Beiträge von Ellemir

    Aber in der Stadt hat man mehr Möglichkeiten, der Enge zu entkommen. Wenn die Leute im einen Supermarkt tratschen, kauft man im anderen ein. Es gibt mehr Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, meist auch mehrere Kindergärten und Schulen zur Auswahl. Das macht einen Unterschied.

    Außerdem interessiert es die Leute in der Stadt nicht so häufig, wie lange du und deine Familie schon da wohnen. In Dörfern bist du z.T. nach 20 Jahren noch die Zugezogene, die Fremde.

    Ich denke, eine solche Enge nimmt man als Kind höchstens unbewusst wahr, weil Dorf ja meist auch bedeutet, dass viel Natur für spannende Abenteuer um einen herum ist. Außerdem tendiert man ja auch dazu, das, was man kennt, als normal zu definieren. Ingwer ist jetzt in der Phase angekommen, wo er das, was er als normal kennt, hinterfragen und möglicherweise abwerfen muss.


    Und Stadtnähe kann viel ausmachen, gerade für Jugendliche. Wenn man allerdings in einem Dorf wohnt, wo außer dem Schulbus höchstens zweimal am Tag ein Bus fährt...

    Genau das mag ich hier so sehr. Es wird nicht in schwarz oder weiß gedacht, sondern einfach so geschildert, wie es gewesen sein könnte. Und da war manches schwarz, manchen weiß und sicher vieles dazwischen. Aber man kann die Wertung auch einfach weglassen und es nur "wahrnehmen". Das macht Dörte Hansen ausgezeichnet!

    Ich nehme mir allerdings die Freiheit, auch wenn die Autorin etwas neutral schildert, meine eigene Wertung dessen, was ich da wahrgenommen habe, zu schildern. Und auch wenn ein Autor noch so neutral schreibt - neutral lesen ist fast unmöglich, weil man immer durch die Brille seiner eigenen Persönlichkeit, geprägt durch seine eigenen Erfahrungen liest, denke ich.

    Oh ja, ich kämpfe auch darum, etwas Abstand zu gewinnen.


    Gerade die Geschichte mit Marret geht mir sehr nahe - mein Pflegekind war auf einer Förderschule und ich habe einige Jahre im Schulvorstand mitgearbeitet. Diese Schule ist nicht nur für unsere Kleinstadt, sondern auch für die umliegenden Dörfer zuständig. Was man da von verzweifelten Eltern manchmal über die Grundschulen hört, ist echt nicht ohne. Natürlich gibt es den "Dorftrottel" heute nicht mehr so - aber ganz verschwunden ist das Gedankengut immer noch nicht.


    Diese Einsamkeit, das nicht helfen wollen kenne ich aus meiner Jugend nur zu gut. Vieles hinter vordergründig heiler Fassade habe ich erst deutlich später begriffen.

    Hmm, ich kann nicht anders, als einen Lehrer, der dem Schüler das Heft um die Ohren schlägt und ihn in der nächsten Stunde für das kaputte Heft bestraft, als negativ zu empfinden.


    Und zur Enge - ich habe meine Kindheit auf einem Dorf am Rande einer nicht wirklich großen Stadt in Westfalen verbracht. Der Umzug näher ins Stadtgebiet war schon befreiend, selbst für mich als Kind. Ich habe während der Ausbildung noch mal ein paar Monate in dem Dorf gewohnt, weil es nicht anders ging. Es hatte sich nicht viel geändert - für mich war das dann natürlich zwei bis drei Schritte zurück. Dieses Elefantengedächtnis - ich stand (damals 20 Jahre alt, nachdem ich mit 8 Jahren aus dem Ort weggezogen bin) in einem Supermarkt und habe völlig ungläubig mitangehört, wie zwei Frauen genüßlich durchhechelten, dass meine Mutter alleinerziehend, mein Bruder unehelich geboren und meine Oma SPD-Mitglied war. Ähm... 1990?

    Ich weiß nicht, ob ich das Buch je genossen hätte - dafür löst es zu viele Gedankengänge über mein eigenes Leben aus. Aber ich finde es auf jeden Fall hochinteressant und werde es weiterlesen.


    Uneingeschränkt zustimmen kann ich dir nur, was die bildreiche Sprache der Autorin angeht, die ist einfach nur großartig.

    Ich finde, das Buch hat bis jetzt etwas melancholisches, man trauert den Zeiten nach, als die Dörfer noch Dörfer sein durften, das Land noch geheimnisvoll und kostbar war, nicht im Sinne von Geldwert aber es hatte noch Bedeutung. Trotzdem musste ich über manche Dinge auch schmunzeln, wie über die toten Tiere, bei denen der Pastor dann durch den Mund atmete.

    Ich gebe dir recht, das Buch hat etwas Melancholisches. Allerdings trauere ich der Zeit nicht nur nach, sondern sehe sie durchaus kritisch. Gerade die Beschreibung, wie Ingwer aus dem Namen einer Studentin ableitet, wie alleine gelassen sie durch die Gymnasialzeit gegangen ist, die Beschreibung, auf welches Unverständnis der Besuch des Gymnasiums bei Sönke stößt und auch die Beschreibung des grausamen und herablassenden Umgangs des Lehrers mit den Schülern, die das erdulden, weil es genau wie zuhause keinen Sinn hatte, nach dem Warum zu fragen...

    Ich habe diese Einstellungen ja nur noch in Teilen erlebt (zum Glück ohne die körperliche Bestrafung) und bin verdammt froh, dass meine Kinder diese Hypothek fürs Leben nicht mehr in dem Maß aufgebürdet bekommen.


    Ich fand interessant, dass es für dieses besondere Klima einer dörflichen Enge gar nicht von Bedeutung scheint, ob die Kirche eine große Rolle spielt oder nicht. In anderen Büchern über jene Zeit hatte ich manchmal das Gefühl, dass die Schuld dafür häufig ohne weiteres Hinterfragen der Religion zugeschrieben wird. Vielleicht ist es doch eher die Natur des Menschen.

    Ich bin gut reingekommen und bisher ziemlich begeistert von dem Buch.


    Das ist einer der Gründe, warum ich das Buch so mochte. Ich kenne diese Art Leben, zwar schon etwas moderner, weil ich Anfang der 70er geboren und auf dem Land aufgewachsen bin. Es ist schlicht authentisch.

    Kann ich für die 70er in OWL ebenfalls bestätigen. Zum Glück war allerdings die Grundschulpädagogik schon weiter und auch bei uns auf dem Lande angekommen, dass man als Lehrer nicht zu körperlichen Strafen greifen sollte.

    Das Landleben scheint sich wohl in Einzelheiten zu unterscheiden, ist aber schon grundsätzlich sehr ähnlich, egal wohin man guckt.

    Damit meine ich nicht, dass sie liebenswert sind bzw. sich so verhalten, sondern dass ich als Leserin sie geliebt habe und sie mir in mehr als guter Erinnerung geblieben sind.

    Ich liebe in Büchern nicht die netten, lieben Figuren, sondern die, die authentisch sind.

    Geht mir genau so und gerade die Authentizität der Figuren der Autorin hier sehr gut gelungen.

    Darauf wurde schon bei den Reunion-Veranstaltungen 2014 in London mehrfach angespielt. Mein Mann und ich hatten damals das unfassbare Glück, Karten für eine Aufführung im zweiten Block zu ergattern. Die Karten für die ersten 5 Veranstaltungen waren innerhalb von 45 Sekunden ausverkauft und sie haben dann 5 weitere nachgeschoben.


    Auf jeden Fall bin ich froh, die Truppe einmal live erlebt zu haben. Bei Interesse an der Truppe kann ich eigentlich immer wieder empfehlen, sich die 6teilige Doku "Monty Python - Fast die ganze Wahrheit" anzusehen. Echt interessant.

    Ich denke, das ist nicht nur bei neuen Serien so - ich kenne durchaus auch alte historische Filme, bei denen sich einem die Fußnägel kräuseln, wenn man über den historischen Wahrheitsgehalt nachdenkt. Selbiges gilt für historische Romane - auch da gibt es hervorragend recherchierte Werke und reine Unterhaltungsschinken, wo einem als halbwegs historisch interessiertem Menschen in jedem Kapitel mindestens ein Fehler entgegenspringt - und quasi jede Stufe dazwischen.


    Da Herr Palomar aber nach Romanen und nicht nach Fachliteratur gefragt hat, finde ich die Serie Versailles hier durchaus erwähnenswert.

    Ich kenne da auch kein Buch, leider. Allerdings kann ich die Serie Versailles nur empfehlen, gerade auch wegen der Figur der Liselotte (ab der zweiten Staffel), die am französischen Hof erfrischend auffällt. Auch ansonsten fand ich die Serie nicht schlecht gemacht.

    Ach, da fällt mir ein - ein Buch zur Serie gibt es schon, habe ich neulich in der Bibliothek gesehen. Über die Qualität kann ich nicht wirklich etwas sagen und auch nicht, wie weit es geht und ob Fortsetzungen geplant sind.


    Versailles: Der Traum von Macht

    Zuckelliese - wie schön ;-)

    Ich hoffe, du hast einen schönen Urlaub.


    Findus: Ich finde Hörbücher manchmal ganz praktisch bei den eher stupiden Hausarbeiten und so (Hemdenbügeln zum Beispiel). Aber irgendwie funktionieren bei mir nur ganz wenige Sprecher. Bei vielen verliere ich entweder die Konzentration und schweife gedanklich ab oder ich höre zwar den Inhalt, aber bleibe emotional außen vor - schwierig zu erklären. Das habe ich dann meistens lösen können, indem ich zur gedruckten Variante gegegriffen habe.