Beiträge von auserlesenes

    Als Kind ist es recht still um Clara Waterfield. Sie wächst behütet, aber auch isoliert in London auf, denn aufgrund der Glasknochenkrankheit darf sie nicht nach draußen. Doch als ihre Mutter stirbt, öffnet sich für die junge Frau eine völlig neue Welt. Im Sommer 1914 wird sie als Botanikerin nach Gloucestershire gerufen: Sie soll auf einem Landsitz namens Shadowbrook den Aufbau eines Gewächshauses mit exotischen Pflanzen betreuen. Der dortige Garten ist üppig bewachsen und überwältigend. Doch das alte Wohnhaus wirkt seltsam abweisend, die meisten Räume stehen leer oder sind verschlossen. Mr. Fox, der Eigentümer, ist viel auf Reisen. Und nachts scheint es im Haus zu spuken. Doch Clara glaubt nicht an Geister und macht sich daran, die Geheimnisse zu ergründen. Dabei muss sie feststellen, dass dort nichts so ist, wie es scheint.


    „Das Geheimnis von Shadowbrook“ ist ein Roman von Susan Fletcher.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 17 jeweils recht langen Kapiteln. Erzählt wird aus der Ich-Perspektive aus der Sicht von Clara. Die Handlung umfasst einige Jahre und endet im Februar 1918. Der Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist anschaulich, bildhaft und sehr atmosphärisch, aber zum Teil auch ausschweifend. Der Einstieg fiel mir nicht schwer. Die Geschichte nimmt jedoch nur sehr langsam Fahrt auf.


    Mit Clara gibt es eine reizvolle Protagonistin, die durchaus authentisch dargestellt wird, aber mir nicht auf Anhieb sympathisch war. Auch die übrigen Charaktere sind größtenteils interessant gestaltet.


    Thematisch hat der Roman einiges zu bieten: eine seltene Krankheit, die Botanik, mutmaßlicher Geisterspuk und andere rätselhafte Dinge, eingebettet in die Kulisse der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.


    Alles in allem ist die Geschichte abwechslungsreich und unterhaltsam. An einigen Stellen ist der mehr als 400 Seiten umfassende Roman jedoch etwas langatmig, weil die Handlung zwischendurch an Tempo verliert. Auch die Auflösung der Geheimnisse konnte mich nicht ganz überzeugen.


    Die optische Gestaltung der gebundenen Ausgaben wirkt hochwertig und spricht mich sehr an. Der deutsche Titel weicht zwar stark vom englischsprachigen Original ab („House of Glass"), gefällt mir aber sehr gut.


    Mein Fazit:

    „Das Geheimnis von Shadowbrook“ von Susan Fletcher ist ein Roman mit vielen Stärken, aber auch einigen Schwächen. Eine ungewöhnliche Lektüre, die meine Erwartungen nicht voll erfüllen konnte, aber mich trotzdem gut unterhalten hat.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Berlin im Jahr 1952: Man muss das Leben tanzen, das ist das Motto von Silvie Thalheim. Während für ihre ältere Schwester Rike das Kaufhaus am Ku'damm an erster Stelle steht, hat die mittlere Schwester nach den Jahren des Kriegs genug von Verlust und Verzicht und will nur das Leben genießen. In den Wirtschaftswunderjahren laufen die Geschäfte ohnehin bestens. So bleibt der attraktiven Silvie Zeit, ihre eigenen Träume zu verfolgen: Sie will als Rundfunkredakteurin beim RIAS Karriere zu machen. Doch seit ihr Zwillingsbruder aus dem Krieg heimgekehrt ist, ist alles anders. Oskar soll das Unternehmen leiten, aber er feiert lieber die Nächte durch. Und als ein verhasster Konkurrent die Geschäfte torpediert und den Thalheims alles zu nehmen droht, wird Silvie schließlich klar, dass sie endlich Verantwortung übernehmen muss…


    „Die Schwestern vom Ku’damm – Wunderbare Zeiten“ ist der zweite Teil der 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus einem Prolog, der im Frühling 1952 spielt, sowie 14 Kapiteln. Während der erste Band der Thalheim-Reihe die Jahre 1945 bis 1951 behandelte, geht es nun um die Jahre 1952 bis 1957. Die Geschichte spielt vorwiegend, aber nicht ausschließlich in Berlin. Einheitliche Orts- und Zeitangaben erleichtern die Orientierung. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist – wie vom Vorgängerband gewohnt – flüssig, angenehm, anschaulich und bildreich. Er lässt viele Bilder entstehen. Durch die Vorkenntnisse aus Band 1 fiel es mir leicht, in die Geschichte einzutauchen. Zum besseren Verständnis empfiehlt es sich, zunächst den Auftakt-Roman zu lesen. Die Handlung lässt sich zur Not aber auch unabhängig davon verfolgen.


    Ein Fokus liegt erneut auf den starken Frauenfiguren im Roman. Nachdem Rike im Auftakt der Thalheim-Trilogie im Mittelpunkt stand, verschiebt sich der Schwerpunkt nun zu Silvie, die mir leider schon beim ersten Band nicht ganz so sympathisch war. Zwar konnte sie mir die Fortsetzung etwas näherbringen, denn sie macht eine Entwicklung durch. Dennoch wurde ich auch dieses Mal mit ihr nicht so ganz warm. Sie und die übrigen Charaktere wirken allerdings durchaus authentisch.


    Die Stärke des Romans liegt wieder einmal in der fundierten Recherche, die an vielen Stellen deutlich wird. Historische Fakten und Details werden gekonnt in die fiktive Geschichte eingewebt. So gibt es selbst für geschichtsversierte Leser wissenswerte und interessante Aspekte zu entdecken, was den Roman zu einer gleichsam unterhaltsamen wie lehrreichen Lektüre macht. Die schon im ersten Band abgedruckte Chronik, die die wichtigsten historischen Ereignisse in Berlin auflistet, wird um die Jahre 1952 bis 1957 fortgeführt. Ein sinnvolles und hilfreiches Extra.


    Mit mehr als 450 Seiten ist der Roman wieder recht umfangreich. Dennoch kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Immer wieder baut sich durch Wendungen und Überraschungen Spannung auf. An einigen Stellen finde ich die Handlung jedoch etwas zu übertrieben dramatisch.


    Das hübsche Cover, das das Design des Vorgängerbandes aufgreift, vermittelt Nostalgie und passt gut in die Optik jener Zeit. Der Titel „Wunderbare Zeiten“ ist meiner Ansicht nach aber nicht ganz treffend.


    Mein Fazit:

    „Die Schwestern vom Ku’damm – Wunderbare Zeiten“ von Brigitte Riebe ist eine gelungene Fortsetzung der Thalheim-Reihe, die zwar nicht ganz an den ersten Band herankommt, mir allerdings wieder schöne Lesestunden bereitet hat. Sicherlich werde ich auch noch den Abschluss der Trilogie lesen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Schlesien im Jahr 1928: Als Laurenz Sadler in Breslau der jungen und scheuen Annemarie begegnet, ist es für ihn Liebe auf den ersten Blick. Die beiden heiraten, vom gefährlichen Geheimnis Annemaries ahnt er nichts. Doch eine familiäre Katastrophe zwingt Laurenz, Breslau zu verlassen und den elterlichen Hof zu übernehmen. Der jüngste Sohn des Landwirts wollte selbst nie Bauer werden, sondern als Komponist und Dirigent arbeiten. Dennoch findet er mit Annemarie und zwei außergewöhnlichen Töchtern sein Glück: der hochbegabten Kathi und der chronisch kranken Franzi. Als Kathi mit 15 Jahren einen landesweiten Schülerwettbewerb gewinnt, zieht sie die Aufmerksamkeit Berlins auf die Familie. Ihre Mutter handelt, um ihre Kinder zu schützen – und tritt damit eine Lawine tödlicher Ereignisse los…


    „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ist der erste Band der neuen Heimat-Saga von Hanni Münzer.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus zwei Teilen („Frieden“ und „Krieg“). Sie sind in insgesamt 64 Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert sind, denen jeweils Zitate fiktiver oder realer Persönlichkeiten vorangestellt sind. Die zwei Teile des Romans werden von einem Prolog und einem Epilog umrahmt. Die Handlung umfasst die Zeit von 1928 bis 1946. Der Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist anschaulich und atmosphärisch. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, wird aber zunehmend spannender. Der Einstieg fiel mir nicht schwer.


    Die Hauptcharaktere sind sehr interessant. Sie werden authentisch dargestellt. Die Entwicklung der Protagonisten lässt sich gut nachverfolgen. Bei der Vielzahl an Personen ist die Übersicht über alle genannten Charaktere, die am Anfang des Romans steht, jedoch sehr hilfreich.


    Der Inhalt des Romans ist von der Familiengeschichte der Autorin inspiriert. Immer wieder wird deutlich, dass die Geschichte nicht nur auf Erzählungen, sondern auch auf fundierter Recherche der Schriftstellerin fußt. Da ich bereits viel Literatur zu den zwei großen Weltkriegen und den Jahren dazwischen kenne, war nicht alles gänzlich neu für mich. Vor allem für Leser, die weniger historisch bewandert sind, ist das Zusatzmaterial allerdings ein großes Plus. Es gibt eine Zeittafel mit den wichtigsten politischen Ereignissen jener Jahre, ein Glossar, Landkarten und weitere Extras. Gerne gelesen habe ich auch die Nachbemerkung der Autorin, die unter anderem erklärt, was auf Fakten und was auf Fiktion basiert. Interessant finde ich außerdem, dass man durch den Roman einiges über die seltene Krankheit Sklerodermie erfährt, die mir bis dato unbekannt war.


    Trotz der fast 600 Seiten ist die Lektüre kurzweilig und abwechslungsreich. Weniger gut gefallen hat mir jedoch, dass der Band in sich nicht abgeschlossen ist und einige lose Enden übrig bleiben.


    Das optisch ansprechende Cover trifft meinen Geschmack. Der Titel klingt ein wenig schwülstig, passt inhaltlich aber gut.


    Mein Fazit:

    „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ ist trotz kleinerer Schwächen alles in allem ein gelungener Auftaktband der neuen Heimat-Saga von Hanni Münzer.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Berlin im Jahr 1985: Als die 18-jährige Gymnasiastin Anja Hermann zum ersten Mal zu der alten Dame in deren Haus in Charlottenburg kommt, weiß sie nicht, was genau sie erwartet. Sie soll als „Gesellschafterin“ mit Lili Zeit verbringen. Anja sieht es zunächst nur als Nebenjob. Doch Stück für Stück enthüllt sich die Geschichte der Seniorin mit jüdischen Wurzeln, die vor 50 Jahren vor den Nazis aus der Stadt fliehen musste. Nach dem frühen Tod der Mutter Charlotte hatte sich ihr Vater Jakob Kuhn rührend um sie gekümmert. Aber erst als sie Günther von Pechmann kennenlernt, den Direktor der Königlichen Porzellan-Manufaktur, findet Lili ihre Bestimmung. Auch im Alter hat es ihr das Porzellan sehr angetan. Das stellt Anja sofort fest. Aber welche Rolle spielt dabei die schlichte Porzellanschale, die die alte Frau wie einen Schatz hütet? Und welches Geheimnis schleppt Anja mit sich herum?


    „Ein neues Blau“ ist ein Roman von Tom Saller.


    Meine Meinung:

    Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Erzählt wird die Geschichte im Wechsel auf unterschiedlichen Ebenen: Der Leser begleitet Lili in den Jahren 1919 bis 1935, wobei der Roman dabei in 50 Kapitel mit einer kleinen Zusammenfassung zu Beginn untergliedert ist. Darüber hinaus wird aus der Sicht von Anja in der Ich-Perspektive erzählt, dabei spielt die Handlung in Berlin im Jahr 1985. Dieser Aufbau wirkt gut durchdacht.


    Der Sprache variiert in den beiden Erzählsträngen: Während der Stil in den Passagen von Anja schon zum Teil etwas zu gewollt umgangs- und jugendsprachlich ausfällt, ist er im übrigen Part gehobener. Insgesamt ist die Sprache des Romans zwar anschaulich und leicht verständlich, jedoch auch schnörkellos und ein wenig nüchtern. Anleihen bei Erich Kästner sind festzustellen. Wie schon bei „Wenn Martha tanzt“, dem Debütroman des Autors, braucht es eine Weile, um sich in die Geschichte einzufinden. Sie nimmt nur langsam Fahrt auf. Nach einer Weile konnte ich jedoch völlig in die Handlung eintauchen.


    Im Mittelpunkt des Romans steht zweifelsohne Lili, ein reizvoller Charakter, der authentisch beschrieben wird. Das trifft auch auf Anja zu, die ebenfalls eine wichtige Rolle einnimmt. Beide waren mir jedoch nicht gleich von Beginn an sympathisch.


    Thematisch verliert die Geschichte immer wieder ihren Fokus. Mal geht es um Religion, mal um Tee, mal um das Porzellan, wobei ich mir einen stärkeren Schwerpunkt auf Letzteres gewünscht hätte. Dadurch erfährt der Leser auf unterhaltsame Weise andererseits allerhand Wissenswertes, denn die fundierte Recherche ist dem Roman anzumerken. Zudem wird die Geschichte somit vielschichtig.


    Trotz der mehr als 400 Seiten bleibt der Roman kurzweilig. Er hat die eine und andere Wendung zu bieten. Emotional konnte mich die Geschichte allerdings nicht immer erreichen.


    Sehr gut gefällt mir das optisch ansprechende Cover der gebundenen Ausgabe, das zum Inhalt passt. Den Titel finde ich auch treffend. Nur ein kleiner Kritikpunkt am Rande: Leider hat der Verlag – anders als bei Tom Sallers Debüt – dieses Mal auf das praktische Lesebändchen verzichtet.


    Mein Fazit:

    Auch der zweite Roman von Tom Saller, „Ein neues Blau“, bietet eine interessante und unterhaltsame Lektüre. Zum wiederholten Mal ist es dem Autor gelungen, mir schöne Lesestunden zu bereiten.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Als Rahel Wald in einem Krankenhaus wach wird, versteht sie erst mal gar nichts: Wo ist sie? Warum ist es so laut? Und was sollen die Schläuche? Sie ist fiebrig, wirr im Kopf, kann nicht normal essen und reden – und sie hat Schmerzen. Erst nach und nach begreift die junge Drehbuchautorin: Sie lag nach einer schweren Blutvergiftung im Koma. Unter dem Einfluss von Medikamenten hat sie Albträume und Halluzinationen. Sie glaubt unter anderem, winkende und tanzende Eichhörnchen zu sehen. Schafft sie es von der anderen Seite zurück ins Leben? Unterstützung bekommt sie von ihrer etwas verrückten Familie. Rahel wird immer klarer: Ihr Leben ist viel zu kostbar, um es nach fremden Erwartungen auszurichten. Sie will es von jetzt an selbst in die Hand nehmen.


    „Wir von der anderen Seite“ ist der Debütroman von Anika Decker.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 19 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Die Geschichte wird im Präsens und in chronologischer Reihenfolge erzählt – und zwar in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Rahel. Zwischendurch gibt es kurze Rückblenden. Dieser Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist locker und anschaulich. Trotz der ernsten Thematik trifft die Autorin einen humorvollen und selbstironischen, aber nicht zu übertrieben flapsigen Ton. Obwohl der Leser sehr unmittelbar in die Geschichte geworfen wird, fällt der Einstieg nicht schwer.


    Mit Rahel steht eine sympathische und selbstbewusste Protagonistin im Vordergrund, deren Gedanken- und Gefühlswelt ich gut nachvollziehen kann. Auch die übrigen Charaktere wirken authentisch.


    Angesprochen hat mich der Roman vor allem wegen seiner Thematik. Die Frage, wie es einem Menschen ergeht, der einen solchen Schicksalsschlag erleidet und sich wieder zurückkämpfen muss, stellt sich vielen von uns an dem einen oder anderen Punkt im Leben. Dass die Autorin selbst bereits ähnliche Erfahrungen machen musste und autobiografische Elemente eingearbeitet hat, wird an einigen Stellen deutlich, denn die Schilderungen kommen sehr realitätsnah rüber. Das hat dazu beigetragen, dass mich das Buch immer wieder nachdenklich gemacht hat. Doch zugleich ist das Buch mehr als nur eine Krankheitsgeschichte, denn es erzählt von der Entwicklung einer jungen Frau, die durch ihr Schicksal lernt, ihren eigenen Weg zu gehen.


    Eine Stärke des Romans ist es, dass er auf mehrfache Weise berühren und unterhalten kann. Traurige, betroffen machende Passagen wechseln sich ab mit witzigen Momenten. Das verhindert, dass die Stimmung zu düster wird, und lässt die Geschichte trotz der fast 400 Seiten nicht langatmig werden.


    Das Cover der gebundenen Ausgabe gefällt mir sehr. Darüber hinaus passt das winkende Eichhörnchen gut zum Inhalt. Der Titel macht neugierig und ist ebenfalls treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    „Wir von der anderen Seite“ von Anika Decker ist ein außergewöhnlicher Roman, der mich sowohl gut unterhalten als auch emotional berühren konnte. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die sich nicht nur mit seichten Wohlfühlgeschichten beschäftigen wollen.


    Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen.

    Es ist Winter in Prag und die Übersetzerin Helen Franklin (42) ist gerade zu Fuß in der Stadt unterwegs, als sie auf Dr. Karel Pražan, einen guten Freund, trifft. Er hat ein seltsames, in deutscher Sprache verfasstes Manuskript dabei, das das Leben der Engländerin verändern wird. Es handelt von Melmoth, einer mysteriösen Frau in Schwarz. Laut einer Legende ist sie dazu verdammt, ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern. Sie fühlt sich verfolgt. Doch gibt es die Gestalt wirklich? Und, falls ja, was hat diese mit Helens Vergangenheit zu tun?


    „Melmoth“ ist ein Roman von Sarah Perry.


    Meine Meinung:

    Der Roman beginnt mit einem Prolog, der aus einem mysteriösen Brief besteht. Im Anschluss ist die Geschichte in drei Teile untergliedert. Erzählt wird aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers, der den Leser immer wieder persönlich anspricht und einige Vorausdeutungen macht. Darüber hinaus gibt es auch eine Geschichte in der Geschichte, da auch Teile des Manuskripttextes enthalten sind. Und es sind ein Auszug aus einem Tagebuch, Briefe und andere Quellen eingefügt. Die Struktur des Romans ist also recht komplex. Dennoch erschließt sich der Aufbau schnell.


    Der besondere Schreibstil konnte mich begeistern. Die bildgewaltige und poetische Sprache sind eine große Stärke des Romans, der atmosphärisch dicht ist. Viele Metaphern und Symbole sind im Text zu finden. Ein aufmerksames Lesen empfiehlt sich. Allerdings fiel mir der Einstieg in die Geschichte nicht schwer.


    Im Vordergrund stehen drei Protagonisten. Neben Helen und Karel spielt der Deutsche Josef Adelmar Hoffmann eine wichtige Rolle, der das Manuskript geschrieben hat. Die Charaktere sind allesamt etwas sonderbar und speziell, aber auch interessant.


    Inhaltlich verfügt das Buch zwar über viel Tiefe, hat mich jedoch zum Teil ein wenig enttäuscht. An einigen Stellen fällt die zuvor aufgebaute Spannung immer wieder ab und die Handlung wird langatmig. Thematisch finde ich den Roman darüber hinaus leider etwas überfrachtet, vor allem angesichts der recht überschaubaren Anzahl von kaum mehr als 300 Seiten. Gleichwohl kann mich die Grundthematik der Geschichte begeistern. Die Sagengestalt Melmoth ist zwar in der Literatur keine gänzlich neue Figur. Dennoch ist sie ein reizvolles Sujet. Gut gefallen hat mir auch, dass die Aspekte Schuld und Sühne ebenfalls im Fokus stehen. Insgesamt hatte ich allerdings den Eindruck, dass die Autorin ein bisschen zu viel wollte und daher noch einiges mehr nur anreißt, was die Lektüre bisweilen verwirrend macht.


    Optisch ist die gebundene Ausgabe ein äußerst hübsches Schmuckstück. Die etwas düstere und doch sehr geschmackvolle Gestaltung passt gut. Schön finde ich auch, dass sich das Federmotiv nicht nur auf dem Schutzumschlag findet. Der prägnante Titel bietet sich an und wurde 1:1 vom englischsprachigen Original übernommen.


    Mein Fazit:

    „Melmoth“ von Sarah Perry ist ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Roman. Zwar konnte mich die Geschichte nicht in allen Punkten überzeugen. Dennoch wird die Lektüre wohl noch einige Zeit nachhallen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Lauren Tranter hat gerade in einer Klinik in Großbritannien entbunden. Doch kaum sind die Zwillinge, die Jungen Riley und Morgan, auf der Welt, beginnt ihr ganz persönlicher Alptraum. Noch im Krankenhaus erscheint eine Frau mitten in der Nacht an ihrem Bett und will ihr einen schrecklichen Deal aufzwingen: Lauren soll eines ihrer Kinder gegen eines der Frau austauschen. Zwar kann sich Lauren mit ihren Zwillingen noch in die Toilette retten und dort die Polizei rufen. Dann jedoch werden ihre Kinder entführt. Niemand nimmt Laurens Aussagen ernst. Nur eine junge Polizistin, Detective Sergeant Joanna Harper, glaubt ihr. Aber hat sich wirklich alles so zugetragen und was hat es dann damit auf sich? Will man Lauren bewusst in den Wahnsinn treiben? Oder wird sie tatsächlich allmählich verrückt?


    „Kalte Wasser“ ist der Debütroman von Melanie Golding.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 43 Kapiteln, denen ein spannender Prolog vorangestellt ist. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von Lauren, aber auch der von Harper. Die Handlung umfasst einen Zeitraum zwischen dem 13. Juli und dem 10. Oktober. Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel erleichtern die Orientierung. Ab und an sind Zitate aus literarischen Werken, Mythen, Märchen und Liedern eingefügt. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.


    Der Schreibstil ist anschaulich und detailliert. Nach dem Prolog braucht die Geschichte ein wenig Zeit, um Fahrt aufzunehmen. Dann aber konnte mich der Roman packen.


    Die Protagonisten bleiben insgesamt ziemlich undurchsichtig, was die Spannung aufrechterhält. Niemand außer der Polizistin kommt sehr sympathisch rüber, was mich allerdings nicht gestört hat.


    Die recht kreative Grundthematik der Geschichte hat mir gut gefallen. Zwar wird hier mit Ängsten vieler Leser gespielt, zum Beispiel vor einer Kindesentführung. Dennoch werden auch alltäglichere Probleme wie postnatale Störungen und die psychische Gesundheit thematisiert, was durchaus Denkimpulse geben kann.


    Der Autorin gelingt es, einige falsche Fährten auszulegen. So wird die Spannung größtenteils bis zum Schluss erhalten, obwohl auf blutige Grausamkeiten und derartiges bewusst verzichtet wird. Nur streckenweise ist mir der fast 400 Seiten umfassende Roman ein wenig zu langatmig. Die Auflösung wirkt schlüssig, aber das Ende lässt auch noch Raum für eigene Interpretationen und Überlegungen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das mit „Liebe Leserin, lieber Leser“ beginnende Nachwort der Autorin, in dem sie erklärt, was sie dazu bewegt hat, dieses Buch zu schreiben.


    Das ansprechend gestaltete Cover passt gut. Die deutsche Version weicht bei Optik und Titel von der britischen Originalausgabe („Little Darlings“) ab, was ich in diesem Fall jedoch nachvollziehen kann.


    Mein Fazit:

    „Kalte Wasser“ von Melanie Golding ist ein mystisch angehauchter Spannungsroman, der für fesselnde Unterhaltung sorgt. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die nicht viel Blutvergießen brauchen, um auf ihre Kosten zu kommen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Ein Dienstagmorgen in der mittelgroßen Stadt Thalbach bei Freiburg: Oben auf dem Dach eines Mietshauses steht eine junge Frau. Sie tobt, reißt die Ziegel aus ihrer Verankerung und wirft Gegenstände vor die Füße der zahlreichen Schaulustigen. Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr und Presse haben sich postiert. 20 Stunden lang hält die Stadt den Atem an: Wird die junge Frau noch springen? Für Finn Holzer, einen Fahrradkurier, ist der Vorfall ein großer Schock. Erst vor Kurzem hat er sich in die junge Frau verliebt. Auch die Schicksale einiger anderer Menschen werden von diesem Vorfall beeinflusst.


    „Der Sprung“ ist ein Roman von Simone Lappert.


    Meine Meinung:

    Der Roman ist trefflich konstruiert. Er besteht aus drei Teilen, die mit „Der Tag davor“, „Erster Tag“ und „Zweiter Tag“ bezeichnet werden. Darüber hinaus ist er in viele eher kurze Kapitel untergliedert, die jeweils mit dem Namen des Protagonisten überschrieben sind, dessen Sichtweise der Leser im Folgenden kennenlernt. Erzählt wird aus der Perspektive von insgesamt zehn Personen. Dadurch entsteht eine ungewöhnlich große Anzahl an Erzählsträngen, die jedoch miteinander verbunden sind. Der Aufbau ist sehr gut durchdacht.


    Gut gefallen hat mir auch der unaufgeregte Schreibstil. Die Sprache ist poetisch und geprägt von vielen, teils ungewöhnlichen Bildern, die eine dichte Atmosphäre erzeugen. Ein aufmerksames Lesen ist gefragt, denn die Autorin versteht es, immer wieder kleine, aber wichtige Hinweise einzustreuen. Obwohl die Geschichte nur langsam an Fahrt aufnimmt, hat mich der Roman bereits nach wenigen Seiten gefesselt.


    In der Geschichte taucht eine Vielzahl an Personen auf. Zunächst einmal wäre da die junge Frau auf dem Dach, die der Leser aber nur aus der Perspektive der anderen kennenlernt. Sie ist ein reizvoller Charakter, für mich allerdings weder Identifikationsfigur noch Sympathieträgerin. Auch die zehn Protagonisten, aus deren Sicht erzählt wird, sind interessante Figuren. Die meisten von ihnen sind vielschichtig angelegt und wirken authentisch. Einige wenige dagegen werden klischeehaft und überspitzt dargestellt. Die Vielfalt an Personen ermöglicht es, ein breites gesellschaftliches Spektrum abzudecken. So werden interessante Verbindungen aufgezeigt und veranschaulicht, wie die Leben ganz unterschiedlicher, zum Teil sich fremder Menschen miteinander zusammenhängen können. Insgesamt wirkt der Roman dadurch allerdings etwas zu überfrachtet, weshalb ich mir eine Fokussierung auf weniger Protagonisten gewünscht hätte.


    Auch inhaltlich ist die Geschichte vielseitig gestaltet. Die junge Frau auf dem Dach bildet lediglich die Rahmenhandlung. Den meisten Raum nehmen die unterschiedlichen Schicksale und Lebensgeschichten der anderen Protagonisten sowie deren menschliche Abgründe ein. Einige konnten mich mal mehr, andere aufgrund der recht schnellen Perspektivwechsel mal weniger berühren. Mit den verschiedenen Personen geht ein Kaleidoskop an Themen einher, was die Lektüre abwechslungsreich macht. In etlichen Details wird deutlich, dass die Autorin viel Energie in die Recherche gesteckt hat.


    Der Roman basiert auf einem wahren Ereignis und dessen Umständen, die Simone Lappert nachhaltig beschäftigt haben. Schonungslos zeigt sie in der Geschichte den Voyeurismus und seine Motive auf. Bei anderen Fehlentwicklungen legt sie ebenfalls den Finger in die Wunde. Aber auch über diesen Punkt hinaus schafft es der Roman immer wieder, zum Nachdenken anzuregen. Insofern steckt in ihrem Buch eine Menge Gesellschaftskritik. An einigen Stellen wirkt die Handlung jedoch etwas zu plakativ und übertrieben.


    Das verlagstypische, künstlerische Cover hat wenig Aussagekraft, ist aber nicht unpassend. Der Titel, dessen Mehrdeutigkeit sich während der Lektüre offenbart, ist sehr treffend.


    Mein Fazit:

    Mit „Der Sprung“ ist Simone Lappert trotz kleinerer Schwächen ein in mehrfacher Hinsicht besonderer und lesenswerter Roman gelungen, der mehr als nur unterhält.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Nach dem Tod der 41-jährigen Mia Hayes, genannt „Rabbit“, ist die Trauer in der Familie groß. Doch auch nachdem der Krebs am Ende gesiegt hat, muss das Leben für ihre Hinterbliebenen irgendwie weitergehen. Das gilt für ihre 12-jährige Tochter Juliet, genannt „Bunny“, die nun bei Rabbits Bruder David, genannt Davey, bleiben soll. Und es trifft auch zu auf Rabbits Mutter Molly, die ihren unerschütterlichen Glauben zu verlieren droht, und auf Rabbits Schwester Grace, die herausfinden muss, dass auch in ihr das Krebs-Gen schlummert. Wie werden sie alle nun im neuen Alltag zurechtkommen? Und wie werden sie mit dem schweren Verlust fertig?


    „Für immer Rabbit Hayes“ von Anna McPartlin ist die Fortsetzung des Bestsellers „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“.


    Meine Meinung:

    Der Roman beginnt mit einem Prolog. Er besteht aus neun Teilen, die wiederum in kurze Kapitel eingeteilt wird. Das Buch endet mit einem Epilog. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht verschiedener Personen, zum Beispiel aus der von Davey, Grace, Juliet und Majorie. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.


    Der Schreibstil ist einfühlsam, anschaulich und – dank viel wörtlicher Rede – sehr lebhaft. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer. Die Handlung schließt direkt an die Geschehnisse aus dem Vorgängerroman an. Daher empfiehlt es sich, zuerst „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ zu lesen. Allerdings ist das Buch so geschrieben, dass es sich auch ohne Vorkenntnisse verstehen lässt.


    Viele der bereits im anderen Roman liebgewonnenen Charaktere tauchen erneut auf. Auch dieses Mal waren mir Bunny, Davey, Grace und all die anderen Protagonisten wieder sympathisch, sodass ich ihre Geschichten gerne weiterverfolgt habe. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Die Charaktere werden liebevoll und detailliert dargestellt, sodass man beim Lesen wieder ein plastisches Bild vor Augen hatte. Auch die Entwicklung der Personen wirkt authentisch.


    Trotz der mehr als 500 Seiten wird die Geschichte nicht langweilig. Mehrere Erzählstränge sorgen für Abwechslung und Unterhaltung. Auch das Ende des Romans war schlüssig und nachvollziehbar.


    Thematisch nehmen im Folgeband Trauer, Verlust und Krankheit eine wichtige Rolle ein. Dies macht die Geschichte sehr emotional, aber auf eine realitätsnahe, nicht ins Kitschige abdriftende Weise. Das mag auch daran liegen, dass der Roman mit einigen weiteren Themen dienen kann, die die Geschichte vielseitig und tiefgründiger machen und zum Nachdenken anregen. Gut gefallen hat mir außerdem, dass es auch immer wieder humorvolle Momente gibt.


    Das Cover weicht optisch sehr stark vom Vorgängerroman ab, trifft aber meinen Geschmack. Als Originaltitel wird „Who Loves Ya, Rabbit Hayes“ angegeben. Allerdings scheint das Buch – zum jetzigen Zeitpunkt – im englischsprachigen Raum noch nicht erschienen sein. Der deutsche Titel wurde nicht wörtlich übersetzt, was mich aber nicht gestört hat.


    Mein Fazit:

    Meine Befürchtung, „Für immer Rabbit Hayes“ könnte eine dieser missglückten Fortsetzungen sein und dem Vorgängerroman nicht gerecht werden, hat sich in keinster Weise bestätigt. Auch dieses Mal konnte mich Anna McPartlin mit ihrer Geschichte um die Familie Hayes begeistern und berühren. Wieder ist ihr ein Lesehighlight gelungen. Ich freue mich schon auf die angekündigte Verfilmung des ersten Rabbit-Romanes.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Tallahassee (Südflorida) Anfang der 1960er-Jahre: Der 16-jährige Elwood Curtis lebt bei seiner Großmutter in einem schwarzen Ghetto, nachdem seine Eltern abgehauen sind. Der farbige Jugendliche ist ein glühender Fan von Martin Luther King und träumt davon, aufs College zu gehen. Er legt viel Fleiß an den Tag, um dieses Ziel zu erreichen. Tatsächlich erhält er die Möglichkeit, seinen Traum zu verwirklichen. Doch dann kommt alles ganz anders. Wegen eines Missverständnisses, ausgelöst durch seine Hautfarbe, wird Elwood zum Opfer eines Justizirrtums und landet in der Besserungsanstalt „Nickel Academy“. Dort muss er Tag für Tag Willkür und unvorstellbare Brutalität über sich ergehen lassen.


    „Die Nickel Boys“ von Colson Whitehead ist ein Roman, der die Themen Rassismus und Gewalt in den Vordergrund stellt.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus drei Teilen und insgesamt 16 Kapiteln. Vorangestellt ist ein Prolog. Zudem gibt es einen Epilog. Erzählt wird vorwiegend, aber nicht nur aus der Sicht von Elwood. Immer wieder gibt es Zeitsprünge, die mir jedoch keine Probleme bereitet haben.


    Der Schreibstil ist unaufgeregt, recht nüchtern und ein wenig distanziert, aber dennoch intensiv und einfühlsam. Allerdings wirkt die deutsche Übersetzung stellenweise holprig und hat leider einige idiomatische Schwächen. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir dennoch leicht.


    Mit Elwood steht ein junger Protagonist im Mittelpunkt, der mit seiner ehrlichen, vielleicht schon etwas naiven Art meine Sympathie gewinnen konnte. Seine Entwicklung wird authentisch und nachvollziehbar geschildert.


    Obwohl die Handlung insgesamt recht spannungsarm ist und erst gegen Ende mit einer Wendung so richtig überrascht, kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Das liegt nicht nur an der eher geringen Seitenzahl, sondern vor allem am Inhalt.


    Die Themen im Roman haben es in sich und machen betroffen. Es geht um Rassismus, Hass und Diskriminierung, um Missbrauch, Unterdrückung, Willkür und andere Formen von Gewalt. Dadurch ist die Geschichte keine leichte Kost. Sie regt nachdrücklich zum Nachdenken an und wühlt auf. Zwar spielt der Roman in der Vergangenheit, doch lassen sich auch Bezüge zum Geschehen der heutigen Zeit erkennen, was der Lektüre Aktualität verleiht.


    Gut gefallen hat mir, dass der Roman – trotz des fiktiven Charakters Elwood – auf wahren Begebenheiten beruht. Tatsächlich gab es in Florida eine solche Besserungsanstalt, allerdings mit dem Namen „Dozier School for Boys“. Das ist im Nachwort zu erfahren, das die fundierte Recherche des Autors belegt. Durch die literarische Verarbeitung wird die Aufmerksamkeit auf diese grauenvolle Episode der Vergangenheit gelenkt, was ich wichtig finde.


    Das sehr reduziert gestaltete Cover passt gut zum Inhalt. Gut gefällt mir auch, dass man sich am prägnanten amerikanischen Originaltitel („The Nickel Boys“) orientiert hat.


    Mein Fazit:

    „Die Nickel Boys“ von Colson Whitehead ist ein aufrüttelnder, tiefgründiger Roman über ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte. Besonders aufgrund seiner Thematik kann ich das Buch empfehlen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Berlin im Jahr 1928: Recha und Willi zur Nieden gelten als Traumpaar der Metropole und deren blühender Filmwelt. Doch hinter der Fassade bröckelt es bei der Schauspielerin und dem Regisseur. Die Zustimmung für die Nationalsozialisten wächst stetig in der Stadt. Als Jüdin ist Recha unmittelbar vom Antisemitismus betroffen. Willi verschließt jedoch die Augen davor. Das Paar entfremdet sich zusehends. Werden die beiden neu zueinander finden oder verlieren sie einander? Felice, Willis Schwester, hat sich als Anwältin in einer Männerdomäne durchgesetzt. Nun ist sie Mehrfachmutter und steht vor schwierigen Entscheidungen.


    „Als wir im Regen tanzten“ von Michaela Saalfeld ist der zweite Band um die Geschwister der Familie zur Nieden und die Fortsetzung von „Was wir zu hoffen wagten“.


    Meine Meinung:

    Der Roman beginnt mit einem Vorspann, der im Jahr 1919 spielt und an den sich drei Teile anschließen. Untergliedert sind diese in 28 Kapitel. Die Haupthandlung umfasst die Jahre 1928 und 1929. Die Erzählperspektive wechselt. Der Aufbau des Romans funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist leicht verständlich, anschaulich und bildhaft. Teils recht ausschweifende Beschreibungen verlangsamen jedoch den Lesefluss. Nach „Was wir zu hoffen wagten“ fiel mir der Einstieg in die Geschichte nicht schwer. Mehrere kurze Zusammenfassungen machen es allerdings möglich, den Inhalt auch ohne die Kenntnisse aus Band 1 zu verstehen.


    Viele bereits bekannte Charaktere tauchen im zweiten Band auf. Ich habe mich gefreut, Neues von Recha, Willi, Felice, Quintus und Co. zu lesen. Nicht alle der Hauptprotagonisten sind mir in gleicher Weise sympathisch. Aber sie werden als Menschen mit Ecken und Kanten beschrieben, werden vielschichtig dargestellt und wirken authentisch. Interessant finde ich auch einige der Nebenfiguren.


    Die Handlung ist schlüssig und nachvollziehbar, aber trotz mehrerer Wendungen auch recht ereignisarm. An einigen Stellen ergibt sich der Eindruck, dass die Geschichte ein wenig auf der Stelle tritt. Vor allem im Mittelteil ist der rund 450 Seiten umfassende Roman recht langatmig. Darüber hinaus ging mir das Geschehen dieses Mal nicht besonders nahe, obwohl mir die Grundidee des Romans durchaus gefällt und es zum Ende der 1920er-Jahre einige Themen gab, die Potenzial für eine berührende Geschichte hätten.


    Auf unterhaltsame Weise lässt sich jedoch viel über das tatsächliche Leben in dieser Zeit erfahren, denn der Roman bietet tiefe Einblicke in die damaligen Umstände und Begebenheiten, was ihn zu einer lehrreichen Lektüre macht. Auf gelungene Weise werden in der Geschichte Fakten und Fiktion miteinander verwoben.

    Immer wieder werden die sehr fundierte Recherche und die umfassenden Geschichtskenntnisse der Autorin deutlich. Diese belegt auch das interessante Nachwort, das über die historischen Hintergründe des Romans informiert. Ein Pluspunkt: Für alle, die sich mit dieser Zeit noch nicht so intensiv befasst haben, ist das Glossar mit wichtigen Begriffen jener Jahre ein hilfreiches Extra.


    Das Cover ist wieder optisch sehr gelungen. Es passt – wie schon der erste Band – sehr gut zum Genre und zum Inhalt des Romans. Der Titel ist ebenfalls wieder treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    „Als wir im Regen tanzten“ von Michaela Saalfeld ist ein historischer Roman, der meinen Erwartungen nicht ganz gerecht werden konnte. Im Vergleich zum ersten Band fällt die Fortsetzung deutlich ab und hat mich daher enttäuscht. Falls noch ein weiterer Folgeband erscheint, würde ich diesem jedoch wahrscheinlich ebenfalls eine Chance geben, da mir der erste Roman um die Geschwister der Familie zur Nieden gut gefallen hat.


    Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen.

    Eigentlich wollte Louise (29) Autorin werden, stattdessen schlägt sie sich in New York mit miesen Jobs herum. Um ihr Leben zu finanzieren und die Miete für die Wohnung in Brooklyn zu bezahlen, arbeitet sie in einem Café, schreibt für eine Internet-Shoppingseite und gibt SAT-Vorbereitungskurse. So lernt sie die 23-jährige Lavinia Williams kennen. Die reiche Studentin wohnt auf der Upper East Side und ist sehr attraktiv. Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft. Lavinia teilt ihr glamouröses Leben mit Louise, die der schönen Welt zunehmend verfällt. Doch es geht nur solange gut, wie Louise nach den Regeln von Lavinia mitspielt...


    „So schöne Lügen“ ist der Debütroman von Tara Isabella Burton.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus zehn Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird im Präsens. Der Aufbau wirkt durchdacht und funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist geprägt von vielen Dialogen. Er verzichtet auf ausschweifende Beschreibungen und Details. Dadurch erinnert er stellenweise an ein Drehbuch oder Drama. Dennoch liest sich der Roman flüssig. Umgangssprache macht den Stil lebhaft, aber nicht zu vulgär.


    Mit Louise und Lavinia stehen zwei Protagonistinnen im Vordergrund, die ich zwar nicht sonderlich sympathisch, aber doch sehr reizvoll finde. Beide Charaktere sind nicht leicht zu durchschauen, was für die Handlung jedoch förderlich ist. Zum Teil wirken die beiden ungleichen Frauen sowie einige Nebenpersonen ein wenig überzeichnet, was dem Lesevergnügen allerdings keinen Abbruch tut.


    Beim Lesen kommt keine Langeweile auf. Das liegt nicht nur daran, dass der Roman nur etwas mehr als 300 Seiten hat, sondern auch daran, dass die Geschichte schnell einen Sog entwickeln kann. Die Handlung nimmt stetig an Spannung zu und bietet einige Überraschungen.


    Gut gefallen hat mir auch, dass das Buch gesellschaftskritische Elemente aufgreift. Die schöne Welt des falschen Scheins, der Umgang mit den sozialen Medien und ähnliche Themen sind sehr aktuell und regen zum Nachdenken an.


    Das Cover der gebundenen Ausgabe finde ich optisch äußerst gelungen, obwohl es wenig über den Inhalt aussagt. Der deutsche Titel weicht stark vom Original („Social Creature“) ab, passt aber nach meiner Ansicht sogar noch besser.


    Mein Fazit:

    Mit „So schöne Lügen“ ist Tara Isabella Burton ein eher ungewöhnlicher Roman gelungen, der - aufgrund des Schreibstils, der Charaktere und der Story - das Potential hat zu polarisieren. Mir hat die kreative Geschichte unterhaltsame und fesselnde Lesestunden bereitet, sodass ich das Buch weiterempfehlen kann.


    Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen.

    Auf den ersten Blick führt Adèle ein angenehmes Leben: Die Journalistin arbeitet für eine Pariser Tageszeitung. Mit ihrem Mann Dr. Richard Robinson, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn Lucien lebt sie in einem schicken Pariser Viertel. Finanziell geht es der Familie gut, sie reist gerne einmal übers Wochenende ans Meer. Dennoch ist Adèle unglücklich und führt ein Doppelleben. Sie trifft sich heimlich mit anderen Männern und lebt mit Fremden ihre sexuellen Obsessionen aus. Dabei setzt sie alles aufs Spiel, denn sie könnte viel verlieren…


    „All das zu verlieren“ ist der gelungene Debütroman von Leïla Slimani.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus kurzen Kapiteln, die sich zum Teil aus mehreren Abschnitten zusammensetzen. Erzählt wird zunächst aus der Perspektive von Adèle, später aus der von Richard. Der Roman ist chronologisch aufgebaut, allerdings gibt es mehrere Rückblenden. Diese Struktur ist gut durchdacht.


    Der Schreibstil wirkt eher reduziert, schnörkellos, detailarm und nüchtern, ist aber gleichzeitig auch intensiv, schonungslos und eindringlich. Die Autorin beweist eindrucksvoll, wie gut sie mit Sprache umgehen kann und wie viel sich in wenigen Sätzen vermitteln lässt. Schon nach wenigen Seiten entwickelt die Geschichte dadurch einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte.


    Mit Adèle steht eine interessante Protagonistin im Vordergrund, die das Potenzial hat zu polarisieren. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, sie auf Anhieb als sympathisch empfunden zu haben. Obwohl ihre Gedanken und Gefühle recht deutlich werden, konnte ich ihr Verhalten größtenteils nicht nachvollziehen oder gar gutheißen. Dennoch hat der Charakter etwas an sich, das ihn spannend und reizvoll macht, sodass ich ihre Geschichte sehr gerne verfolgt habe. Stellenweise drängt sich der Eindruck auf, dass die Protagonistin etwas überspitzt dargestellt wird. Das hat mich beim Lesen allerdings nicht gestört. Absolut authentisch finde ich Richard. Die Nebenfiguren bleiben größtenteils recht blass, was in diesem Fall aber zur Geschichte passt.


    Mit nur etwas mehr als 200 Seiten ist der Roman ziemlich kurz. Trotzdem steckt inhaltlich eine Menge darin, denn die Geschichte verfügt über viel Tiefgang. Es geht um mehr als nur die Lebensgeschichte einer zerrissenen Frau und die Abgründe, die sich dabei offenbaren. Ein Pluspunkt ist die gesellschaftskritische Komponente, durch die der Roman immer wieder aufwühlt und zum Nachdenken anregt.


    Das Cover gefällt mir gut, weil es die innerliche Zerrissenheit von Adèle illustriert. Der deutsche Titel weicht leider stark vom französischen Original („Dans le jardin de l'ogre“) ab, den ich um einiges passender finde.


    Mein Fazit:

    Mit „All das zu verlieren“ konnte mich Leïla Slimani überzeugen. Es ist ein fordernder, aber sehr besonderer Roman, der mich in seinen Bann gezogen hat. Mit Sicherheit wird es nicht die letzte Geschichte der Autorin bleiben, die ich gelesen habe.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Sankt Petersburg im Jahr 1762: Mit nur 14 Jahren kommt Katharina, geboren als Sophie von Anhalt-Zerbst, als künftige Frau des Thronfolgers an den Hof in Sankt Petersburg. Nach einem Staatsstreich krönt sie sich selbst zur Zarin und will Russland nach Westen öffnen, aber kann man einer Deutschen trauen? Preußens König Friedrich II. schickt einen Philosophen nach Petersburg, um die Pläne der neuen Zarin auszuspionieren. Stephan Mervier ist beeindruckt von Katharinas Klugheit und Charisma, aber die Zustände im Land machen ihn wütend und die Widerstände im Palast wachsen. Eine enge Vertraute Katharinas kämpft mit den Unterdrückten. Stephan verliebt sich in die Rebellin, die in großer Gefahr schwebt. Denn die Zarin setzt ihre Macht mit äußerster Härte durch…


    „Die Zarin und der Philosoph“ ist der zweite Band der Sankt-Petersburg-Reihe von Martina Sahler, der unabhängig vom ersten Teil gelesen werden kann.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus drei Büchern, die wiederum in insgesamt 32 Kapitel aufgeteilt sind. Zudem gibt es einen Prolog und einen Epilog. Die Handlung umfasst die Jahre 1761 bis 1775. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Dieser Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist keinesfalls seicht oder anspruchslos, aber dennoch anschaulich, lebhaft und leicht verständlich. Das Verhältnis zwischen wörtlicher Rede und treffenden Beschreibungen empfinde ich als sehr ausgewogen. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer.


    Mit Katharina steht eine bekannte historische Persönlichkeit im Fokus der Geschichte. Sie wird authentisch dargestellt. Ein anderer interessanter Charakter ist Stephan Mervier, der Philosoph. Er wirkt ebenfalls realitätsnah. Leider ist der Roman mit einer Vielzahl an weiteren Figuren überfrachtet, sodass man beim Lesen immer wieder den roten Faden aus den Augen verliert. Eine Personenübersicht hilft jedoch bei der Orientierung und gibt Auskunft, welche Charaktere tatsächlich existiert haben.


    Auch inhaltlich ist die Geschichte recht komplex und vielschichtig. Der Leser erfährt viel über die russische Geschichte und die Umstände im 18. Jahrhundert in Sankt Petersburg. Sehr gerne habe ich außerdem etwas über Katharina gelernt, wobei sie leider im Roman des Öfteren von anderen Figuren in den Hintergrund gedrängt wird und ich mir eine etwas intensivere Beschäftigung mit ihrer Persönlichkeit gewünscht hätte. Davon abgesehen, werden historische Charaktere und Gegebenheiten im Roman auf gelungene Weise mit fiktiven Ereignissen und Personen verknüpft. Die Zeittafel ergänzt die Informationen der Geschichte. Hilfreich sind drüber hinaus zwei Karten, wovon eine die Stadt um das Jahr 1765 zeigt, die andere Russland um das Jahr 1762. Interessant ist auch das Nachwort, das die fundierte Recherche der Autorin belegt. Somit wird der Roman zur lehrreichen Lektüre.


    Die Handlung ist abwechslungsreich. Die Geschichte hat aber auch einige Längen, was bei knapp 500 Seiten allerdings zu verschmerzen ist.


    Das ansprechend gestaltete Cover passt nicht nur zum ersten Sankt-Petersburg-Band, sondern auch zum Genre. Der Titel ist eingängig, prägnant und treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    Mit „Die Zarin und der Philosoph“ ist Martina Sahler ein solider historischer Roman gelungen, der sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist. Trotz kleinerer Schwächen hat er mir schöne Lesestunden bereitet.


    Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen.

    Cornwall im Jahr 2009: Chloe MacAllister (28) ist seit zwei Jahren mit Aidan, einem Arzt, verheiratet. Gerade erst hat sie herausgefunden, dass sie schwanger ist. Trotz der eigentlich freudigen Nachricht sind die Gefühle der Fotografin gespalten. Da erhält sie den Auftrag, mit der bekannten Kinderbuchillustratorin Madeleine Hamilton, genannt Maddy, zu arbeiten und ihr bei einem Buchprojekt zu helfen. Was Chloe auf Summerhill erfährt, lässt ihr eigenes Leben in einem neuen Licht erscheinen…


    „Das Leuchten jenes Sommers“ ist ein Roman von Nikola Scott.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 62 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Dabei gibt es zwei Zeitebenen. Abwechselnd wird aus der Sicht von Chloe im Jahr 2009 und in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Maddy rund 70 Jahre früher erzählt. Der Roman endet mit einem Epilog. Dieser Aufbau wirkt durchdacht und funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist gleichsam anschaulich wie einfühlsam. Tolle Beschreibungen und viele sprachliche Bilder lassen das Geschehen vor dem inneren Auge lebendig werden. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir sehr leicht.


    Im Vordergrund stehen drei Frauen. Sowohl Chloe als auch Maddy sind interessante Protagonistinnen. Sie hatten schnell mein Mitgefühl. Auch Georgiana, Madeleines Schwester, ist ein reizvoller Charakter. Die Frauen sind recht unterschiedlich, doch vor allem Chloe und Maddys Gedanken- und Gefühlswelt ist gut nachvollziehbar. Auch die übrigen Personen wirken lebensnah.


    Das Setting gefällt mir außergewöhnlich gut. Immer wieder schafft es die Autorin, Fernweh zu erzeugen.


    Auch thematisch gefällt mir die Geschichte sehr. In den Anmerkungen zum Schluss verrät die Autorin, dass sie einen Roman über die Facetten der Liebe, aber keinen Liebesroman schreiben wollte. Dies ist ihr nach meiner Ansicht absolut gelungen, denn das Buch kommt ohne Kitsch aus und beleuchtet auch die dunklen Seiten der Liebe. Dennoch kann die Geschichte immer wieder emotional bewegen und bringt zum Nachdenken.


    Der Roman bleibt trotz der annähernd 500 Seiten kurzweilig und unterhaltsam. Dies liegt auch daran, dass durch einige Geheimnisse ein Spannungsbogen entsteht und die Handlung überraschen kann.


    Das Cover ist optisch ansprechend gestaltet. Der deutsche Titel klingt poetisch, weicht allerdings vom englischsprachigen Original („Summer of secrets“) ab, das ich inhaltlich passender finde.


    Mein Fazit:

    „Das Leuchten jenes Sommers“ von Nikola Scott ist sowohl berührend als auch fesselnd. Der Roman konnte mich in mehrfacher Hinsicht begeistern. Es wird sicherlich nicht das letzte Buch der Autorin bleiben, das ich gelesen habe.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    New York im Jahr 1936: Nur mit großem Widerwillen haben Victoria, Mona und Luz ihre andalusische Heimat zusammen mit ihrer Mutter verlassen. In Manhattan hat ihr Vater Emilio Arenas eine Gaststätte übernommen, in der sie mithelfen sollen. Doch bei einem Unfall kommt der Mann im Alter von nur 52 Jahren ums Leben. Was soll nun aus den drei Schwestern und ihrer Mutter Remedios werden, denen Emilio vor allem Schulden hinterlassen hat? Die drei jungen Frauen brauchen dringend einen Plan, um sich über Wasser zu halten…


    „Eine eigene Zukunft“ von María Dueñas ist eine besondere Familiengeschichte.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus sechs Teilen, die wiederum aus 105 Kapiteln mit einer angenehmen Länge bestehen. Daran schließt sich ein Epilog an. Erzählt wird aus unterschiedlichen Sichtweisen, vorwiegend aus der der drei Schwestern. Dieser Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil wirkt recht nüchtern und schnörkellos, ist aber gefällig und anschaulich. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer.


    Im Mittelpunkt stehen die drei ziemlich unterschiedlichen Schwestern, zu denen ich nicht sofort einen Zugang finden konnte. Richtig warm wurde ich mit den jungen Frauen leider nicht, obgleich ich sie insgesamt als recht authentisch empfunden habe. Ich mag ihren Mut und ihre Willensstärke. Sie bleiben aber etwas unnahbar. Immer wieder schweift die Geschichte zudem zu Nebenfiguren ab.


    Die Handlung kann mit einigen Wendungen punkten. Nicht immer ist die Geschichte realitätsnah, was mich in diesem Fall jedoch nicht allzu sehr gestört hat. Trotz diverser Einfälle kommt es zu einigen Längen. Das ist bei annähernd 600 Seiten allerdings nicht verwunderlich.


    Am besten gefallen hat mir das Setting: New York in den 1930er-Jahren. Ein weiterer Pluspunkt ist es, dass es der Autorin gelingt, auf unterhaltsame Weise historische Fakten zu vermittelt. So erfährt man einiges über das Leben in New York und in Spanien zu dieser Zeit. Auch die Situation von Einwanderern spielt dabei eine Rolle.


    Thematisch dreht sich viel um die Familie, aber auch um große Gefühle. Dennoch konnte mich die Geschichte nicht so berühren wie erhofft.


    Das Cover mutet nostalgisch an und ist gleichzeitig modern und ansprechend gestaltet. Ein Fehlgriff ist nach meiner Ansicht dagegen der deutsche Titel, der längst nicht so gut zum Inhalt passt wie das spanische Original („Las hijas del capitán“).


    Mein Fazit:

    Meinen Erwartungen konnte der Roman „Eine eigene Zukunft“ von María Dueñas nicht in Gänze gerecht werden. Trotzdem hat mich die Geschichte um die drei Schwestern alles in allem gut unterhalten.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Mit nur 33 Jahren ist Iris Massey innerhalb kurzer Zeit an Krebs gestorben. Smith Simonyi, der Inhaber einer New Yorker PR-Agentur, vermisst seine ehemalige Mitarbeiterin sehr. Noch immer schreibt er ihr E-Mails, denn er hat mit dem Tod seiner früheren Assistentin zu kämpfen. Zu allem Überfluss läuft es auch in der Firma nicht gut. Dann findet er allerdings raus, dass Iris bis kurz vor ihrem Tod einen Blog über ihre Krankheit geschrieben hat. Deshalb nimmt er Kontakt zu ihrer Schwester Jade auf, die eine gescheiterte Ehe hinter sich hat und als Sterneköchin in einem der besten Restaurants von New York arbeitet. Auch sie leidet sehr unter dem Verlust, vermutet aber, dass Smith nur Kapital aus dem Blog schlagen will…


    „Wenn du das hier liest“ ist ein moderner Briefroman und das Debüt von Mary Adkins.


    Meine Meinung:

    Erzählt wird die Geschichte fast ausschließlich in E-Mails, die zwischen Jade und Smith, aber auch anderen Personen ausgetauscht werden. In ihrer Länge variieren die Mails recht stark. Immer wieder eingestreut sind Blogbeiträge, die Iris vor ihrem Tod geschrieben hat. Ein- oder überleitende Textpassagen gibt es nicht. Die Idee, die hinter dem Aufbau des Romans steckt, hat mir gut gefallen.


    Der Schreibstil ist an die unterschiedlichen Ausdrucksweisen der Personen angepasst. Der Einstieg in die Geschichte ist ziemlich abrupt. Dennoch erschließen sich die Zusammenhänge beim aufmerksamen Lesen schnell.


    Die drei Protagonisten sind Jade, Smith und Iris. Vor allem die beiden Schwestern waren mir schon nach kurzer Zeit sympathisch. Mit Smith wurde ich dagegen nicht so schnell warm, da sich bald herausstellt, dass er nicht nur Geldprobleme hat. Diese Ecken und Kanten machen ihn und die Massey-Schwestern allerdings zu reizvollen und authentischen Charakteren.


    Jedoch bin ich ein wenig enttäuscht, was die Umsetzung der Grundidee angeht. Einige Mails hätte ich mir ein wenig ausführlicher gewünscht. Auch hatte ich gehofft, mehr Beiträge aus Iris‘ Blog lesen zu können. Gefühle werden dadurch nicht so intensiv transportiert, wie es möglich gewesen wäre. Insgesamt konnte mich die Geschichte – trotz der Themen Liebe, Krankheit und Trauer – emotional somit nicht sehr stark berühren.


    Im Laufe des Romans kann die Autorin allerdings mit einigen Überraschungen aufwarten. Etwas Spannung entsteht auch dadurch, dass Fragen aufgeworfen werden. Die Lektüre bleibt daher kurzweilig und unterhaltsam.


    Die liebevolle Gestaltung des Hardcovers samt Lesebändchen finde ich sehr gelungen. Das Motiv ist mit kleinen Details versehen und passt gut zur Geschichte. Schön ist auch, dass man sich stark am englischsprachigen Originaltitel („When you read this“) orientiert hat.


    Mein Fazit:

    „Wenn du das hier liest“ von Mary Adkins ist ein ungewöhnlicher Roman mit einem interessanten Aufbau, der sein gesamtes Potenzial leider nicht ausschöpft. Dennoch hat er mir schöne Lesestunden bereitet.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Hannover im Juni 1714: Schon seit drei Jahren lebt Lady Anne nun am Hof des Kurfürsten Georg Ludwig, wo sie als Zofe arbeitet. Ihr Vater, Sir Thomas Baynes, hat sie mit nur 17 Jahren fortgeschickt, um die uneheliche Schwangerschaft seiner Tochter zu vertuschen. Ihren Sohn haben sie ihr weggenommen. Nun wünscht sich Anne nichts sehnlicher, als zurück nach England kommen zu dürfen und Johnny, ihr Kind, wiederzufinden. Eine Chance wittert sie, als Georg Ludwig zum englischen King George I. ausgerufen wird und mit seinem Hof nach London umzieht. Doch das Geheimnis von Lady Anne könnte ihr auch gefährlich werden, denn Ian Drummond, der Vater ihres Sohnes, ist ein Gegner des neuen Königs…


    „Lady Annes Geheimnis“ von Martha Sophie Marcus ist ein historischer Roman, der ins 18. Jahrhundert entführt.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 30 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Die Handlung umfasst eine Zeitspanne von 1714 bis 1717 und spielt an unterschiedlichen Schauplätzen. Einheitliche Orts- und Zeitangaben machen eine Orientierung jedoch leicht. Erzählt wird vorwiegend aus der Perspektive von Anne, aber auch aus der Sicht weiterer Personen. Dieser Aufbau funktioniert prima.


    Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich und dank gelungener Beschreibungen und viel wörtlicher Rede lebhaft. Die eher gehobene, aber verständliche Sprache des Romans passt zum Genre und wirkt authentisch. Mir fiel es schon nach wenigen Seiten leicht, in die Geschichte einzutauchen.


    Im Mittelpunkt des Romans steht Anne. Die Protagonistin ist eine mutige und sympathische Frau, deren Geschichte ich gerne verfolgt habe. Ihr Gedanken- und Gefühlswelt lässt sich gut nachvollziehen. Auch die übrigen Figuren werden detailliert dargestellt.


    Das Geschehen braucht ein wenig, um Fahrt aufzunehmen, was mich jedoch nicht gestört hat. Die Handlung wirkt größtenteils stimmig und wird zunehmend spannend. Einige Wendungen sorgen für Abwechslung, sodass trotz der mehr 500 Seiten keine Langeweile aufkommt. Vor allem in der zweiten Hälfte habe ich die Dramatik jedoch als etwas übertrieben empfunden.


    Gut gefallen hat mir, etwas über die jakobitische Revolution zu erfahren. Wieder einmal verknüpft die Autorin fiktive Elemente mit historischen Fakten und Personen. Auf unterhaltsame Weise ist im Roman einiges über die damalige Zeit zu erfahren. Was dabei auf tatsächlichen Begebenheiten beruht, ergibt sich aus dem interessanten Nachwort, das die fundierte Recherche der Autorin belegt. Hilfreich für das Verständnis der Geschichte sind außerdem ein Glossar und die Übersicht über die Persönlichkeiten, die eine gute Orientierung im Roman ermöglichen.


    Das ansprechende Cover passt gut zum Inhalt der Geschichte und den Vorgängerromanen der Autorin. Auch der prägnante Titel ist treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    Mit „Lady Annes Geheimnis“ ist wieder einmal Martha Sophie Marcus ein empfehlenswerter Roman gelungen, der nicht nur eingefleischte Historienfans überzeugen kann. Für mich wird es nicht das letzte Buch der Autorin bleiben.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen. ⭐️ ⭐️ ⭐️ ⭐️

    Borgo di Dentro im Piemont im Jahr 1946: Fast ein halbes Jahrhundert ist es her, dass Giulia Masca ihre Heimat verlassen hat, in der sie als Fabrikarbeiterin geschuftet hat. Nun kommt die Auswanderin als gemachte Frau zurück in das Städtchen ihrer Kindheit. Kurz vor ihrem Weggang wurde sie von ihrer damals besten Freundin Anita Leone und ihrem Verlobten Pietro hintergangen. Enttäuscht, allein, schwanger und ohne Geld hat Guilia deshalb die Flucht ergriffen und sich in New York eine neue Existenz aufgebaut. Nun will sie Anita wiedersehen. Wie wird das Treffen der beiden ausfallen?


    „Bella Ciao“ ist ein Roman von Raffaela Romagnolo.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus neun Kapiteln und ist in drei Bücher gegliedert. Zudem gibt es eine Art Epilog („Das Fest“). Der Leser hat es mit mehreren Zeitebenen zu tun. Einerseits wird in der Gegenwart, also im Jahr 1946, erzählt, andererseits gibt es immer wieder Rückblenden, die bis ins Jahr 1900 reichen. Dabei wird auf unterschiedliche Perspektiven zurückgegriffen.


    Zwar beweist die Autorin durchaus, dass sie mit Sprache umgehen kann. Allerdings wurde ich mit dem Schreibstil bis zum Ende nicht so recht warm. Nicht nur sehr abrupte, nicht gekennzeichnete Zeitsprünge und Perspektivwechsel erschweren das Lesen. Auch verschachtelte, teils sehr lange Sätze und immer wieder eingestreute Nebensächlichkeiten fordern die Aufmerksamkeit des Lesers.


    Im Vordergrund der Geschichte stehen die Frauen, allen voran Guilia und Anita. Ihre Schicksale sind nicht einfach, sie mussten schwere Zeiten durchmachen. Dabei zeigt sich die Stärke der beiden, was mir gut gefallen hat. Die zwei Charaktere wirken authentisch. Und doch fiel es mir stellenweise schwer, Sympathie für Guilia und Anita zu empfinden. Eine Vielzahl an weiteren Figuren macht es nicht einfach, der Geschichte zu folgen. Allerdings sind jedem der drei Bücher Stammbäume und Personenübersichten vorangestellt, die die Orientierung erleichtern.


    Trotz der mehr als 500 Seiten wird es inhaltlich nicht langweilig, denn die Handlung ist sehr dicht, da sie einen Zeitraum von rund 50 Jahren umfasst. Die große Stärke des Romans ist dabei seine thematische Vielschichtigkeit. Es geht um Liebe und Leid, um Mut und Krieg, um Politik und Auswanderung und einiges mehr. Obwohl es eine Vielfalt an emotional besetzten Themen gibt, gleitet die Geschichte nicht ins Kitschige ab. Allerdings kommt mir der Roman in Teilen etwas zu überfrachtet vor.


    Ein weiteres Plus ist, dass der Roman die italienische Geschichte zwischen dem Anfang des 20. Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg sehr anschaulich beleuchtet. So erfährt der Leser unter anderem einiges über die unsäglichen Arbeitsbedingungen zu Beginn des Jahrhunderts, das Aufkommen des Faschismus und den Befreiungskampf gegen das Regime. Das macht die Lektüre nicht nur unterhaltsam, sondern auch äußerst lehrreich. Gut gefallen haben mir in diesem Zusammenhang auch die Anmerkungen der Autorin, die darüber aufklärt, was in der Geschichte zu den Fakten und zur Fiktion zu zählen ist. Sie belegen die fundierte Recherche der Schriftstellerin.


    Das für den Verlag typische, reduzierte Cover, ein Gemälde der Künstlerin Meredith Frampton, passt zum Inhalt. Der deutsche Titel weicht stark vom italienischen Original („Destino“) ab, ist aber auch treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    „Bella Ciao“ von Raffaela Romagnolo ist ein besonderer und vielschichtiger Roman, der vor allem mit seinem historischen Kontext und starken Frauencharakteren punkten kann. Empfehlenswert ist die Geschichte vor allem für diejenigen, die sich vom gewöhnungsbedürftigen Schreibstil nicht abschrecken lassen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Der Thüringer Wald im Jahr 2017: Milla (33) arbeitet als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei und ist die alleinerziehende Mutter ihres Sohnes Neo, der gerade im Teenageralter ist. In ihrer Freizeit ist sie immer auf der Suche nach „Lost Places“. Etwas abseits der Wanderwege am Rennsteig ist sie gerade unterwegs, als sie mitten in einem Waldgebiet zufällig einen überwucherten Keller findet. Er gehörte zum Hotel Waldeshöh, wie Milla schnell feststellt, als sie die Falltür öffnet und das Innere erkundet. Sie erfährt, dass das Hotel von der Familie Dressel geführt wurde. Dieser besondere Ort lässt sie nicht los. Auf einem Schulheft steht der Name von Christine Dressel, die in der Sperrzone lebte. Milla will sie und die anderen ehemaligen Bewohner aufspüren, um mehr herauszufinden. Die Begegnung verändert beide Frauen…


    „Was uns erinnern lässt“ ist ein Familienroman von Kati Naumann.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 35 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Es gibt mehrere Erzählstränge. Einerseits befinden wir uns in der Gegenwart und begleiten Milla. Andererseits spielt die Geschichte in der Vergangenheit und dreht sich um Christine, zwischen den Jahren 1945 und 1977. Beide Stränge werden abwechselnd erzählt. Einheitliche Zeitangaben erleichtern die Orientierung. Der Aufbau erscheint sorgsam durchdacht und funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist anschaulich, einfühlsam und warmherzig. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht schwer.


    Dass zwei Frauen im Vordergrund des Romans stehen, sagt mir sehr zu. Ein Schwachpunkt ist meiner Meinung nach allerdings die Figur der Milla, für die bei mir keine richtige Sympathie aufkommen kann. Sie wirkt als Charakter unrund, ihr Verhalten nicht besonders authentisch – im Gegensatz zu Christine, deren Schicksal mich bewegen kann. Positiv anzumerken ist der abgedruckte Stammbaum der Familie Dressel, der einen guten Überblick über diese Personen gibt.


    Das Thema des Romans, die Sperrzone und ihre Auswirkungen, finde ich sehr interessant. Mir hat es gut gefallen, dass sich die Autorin diesem eher weniger bekannten Teil der deutschen Geschichte gewidmet hat. Deutlich wird dabei ihre fundierte Recherche. So gelingt es, dem Leser Einblicke in das Leben der DDR zu geben und zum Nachdenken anzuregen. Das macht den Roman gleichsam lehrreich wie unterhaltsam, denn trotz der mehr als 400 Seiten gibt es kaum Längen und die Geschichte bleibt kurzweilig. Ein wenig schade ist jedoch, dass im Dunkeln bleibt, an welchen Stellen schriftstellerische Freiheiten zum Tragen kamen und was den historischen Tatsachen entspricht. Über ein kurzes Nachwort hätte ich mich gefreut.


    Das stimmungsvolle, nostalgisch anmutende Cover empfinde ich als äußerst gelungen. Auch der Titel ist sehr treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    „Was uns erinnern lässt“ von Kati Naumann ist ein unterhaltsamer Roman, der einen wichtigen Teil der deutschen Geschichte wieder ins Gedächtnis ruft und in den Fokus rückt. Eine lesenswerte Geschichte, die mir trotz kleiner Schwächen schöne Stunden bereitet hat.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.