Sind wir eigentlich noch bei "Der Bischof und die Watsch'n" oder inzwischen bei "Missbrauch und Kirche"?

Eine "Hetze" in den Medien nehme ich nicht wahr. Das wäre ja eine zielgerichtete Aktion, eine Art Verschwörung mit dem Ziel, die katholische Kirche zu diskreditieren, im Zweifel unabhängig von Faktenlagen. Das mag für einzelne Sendungen und Medien zutreffen, wenn der verantwortliche Redakteur eben die katholische Kriche als Feind sieht.
Was man aber wieder sehr schön sieht, ist, dass die Medien eben nach dem selektieren, was sich verkaufen lässt bzw. Einschaltquoten und Auflagenzahlen bringt. Das ist auch durchaus verständlich, daran hängt ihre Existenz.
Wie in jedem anderen Thema wird dabei vereinfacht und zugespitzt.
Leider gerät damit die Faktenlage aus dem Blick.
Eine Parallele aus einem ganz anderen Bereich: Wenn eine Talkshow zu der Frage "gibt es Marsmenschen?" angesetzt wird, dann wird man in der Runde von vielleicht 6 Gästen vermutlich 3 finden, die der Meinung sind: "ja, der Mars ist bewohnt." Der nicht anderweitig informierte Zuschauer wird nun vermuten, etwa 50% der Wissenschaftler seien dieser Meinung. In Wirklichkeit sind es aber vielleicht nur 0,0001% - nur das aus denen eben 3 ausgewählt wurden und aus dem großen Rest ebenfalls 3.
Was das mit dem Thema zu tun hat?
Der Missbrauch außerhalb der Familie macht ca. 5% der Fälle aus, wenn ich mich recht entsinne - katholische Kirche, andere Kirchen, Kindergärten, Schulen, Sprotvereine ... In Summe alles 5 %. 95 % dagegen finden in der Familie statt. Die momentane Darstellung suggeriert, dass man das Problem "Kindesmissbrauch" beseitigen würde, indem man (ganz radikal gesagt) die katholische Kirche verbietet und alle ihre Einrichtungen dicht macht. Das ist aber hanebüchen, man würde nur einen minimalen Anteil erreichen, wenn überhaupt, da ja auch andere Schulen gleiche Probleme haben ...
Um einen Bogen zu Bischof Mixa zu schlagen: Er ist einer derjenigen, der völlig zu Recht darauf hinweist, dass auch die Priester nicht abgeschottet von der Gesellschaft existieren, in der sie aufwachsen und leben. Wenn in dieser Gesellschaft sexuelle Entfaltung als absolut notwendig für ein erfülltes Leben angesehen wird (Stichwort "68er"), dann ist es nur logisch, dass diese Einschätzung sich auch in der Psyche von Priestern niederschlägt. Wie jeder andere Mensch gehen sie dann auf die eine oder andere Weise damit um. Wie jeder andere Pädophile wird sich auch ein (bewusst oder meist anfangs vermutlich unbewusst) pädophiler Priester oder Ordensmann zu einer Lebensgestaltung hingezogen fühlen, bei der er Kontakt mit kleinen Kindern hat. Ich halte also Mixas Einschätzung, dass man an den 100% der Problemfälle arbeiten sollte und nicht eine Engführung auf einen Bruchteil der 5% vornehmen sollte, für absolut richtig, wenn man denn das Problem "Kindesmissbrauch in Deutschland" lösen will. Diese Einschätzung zu artikulieren, löst allerdings Angstbeißreflexe aus, wie man sieht.
Mixa selbst ist nun zurückgetreten, weil er den Rückhalt unter den Gläubigen seiner Diözese verloren hat und auch den Zusammenhalt der Katholiken in Deutschland insgesamt geschwächt hat. Denn auch diese sind Kinder ihrer Zeit und deren schnelllebigen Einflüssen ausgesetzt.
Ob er wirklich irgendwen geohrfeigt hat oder nicht, ist meines Wissens noch gar nicht raus. Selbst wenn er es getan hätte, wäre es aber nicht mit sexuellem Missbrauch gleichzusetzen. In der Vereinfachung und Zuspitzung, die wir derzeit sehen, löst aber der Begriff "Fehlverhalten" direkt eine Kurzschluss-Analogie mit "sexuellem Missbrauch" aus. Das ist ungerecht, aber eine Wahrnehmungsrealität. Schon der Anschein einer Schuld verursacht offenbar großen Schaden und wird somit zur Belastung, unabhängig davon, ob diese Schuld tatsächlich Substanz hat.
Was ich allerdings verstehe, ist der Vorwurf zum Umgang der Kirche mit den damals bekannten Missbrauchsfällen. Hier widerspreche ich auch Asmos. Aus meiner Sicht ist ein Priester immer auch Vertreter der Amtskirche "vor Ort". Er hat sich freiwillig dazu entschlossen. Dadurch genießt er meist einen besonderen Respekt, weil er eben für die Kirche steht und damit eine gewisse moralische Autorität "erbt". Wenn das so ist, dann muss er es sich aber auch jetzt, in diesen schweren Zeiten, gefallen lassen, mit den negativ wahrgenommenen Aspekten der Kirche identifiziert zu werden. Das sehe ich so wie bei einem Beamten - auch der hat die Gesetze seines Staates nicht selbst gemacht, aber er muss für diesen Staat einstehen. Wenn ein Polizist den Zorn der Demonstranten bei einem Atommülltransport abbekommt, dann mag es sein, dass er immer Parteien wählt, die gegen Atomenergie sind - trotzdem ist er Polizist und muss dann vor Ort für den Staat mit seiner Politik den Kopf hinhalten, obwohl er selbst nichts dafür kann.
Auch beim Umgang der Kirche mit diesen Fragen müsste man allerdings differenzieren, wozu vermutlich weder die Medien noch ein Internetforum in der Lage sind.
Nach aktueller Gesetzeslage gibt es keine Anzeigepflicht für Missbrauchsfälle (außer die allerschwersten). Warum sollte es eines extra für Taten im kirchlichen Umfeld geben? Wenn, dann für alle. Auch zu bedenken gilt, dass die Klostergemeinschaft einem Familienverband sehr nahe kommt. Die Mönche nennen sich nicht umsonst "Brüder". Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, in der es Pflicht ist, selbst Familienangehörige auf einen bloßen Verdacht hin zu denunzieren?
Anders liegt der Fall bei der Thematik, dass jemand, der sich hier nachgewiesen schuldig gemacht hat, nicht angezeigt wird und, das ist das besonders Tragische, nochmals in Positionen versetzt wird, in denen er das Gleiche nochmal macht, sogar ohne die geringsten vorbeugenden Maßnahmen. Das ist ein systemischer Fehler, und für diesen haben diejenigen geradezustehen, die die Regeln im System machen.