Beiträge von Sonnenschein12

    Ich kann verstehen, dass er müde war, nicht mehr kämpfen wollte

    Ich habe Tjark nicht als "müde" empfunden, für mich war es eher so, dass er "hocherhobenen Hauptes" in den Freitod gegangen ist (wenn man das so sagen kann, ein besseres Bild fällt mir gerade nicht ein), denn ein paar Minuten vor seinem Tod hat er noch ein Erfolgserlebnis: " Kaum Wasser drin, dachte er und freute sich. Die Boote aus seiner Werft waren bekannt dafür, dass sie schön trocken segelten. Qualität eben." (Im E-book S. 40/41)

    seine Entscheidung den Strick nicht zu nehmen, sich abzuwenden und die Treppe wieder hinunter zu gehen, gibt Hoffnung.

    Er hat noch eine Chance, mit oder ohne Glaube.

    Deine Einschätzung wirft für mich noch einmal ein ganz neues Licht auf seine Entscheidung - ein Hoch auf diese Leserunde (und natürlich auch auf Deine Kurzgeschichte Dieter Neumann !) Sind Spekulationen erlaubt? Er hat sich dadurch vom "Urteil" seiner Frau losgesagt und geht seine Probleme jetzt aktiv an... Sooo hatte ich den Ausgang der Geschichte bisher nicht gesehen...

    Dieter Neumann :Deinen Einwand hatte ich noch nicht gelesen, als ich meine Antwort schrieb und als Autor muss ich Dir Recht geben, aber mir als Leserin (und gerade in einer Leserunde!!) gefallen die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten gerade sehr gut. Ich finde, sie erweitern meinen Horizont: denn genau wie Du schreibst: der Protagonist geht individuell mit seiner Situation um (und die muss ich so akzeptieren), aber ich lese die Geschichte ja auch mit meinem individuellen Hintergrund (jede/r von uns) und deshalb finde ich die Diskussion so spannend...

    Versteht Ihr, was ich meine? Das ist ein Grund, warum ich nie Autorin werden könnte: ich kann meine Gedanken manchmal nicht gut in klare Worte packen, sondern sie purzeln manchmal etwas kreuz und quer heraus....

    (persönlich finde ich, dass wir viel zu sehr dazu neigen, die Kirchen aus ihrer Verantwortung zu nehmen, aber diese Diskussion führt hier zu weit).

    Das finde ich im Allgemeinen auch, deshalb hatte ich extra geschrieben "in diesem Fall"... ich gebe Dir in allen Punkten Recht, aber hier konnte die Kirche nicht helfen, weil sie nichts von seinen inneren Konflikten wusste... Mit der Institution "Kirche" habe ich auch so meine Probleme...

    Gibt es für Pastoren nicht auch Bischöfe, die sich um die ihren kümmern?

    ja, gibt es , auch Kollegen und sogar einen kirchenpsychologischen Dienst...

    Aber er war so verzweifelt, dass ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen ist, dass er sich Hilfe holen könne, sondern letztlich nur noch Trost" im Alkohol gefunden hat...

    Diese inneren Konflikte, die Schuldgefühle und der Druck, die nicht nur von ihm selbst kommen, sondern auch von außen, von der Institution Kirche selbst

    In diesem Fall mag ich "der Kirche" nicht wirklich die Schuld geben, denn die weiß ja nichts von diesem Konflikt... Es ist eher so, wie er sich "die Kirche" vorstellt... Ich glaube, Glaubenskrisen sind in kirchlichen Kreisen wohlbekannt, sie hätten ihn bestimmt nicht rausgeschmissen...

    Und auch er hätte professionelle Hilfe benötigt, aber da hat er auf den Halligen vermutlich ein Problem

    Aber wie ich schon schrieb, er lebt ja nicht auf dem Mond, wenn er nicht in seine Schuldgefühlen "ertrunken" wäre, hätte es bestimmt irgendeine Hilfe gegeben... Ob seine Frau ihm tatsächlich Vorwürfe macht (oder er annimmt, dass sie ihn "richtet") ist letztendlich egal, er empfindet es so und er steht mit seinem Problem allein da - genau wie Du schreibst:


    und echte Freunde, denn die scheinen zu fehlen

    Ich würde ihm den Mut für einen Neuanfang wünschen

    Ja, das würde ich ihm auch wünschen, bin da aber nicht sehr optimistisch...

    - erwogen, den Titel "Apostat wider Willen" zu wählen. Nach einigem Überlegen empfand ich das jedoch als zu sperrig.

    Stimmt, da hast Du vollkommen recht!


    Wenn man das "Abfallen" nicht als bewusste Handlung bergreift, sondern als Folge des Umstands, dass dieser Mann, wie ich schreibe, auf einmal "nichts davon mehr glauben" kann, was in der Bibel steht, dann fällt er damit ja ebenfalls vom Glauben ab, sogar zwangsläufig und im wahren Wortsinn - auch wenn er das gar nicht will.

    Auch hier können wir Einigkeit erzielen...

    Ich muss gestehen, ich wusste nicht, was !Apostat" ist und habe bei Wikipedia nachgeschaut: "Abtrünniger, Abgefallener, jemand, der sich vom christlichen Glauben lossagt" - irgendwie finde ich das gerade nicht: er sagt sich ja nicht vom christlichen Glauben los, sondern kämpft bitterlich darum, dass er wieder glauben kann... Und er hofft 25 Jahre darauf, dass er wiederkehrt!

    Mein Mitgefühl hatte er von Anfang an, er kämpft so sehr um seinen Glauben (wobei ich sooo eine starke Glaubensbindung persönlich nicht nachempfinden kann, dass er nach deren Tod sogar seine Frau als "schlechtes Gewissen" (nee, falsches Wort, irgendetwas stärkeres: "moralische Instanz"?) einsetzt, die das "Urteil" sprechen soll... Ich persönlich finde es nicht schlimm, dass er Texte der Bibel hinterfragt (ich habe am evangelischen Rauhen Haus studiert, d.h. ich habe neben Sozialpädagogik auch eine Diakonen-Ausbildung), denn eigentlich finde ich, dass macht einen guten Pastor aus... Aber das ist rein persönliche Einschätzung - und da gibt sicher es 100.000 verschiedene Ansichten.

    Er gibt sich die Schuld am Selbstmord seiner Frau, ich denke, dass seine Frau "schwermütig" war (wie die Menschen sagten), aber das er schon zu ihren Lebzeiten ihr die Rolle "der Richterin" zugewiesen hatte ("sie wandte sich ab, als ob sie sich schäme" oder so ähnlich). Traurig finde ich, dass er anscheinend keine andere Lösung gefunden hat, als seinen Kummer in Alkohol "zu ertränken" - dort liegt sein wahres Problem!

    Sogar katholische Priester können eine Glaubenskrise bekommen und nehmen sich eine Auszeit, gehen in ein Kloster, sprechen mit anderen Priestern. Gut, er sitzt auf einer Hallig (aber nicht auf dem Mond), zu einem Kirchengemeindekreis gehört er bestimmt, er würde bestimmt jemand finden, mit dem er sein Problem besprechen kann...

    Ich habe mich richtig gefreut, dass er die Treppe wieder heruntergeht, ich sehe es als "Sieg", befürchte aber, er nicht... vermutlich als zusätzliches "Trauma", dass er es nicht "geschafft" hat....

    Wie schon erwähnt, er hat mein vollstes Mitgefühl, aber nachvollziehen kann ich seine Gedankengänge nicht wirklich...

    Trotzdem: eine tolle Geschichte, dass seht Ihr schon daran, dass meine "emotionales Pferde" gerade etwas durchgehen - auf jeden Fall eine Geschichte, die mich sehr zum Nachdenken angeregt hat...

    Ich glaube, ich werde nie ein Fan von Kurzgeschichten, aber die (unterschiedlichen) vier, die ich bisher hier gelesen habe, haben mich schon sehr stark beeindruckt: Kurzgeschichten müssen mit einem knappen Wort (höchsten zwei) ganz viel von Stimmungen, Gefühlen, Freude, Ängsten wiedergeben- und das haben sie alle auf vollkommen unterschiedliche Art gemacht! Chapeau! Vielleicht habe ich in meinem bisherigen Leben immer nur "falsche" Kurzgeschichten gelesen?

    Inhaltlich kann ich mich Saiya und Ayasha nur anschließen, beide haben meine Gefühle und Gedanken wunderbar zusammengefasst... Danke Euch beiden!

    Dieter Neumann : wieder keine Geschichte für die Enkelkinder, vielleicht höchstens für das "neueste Modell" (wenn es dann geboren ist), aber da wird es eher die sonore und beruhigende Stimme des Opas sein (und nicht der Inhalt) :)...

    Von Amazon übernommen:

    Eine bewegende Geschichte über den Kampf einer Frau um den Erhalt ihres geliebten Klosters, eine fesselnde Abhandlung über Mut und Beharrlichkeit – inspiriert von einer wahren Begebenheit.

    Südtirol, Kloster Säben, 1796: Die Benediktinerin Magdalena lebt mit ihren Mitschwestern in der Abtei Säben, einem abgeschiedenen Kloster auf einem Felsen hoch über dem Eisacktal, das nur durch einen mühsamen Aufstieg zu erreichen ist. In diesem einfachen Leben aus Arbeit, Gebet und Lektüre fühlt sich Magdalena geborgen und sicher, dass ihr Geheimnis für immer verborgen bleiben wird.

    Bis einhundertsiebzig Tiroler Soldaten Einlass verlangen, denn Napoleons Armee ist auf dem Vormarsch. Während die Welt, die Magdalena so sorgfältig aufgebaut hat, zusammenbricht, muss sie eine Entscheidung treffen: das Kloster verlassen, um sich ihren Mitschwestern in der Sommerresidenz des Bischofs anzuschließen, oder für die Rettung des Klosters kämpfen – auch wenn es sie alles kosten könnte.

    Über die Autorin (von Amazon übernommen):

    Annette Oppenlander ist eine preisgekrönte Schriftstellerin und unterrichtet kreatives Schreiben. Als erfolgreiche Autorin von historischen Romanen ist Oppenlander für ihre authentischen Figuren und auf wahren Geschichten basierenden Romane bekannt. Nach dem BWL-Studium an der Universität zu Köln verbrachte sie 30 Jahre in verschiedenen Teilen der USA.

    Oppenlander inspiriert ihre Leser, indem sie Themen beleuchtet, die heute ebenso relevant sind, wie in der Vergangenheit. Sie vermittelt ihre Kenntnisse sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache durch Workshops, unterhaltsame Präsentationen und Autorenbesuche an Colleges und Universitäten, in Büchereien und Schulen. Sie ist Mutter von Zwillingen und einem Sohn und lebt seit 2017 wieder in Deutschland.

    ASIN/ISBN: B0BSRKN73N


    Eine Frau folgt ihrem Weg...


    Diesmal hat uns Annette Oppenlander in ihrem Roman „Das Kreuz des Himmels“ nach Südtirol in das Jahr 1796 mitgenommen. Napoleon versucht immer wieder, Südtirol einzunehmen, aber die Tiroler leisten in verschiedenen Koalitionen erbitterten Widerstand.

    Frau Oppenlander hat eine ungewöhnliche Protagonistin gewählt: Schwester Magdalena ist Nonne im Benediktiner-Orden, sie lebte tatsächlich im Kloster Säben/Südtirol. Bei einer Bergwanderung entdeckte die Autorin „eine Holztafel mit der Darstellung einer Nonne in französischer Armeeuniform.“ (S. 217, Anmerkungen der Autorin). Dort wurde kurz wurde beschrieben, dass Magdalena heimlich nach Bozen gewandert sei, um den französischen General zu bitten, das Kloster zu retten. Inspiriert von diesen (wenigen) Informationen, begann Frau Oppenlander über das Leben von Magdalena Told zu recherchieren, aber viel war nicht bekannt: Schwester Magdalena hat von 1755 – 1841 gelebt und leitete 48 Jahre Küche und Keller im Kloster Säben. Aber aus diesen dürftigen Informationen hat Annette Oppenlander eine Geschichte „gezaubert“, die gleichermaßen spannend, berührend und auch bewegend ist.

    Durch seine Lage lag das Kloster Säben für alle Kriegsparteien strategisch günstig, deshalb wurde es immer wieder aufs Neue umkämpft: „Während der sieben Koalitionskriege besetzten, die Franzosen Säben mehrmals (…). Auch die Tiroler hielten Säben für einen wertvollen Standort als potenzielle Festung und zogen mehrmals ein und aus.“ (S. 219, Anmerkungen der Autorin)

    Eine Handvoll Nonnen standen jeweils über 200 Soldaten gegenüber, die keinerlei Skrupel hatten, Hof und Keller des Klosters erbarmungslos zu plündern, so dass die Nonnen teilweise hungern mussten. Aber für Schwester Magdalena noch entsetzlicher: die Soldaten stoppten auch nicht vor religiösen Heiligtümern und der kostbaren Bibliothek. Einige Male gelang es ihr mit Hilfe ihrer Mitschwestern, einen Teil der Schätze zu verstecken, dann zogen die Soldaten ab, Friede und Ruhe kehrte ein... und bald darauf folgte eine neue Armee, die sich genauso schändlich verhielt. ... und der Schrecken begann erneut...

    Aber Schwester Magdalena leistet Widerstand: auch auf die äußerst dringende Forderung, das Kloster zu verlassen, bleibt sie standhaft und hält mit nur wenigen Mitschwestern der Belagerung stand, aber neben der Wut resigniert sie auch langsam: „Wie oft müssen wir Säben noch an den Feind verlieren? Wie oft werden sie noch unseren heiligen Raum beschmutzen und alles, was uns lieb und teuer ist, mit Füßen treten?“ (S. 183) Sie entschließt sich, über die Berge nach Bozen zu wandern und zu klettern, um den französischen Kommandanten um Hilfe für das Kloster zu bitten. Um auf ihrem Weg nicht aufzufallen und um überhaupt vorgelassen zu werden, stiehlt sie im Kloster eine französische Armeeuniform... Der General Fenner empfängt sie und gibt wenig später tatsächlich den Befehl, dass die Truppen aus Säben abziehen, so dass das Kloster Säben noch 200 Jahre weiter existieren konnte (lt. Wikipedia wurde das Kloster erst 2021 wegen Nachwuchsmangels geschlossen).

    Mich hat Schwester Magdalena – so wie sie die Autorin beschrieben hat - beeindruckt, sie war für mich keine „Heilige“, sondern ein pragmatischer Mensch, mit beiden Beinen fest auf der Erde (und nicht im Himmel). Sehr gut gefallen hat mir, dass sie z.B. auch fluchen konnte...

    Mir war Magdalena sympathisch und ich habe ihren Kampf besorgt begleitet (obwohl ich gestehen muss: die Protagonisten in den anderen Romanen von Frau Oppenlander standen mir menschlich näher) und es gefällt mir, dass diese mutige Frau jetzt durch diesen Roman nicht in Vergessenheit gerät! Ein schönes Buch, dass mir spannende und unterhaltsame Lesestunden beschert hat und dass ich gern weiterempfehle!





    Das war eine Geschichte genau nach meinem Geschmack!!!

    Wie ich schon mehrmals erwähnt habe (sorry, es tut mir leid für die Wiederholungen!) bin ich ja nicht so für Kurzgeschichten, aber was mir aufgefallen ist: bei Kurzgeschichten ist fast jedes Wort wichtig, weil sie auch viel zur Stimmung beitragen müssen: in Romanen kann der Autor / die Autorin die Stimmung "beschreiben" , in Kurzgeschichten muss der Leser / die Leserin sie selbst "erfühlen"... Oh, sehr kompliziert ausgedrückt - versteht Ihr, was ich meine?

    Und hier ist es m.E. wieder mal großartig gelungen: auf der einen Seite die bittere Kälte, die Angst vor Entdeckung, die (Lebens-) Gefahr - dagegen auf der anderen Seite die weihnachtliche Tradition, die Wärme, die Gemütlichkeit (einschl. des angeschwipsten Sohnes), kurz: das, was Möbelhäuser etwas inflationär gern als "hyggelig" bezeichnen...

    Besonders der Schluss hat es mir angetan: dass Pedersen noch einmal rausgeht und sieht, dass es aufgeklart hat (jetzt wäre die Flucht gefährlicher oder gar unmöglich), seine Gedanken... Ja, es ist ein Märchen, aber ein wahres, auch das gibt es...

    An den Winter selbst habe ich keine Erinnerung, aber an der Ostseeküste sieht man häufiger Fotos in Rathäusern, Restaurants etc. von der zugefrorenen Ostsee -beeindruckend die aufgetürmten riesigen Eisschollen... Und die Geschichte dieser Flucht habe ich als sog. Tatsachenbericht schon mal gelesen, ich glaube, bei der Berichterstattung zum Mauerfall... Aber so war sie natürlich viel schöner...

    Eine wunderbare Geschichte, die mir ausgesprochen gut gefallen hat!

    die uns Oberwallisern mit in die Wiege gelegt wird, zusammenhängt

    Ich muss gestehen, ich habe eben googeln müssen, wo genau Wallis liegt...

    Ich finde es schön, wenn Dialekte gepflegt werden, in meiner Generation waren sie fast ausgestorben (Klassenkameraden haben zwar erzählt, dass ihre Eltern zu Hause nur - oder fast nur - Plattdeutsch sprechen, aber das mit einem leichtem Naserümpfen), aber jetzt kommt es langsam wieder: in Hamburg gibt es einige Grundschulen, da lernen die Kinder ab der 3. Klasse Plattdeutsch.

    Mir gefällt gerade gut, dass man sich über die Vorgeschichte und die Konsequenzen seine eigenen Gedanken machen kann und mir nicht alles mundgerecht serviert wird - aber das ist Geschmackssache.

    Ich bin wahrlich kein Fan von Kurzgeschichten, aber das ist mir jetzt auch bei diesen Geschichten aufgefallen: die Phantasie des Lesers / der Leserin ist stärker gefordert, der Autor / die Autorin schreibt die schnöden Fakten, bei Vor- und Nachgeschichte sind wir selbst gefordert - eigentlich auch nicht schlecht...