Beiträge von auserlesenes

    Manchester im Jahr 1867: Nach dem Tod von Frau und Kind landet Constable James O‘Connor in England. Der 34-jährige Witwer ist in Dublin dem Alkohol verfallen. Doch in der Ferne erhält er eine zweite Chance. Im englischen Norden soll er seine Landsleute in Schach halten und insbesondere die irischen Unabhängigkeitskämpfer, die „Fenians“, ausspionieren. Die Rebellen der Bruderschaft sind gerade äußerst rachsüchtig. Und ein gerissener Kriegsveteran namens Stephen Doyle ist eigens nach Manchester gereist, um ihnen beizustehen. Ein Strudel aus Gewalt beginnt...


    „Der Abstinent“ ist ein Roman von Ian McGuire.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 33 Kapiteln mit einer angenehmen Länge, wobei das letzte eine Art Epilog darstellt. Erzählt wird im Präsens aus der Sicht verschiedener Personen. Die Handlung spielt überwiegend im Jahr 1867. Eine Ausnahme bildet lediglich das letzte Kapitel. Der Aufbau ist unauffällig, aber funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist geprägt von zwei Merkmalen: Da sind einerseits die vielen Dialoge. Andererseits gibt es immer wieder atmosphärisch starke Beschreibungen, die düstere, aber intensive Bilder vor dem geistigen Auge erscheinen lassen.


    Die Protagonisten, allen voran O‘Connor und Doyle, sind als vielschichtige Charaktere mit psychologischer Tiefe angelegt. Sympathieträger gibt es kaum.


    Auf mehr als 300 Seiten ist die Handlung kurzweilig und spannend, manchmal aber ein wenig überdramatisch und nicht ganz realitätsnah. Bluttaten, Gewalt und andere kriminelle Machenschaften kommen zuhauf vor - nichts für allzu Zartbesaitete. Dennoch wirkt der Roman auf mich nicht unnötig brutal. Die letzten Kapitel sind überraschend, aber recht abwegig und haben mich etwas befremdet.


    Der Roman basiert auf einer wahren Begebenheit, wie der Autor am Ende des Buches mitteilt. Tatsächlich wurden drei Mitglieder der Bruderschaft als „Manchester Märtyrer“ erhängt. Zudem beruhen einige Figuren auf realen Personen. Alle weiteren Dinge seien jedoch rein fiktiv, betont McGuire. Ein ausführlicheres Nachwort hätte den Roman weiter aufgewertet, denn die Themen (irische Migration nach England und die Bruderschaft) sind gleichermaßen interessant und - zumindest in Deutschland - weitgehend unbekannt. Auch aus der Geschichte selbst sind die genauen Hintergründe und Entwicklungen des englisch-irischen Konflikts leider nicht ersichtlich.


    Das dunkle, reduzierte Cover passt gut zur Geschichte. Erfreulich finde ich, dass der treffende Originaltitel („The Abstainer“) für die deutsche Ausgabe wörtlich übersetzt wurde.


    Mein Fazit:

    „Der Abstinent“ von Ian McGuire ist ein Roman mit kleineren Schwächen, der für spannende Lesestunden sorgt und mich gut unterhalten hat.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Seit sieben Monaten befindet sich Heleen nun schon in einer Nervenklinik. Mit dem Arzt möchte die Frau nicht reden. Doch eines Nachts beginnt sie, sich einer Schwester anzuvertrauen. Sie legt die Beichte ihres dramatischen Lebens ab und offenbart, womit sie sich Schuld aufgeladen hat.


    „Die Beichte einer Nacht“ ist ein Roman der verstorbenen Autorin Marianne Philips, der bereits 1930 entstanden ist.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus zwei Teilen. Diese wiederum sind in Absätze, jedoch nicht in Kapitel untergliedert. Beide Teile sind als lange Monologe angelegt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht der Protagonistin. Diese Idee gefällt mir, wobei die Umsetzung manchmal ein wenig bemüht wirkt.


    Die Sprache ist unauffällig und recht simpel. Der Stil ist geprägt von nüchternen Beschreibungen und einigen kurzen Wortwechseln. Negativ sticht der geringe sprachliche Variantenreichtum hervor.


    Ein großes Manko des Romans ist die charakterliche Ausgestaltung der Protagonistin, die zwar authentisch wirkt und über psychologische Tiefe verfügt, aber auch wenig Mitgefühl bei mir hervorgerufen hat. Heleen ist zwar ehrlich und stark, zugleich jedoch auch eine äußerst oberflächliche, eitle, egoistische und berechnende Persönlichkeit.


    An der Lektüre hat mich das Setting sehr gereizt. Was mag eine psychisch kranke Frau zu beichten haben? Worin besteht ihr Leiden? Wie ist sie in der Anstalt gelandet? Leider ist die Geschichte allerdings schon früh recht durchsichtig. Die eigentliche Beichte habe ich bereits im ersten Viertel geahnt. Dadurch hat der Spannungsbogen für mich nicht funktioniert. Zudem enthält das letzte Viertel ein unglaubwürdiges esoterisches Element, das nicht zum Rest der Geschichte und dem Charakter der Protagonistin passen will.


    Ganz interessant ist das von Judith Belinfante, der Enkelin der Autorin, im Jahr 2019 verfasste Nachwort. Es zeigt Parallelen zum Leben von Marianne Philips auf und erläutert die Entstehung des Romans. Dabei wird deutlich, wie ungewöhnlich das Schreiben für eine Frau ihrer Zeit war, noch dazu so offen und konkret über psychische Leiden. Der Roman ist für die damalige Verhältnisse also sehr modern und progressiv, was man der Autorin positiv anrechnen muss.


    Das auf dem Cover abgebildete Gemälde passt sehr gut zur Protagonistin. Der deutsche Titel ist etwas irreführend, weil sich die Beichte über zwei Nächte erstreckt. Der prägnante Originaltitel („De biecht“) ist daher treffender.


    Mein Fazit:

    „Die Beichte einer Nacht“ von Marianne Philips ist ein für seine Entstehungszeit bemerkenswerter Roman, der mich in Gänze aber nicht überzeugen konnte. Eine nur bedingt zu empfehlende Lektüre.


    Ich vergebe 3,5 von 5 Sternen.

    Emmy Seidlitz ist 86 Jahre alt, als die Ärzte bei ihr Herzprobleme feststellen. Die Seniorin, die ansonsten noch ziemlich rüstig ist, kann auf ein aufregendes Leben zurückblicken. Und ihre Kinder müssen erkennen, dass die Mutter so ihre Geheimnisse hat...


    „Sturmvögel“ ist ein Roman von Manuela Golz.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 27 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von Emmy, aber auch aus der weiterer Personen. Dabei gibt es zwei Stränge: Einerseits spielt die Handlung in der jüngeren Vergangenheit (1994 und 1995) und andererseits in ferneren Zeiten (ab 1911). Zeitangaben zu Beginn der Kapitel machen die Orientierung leicht.


    Der Schreibstil ist anschaulich und dank vieler Dialoge lebhaft, aber recht unspektakulär.


    Protagonistin Emmy ist eine selbstbewusste und resolute Persönlichkeit, die mit ihrer direkten Art schnell meine Sympathie gewonnen hat. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich. Leider sind nicht alle Charaktere vielschichtig angelegt.


    Der Roman basiert auf dem Leben der Großmutter der Autorin. Inhaltlich ist er abwechslungsreich. Die Schicksalsschläge und Erlebnisse, die Emmy widerfahren, machen die mehr als 300 Seiten umfassende Geschichte kurzweilig, facettenreich und unterhaltsam. Allerdings hatte ich mir eine etwas tiefgründigere und originellere Lektüre erhofft.


    Ein schöner Pluspunkt ist das angefügte Glossar, das sich am Ende des Buches versteckt. Auch das Interview zum Roman gehört zum interessanten Zusatzmaterial.


    Das moderne Cover gefällt mir gut. Der Titel ist passend.


    Mein Fazit:

    „Sturmvögel“ von Manuela Golz ist ein unterhaltsamer Roman, der mir schöne Lesestunden bereitet hat, aber das gewisse Extra vermissen lässt, um noch lange nachzuhallen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Wien am Ende des 19. Jahrhunderts: Komtess Sophie von Werdenfels, genannt Phiefi, bekommt eine Stelle als Hofdame von Kaiserin Sisi. Aber im Hofstaat hat es die junge Frau ganz und gar nicht leicht. Sie muss an der Hochzeit ihrer großen Liebe mit einer anderen Komtess teilnehmen. Und dann soll sie selbst auch noch zwangsverheiratet werden...


    „Das Kaffeehaus - Falscher Glanz“ ist der zweite Teil der Kaffeehaus-Trilogie von Marie Lacrosse.


    Meine Meinung:

    Der Roman beginnt mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Sie umrahmen 26 Kapitel, die sich über fünf Teile erstrecken. Die Handlung umspannt die Jahre 1889 bis 1891 und spielt an diversen Orten innerhalb und außerhalb von Wien. Einheitliche Zeit- und Ortsangaben machen die Orientierung leicht. Erzählt wird nicht nur aus der Sicht von Sophie, sondern auch aus der weiterer Personen.


    Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich und einfühlsam. Lebhafte Dialoge, gelungene Beschreibungen und gelegentliche Einschübe des Wiener Dialekts machen ihn aus.


    Obwohl es sich empfiehlt, zuerst den ersten Teil der Saga zu lesen, ist der zweite Band auch ohne Vorkenntnisse verständlich. Ich hatte keinerlei Probleme, wieder in die Welt von Sophie einzutauchen.


    Sophie steht im Mittelpunkt der Geschichte, eine starke und äußerst sympathische Protagonistin, mit der ich sehr gerne mitgefiebert habe. Sie ist ebenso authentisch wie die übrigen Charaktere, von denen es einige gibt. Hilfreich ist daher eine Personenübersicht mit Erläuterungen, die historische Persönlichkeiten als solche ausweist.


    Trotz der mehr als 700 Seiten kommt keine Langeweile auf. Die Handlung ist abwechslungsreich und spannend.


    Besonders gereizt an der Lektüre haben mich Sisi und das Leben am kaiserlichen Hof. Darüber hinaus hat die Geschichte noch viele andere Facetten zu bieten, die die damalige Gesellschaft und Politik beleuchten. Dabei glänzt der Roman mit gründlich recherchierten Fakten und Hintergründen, die der Leserschaft auf unterhaltsame Weise näher gebracht werden. Wie umfangreich und fundiert die Recherche ist, zeigt sich unter anderem im ausführlichen Nachwort „Wahrheit und Fiktion“. Darin erläutert die Autorin, was auf tatsächlichen Begebenheiten basiert und was der Fantasie entsprungen ist. Ein Quellenverzeichnis lädt zu eigenen Nachforschungen ein.


    Erfreulicherweise ist dieses Mal wieder zusätzliches Bonusmaterial enthalten. Es gibt Stadt- und Landkarten. Ein Glossar erklärt einige weniger bekannte Begriffe. Außerdem ist ein Rezept der Mokka-Prinzentorte abgedruckt.


    Das Cover fügt sich gut in die Reihe ein. Der Titel, der sogar im Nachwort erläutert wird, ist ebenfalls passend.


    Mein Fazit:

    Mit „Das Kaffeehaus - Falscher Glanz“ ist Marie Lacrosse ein vielseitiger, sehr lesenswerter Roman gelungen, der mich sogar noch mehr als der Auftakt der Trilogie überzeugt hat. Ich freue mich bereits auf den finalen Band, der für Oktober 2021 angekündigt ist.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Die englische Stadt Brighton im Jahr 1999: Bei einem Fußballspiel bricht der 17-jährige Joel Greenaway zusammen - wegen eines plötzlichen Herzstillstands. Doch er hat Glück. Die gleichaltrige Kerry Smith und ihr Kumpel Tim Palmer, zwei ausgebildete Ersthelfer, beobachten den Vorfall. Sie retten Joel vor dem Tod. Dieses Ereignis verbindet die jungen Leute in ihrem weiteren Leben. In den nächsten Jahren steht die angehende Medizinerin Kerry zwischen den beiden Männern. Nur einer ist der Richtige für sie, aber das Schicksal treibt ihn immer wieder von ihr fort...


    „Zwischen zwei Herzschlägen“ ist ein Roman von Eva Carter.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus etlichen Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird abwechselnd in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Kerry, Joel und Tim. Die Handlung beginnt am 31. Dezember 1999 und umfasst mehrere Jahre. Zeitangaben zu Beginn der Kapitel helfen bei der Orientierung.


    Der Schreibstil ist anschaulich und dank vieler Dialoge lebhaft. Sprachlich spiegelt der Roman das Alter der Charaktere wider.


    Drei Protagonisten stehen im Fokus des Romans. Kerry war mir auf Anhieb sympathisch. Mit den beiden männlichen Hauptpersonen, Joel und Tim, wurde ich dagegen nicht so richtig warm.


    Gut gefallen hat mir, dass man nebenbei etwas über Erste Hilfe im Allgemeinen und Wiederbelebung und Herzgesundheit im Speziellen lernt. Die sogenannte Überlebenskette wird genau erklärt. Dabei ist nicht erst im Nachwort spürbar, dass es der Autorin ein großes Anliegen ist, über dieses Thema aufzuklären und eine Botschaft zu vermitteln. Dies bringt Tiefgang in die Geschichte und trägt dazu bei, dass mich das Buch immer wieder emotional bewegen konnte.


    Ich habe den Roman als ungekürzte Lesung angehört. Die drei Sprecher - Madiha Kelling Bergner, Jacob Weigert und Marian Funk - haben angenehme Stimmen. Die teilweise übertriebenen Betonungen empfinde ich jedoch als etwas störend.


    Das Cover ist leider nicht nach meinem Geschmack. Der deutsche Titel ist zutreffend, aber anders als das englischsprachige Original („How to Save a Life“), dessen Formulierung mir etwas mehr zusagt.


    Mein Fazit:

    „Zwischen zwei Herzschlägen“ von Eva Carter ist ein unterhaltsamer und berührender Roman. Zwar konnten mich die Charaktere nicht ganz überzeugen, aber durch die Auffrischung der Infos zu Erster Hilfe ließ sich für mich einiges aus der Geschichte mitnehmen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Australien in den 1980er-Jahren: Das Leben von Eli Bell in einem Vorort von Brisbane ist nicht einfach. Der Vater des Jungen ist verschwunden, sein Stiefvater ist ein Drogendealer und auch die Mutter ist mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Doch Slim, ein ehemaliger Häftling, passt auf den zwölfjährigen Eli und dessen Bruder August auf. Der Junge hat einen Traum. Aber es gibt noch einige Hindernisse zu überwinden...


    „Der Junge, der das Universum verschlang“ ist der Debütroman von Trent Dalton.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus relativ kurzen Kapiteln. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Eli. Die Handlung umfasst mehrere Jahre.


    Der Schreibstil ist recht ungewöhnlich und markant. Er ist geprägt von originellen Vergleichen, starken Sprachbildern und Wortneuschöpfungen. Die Sprache ist oft flapsig, teilweise ziemlich derb, wirkt aber durchaus authentisch. Das trifft vor allem auf die zahlreichen Dialoge zu. Kreativ ist auch, dass die Kapitelüberschriften immer aus drei Worten bestehen und fast ausschließlich mit dem Wort „Junge“ beginnen, auf den ein Prädikat folgt. Eingefügt sind mehrere Briefe und Artikel.


    Die Protagonisten sind interessante Charaktere. Es fiel mir nicht schwer, mit dem sympathischen Eli mitzufühlen. Auch die Nebenfiguren sind reizvoll ausgestaltet.


    Mit rund 500 Seiten ist der Roman recht umfangreich und hat gleichzeitig nur wenige Längen. Der Einstieg war für mich jedoch ein wenig verwirrend. Danach konnte mich die Geschichte immer mehr für sich einnehmen.


    Inhaltlich ist die Geschichte ebenfalls sehr speziell. Thematisch geht es um Freundschaft, Familie, das Heranwachsen und wahre Liebe. Darüber hinaus steckt aber auch ernste Problematik in der Geschichte, denn Gewalt und Kriminalität spielen unter anderem ebenfalls eine große Rolle. Das macht den Roman facettenreich und berührend. Anzumerken ist dabei, dass er der Leserschaft einiges abverlangt.


    Der deutsche Titel ist erfreulicherweise nahe am australischen Original („Boy swallows Universe“). Das Cover ähnelt ebenso der Gestaltung der Erstausgabe, was mir gut gefällt.


    Mein Fazit:

    „Der Junge, der das Universum verschlang“ von Trent Dalton ist ein ungewöhnlicher Roman, der trotz kleinerer Schwächen in mehrerer Hinsicht besonders ist.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Drei Wochen ist es her, dass ihre Schwester Marie in New York überfahren wurde. Nun findet sich Karla Staub mit deren Asche in ihrem Heimatdorf Unteroberheim in Unterfranken wieder. Früher verstanden sich die zwei Frauen bestens. Doch zwischenzeitlich haben sie sich etwas aus den Augen verloren. Wer war Marie wirklich, die als Fotografin im Ausland gearbeitet hat? Karla muss feststellen, dass sie nicht alles über ihre Schwester wusste...


    „So wie du mich kennst“ ist ein Roman von Anika Landsteiner.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus Kapiteln und endet mit einem Epilog. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Karla und Marie, jeweils in der Ich-Perspektive. Beide Stränge spielen zu unterschiedlichen Zeiten, sind aber gut miteinander verknüpft. Dieser Aufbau funktioniert prima.


    Der Schreibstil konnte mich wieder einmal ab der ersten Seite begeistern. Er ist anschaulich, einfühlsam, atmosphärisch und auf angenehme Weise unaufgeregt. Dabei transportiert erwenigen Sätzen viele Bilder und Emotionen.


    Im Fokus stehen die beiden Schwestern, zwei gleichsam sympathische wie authentische Protagonistinnen. Ihre Gedanken und Gefühle werden sehr gut deutlich.


    Inhaltlich stellt sich die Geschichte als überraschend vielschichtig heraus. Es geht nicht nur um Tod und Verlust, Liebe und Beziehungen, Familie und Kindheitserinnerungen, sondern auch um sehr ernste Probleme. Besonders die Trauerthematik macht den Roman zudem immer wieder berührend, ohne kitschig zu sein. Die Neugier, was die Schwestern voreinander verheimlicht haben und wie es zu dem Unglück kommen konnte, verleiht der Handlung eine gewisse Spannung.


    Das an ein Gemälde angelehnte Cover gefällt mir. Der Titel passt ebenfalls zur Geschichte.


    Mein Fazit:

    Nach „Mein italienischer Vater“ konnte mich Anika Landsteiner auch mit ihrem neuen Roman überzeugen. „So wie du mich kennst“ ist eine facettenreiche, berührende Lektüre, die zudem sprachlich gelungen ist. Schon jetzt eines meiner Lieblingsbücher 2021.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Kim Jiyoung ist 33 Jahre. Zusammen mit ihrem Mann Chong Daehyon hat sie eine einjährige Tochter, Ziwon. Die kleine Familie wohnt in einer 80 Quadratmeter großen Wohnung am Stadtrand von Seoul. Um für die Kleine zu sorgen, hat Jiyoung ihren Job aufgegeben. Sie ist eine von vielen koreanischen Müttern, die so oder so ähnlich leben. Doch plötzlich zeigt Jiyoung seltsame Anwandlungen: Immer wieder schlüpft sie unvermittelt in die Rollen ihr bekannter Frauen. Was hat es damit auf sich? Ihr Mann schickt sie kurzerhand zum Psychiater.


    „Kim Jiyoung, geboren 1982“ ist ein Roman von Cho Nam-Joo.


    Meine Meinung:

    Das Buch besteht aus sechs Teilen. Es beginnt im Herbst 2015. Danach wird chronologisch die Biografie der Frau nacherzählt. Der zweite Teil umfasst die Jahre 1982 bis 1994 und beleuchtet Jiyoungs Kindheit, der dritte den Zeitraum von 1995 bis 2000, in dem es um ihre Jugend geht. Teil vier (2001 bis 2011) deckt ihre Studienzeit und den Einstieg ins Berufsleben ab, Teil fünf (2012 bis 2015) ihr bisheriges Eheleben. Zum Schluss kommt die Geschichte im Jahr 2016 an. Erzählt wird aus einer personalen Perspektive, wobei sich die Erzählstimme erst im sechsten Teil erschließt. Diese Struktur ist gut durchdacht und funktioniert hervorragend.


    Ein Manko ist für mich der sehr nüchterne, schnörkellose und berichtmäßige Schreibstil. Unter anderem sind es die 18 Fußnoten, die den Text wie eine wissenschaftliche Abhandlung wirken lassen. Zwar wird zum Ende hin deutlich, warum die Autorin diesen Stil gewählt hat. Zudem entsteht nichtsdestotrotz ein Lesesog, wegen dem ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt habe. Alles in allem aber ist der Roman in sprachlicher Hinsicht leider kein Vergnügen.


    Mit Jiyoung steht eine sehr durchschnittliche junge Koreanerin im Fokus der Geschichte, was den Roman allerdings keineswegs langweilig macht. Die Protagonistin bietet ein großes Identifikationspotenzial für viele andere Frauen innerhalb und außerhalb Koreas.


    Der Inhalt des Romans hat es in sich. Auf nur rund 200 Seiten wird die Rolle von Frauen und Müttern in der Familie und der Gesellschaft allumfassend dargestellt - am Beispiel Jiyoungs, die stellvertretend für viele andere steht. Es geht um Sexismus, Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Stalking, übergriffige Bemerkungen, Mansplaining und mangelnde Gleichberechtigung. Aufgezeigt wird die ganze Bandbreite der Misogynie in Korea. Der Roman macht schonungslos deutlich, mit welch hohen, teils widersprüchlichen und teils unerfüllbaren Erwartungen Frauen auch heutzutage konfrontiert werden. Er rüttelt auf, macht nachdenklich und wütend. Und das Buch taugt auch als Augenöffner, denn schnell wird klar: So viel anders sind die Rollenbilder in Europa nicht, auch hier sind Frauen nach wie vor benachteiligt, wenn auch nicht in solch extremem Ausmaß. In den letzten Absätzen des Romans wird die Aussage noch einmal überspitzt unterstrichen. Das war mir dann jedoch etwas zu viel des Guten.


    Ein wenig zu kurz kommt meiner Meinung nach die psychische Krankheit Jiyoungs. Sie dient zu Beginn als Aufhänger und wird gegen Ende nur in recht kompakter Form noch einmal aufgegriffen.


    Das Cover mit dem gesichtslosen Kopf betont, dass es bei der Geschichte nicht um einen Einzelfall handelt und Jiyoung nur eine von vielen ist. Auch der Titel passt meiner Ansicht nach gut.


    Mein Fazit:

    Auch wenn mich der Roman von Cho Nam-Joo in sprachlicher Hinsicht nicht begeistern konnte, ist „Kim Jiyoung, geboren 1982“ eine aufrüttelnde und absolut lesenswerte Lektüre. Ein Buch, dessen Inhalt noch eine Weile nachhallt und dessen wichtige Botschaft hoffentlich viele ins Grübeln bringt.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Deutschland in den 1950er-Jahren: Nachdem Angelika Stein von der Schule geflogen ist, will zunächst kein Fotograf in Kassel die 15-Jährige ausbilden. Dann aber erhält sie die Chance, sich ihren Berufswunsch zu erfüllen. Derweil wird die gleichaltrige Christine Magold in Ostberlin darauf gedrillt, als Leistungsturnerin die DDR zu vertreten. Was verbindet die beiden?


    „Lebenssekunden“ ist ein Roman von Katharina Fuchs.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus vielen angenehm kurzen Kapiteln. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht von Angelika und von Christine. Leider werden beide Erzählstränge erst recht spät miteinander verwoben. Die Handlung spielt vorwiegend in Kassel und in Berlin. Sie beginnt 1956 und deckt die Zeitspanne bis zum Jahr 1961 ab.


    Der Schreibstil ist gewohnt anschaulich, detailliert und einfühlsam. Viel wörtliche Rede macht das Geschehen lebendig.


    Schön finde ich, dass auch in dem neuen Roman der Autorin zwei junge und starke Frauenfiguren im Vordergrund stehen. Sowohl Christine als auch Angelika sind sympathische Charaktere, deren Geschichte ich gerne verfolgt habe. Ihre Gedanken und Gefühle sind sehr gut nachvollziehbar.


    Inhaltlich geht es in dem neuen Werk wieder um authentische Lebensgeschichten. Neben den persönlichen Schicksalen bekommt der Leser viel Zeitgeschichtliches vermittelt. Das macht die Lektüre mit ihren etwas mehr als 400 Seiten nicht nur unterhaltsam, sondern auch besonders interessant.


    Gut gefallen hat mir auch die „Nachlese“, in der die Autorin kurz zusammenfasst, was aus den Protagonistinnen im weiteren Verlauf ihres Lebens wird. Gewünscht hätte ich mir, dass ein Nachwort erläutert, ob die Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht und was es mit den wirklichen Hintergründen auf sich hat.


    Das stimmungsvolle und nostalgisch anmutende Cover passt gut zum Inhalt. Das trifft auch auf den prägnanten Titel zu, der zudem in seinem Wortlaut an die anderen Romane der Autorin erinnert.


    Mein Fazit:

    Mit „Lebenssekunden“ hat Katharina Fuchs zum wiederholten Male einen lesenswerten Roman geschrieben, bei dem vor allem Fans starker Frauencharaktere auf ihre Kosten kommen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Für Nora Seed, Mitte 30, läuft das Leben ganz und gar nicht rund. Sie ist Single, kinderlos und seit Neuestem ohne Job. Ihr Bruder will sie nicht sehen, ihre Katze wurde gerade überfahren und sie fühlt sich von niemandem gebraucht. Ein Selbstmord erscheint ihr da als der richtige Ausweg. Doch womit sie nicht gerechnet hat: Auf dem Weg ins Jenseits kommt sie in eine riesige Bibliothek mit all den Leben, die sie hätte führen können. Dort hat Nora die Möglichkeit herauszufinden, was passiert wäre, wenn sie sich anders entschieden hätte. Jedes Buch bringt sie in eine veränderte Welt. Aber kann man in einem anderen Leben glücklich werden, wenn man weiß, dass es nicht das eigene ist?


    „Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Roman von Matt Haig.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus mehr als 70 angenehm kurzen Kapiteln. Erzählt wird aus der Perspektive von Nora. Dieser Aufbau funktioniert prima.


    Der Schreibstil ist anschaulich, lebendig und voller Bilder. Dem Autor gelingt es, seine Fantasie so zu schildern, dass man sie sich als Leser gut vor dem inneren Auge vorstellen kann.


    Nora steht als Protagonistin ganz klar im Fokus der Geschichte. Sie ist ein durchaus sympathischer Charakter, obwohl sie für ihr Alter ein wenig unreif wirkt. Obwohl ich mich nicht mit ihr identifizieren kann, konnte ich ihre Gedanken gut nachvollziehen. Darüber hinaus tauchen etliche Nebenfiguren auf.


    Besonders gereizt hat mich an dem Roman die kreative Idee der Bücher mit den unterschiedlichen Leben, die schlüssig dargestellt wird. Die verschiedenen Welten machen die Lektüre unterhaltsam und kurzweilig. An der einen oder anderen Stelle hätte die Geschichte sogar durchaus etwas ausführlicher sein dürfen und sollen.


    Eine Stärke des Romans ist es, dass er zum Nachdenken anregt. Es geht um Lebensentscheidungen, um Reue und vertane Chancen, um Möglichkeiten und bedeutsame Wendepunkte. Philosophische Fragen werden aufgeworfen. Außerdem wird hier das wichtige Thema Depression näher beleuchtet. Das alles trägt dazu bei, dass der Roman erstaunlich tiefgründig ist.


    Gut gefallen hat mir zudem, dass sich nicht nur das Cover an der Originalausgabe orientiert, sondern auch der prägnante englische Titel wortgetreu ins Deutsche übersetzt wurde.


    Mein Fazit:

    Auch wenn man sicherlich aus der Idee noch mehr hätte rausholen können, hat mich Matt Haig abermals nicht enttäuscht. Sein Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ bereitet schöne Lesestunden und liefert nebenbei interessante Denkanstöße.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Seit 30 Jahren betreibt die 66-jährige Marigold einen Dorfladen mit einem Poststelle. Mit ihrem Mann Dennis lebt sie in einem kleinen Haus. Nun muss die Familie enger zusammenrücken, denn die älteste Tochter Daisy (32) sucht bei ihnen Unterschlupf. Ohnehin ist es schon recht voll, da die jüngere Tochter Suze mit 25 Jahren noch bei ihnen wohnt und vor Kurzem auch Nan, die 86-jährige Mutter von Marigold, eingezogen ist. Aber Goldie wird gerne gebraucht. Dabei übersieht ihre Familie, dass es Marigold immer schlechter geht und sie selbst Hilfe benötigt....


    „Marigolds Töchter“ ist ein Roman von Julia Woolf.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 29 eher kürzeren Kapiteln. Erzählt wird überwiegend aus der Sicht von Marigold, aber auch aus anderen Perspektiven. Der Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist einfach und schnörkellos, jedoch auch anschaulich. Viel wörtliche Rede schafft eine lebhafte Atmosphäre.


    Der Fokus der Geschichte liegt vorwiegend auf Marigold, einer sympathischen, aber auch recht gutmütigen, teils sogar etwas naiv anmutenden Protagonistin. Auch weitere interessante Charaktere, allen voran die Töchter Daisy und Suze, tauchen auf. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich sehr gut nachvollziehen.


    An dem Roman hat mich gereizt, dass es nicht nur um Liebe und Familie geht, sondern auch um die Demenz-Thematik. Das macht die Lektüre emotional bewegend.


    Die Handlung nimmt zu Beginn nur langsam Fahrt auf, wird aber zunehmend abwechslungsreich. Mehrere Wendungen und Komplikationen sorgen dafür, dass der rund 420 Seiten umfassende Roman kurzweilig und unterhaltsam bleibt. Jedoch sind einige Punkte ein wenig klischeehaft und wirken unrealistisch.


    Das hübsche Cover hat zwar nur einen indirekten inhaltlichen Bezug, gefällt mir allerdings gut. Der deutsche Titel ist etwas irreführend, da es nicht nur um Marigolds Töchter, sondern auch um sie selbst geht. In diesem Fall ist das englischsprachige Original („Here and Now“) treffender.


    Mein Fazit:

    „Marigolds Töchter“ von Julia Woolf ist ein unterhaltsamer und berührender Roman, der mir schöne Lesestunden bereitet hat. Ihr Potenzial schöpft die Geschichte jedoch leider nicht ganz aus.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Anatolien am Ende des 19. Jahrhunderts: Hochschwanger mit dem ersten Kind ist die junge Maria, als sie im Osmanischen Reich ankommt. Sie ist auf eigene Faust von Wien aus ihrem Verlobten Wilhelm Paar nachgereist, der als Ingenieur an dem Bau der Bagdadbahn arbeitet. Es wird nicht das letzte Kind der beiden bleiben, die fernab ihrer Familien eine neue Heimat finden. Doch für Maria, Wilhelm und ihre Nachkommen hält das Schicksal noch mehrere Prüfungen bereit...


    „Die zitternde Welt“ ist ein Roman von Tanja Paar.


    Meine Meinung:

    Der Roman ist in zwei Teile untergliedert, die wiederum aus mehreren Kapiteln und Absätzen bestehen. Im ersten Teil wird aus den Perspektiven von Maria und Wilhelm erzählt, und zwar im Wechsel. Der zweite Teil legt den Fokus auf ihren Sohn Erich, während seine Geschwister und seine Eltern deutlich weniger Raum in der Geschichte einnehmen. Der Roman endet mit einem Epilog. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Jahrzehnte. Immer wieder finden zeitliche Sprünge statt, wobei es keine einheitlichen Zeitangaben gibt, was die Orientierung erschwert. Hilfreich ist dagegen eine abgebildete Landkarte.


    Der Schreibstil ist eindringlich, einfühlsam und - dank treffender Metaphern und Vergleiche - anschaulich. Gut gefallen hat mir auch, dass mehrere Briefe eingestreut sind.


    Die Protagonisten sind keine typischen Sympathieträger. Marias selbstbewusste und scheinbar kaum erschütterliche Art sowie ihr Mut zu Beginn der Geschichte stechen allerdings positiv hervor. Alle Figuren werden authentisch gezeichnet. Tiefe Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt von Maria, Wilhelm und Erich lassen den Leser mit diesen drei Charakteren mitfühlen. Sohn Hans und Tochter Irmgard bleiben leider etwas blass.


    Inhaltlich ist die Geschichte trotz der nur knapp 300 Seiten sehr vielschichtig. Es geht um Freiheit und Selbstbestimmung, um Familie und Generationenkonflikte, um Heimat und Identität, um Krieg und Umbrüche.


    Nebenbei erfährt der Leser einiges über die politischen und kulturellen Umstände in der heutigen Türkei rund um das Fin de Siècle und die ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Gerne habe ich auch vom Bau der Bagdadbahn gelesen, einem Projekt, das mir bis dato fremd war. An mehreren Stellen zeigt sich die fundierte Recherche der Autorin, die gekonnt fiktive Figuren mit realen Begebenheiten verknüpft.


    Vor allem im ersten Teil werden mehrere Fragen aufgeworfen, die erst Stück für Stück beantwortet werden. Die Autorin versteht es, mit vagen Andeutungen und Auslassungen viel Spielraum für eigene Interpretationen und Spekulationen zu lassen und Spannung zu erzeugen. Besonders in der ersten Hälfte konnte mich die Geschichte fesseln. Etwas schwächer ist dagegen nach meinem Empfinden der zweite Teil, der durch zu große zeitliche Sprünge stellenweise ein wenig fragmentarisch wirkt und ein paar Längen aufkommen lässt.


    Das Cover hat keinen direkten inhaltlichen Bezug, gefällt mir aber dennoch sehr gut. Der Titel ist durchaus treffend formuliert.


    Mein Fazit:

    „Die zitternde Welt“ von Tanja Paar ist ein historischer Roman, der sich auf erfrischende Art von anderen Büchern des Genres abhebt. Eine ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Lektüre mit nur kleineren Schwächen, die eine ungewöhnliche Familiengeschichte zu bieten hat.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Neapel in den 1990er-Jahren: Es sind nur wenige Worte, doch sie treffen die zwölfjährige Giovanna Trada mit voller Wucht. Sie werde seiner hässlichen und boshaften Schwester Vittoria immer ähnlicher, hört die Jugendliche zufällig ihren Vater Andrea zu ihrer Mutter Nella sagen. Als einziges Kind von Akademikern behütet aufgewachsen, war die Welt von Giovanna bis dato in Ordnung. In der Schule waren ihre Leistungen immer gut, sie fühlte sich zu Hause geliebt und verstanden. Doch jetzt in der beginnenden Pubertät werden ihre Noten schlechter, was ihren Eltern missfällt. Und mit dem verletzenden Satz ihres Vaters kommt Giovanna ins Grübeln und beginnt einige Nachforschungen anzustellen, wer genau ihre Tante ist. Dabei kommen einige Geheimnisse zum Vorschein…


    „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ ist ein Roman von Elena Ferrante.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus sieben Teilen, die wiederum in angenehm kurze Kapitel untergliedert sind. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Giovanna, allerdings in der Rückschau im Erwachsenenalter. Dieser Aufbau funktioniert gut.


    Der für die Autorin typische Schreibstil ist durch teils lange Satzkonstruktionen nicht einfach, aber einzigartig, atmosphärisch, wortgewaltig und wieder einmal sehr gelungen. Lebhafte Dialoge wechseln sich ab mit Beschreibungen, die ein anschauliches Bild von Neapel liefern. Immer wieder tauchen zudem starke Bilder und Metaphern auf.


    Die Charaktere sind zwar nicht allesamt sympathisch, aber interessant. Sie überzeugen mit psychologischer Tiefe. Nicht nur die Protagonistin Giovanna, deren Gedanken- und Gefühlswelt sich hervorragend nachvollziehen lässt und die eine glaubhafte Entwicklung durchmacht, sondern auch die übrigen Figuren wirken authentisch.


    Thematisch ist der Roman erstaunlich vielfältig. Es geht natürlich um das Erwachsenenwerden und die Pubertät – aber auch um viel mehr: um sozialen Aufstieg, um Lügen, Heucheleien und Geheimnisse innerhalb von Familien, um gesellschaftliche Konventionen, um Schönheitsideale, Ansehen und sonstige Oberflächlichkeiten, um Feminismus und das Frausein. Diese inhaltliche Komplexität trägt – ebenso wie mehrere Wendungen – dazu bei, dass der Roman mit mehr als 400 Seiten nicht langweilig wird und schnell eine Sogwirkung entfaltet. Das Ende bleibt ein wenig offen, was mich jedoch nicht gestört hat.


    Das Cover passt nicht nur gut zur Optik der „Neapolitanischen Saga“, sondern gefällt mir auch dieses Mal sehr. Der deutsche Titel ist wörtlich aus dem Italienischen („La vita bugiarda degli adulti“) übersetzt und ebenfalls treffend gewählt.


    Mein Fazit:

    Auch mit „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ konnte mich Elena Ferrante in mehrfacher Hinsicht begeistern. Ein empfehlenswerter Roman für alle, die tiefgründige, komplexe und realitätsnahe Geschichten lieben.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Marie Skłodowska, die Tochter eines Lehrerehepaars, ist schon als Kind von den Naturwissenschaften fasziniert. Doch erst als junger Frau gelingt es „Mania“, die von den Russen besetzte polnische Heimat zu verlassen, um sich in Paris den Traum eines Studiums zu erfüllen. Als Frau ist sie in der Welt der Wissenschaft nicht gern gesehen. Doch trotz aller Widrigkeiten stürzt sie sich in die Forschung. In dem Physiker Pierre Curie findet sie einen Gleichgesinnten in Bezug auf ihre Arbeit und einen Partner fürs Leben. Doch für Madame Curie hält das Schicksal nicht nur Erfolge, sondern auch eine Menge Tragik bereit…


    „Madame Curie und die Kraft zu träumen“ von Susanna Leonard ist der erste Band der „Ikonen ihrer Zeit“-Reihe des Ullstein-Verlages.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus drei Teilen, die wiederum in 29 Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert sind. Er endet mit einem Epilog. Die Handlung umfasst die Jahre 1875 und 1932. Trotz einiger Zeitsprünge fällt die Orientierung nicht schwer, was auch an den einheitlichen Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel liegt. Erzählt wird aus der Perspektive von Marie.


    Der Schreibstil ist schnörkellos, aber anschaulich und bildhaft. Viel wörtliche Rede lässt das Geschehen lebendig vor dem inneren Auge erscheinen.


    Der Roman basiert auf einer Reihe von tatsächlich existierenden Persönlichkeiten. Sowohl diese als auch fiktive Charaktere werden in einer Personenübersicht aufgelistet und erklärt, was die Lektüre erleichtert. Die Figuren werden lebensnah und interessant dargestellt.


    Vor allem die Protagonistin hat mich an dem Roman gereizt. Ich habe es genossen, mehr über die bekannte Nobelpreisträgerin zu erfahren, die mit Fug und Recht ein großes Vorbild für viele Frauen in der Wissenschaft geworden ist. Inhaltlich umfasst der Roman drei Abschnitte ihrer Vita: die Jahre als Kind und Jugendliche, ihre Zeit als Privatlehrerin auf dem Land und ihr Weg in die Forschung und Wissenschaft. Das macht die Lektüre gleichzeitig abwechslungsreich und lehrreich. Bedauerlicherweise geht das Buch nicht auf ihr gesamtes Leben ein. Es lässt einen Großteil ihres späteren Wirkens aus beziehungsweise streift dieses nur kurz. Eine Biografie kann der Roman somit nicht ersetzen.


    Das interessante Nachwort gibt weitere Details aus dem Leben der bekannten Wissenschaftlerin preis und weist auf hilfreiche Quellen und weiterführende Lektüre zum Thema hin. Es belegt die fundierte Recherche der Autorin. Leider gibt das Nachwort keinen Aufschluss darüber, an welchen Stellen sie sich künstlerische Freiheiten erlaubt hat und wo der Roman sehr nahe an den realen Ereignissen ist.


    Das nostalgisch anmutende, stimmungsvolle Cover passt nicht nur zum Genre, sondern auch zum Inhalt des Romans. Auch der Titel gefällt mir gut.


    Mein Fazit:

    Mit „Madame Curie und die Kraft zu träumen“ ist Susanna Leonard eine unterhaltsame Lektüre gelungen, die nicht nur eingefleischten Fans historischer Romane schöne Lesestunden bereitet.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    40 Jahre lang ist er durch die Welt gereist, um Brücken und Überführungen zu bauen. Nun ist der Ingenieur 67 Jahre alt und verwitwet. Und in seiner Turiner Wohnung ist es still um ihn geworden. Dann, an einem Sonntag, durchkreuzt der Zufall sein Leben. Weil ihn seine Tochter und deren Familie versetzen, lädt er kurzerhand stattdessen die Mittdreißigerin Elena und ihren 13-jährigen Sohn Gaston zum Essen ein. Es wird eine Begegnung, die mehrere Menschen verändern wird.


    „Ein Sonntag mit Elena“ ist ein Roman von Fabio Geda.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus angenehm kurzen Kapiteln, die weder nummeriert noch überschrieben sind. Neben dem gegenwärtigen Geschehen sind zwischendurch Rückblenden, in Form von Erinnerungen, eingefügt. Erzählt wird in der Ich-Perspektive, allerdings aus Sicht der Tochter Giulia. Das hat mich zunächst ziemlich irritiert und kommt immer wieder ein wenig unglaubwürdig rüber, weil auch Szenen, bei denen die Tochter selbst gar nicht anwesend war und die sie nur aus Erzählungen kennt, detailliert beschrieben werden.


    Sprachlich ist der Roman insgesamt dennoch gelungen. Der ruhige, aber anschauliche und einfühlsame Schreibstil mit seinen ansprechenden Beschreibungen und passenden Metaphern gefällt mir gut.


    Die drei Protagonisten sind alles andere als Heldenfiguren. Mit ihren Ecken und

    Kanten wirken sie authentisch und durchaus fehlerbehaftet. So wird schnell klar, dass „Papa“ nie der perfekte Vater war und nun im fortgeschrittenen Lebensabschnitt ein wenig wie ein alter Kauz dargestellt wird. Trotzdem schafft es der Autor, Sympathie für seine Charaktere zu wecken, sodass man gerne ihre Geschichte verfolgt und Verständnis für sie entwickelt.


    Thematisch ist der Roman erstaunlich vielfältig und tiefgründig. Die Familie spielt dabei eine wichtige Rolle. Es geht auch um Reue, Einsamkeit, Verlust und zwischenmenschlichen Problemen, was der Lektüre mitunter eine melancholische und teilweise traurige Atmosphäre verleiht. Andererseits ändert sich die Stimmung mit dem Auftauchen von Elena und ihrem Sohn zum Positiven. Beim Lesen wird bald deutlich, dass im Leben nicht nur die Brücken im wörtlichen Sinn bedeutsam sind, sondern auch die zwischen den Menschen. In der Geschichte stecken somit einige Denkimpulse und viele Emotionen, die mich durchaus erreichen konnten.


    Die Handlung nimmt nur sehr langsam Schwung auf und bleibt überwiegend in einem ruhigen Fahrwasser. Durch die Rückblenden wird zusätzlich Tempo aus der Geschichte genommen. Langeweile kommt beim Lesen allerdings nicht auf.


    Das Cover mit seinem Stillleben passt insofern zum Inhalt des Buches. Der deutsche Titel ist etwas ausführlicher als das italienische Original („Una domenica“) und sagt mir sogar noch etwas mehr zu.


    Mein Fazit:

    Für seinen Roman „Ein Sonntag mit Elena“ wählt Fabio Geda eine ungewöhnliche Erzählperspektive, deren Umsetzung ich problematisch finde. Wer jedoch über dieses Manko hinwegsieht, den erwartet eine gleichsam berührende wie unterhaltsame Lektüre.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Stella Wallin hat einen großen Traum: Die 28-Jährige will nach New York gehen und Designerin werden. Doch jetzt läuft es gar nicht gut für das Großstadtmädchen aus Stockholm. Ihr Freund hat sie betrogen, ihren Job und die Wohnung hat sie verloren. Also steht sie auf dem platten schwedischen Land und will das ehemalige Haus ihrer Großeltern verkaufen, um ihrem Ziel doch noch näherzukommen. Dann aber entpuppt sich die Immobilie als große Enttäuschung und ihr einziger Kontakt ist der schlecht gelaunte Landwirt Thor Nordström (36)…


    „Nur noch ein bisschen Glück“ ist ein Roman von Simona Ahrnstedt.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 55 angenehm kurzen Kapiteln und endet mit einem Epilog, der ein Jahr später spielt. Erzählt wird nicht nur aus der Perspektive von Stella, sondern auch aus der von Thor. Dieser Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist unkompliziert und schnörkellos, aber anschaulich und zum Genre durchaus passend. Viel wörtliche Rede macht die Geschichte lebhaft.


    Mit Stella konnte ich mich nicht so richtig identifizieren, weil sie vor allem zu Beginn ziemlich klischeehaft dargestellt wird. Allerdings macht sie eine positive Entwicklung durch und ist mir nicht gänzlich unsympathisch. Thor ist ein gleichsam interessanter wie liebenswerter Charakter. Die Gedanken und Gefühle der beiden Protagonisten lassen sich gut nachvollziehen. Im Großen und Ganzen habe ich sie und die übrigen Personen als recht authentisch empfunden.


    Wie von den anderen Romanen der Autorin gewohnt, habe ich in erster Linie eine Liebesgeschichte mit viel Leidenschaft erwartet – und auch bekommen. Ihrem Stil bleibt die Schriftstellerin treu. Aber, wie ebenfalls aus ihren vorherigen Büchern bekannt, sind auch wieder Aspekte enthalten, die dem Roman eine Portion Tiefgang verleihen. Dieses Mal geht es unter anderem darum, die eigenen Wurzeln zu finden und Hinweise zur Familiengeschichte zu erhalten. Und auch in diesem Roman wird die schöne Botschaft vermittelt, dass Oberflächlichkeiten im Leben nicht wichtig sind.


    Auf mehr als 400 Seiten ist die Geschichte zwar größtenteils vorhersehbar, bietet aber auch ein paar Wendungen. Zum Ende hin wird die Handlung ein wenig zu dramatisch. Alles in allem habe ich mich dennoch gut unterhalten gefühlt, denn der Humor kommt nicht zu kurz.


    Das Cover ist unspektakulär und wenig kreativ, aber durchaus optisch ansprechend. Der deutsche Titel ist eine ergänzte Version des schwedischen Originals („Bara lite till“), dessen Formulierung weniger kitschig ausfällt.


    Mein Fazit:

    Auch mit „Nur noch ein bisschen Glück“ wird Simona Ahrnstedt ihrem guten Ruf als Liebesromanautorin gerecht. Trotz kleinerer Schwächen kann ich den Roman weiterempfehlen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Holt, eine Kleinstadt im Herzen Colorados, mitten in den Great Plains: Dad Lewis (77) ist unheilbar an Lungenkrebs erkrankt. Die Ärzte geben ihm nicht mehr viel Zeit. Und so ist es der letzte Sommer, den er zusammen verlebt mit seiner fürsorglichen Frau Mary und der gemeinsamen Tochter Lorraine, die zu ihrem sterbenden Vater geeilt ist. Nur Sohn Frank, zu dem die Eltern keinen Kontakt mehr haben, steht dem Sterbenden nicht zur Seite. Im Gegensatz zu den Nachbarn und anderen bekannten Bewohnern der Stadt, die Dad am Krankenbett Gesellschaft leisten. Auch der neue Reverend Lyle stattet dem Kranken einen Besuch ab. Immer deutlicher wird, dass einige in der Stadt auch mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben…


    „Kostbare Tage“ ist ein Roman des bereits verstorbenen Autors Kent Haruf. Das Buch ist der „Plainsong“-Reihe zuzuordnen, die im fiktiven Ort Holt spielt.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus 39 Kapiteln mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird aus der Sichtweise unterschiedlicher Personen. Dieser Aufbau funktioniert prima.


    Der Schreibstil ist schnörkellos, unaufgeregt und recht nüchtern, gleichzeitig jedoch eindringlich, atmosphärisch dicht und einfühlsam. Er ist darüber hinaus von viel wörtlicher Rede gekennzeichnet. Dem Schriftsteller gelingt es, auch mit wenigen Worten viel ausdrücken und mit seinen Landschaftsbeschreibungen beeindruckende Bilder zu schaffen.


    Die Geschichte baut nur sehr lose auf den Romanen „Lied der Weite“ und „Abendrot“ auf und lässt sich ohne Vorkenntnisse verstehen. Sie lässt sich unabhängig lesen, wobei ich dennoch empfehlen würde, die Bücher in dieser Reihenfolge zu lesen.


    Im Mittelpunkt steht Dad Lewis, der in seinen letzten Tagen auf ein Leben zurückblickt, das viele glückliche, aber auch weniger glückliche Momente hatte. Vor allem auf seiner Familie liegt ein Fokus. Aber auch der Reverend und seine Familie, die Johnsons sowie Großmutter und Enkelin nebenan spielen eine wichtige Rolle. Wie schon in seinen früheren Romanen zeichnet der Autor ein vielschichtiges und authentisches Bild der Protagonisten, die als Menschen mit Ecken und Kanten dargestellt und dennoch nicht bloßgestellt werden.


    Gleich mehrere Schicksale und Probleme werden thematisiert. Tod, Abschied, Verlust, Trauer und Krankheit, diese Aspekte rahmen die Geschichte ein. Vor allem das langsame Sterben Dads hat mich sehr bewegt. Aber der Roman handelt auch von Enttäuschungen in der Liebe, Vertrauensbruch, Loyalität und unverrückbaren Überzeugungen. Wieder einmal geht es auch um seelische Abgründe, um Schwächen, um Fehler und um Schuldgefühle, aber auch um Hoffnungsschimmer. Dargestellt werden unterschiedliche Facetten der Menschlichkeit. Dabei bleibt die Handlung stets realistisch und kommt ohne Kitsch aus.


    Das vom Verlag gewohnt reduzierte Cover mit dem Gemälde drückt die Stimmung des Romans gut aus. Auch der Titel ist treffend gewählt, wobei ich das amerikanische Original („Benediction“) noch prägnanter und dadurch vielleicht auch ein wenig passender finde.


    Mein Fazit:

    Auch mit „Kostbare Tage“ konnte mich Kent Haruf überzeugen und berühren. Ein Lesehighlight in diesem Jahr, das ich nicht nur Liebhabern schöngeistiger Literatur wärmstens ans Herz legen kann.


    Ich vergebe 5 von 5 Sternen.

    Im Jahr 1990 auf der Insel Manihiki: Die junge Kiona führt mit ihrer Familie ein einfaches, aber zufriedenes Leben und taucht in den tropischen Gewässern der Südsee nach Perlen. Doch eines Tages zieht ein Zyklon über die Insel im Südpazifik. Vor der Perlenfarm ihrer Eltern kentert ein Segelboot in der rauen See. An Bord ist ein verletzter Mann. Es handelt sich laut seines Ausweises um Erik Bergman (34), einen gebürtigen Schweden. Er behauptet, ein Banker aus London zu sein. Kiona pflegt ihn und verliebt sich in ihn. Als Erik die Insel plötzlich verlässt, kommen Kiona Zweifel. Ist der Fremde etwa nicht der, für den er sich ausgegeben hat? Sie will ihn zu suchen und beginnt ein Abenteuer quer durch die Welt, bei dem sie in Lebensgefahr gerät.


    „Die Perlenfarm“ ist ein Roman von Liza Marklund.


    Meine Meinung:

    Der Roman geht los mit einem Prolog und endet mit einem Epilog. Zudem gibt es sechs Teile, die an unterschiedlichen Orten der Welt spielen. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Kiona.


    Der Schreibstil zeugt von Sprachgewandtheit, ist aber auch recht nüchtern und ein wenig distanziert. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.


    Kiona ist eine interessante Protagonistin, mit der ich mich zwar wenig identifizieren kann, die mir aber nicht unsympathisch ist. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut nachverfolgen.


    Die Idee, eine Liebesgeschichte mit einem Spannungsroman zu verknüpfen, gefällt mir. Auch das anfängliche Südsee-Setting hat mich sofort angesprochen. Im weiteren Verlauf hat die Handlung zwar ein paar Längen. Allerdings erzeugen mehrere Wendungen und Hindernisse immer wieder Spannung.


    Thematisch ist der Roman bemerkenswert vielfältig. Die Basis der Geschichte, der Zyklon, basiert lose auf realen Begebenheiten. Das tatsächliche Ausmaß des Naturereignisses wird in einer Art Nachwort dargestellt. Darüber hinaus spielen auch andere Aspekte wie das Politik- und Finanzsystem eine Rolle. An verschiedenen Stellen im Roman wird die fundierte Recherche der Autorin deutlich.


    Das Cover ist ansprechend gestaltet, wobei die Optik eine wesentlich harmonischere Handlung vermuten lässt. Das gilt auch für den deutschen Titel, der ziemlich wörtlich von der schwedischen Originalausgabe übernommen wurde.


    Mein Fazit:

    „Die Perlenfarm“ von Liza Marklund ist ein Roman mit kleineren Schwächen, der mich insgesamt gut unterhalten hat.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    In einer französischen Reihenhaussiedlung am Waldrand: Mit ihrem jüngeren Bruder Gilles und den Eltern wohnt ein zehnjähriges Mädchen zusammen. Nach außen wirkt die Familie ganz normal, obwohl der Vater einen bedenklichen Hang zu Whisky und die Jagd auf Großwild hat. Doch die Geschwister halten zusammen - bis zu dem Tag, als eine Tragödie vor den Augen der beiden passiert.


    „Das wirkliche Leben“ ist der Debütroman von Adeline Dieudonné.


    Meine Meinung:

    Der Roman besteht aus vielen kurzen Kapiteln. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge in der Ich-Perspektive aus der Sicht des Mädchens, allerdings mit erheblichem zeitlichen Abstand.


    Der Schreibstil ist nüchtern und direkt, aber auch anschaulich und atmosphärisch dicht. Auffallend sind die ungewöhnlichen Metaphern, die ich teils als sehr gelungen, teils als etwas unpassend empfunden habe. Schon nach wenigen Kapiteln entwickelt die Geschichte einen starken Sog, sodass ich das Buch nur ungern zur Seite gelegt habe.


    Der Fokus liegt auf den vier Familienmitgliedern. Die Gedanken und Gefühle des namenlosen Mädchens lassen sich sehr gut nachvollziehen. Sie ist einerseits kindlich und naiv, aber andererseits zugleich mutig und intelligent. Auch von ihrem Bruder und den Eltern entsteht ein deutliches Bild. Obwohl das Verhalten von Vater und Mutter krass ist, wirken die Figuren nicht unglaubwürdig.


    Inhaltlich ist der Roman nichts für schwache Gemüter. Dass Gewalt eine große Rolle spielt, wird schon nach wenigen Seiten klar. Auch im weiteren Verlauf schockiert die Geschichte und macht betroffen. Doch es geht nicht nur um Grausamkeiten, sondern auch um die Liebe und den Zusammenhalt zwischen Geschwistern, das Erwachsenwerden und den Kampf um Emanzipation.


    Bis zum Schluss herrscht eine unterschwellige Spannung, die immer stärker wird. Die Handlung kann mit einigen Wendungen überraschen, ist im letzten Drittel allerdings stellenweise etwas übertrieben. Das Ende konnte mich jedoch wieder überzeugen.


    Die ungewöhnliche Optik des deutschen Covers weckt Aufmerksamkeit, könnte aber falsche Erwartungen wecken. Gut gefällt mir, dass der sehr treffende Originaltitel („La vraie vie“) ins Deutsche wörtlich übersetzt wurde.


    Mein Fazit:

    „Das wirkliche Leben“ von Adeline Dieudonné ist ein Roman, der zwar nicht ohne Schwächen ist, aber mich dennoch beeindruckt und berührt hat. Eine empfehlenswerte und außergewöhnliche Lektüre.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.

    Die Ehe von Hannah Leopold ist am Ende, ihren geliebten Beruf kann sie nicht mehr ausüben. Sie braucht einen Ortswechsel und mietet daher in Island ein Haus. Auf dem Dachboden entdeckt sie eine Truhe. Darin sind Zeichnungen, die sie an die Bilder ihrer Mutter erinnern. Ist das Zufall? Monika hat auch einen Sommer auf Island verbracht, und zwar als sie als junge Frau aus gutem Haus im Jahr 1978 dort war. Was verbindet die Frauen sonst noch?


    „Der Sommer der Islandtöchter“ ist ein Roman von Karin Baldvinsson.


    Meine Meinung:

    Die Geschichte wird eingerahmt von einem Prolog und einem Epilog. Dazwischen gibt es 34 Kapitel mit einer angenehmen Länge. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: einmal in den 1970er-Jahren und einmal in der jüngeren Vergangenheit, also 2018. Die Schauplätze sind in Island und Deutschland verortet. Einheitliche Orts- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel sorgen für eine leichte Orientierung. Der Aufbau funktioniert gut.


    Der Schreibstil ist unspektakulär, aber angenehm zu lesen. Viel wörtliche Rede macht das Geschehen lebhaft, die Beschreibungen sind anschaulich. Gut gefallen hat mir, dass immer wieder isländische Wörter und Formulierungen eingefügt sind.


    Die beiden Protagonistinnen, Hannah und Monika, sind sympathische Frauen und interessante Charaktere. Jedoch greift der Roman auf einige Klischees zurück.


    Gereizt hat mich die Geschichte vor allem wegen des tollen Settings. Tatsächlich lernt man einiges über Land und Leute, was mir positiv aufgefallen ist. In anderen inhaltlichen Punkten hat mich der Roman hingegen etwas enttäuscht, denn die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf und ist in Teilen recht überraschungsarm. Zum Ende hin kann sich die Story steigern. Allerdings ist das aufgedeckte Familiengeheimnis weniger spannend als erhofft.


    Schöne Extras des Buches sind das Rezept für eine isländische Baisertorte sowie eine Landkarte von Island, die in den Innenklappen abgedruckt sind.


    Das hübsche Cover finde ich sehr gelungen. Auch der Titel erinnert an „Das Versprechen der Islandschwestern“ derselben Autorin, wobei sich beide Romane unabhängig voneinander lesen lassen.


    Mein Fazit:

    Obwohl die Geschichte nicht ihr ganzes Potenzial ausschöpft, hat mich „Der Sommer der Islandtöchter“ von Karin Baldvinsson gut unterhalten. Ein empfehlenswerter Roman besonders für alle, die die Mischung von Familien- und Liebesgeschichte vor einer schönen Kulisse mögen.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.