Beiträge von Bookworld91

    Viele Fragezeichen


    Immer mehr Bücher schreiben über Kinder, die im Feriencamp sterben (jüngst Der Gott des Waldes und Der Sommer am Ende der Welt). Doch was, wenn eine erwachsene Frau vom Campingplatz verschwindet? Das ist die Ausgangslage in „Der Trailer“.


    Frieda Stahnke ist eine suspendierte Hamburger Kommissarin. Sie nimmt an einem Podcast teil, um den Vermisstenfall Lisa Martin voranzutreiben. Jemand, der etwas wissen könnte, ist der Kölner Barbesitzer Wout Mertens, der zur gleichen Zeit auf den Campingplatz war. Doch er schweigt beharrlich…

    Ein Podcast, der eine entscheidende Rolle in einem Thriller spielt? Dann sind ja direkt zwei meiner Lieblingsmedien verknüpft! Entsprechend motiviert habe ich mich an die Lektüre gemacht. Der Fall ist, auch durch Fridas Suspendierung, sehr brisant. Mir scheint, als würde manch einer (Fridas früherer Vorgesetzter, Wout, andere Zeugen) die polizeilichen Ermittlungen behindern wollen. Das macht die Ausgangslage für mich sehr spannend.

    Wodurch die Spannung untermauert wird sind die detailreichen Beschreibungen. Das Camp und auch die Gegend wo Frida unterwegs ist werden wortreich beschrieben. Hervorzuheben gilt es hier, dass eine dunkle Atmosphäre auf dem Campingplatz entsteht. Die Grundlage für einen spannenden Thriller ist geliefert.

    Leider bleiben die Charaktere auf der Strecke. Sie werden nie intensiv beschrieben sondern immer nur an der Oberfläche gekratzt. Das ist aus meiner Sicht sehr schade, da ein Thriller von seinen vielschichtigen Charakteren zusätzliche Spannung erhalten kann. So bleiben zum Beispiel Handlungsmotive größtenteils unklar. Wout zum Beispiel ist für mich ein Rätsel. Ebenso verstehe ich Fridas Suspendierung nur bedingt.


    Insgesamt ist das Werk solide. Ich freue mich auf den zweiten Teil der Reihe- vielleicht erfahre ich hier mehr über die Charaktere und ihre Beweggründe?

    Zwei Zeitebenen


    Viele Kinder aus den letzten Kriegsjahren kennen nicht ihre komplette Familiengeschichte. Teils wachsen die Kinder ohne Vater oder bei Adoptiveltern auf und erfahren die Wahrheit erst Jahre später. So auch in „Die Verlorene“ von Miriam Georg.


    Lauras Großmutter Änne stirbt nach einem Sturz. In ihren Nachlass finden sich Dokumente, die Laura und ihre Mutter Helen stutzig machen. Die Enkelin begibt sich auf Spurensuche in Schlesien…

    Im Schlesien der 1940er Jahre lebt Änne mit ihrer Zwillingsschwester Louise und den Eltern. Zwangsenteignung, Tod, Armut und Kriegsgefangene als Arbeitskräfte stehen auf der Tagesordnung. Doch was sind das für Anfälle, die Änne hat? Und warum muss sie sich verstecken?

    Ich finde den Roman sehr beeindruckend. Es gelingt, eine Brücke zwischen den damaligen Schlesien und Deutschland in der Gegenwart zu bauen. Änne und Laura sind starke Protagonistinnen auf der Suche nach Wahrheit, was damals wie heute ein relevantes Thema ist. Georg gelingt es, die beiden Zeitebenen durch Themen wie Familie, Schwangerschaft, Generationskonflikte und Ähnliches zu verweben. Jede Zeit stellt die Probleme auf ihre Weise dar, aber im Kern sind sie ähnlich.


    Schlimm finde ich persönlich, dass Änne sich damals verstecken musste und selber nie erfahren hat, warum. Sicher, Kinder mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen wurden damals getötet, aus heutiger Sicht versteht man das Versteckspiel, aber Änne war sich über ihre Krankheit nicht selber bewusst. Sie hatte nicht die Möglichkeit, sich behandeln zu lassen- auch später nicht, als es Therapie gab.


    Ein weiterer für mich wichtiger Aspekt ist der Fakt, dass generell nicht aufgearbeitet wurde. Laura und Helen wissen gar nichts über die Jugend ihrer Mutter und Oma. So viel Wirrwarr ist zwar nicht unüblich, allerdings sehr belastend. Auch für Änne muss es eine Qual gewesen sein, nie darüber zu sprechen. Sie kannte es vermutlich durch das Versteckspiel nicht anders, allerdings führen mir gerade solche Geschichten vor Augen, wie drastisch es damals war.

    Ich mochte den Roman sehr gerne. Nicht zu aufgeregt, aber mit der nötigen Distanz und Tiefe wird von einer Familie berichtet, die exemplarisch für viele steht. Ich gebe fünf Sterne.

    Ruhig


    Als Schriftsteller kommt es nicht selten vor, dass man das Landleben bevorzugt. So auch Johanne in „Spät am Tag".

    Nach der Scheidung ihrer ersten Ehe sucht Autorin Johanne einen Neuanfang. Aus der quirligen Stadt zieht sie aufs Land, wo sie bei Mikael ein Zimmer mietet. Nichts ahnend, dass sie sich in Mikael verliebt und bei ihm bleibt…

    Ich muss gestehen: ich liebe Norwegen. Ich selber habe dort ein halbes Jahr zum Studium in einer Kleinstadt gelebt und besonders die Natur und den Fjord sehr gemocht. Entsprechend hat mich „Spät am Tag“ direkt in den Bann gezogen. Es ist ein ruhiges, unaufgeregtes Buch, was die Konflikte mit Mikaels Ex- Frau und die Zerrissenheit seiner Tochter zwischen ihren Eltern authentisch beschreibt. Spannend finde ich persönlich, diese Konflikte aus der Sicht der Beobachterin Johanne zu verfolgen, die ihren Platz in den Konstrukt sucht. Da passt der leise, unaufgeregte Schreibstil perfekt.

    Hinzukommt, dass der Schreibstil im Einklang mit dem Setting ist. Johanne und Mikael leben auf dem Land und es ist ruhig und still. Vor allem seit Mikaels Tod verspürt Johanne die Nähe zur Natur. Als es dunkel wird, ist sie bedrückt und traurig und verweist gekonnt auf Schriftsteller, die sich dazu geäußert haben.

    Ich bin vollends zufrieden mit diesem leisen Roman. Mir fehlt nichts und ich kann in die Welt von Johanne und Mikael abtauchen. Fünf Sterne von mir.

    Das Leben ist ein Rätsel


    Was hat es mit einem Buch voller Rätsel auf sich? Diesen besonderen Phänomen widmet sich „Die Bibliothek meines Großvaters“.

    Die Lehrerin Kaede findet alte Zeitungsausschnitte in einem Buch. Für sie öffnet sich eine Welt der Rätsel- nähergebracht von ihrem an Demenz erkrankten Großvater. Doch was hat es mit diesen Rätseln auf sich?

    Ich finde das Buch spannend. In jedem Abschnitt werden wir mit einem neuen Rätsel konfrontiert und die Lösung ist nicht immer die, die es scheint. Kaedes Großvater motiviert zum um die Ecke denken, zum Hinterfragen von Fakten und zum Überdenken der eigenen Prinzipien. Das Buch ist insgesamt spannend und unterhaltsam geschrieben, ohne zu tief in die Hintergründe der Rätsel einzutauchen. Auch Kaedes Familiengeschichte wird in das Buch eingebaut, sodass das Buch für mich zwischen Krimi und Roman anzusiedeln ist. Da ich beide Genres gerne lese, gefällt mir das prima. Was mich allerdings beim Lesen gestört hat ist einerseits die fehlende Tiefe bei Kaedes Familiengeschichte und zum anderen das es eine aus der Luft gegriffene Referenz zu einer modernen populären Reihe gibt, die sich mir nicht erschließt. Diese Referenz repräsentiert aus meiner Sicht zudem, dass einiges in die Länge gezogen wird.

    Insgesamt jedoch ein interessantes Buch mit wichtigen Themen (verschiedene Formen von Demenz, Rätsel) mit leichten Optimierungsbedarf. Ich gebe vier Sterne.

    Landleben


    Jeder Umzug bedeutet eine Veränderung. Wenn mit dem Umzug eine Schwangerschaft sowie die Kündigung einer Arbeit einher gehen, sind Konflikte vorprogrammiert. So auch in Hannah Lühmanns Roman „Heimat“.

    Jana und ihre Familie ziehen aufs Land. Hier lernt sie für sie ganz neue Lebensweisen kennen: statt zu arbeiten, sind die meisten Nachbarinnen Hausfrauen und Mütter, allerdings mit Instagram und co. Jana beginnt, an ihren eigenen Grundsätzen zu rütteln- welches Leben möchte sie für sich und ihre Familie?

    Ich finde den Roman sehr interessant. Nicht nur der Kulturclash zwischen der arbeitenden Mutter Jana, die ihren Job wegen der Schwangerschaft aufgegeben hat, und ihrer Nachbarin, Hausfrau Karolin, zeigt Konfliktpotenzial. Auch Janas Mann und dadurch auch die Beziehung des Paars verändern sich. Jana ist ein facettenreicher, nachdenklicher Charakter, die mich als Leserin zum Denken bringt. Das ganze wird anschaulich und gefühlvoll zugleich von Lühmann beschrieben. Insgesamt ist die Umsetzung super gelungen, allerdings ziehen sich speziell die Instagram Szenen oder auch die Situationen auf dem Spielplatz manchmal ein wenig in die Länge. Anderes bleibt ungeklärt: wie ist Karolins häusliche Situation wirklich? Und was ist der wirkliche Wunsch der Hausfrauen und Mütter? Ich gebe den Roman insgesamt vier Sterne und freue mich über weitere Bücher der Autorin.

    Der letzte Drink


    Es ist eins der bekanntesten und geschichtsträchtigsten Hotels in Paris: das Ritz. Dort mixte während des zweiten Weltkriegs Frank Meier die Drinks für namenhafte Gäste. Doch er trägt ein Geheimnis mit sich herum. In „Der Barmann des Ritz“ beschreibt Philippe Collin den Alltag des Barkeepers.

    Frank Meier kommt ursprünglich aus Österreich und ist über Amerika ins Ritz gekommen. Er mischt Drinks für die prominenten Gäste des Ritz genauso wie für die deutschen Soldaten. Was niemand wissen darf: er ist jüdischer Abstammung. Jeder Drink, den er mischt, könnte sein letzter sein. Zwischen Soldaten und Göbels versucht Meier, den Schein zu wahren und zugleich sein Wissen für sich zu nutzen. Doch ein Eklat droht…

    Ich habe mich gut ins Buch eingefunden. Frank Meier ist eine reale Person, über die einige Fakten bekannt sind. Diese Fakten verknüpft Collin in seinem Werk mit fiktiven Tagebucheinträgen Meiers. Es ist keine lustige Unterhaltungsliteratur, sondern eine sachlich erzählte Möglichkeit, wie es damals gewesen sein könnte. Der Erzählstil ist daher sachlich- nüchtern, was wirklich gut zu den Buch passt. Allerdings fehlt es nicht an Spannung, die durch brenzlige Situationen entsteht. Die Kriegsereignisse sind ebenso realistisch wie nüchtern beschrieben.

    Allerdings geht Collin wenig auf das gesellschaftliche Leben außerhalb des Ritz ein. Wie es den übrigen Franzosen ging, dass es Verräter auf beiden Seiten gab und die drastischen Versorgungszustände kommen deutlich zu kurz. Stattdessen wird in Längen und detailreich von den Abenden im Ritz erzählt. Leider zieht sich dies teilweise in die Länge.

    Frank Meier ist eine authentische Hauptfigur. Klug, gewitzt , aber auch berechnend meistert er die Schwierigkeiten, mit denen er als Jude in Paris konfrontiert wird. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einiges wahrhaftig wie beschrieben abgelaufen ist. Insgesamt bin ich fasziniert von der Geschichte, auch wenn das manches in die Länge gezogen wird. Ich vergebe vier Sterne.

    Skandale


    Ein Sommer auf Borkum sollte für Journalistin Hannah in „Der Sommer am Ende der Welt“ eine Recherche Reise sein. Es wird die persönlichste Reise ihres Lebens.


    Hannah möchte sich mit dem Thema Verschickungskinder beschäftigen. Dafür reist sie mit Tochter Katie nach Borkum. Vor Ort trifft sie vor allem auf Widerstand- und erhält Unterstützung vom charismatischen Inselarzt Ole. Doch auch Oles Familie ist mit den Schicksal der Kinder verbunden…


    Das Thema Verschickung wird in dem Roman gut eingeführt. Fiktive mit verschickten Kindern sowie Tagebucheinträge und das Schicksal von Hannahs Mutter bauen eine Verbindung zu damals auf, als in den 60er Jahren Kinder nach Borkum geschickt wurden. Verwoben sind die Tagebucheinträge und Interviews mit den Erlebnissen von Hannah in der Gegenwart, was durch ihren Recherche Bezug durchgängig gelingt. Auch der Mutter- Tochter Konflikt reiht sich wunderbar in die Thematik ein.

    Was allerdings wirklich nicht abzusehen war ist wie tiefgreifend die Problematik ist. Ich bin sehr schockiert über den geschilderten Umgang mit den Kindern und auch über die Medikamente, die getestet wurden. Für mich zeigt vor allen Ole große Stärke, als er sich von der kriminellen Vergangenheit seiner Familie distanziert.

    Der Roman ist sehr angenehm geschrieben und weißt aus meiner Sicht viel Spannung durch unvorhergesehene Wendungen auf. Sicher, die meisten verschickten Kinder denken nicht mehr an die Zeit, doch es sollte nicht vergessen werden. Das hätte aus meiner Sicht mehr betont werden müssen. Ich gebe dennoch fünf Sterne.

    Sanfte Lektüre

    Eine vernichtende Kritik kann schnell zum Aus führen. Restaurants sind dabei keine Ausnahme. Was aber, wenn es das Aus für die Kritikerin ist? Darum geht es in „A Taste of Cornwall“.


    Journalistin Sophie hat eine vernichtende Kritik über das Restaurant von Model Annabelle geschrieben. Die Konsequenz von ihrem Vorgesetzten: sie soll einen Pub in Cornwall auf Vordermann bringen. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer pubertierenden Tochter begibt sie sich auf die Reise…

    Ich musste beim Lesen mehrmals laut los lachen. Katharina Herzog hat die Situationen (das Heim!) mit viel Humor und Liebe zum Detail geschrieben. Ich habe mich wirklich sehr gut unterhalten gefühlt. Toll fand ich auch, dass ich Sophie bei ihrer Reise inklusive Veränderungen begleiten durfte. Anfangs bin ich nicht richtig warm mit ihr geworden, aber am Ende fand ich sie klasse.

    Jemand, mit dem ich gern mal eine Tasse Tee trinken würde, ist Sophies Mutter. Die ältere Dame hat viel erlebt und gelangt immer wieder in urkomische Situationen, die ich gerne lese. Gewiss ist dieser unterhaltsame Sommerroman nicht besonders anspruchsvoll und ein wenig vorhersehbar, aber ein wunderbarer Lesestoff für den Urlaub- vielleicht sogar in Cornwall? Für mich ganz klar vier Sterne.

    Hummer


    Drei Frauen, die alle mit ihren Schicksalen hadern. Was sie verbindet, ist das Fischen von Hummern.

    Ann ist über 70 und hat vieles erlebt. Doch eine Frau, die am Strand abgespült wurde ist für sie und die Mitfünfzigerin Julie etwas komplett Neues. Sie nehmen die junge Frau, Mina, bei Ann auf und bringen ihnen die Hummerfischerei näher. Dabei lernen die drei sich immer mehr kennen…

    Ich habe mich direkt in die Story eingefunden. Es war für mich sehr spannend, wie sich die einzelnen Geschichten entwickelten. Dabei spielen Vergangenheit und Gegenwart zusammen, um ein Mosaik zu vervollständigen. Dabei gewinnen die einzelnen Geschichten an Tiefe. Gefühle nehmen eine genauso große Rolle wie Geheimnisse und Altlasten. Ich habe das Buch mit seiner leisen, ruhigen Erzählweise sehr gemocht, auch wenn nicht immer alles in Tiefe besprochen wurde. Fünf Sterne.

    Wichtiges Thema


    Glaubt man einschlägigen Medienberichten, so handelt es sich bei einem „Loverboy“ um einen jungen Mann, der Frauen die großen Gefühle vorgaukelt, um sie zum Beispiel zur Prostitution zu zwingen. Wie wird solch ein heikles, brisantes Thema literarisch umgesetzt?

    Lola freut sich für ihre Mitbewohnerin Vivi, als diese einen Partner findet. Doch rasch stellt sie Veränderungen fest- ehe Vivi eines Tages verschwindet. Was hat Pascal dal zu tun? Und wer ist der mysteriöse Elias?

    Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass das Thema Loverboys sehr wichtig ist und dringend mehr Präsenz und Präventionsarbeit benötigt. Daher habe ich mich sehr über Antonia Wesselings Buch gefreut. Die Idee ist super und auch der Einstieg in die Geschichte gelingt mir gut, was vor allem an Wesselings sehr beschreibenden und figurativen Schreibstil liegt.

    Allerdings wird es im Verlauf sehr verwirrend. Wer hat welche Rolle? Und wessen Motiv ist ehrlich? Das aufgebaute Konstrukt ist mindestens genauso brisant wie die Thematik. So bleibt es für mich unklar, was Vivis eigentlicher Wille ist und inwiefern sie sich Pascal unterordnet. Ähnliches gilt für Elias- sein Geheimnis bleibt lange im Verborgenem und wird auch nie aufgearbeitet, was ich sehr schade finde.

    Insgesamt entsteht bei mir der Eindruck, dass dieses Buch zu viel will und dabei wichtige Aspekte auf der Strecke bleiben. Ich gebe vier Sterne und hoffe auf ähnliche Bücher.

    Trauerarbeit


    Ein Trauerfall erschüttert meist das komplette Umfeld. Wenn jemand unerwartet (zum Beispiel durch ein Unglück oder einen Anschlag) stirbt, ist dies umso gravierender, wie der Roman „Eden" verdeutlicht.


    Sofie steckt mitten in der Pubertät. Sie geht zur Schule, shoppen, hält Referate und hört gern Musik. Als ihr Vater sie mit Konzerttickets für ihre Lieblingssängerin überrascht, kann niemand die verheerenden Vorkommnisse an diesen Abend erahnen…

    Ich mag das Buch sehr gerne. Wagner beschreibt eher ruhig und unaufgeregt, aber sehr authentisch, welche Folgen Sofies Tod für ihre Familie und Freunde, aber auch die Gesellschaft hat. Speziell die Sicht von Toby, Sofies Mitschüler mit aggressiven Vater, ist spannend, da sein Vater Menschen mit Migrationshintergrund offen ablehnt und Toby so immer mehr Zweifel rutscht. Auch Sofies Vater, der die Situation schwer begreifen kann, ist eine interessante Figur. Von Alleingängen über Kennenlernen der Täter passiert bei ihm viel. Eventuell zu viel? Die Themen wie Rechtsdruck, Attentate und Trauerarbeit werden leider nur oberflächlich besprochen. Viel hätte noch intensiviert werden können. Da ich das Buch insgesamt als authentisch und wichtig einschätze, vergebe ich dennoch vier Sterne.

    Zwischen England und Sri Lanka


    Ein Erbe führt manchmal zur Aufdeckung von alten Geheimnissen. Was hat es mit dem Schmuck der Vorfahren auf sich? Was birgt zum Beispiel das Notizbuch? So ergeht es Lali in „Die Nelkentochter“.

    Lali lebt mit ihren Vater in Cornwall. Nach einem Todesfall erhält sie das alte Notizbuch ihrer Großmutter. Was hat es damit auf sich? Und kann es Lali erklären, warum ihre Mutter nach Sri Lanka abgehauen ist? Lali begibt sich selbst auf die Suche- und erlebt einige Überraschungen….

    Ich habe die Vorgängerbände des Romans beide vor einiger Zeit gelesen. Doch bereits nach wenigen Seiten bin ich wieder in der Welt aus Blumen und Familiengeheimnissen angekommen. Der lockere, beschreibende Schreibstil holt mich ebenso ab wie die Charaktere und die Settings. Vor allem die detaillierte Beschreibung von der Natur und dem Volk in Sri Lanka ist sehr intensiv. Durch das geheimnisvolle Tagebuch kommt neue Spannung in die Geschichte, die in Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen erzählt wird. Es ist eine leichte, unterhaltsame Sommerlektüre ohne zu viel unnötiges Drumherum oder überspitzte Darstellungen . Ich gebe fünf Sterne.

    Dominanz


    In englischsprachigen Ländern, speziell Großbritannien und Amerika, sind Stand up comedy shows und ähnliches Gang und Gäbe. Genauso wie es Kritiker gibt, die solche Shows bewerten. Was da passieren kann? Beispielhaft wird es in „Standing Ovations“ beschrieben.

    Hayley ist Performerin und hofft auf Applaus und Lob, als sie auf einen Festival in Edinburgh auftritt. Gute Kritiken sind ebenso gerne gesehen. Doch Kritiker Alex Lyons zerreißt die Show anderen Tags. Hayley schwört Rache und weiß ziemlich schnell, wie…

    Das Buch startet leider etwas mau. Ich habe anfangs Schwierigkeiten gehabt, reinzukommen und der Lesefluss war eher zäh. Als der Plan gefasst war und die ersten Damen „im Boot“, ging es deutlich besser. Anschaulich wurde Alex Masche dargelegt. Es wurde viel diskutiert und offenbart, was hinter verschlossenen Türen passiert. Interessant ist auch Alex Kollegin Sophie, die ihn erst deckt, dann jedoch selber Zweifel an ihren Kollegen und Männern im allgemeinen bekommt. Die Themen sind sehr wichtig und ich finde es klasse, wie Hayley zurückschlägt. Allerdings ist das Buch streckenweise recht langatmig, was der Thematik wirklich schadet. Ich vergebe durch den zähen Fortschritt 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde.

    Top


    Ein toter Schüler mitten im nirgendwo. Alte Wunden, die noch offen sind. Was is passiert? Darum geht es in „Gerächt sein sollst du“.


    Jonas ist siebzehn und wurde in einem finnischen Küstenort ermordet. Anfangs deutet vieles auf Suizid hin, doch schnell steht für Kommissar Mats und Journalistin Eevi fest, dass es Mord ist. Sie ermitteln verdeckt und offen, was wirklich passiert ist und stoßen auf das ein oder andere gut gehütete Geheimnis…

    Ich finde den Krimi sehr gelungen. Von der Abgeschiedenheit des Tatorts über die verschiedenen Ermittlungen beziehungsweise Recherchen inklusive der großen Bedeutung von Mittelsmännern und Kontakten ist alles dabei. Das große Drama wird zum Ende hin immer deutlicher. Eine alte Sehnsucht nach Rache spielt hier genauso eine große Rolle wie Gruppenzwang und der Einfluss von Drogen und Alkohol. Der Schreibstil ist anschaulich und spannend, dabei jedoch immer noch unterhaltsam. Ich habe nichts zu kritisieren und gebe fünf Sterne.

    Gefühle


    Wenn deine Karriere an einem Tiefpunkt ist, ist eine Auszeit keine schlechte Idee. So auch bei Ballerina Allie in „Variation“.


    Allie verletzt sich bei einer Aufführung und soll pausieren. Im Sommerhaus ihrer Familie wird sie mit vielen Geheimnissen konfrontiert. Eine Person, die eng mit einigen Geheimnissen verbunden ist, tritt in Form ihres besten Freundes Hudson Elliot auf den Plan. Und dann sucht Hudsons Nichte ihre leibliche Mutter.

    Ich habe vergangenen Sommer mit großem Vergnügen Alles, was ich dir geben kann von Rebecca Yarros gelesen. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an ihren neuen Roman. Dieser startet mit ordentlich Spannung und Wumms, als Hudson Allie und ihre Schwester rettet. Nicht nur, das erste Geheimnisse angedeutet werden, es werden auch angespannte Familienbeziehungen angedeutet, wenn auch nicht ausgesprochen. Das ist prinzipiell ein guter Spannungsfaktor, kann allerdings auch negative Auswirkungen haben. Je weiter die Story voranschreitet, desto mehr Geheimnisse werden aufgedeckt, auch wenn eins über das ganze Buch präsent ist: fehlende Kommunikation. Allie schweigt lieber über ihre Probleme und Elliott zeigt wenig Interesse daran, seine Gefühle zu zeigen. Das ist aus meiner Sicht ein großes Manko für die Story, denn die unausgesprochenen Geheimnisse ziehen den Roman unnötig in die Länge.

    Abgesehen vom Schweigen ist die Story echt süß und romantisch. Die beiden nähern sich gemächlich an, werden teils zurück geworfen, um am Ende ihr Schweigen zu überwinden. Dazu passt der Schreibstil von Rebecca Yarros, der intensiv und gefühlvoll ist. Sei es Verzweiflung, Frust oder verliebt sein- die ganze Palette ist dabei. Ich vergebe insgesamt vier Sterne.

    Zwei Welten


    Eine Journalistin verliebt in einen Hollywoodstar? Das birgt einiges an Brisanz. Vor allem, wenn die beiden ein tiefes Geheimnis verbindet wie in „Und plötzlich ist es wunderbar“…

    Edie ist Journalistin für ein Online Magazin und hat sich von Schauspieler Elliot aufgrund der Entfernung Amerika- London getrennt. Doch dieser möchte sie nicht gehen lassen. So entwickelt sich die Beziehung der beiden zwischen Fettnäpfchen und unterhaltsamen Episoden. Von der Schikane auf Edies Arbeit über die Hochzeit von Elliots Bruder ist viel dabei. Manchmal sind die Situationen so klischeehaft oder überspitzt, dass es mir schwer fiel, weiter zu hören, allerdings überwiegt für mich der sehr unterhaltsame Teil. Dieser wird durch den lockeren, lustigen Schreibstil unterstützt.

    Die Beziehung der beiden hingegen ist problematisch, um es gelinde auszudrücken, und keiner der Protagonisten hat Interesse, daran zu arbeiten. Viele Kindereien und mangelnde Kommunikation sind an der Tagesordnung, was bei mir zu Augenrolllen führte. Dabei hat die Beziehung durchaus Potential (Überraschungen, sich mit den Gepflogenheiten des Partners auseinandersetzen etc.). Das fehlt mir persönlich ein wenig.

    Insgesamt gebe ich mit zugekniffenen Augen vier Sterne und freue mich auf weitere Bücher der Autorin.

    Reise



    Was, wenn ein nahestehender Mensch verschwindet? Von einer Reise nicht zurückkehrt? Damit hat Anne in „Sunbirds“ zu kämpfen.


    Annes Sohn Torran ist vor einigen Jahren verschwunden. Nun sucht sie gemeinsam mit ihrer Nichte, Journalistin Esther, nach dem Vermissten. Dabei erlangen die Frauen stets neue Erkenntnisse…

    Ich finde den Roman sehr ansprechend. Eher ruhig und einfühlsam wird die Reise von Anne und Esther geschildert. Die Überlegungen der beiden Frauen regen dabei zum nachdenken an und holen den Leser ab, an der beschwerlichen und intensiven Reise teilzunehmen. Dabei lernt man einiges, zum Beispiel über Sonnenvögel oder das Leben in den Bergen Indiens. Spannend finde ich auch, dass auf Schicksale eingegangen wird und Torrans Verschwinden nur exemplarisch ist. Der Schreibstil passt perfekt, das es bildhaft und beschreibend ist, ähnlich wie ein Reisetagebuch. Super gemacht!

    Musik


    Musik ist sehr ausdrucksstark. Sei es Klassik wie Mozart oder Beethoven, Schlager wie Vicky Leandros oder Roberto Blanko oder gar Rap wie Bushido oder Usher. Wie viel Musik für das Leben eines jungen Mädchens bedeutet, zeigt „Durch das raue zu den Sternen“.

    Arkadia passt nicht zu ihren Altersgenossen. Sie ist musisch talentiert und möchte im Knabenchor singen. Unterstützung hat sie keine zu erwarten, ehe eine Musikerin ihr Talent erkennt und sie im Knabenchor unterbringt…

    Ich fand das Buch sehr berührend. Arkadias Situation am Rand der Gemeinschaft wird bildhaft dargestellt (ziehen an Haaren, Spott, Skepsis). Auch ihre Freundschaft zu einer alten Frau und das Zusammenleben mit ihrem Vater werden tiefgründig beschrieben. Der Schreibstil ist dabei ruhig und unaufgeregt, was zum Thema passt. Allerdings stockt die Story und es wird zwischendurch langatmig, zum Beispiel durch lange Sätze. Dadurch geht der Lesefluss teils verloren. Es erinnert mich quasi an ein Lied mit zu vielen Akkorden. Da die Thematik jedoch so wichtig ist, gebe ich vier Sterne.

    Episoden


    Eine Krankenschwester im besetzten Norwegen des zweiten Weltkriegs, die russisch spricht. Eine Zwangsarbeiterin aus der Ukraine, die in einem Lager in Norwegen arbeiten muss. Und eine junge Frau, die sich mit einem deutschen Soldaten anbandelt. Diese drei Freundinnen sind Protagonistinnen in Trude Teiges „Wir sehen uns wieder am Meer."


    Der Roman ist der dritte und letzte Teil von Trude Teiges Reihe über Juni Bjerkes Großmutter Tekla und ihre Geschichte, wobei sich dieses Buch Teklas Freundinnen und ihren Geschichten widmet. Birgit ist Krankenschwester, die in einem Krankenhaus auf dem Land ihren Dienst antritt. Schnell trifft sie die Ukrainerin Nadia, die in einer misslichen Lage ist. Allerdings ist auch Birgits Lage wenig besser- sie liebt einen russischen Soldaten…

    Ich finde das Buch an und für sich klasse. Birgit und Nadia sind starke Frauen, die ihren Weg versuchen, zu gehen. An ihnen wird exemplarisch gezeigt, welche Hürden es zum Ende des zweiten Weltkrieges und danach gab. So wird Nadia von der Familie des Vaters ihres Sohnes abgelehnt, weil sie Ukrainerin ist. Birgit hingegen arbeitet für die Amerikaner in Russland, wird jedoch als Spitzel abgestempelt und sogar inhaftiert, weil sie ihre Liebe aus Russland sucht, der sie hintergangen hat. Teige wählt eine gefühlvolle und authentische Sprache, um dies zu übermitteln.

    Allerdings geht ein Stück dieser Authentizität in der Übersetzung verloren. Benutzte Teige im Norwegischen Original noch deutsche und russische Ausdrücke für die Muttersprache der Soldaten, ist das in der deutschen Übersetzung nicht zu 100% umgesetzt. Dadurch kommt es zu einem ganz anderen Verständnis. Auch einige damals typischen norwegischen Floskeln, die im Original eingestreut sind, fehlen mir. So entsteht statt einem Bindeglied durch Birgit als Übersetzerin eine leichte Aneinanderreihung der einzelnen Episoden. Das ist sehr schade. So vergebe ich vier Sterne.

    Nervensache


    Egal wann man unterwegs ist- Staus kommen immer wieder vor. Vor allem in der Sommerhitze können die Nerven blank liegen. Doch was, wenn es im Stau zu einen Mord kommt? Darum geht es in „Der Stau“ von Jo Furness.

    Belinda „Billy“ Kidd ist eine Polizistin kurz vor dem Ruhestand. Als sie von einem sechsmonatiger Urlaub zurück kehrt, entsteht ein Stau- der stundenlang anzudauern droht. Während des Wartens entdeckt Billy eine Leiche alleine in einem Auto. Schnell steht fest, dass der Mann umgebracht wurde. Doch wer ist der Mörder?

    Mir hat die Locked Car Idee gut gefallen. Die Verkehrssituation ist nervenaufreibend und alltäglich zugleich, doch ein Mord bringt zusätzlich Brisanz rein. Fourness gelingt es, den Grad zwischen Ermittlungen und spürbarer Spannung darzustellen. Viele Schlüsselbegriffe, die immer wieder auftauchen (von früheren Inhaftierten über Verkehrsdelikte) verknüpfen die kurzen Kapitel und das meiste lässt sich gut lesen. Allerdings zieht sich die Handlung zwischendurch ordentlich und die Vielzahl der Charaktere (einige leider auch unwichtig, wie später klar wird) macht es schwer, den Ermittlungen zu folgen. Dadurch habe ich den Eindruck, das alles ein wenig konstruiert wirkt. Insgesamt gebe ich Dreieinhalb Sterne, wobei ich auf vier aufrunde.