei bemerkt: ich selbst sehe den Tod sowohl als Selbstmord als auch als bewußte unterlassene Hilfeleistung mit tödlichem Ausgang durch den Gefängnisdirektor und den Gefängnisarzt. Das eine schließt das andere nicht aus. Es war die Entscheidung von Holger Meins, so zu hungern, und es war die Entscheidung des Arztes und des Direktors, ihn in diesem Zustand sich selbst zu überlassen und in ein verlängertes Wochenende zu fahren. In den 80ern wäre so ein Verhalten von Seiten der Staatsangestellten undenkbar gewesen, und da gab es auch keine "Märtyrer" von Seiten der RAF mehr, obwohl sie die Hungerstreik-Taktik noch ein paarmal versuchten.

    Rosenstolz, die Rekrutierungen hätten sich wahrscheinlich um einiges beschleunigt... aber andererseits hätten sich vielleicht auch ein paar Leute wie z.B. Baader selbst entmystifiziert, indem sie sich auf Twitter oder Facebook so unmöglich aufführten, daß potentielle Anhänger eher abgeschreckt worden wären. Wer weiß?

    Danke, Rosenstolz, den Fehler melde ich dem Verlag weiter.


    Unausweichlich: das ist die Frage. Ich glaube an den freien Willen. (Und die entsprechende Verantwortung für seine Taten.) Es gab sowohl gesellschaftliche als auch individuelle Umstände, die Martinas Radikalisierung begünstigten, doch sie hätte sich jederzeit auch anders entscheiden können...

    Xexos, ich konnte das nicht beantworten, ohne für den Rest zu spoilen, aber den hast du ja jetzt gelesen.


    Noch etwas zu Monika Werder und Steffen, jenseits des Michael-Faktors. Monika Werder hat Steffen nie für auf irgend eine Weise schuldig am Tod ihres Mannes gehalten. Aber STEFFEN hat vehemente Schuldgefühle. Steffens Überzeugung nach seinem Koma, daß alle Witwen seiner Kollegen wie auch Frau Werder sich insgeheim fragen, warum er überlebte, und ihre Männer tot sind, entspringt diesen Schuldgefühlen, nicht der Realität. (Sieht man auch daran, daß Steffens Mutter und Monika Werder miteinander bis zum Tod von Steffens Mutter korrespondierten.) Wenn du dich erinnerst: Steffen war derjenige, der seinerzeit den Kontakt abgebrochen hatte.


    Monika Werder ist eine kluge, sensible Frau, und durch den erneuten Kontakt ist ihr rasch klar, daß Steffen immer noch vehemente Schuldgefühle eines Überlebenden hat. Nicht logisch, aber vorhanden. Und denen begegnet man nicht dadurch, daß man sie wegrationalisiert - das hat Klaus jahrelang umsonst versucht. Stattdessen gibt sie ihm ihre Verzeihung, weil es genau das ist, was er emotional braucht.

    Xexos, du hast recht re: Anna Liebert, meine Lektorin und ich diskutierten auch über diesen Punkt. Das Problem ist, daß ich ihre Beweggründe - jenseits von Steffens Spekulationen - nur hätte erläutern können, wenn ich einen Abschnitt aus ihrer Perspektive geschrieben hätte. Da alle anderen Szenen aus den Perspektiven von Angelika, Alex, Martina und Steffen verfaßt sind, hätte das für mich einen stilistischen Bruch bedeutet, daher verzichtete ich darauf. Aber es war keine leichte Entscheidung.


    Monika Werder hatte in meiner Vorstellung eine gewisse Ahnung, ohne Details zu wissen. Aber


    Martina heißt allerdings nicht Monika, sondern Martina. :-]

    Außerdem, wenn ich daran denke, was ich alles mit Siebzehnjährigen erlebt habe... (Ich war in dem Alter auch manchmal idiotisch, da will ich mich nicht ausschließen.) Aber natürlich hat der Durchschnitts-Teenager mehr Glück, was die fatalen Folgen betrifft.


    Rumpelstilzchen, im Prinzip steht es jedem Leser frei, sich die Antwort auf solche Fragen selbst auszumalen. (Tod des Autors usw.) Ich hatte es mir beim Schreiben so gedacht, daß er seiner Mutter bis zum Zeitpunkt des Gespräches mit Steffen nicht die Wahrheit gesagt hat. Auch sonst niemandem, also Ehefrau etc.; nachdem er seinen jugendlichen Selbstmordversuch überlebte, fraß er seine Schuldgefühle in sich hinein und versuchte, ein konservativer Musterpolitiker zu werden, sozusagen als Sühne. Nach dem Gespräch mit Steffen ist es etwas anderes: die Katharsis, die das für ihn war, versetzt ihn in die Lage, auch seiner Mutter die Wahrheit zu gestehen.


    Aber das sind, wie gesagt, meine Gedanken, die nicht Leser-verpflichtend sind, weil bei einem Buch nur zählt, was tatsächlich drinsteht.