Beiträge von Theresia Graw

    Dorothy kann ich hier überhaupt nicht verstehen, Rachel bräuchte so dringend ihre Unterstützung und ihren Rückhalt, aber statt ihr zu helfen, so gut sie es eben kann, fällt sie Rachel regelrecht in den Rücken.

    Was nützt das größte Staunen, wenn man weiß, dass alles kaputt geht.


    Richtig schockiert hat mich das Verhalten der Ärzte bei Rachels Krebsdiagnose, als ob erwachsene Frauen wie kleine Kinder wären, mit denen man nicht vernünftig reden kann, unfassbar.

    Das Verhalten der Ärzte fand ich auch sehr erschreckend. Aber es ist Rachel damals tatsächlich so ergangen - und vermutlich vielen anderen Frauen, weil sie irgendwie immernoch als "nicht ganz für voll zu nehmende" Menschen wahrgenommen wurden. Heute undenkbar - oder? Das Gespräch mit dem Doktor lief tatsächlich so ähnlich ab. Das habe ich in Rachels Briefen gelesen, von denen viele nach ihrem Tod veröffentlicht worden. Das war eine wichtige Quelle für mich, um ihren Alltag und ihre Gefühle mitzuerleben.

    Theresia Graw

    Darf ich fragen, wie eng Du Dich bei Deinem Roman an die echte Bio der Rachel Carson gehalten hast?

    Im Buch ist ja der Tod ihres Vaters mehr oder weniger eine direkte Folge des Börsencrashs von 1929, lt. Wiki mußte sie aber erst 1934 ihr Promotionsvorhaben aufgeben und ihr Vater verstarb 1935. :gruebel

    Das Buch ist ein Roman, der möglichst spannend zu lesen sein soll - und keine wissenschaftlich genaue Biografie, deshalb weicht die Geschichte tatsächlich bisweilen etwas von Rachel Carsons echtem Lebenslauf ab. Dazu steht mehr im Nachwort. In der Tat stirbt Rachels Vater bei mir einige Jahre früher als in Wirklichkeit. Das liegt vor allem daran, dass ich als Autorin von historischen Romanen unbedingt auf den Börsencrash von 1929 eingehen wollte, der ja so prägend war für die folgenden Jahre. Auch die Figur des Trevor habe ich erfunden, weil sich Konflikte einfach besser im Dialog und in der Begegnung schildern lassen, als nachzuerzählen, was Rachel Carson als junge Wissenschaftlerin erlebt ud gedacht hat. Andererseits habe ich ihre Biografie natürlich bis ins Detail studiert, und an anderer Stelle werdet ihr exakte Zitate und von menschlichen Begegnungen lesen, die sich tatsächlich so ereignet haben. Später erzähle ich gern mehr davon. Mir geht es darum, auf unterhaltsame Weise diese beeindruckende Frau vorzustellen, die bei uns so wenig bekannt ist und doch so viel geleistet hat! Am Schluss des Buches findet ihr eine Liste der Bücher und Texte, die ich für das Verfassen dieses Romans gelesen habe. Für alle, die danach noch mehr über Rachel Carson wissen wollen :-)

    Ich freue mich, dass ihr gut in die Geschichte hineingefunden habt. Ja, was die Rolle der Frauen damals anging, da musste ich beim Schreiben als "heutige" Frau oft mit den Augen rollen. Aber ich kenne es tatsächlich noch aus meiner Kindheit, diese Aufteilung: Vater arbeitet außer Haus, um das Geld zu verdienen, die Mutter bleibt besser daheim und kümmert sich um die Familie. Das kann man sich mittlerweile fast ger nicht mehr leisten... Aber noch in den 60er und 70er Jahren wurde das von den meisten Frauen so erwartet. Es ist viel passiert in den letzten Jahrzehnten, was Familienmodelle angeht!!

    Über das nächste Buch will ich noch gar nicht viel erzählen, weil es ja noch mitten im Werden ist, aber dass es wieder ein Einzelband sein wird, darf ich schon mal verraten. Ich schreibe seit ein paar Wochen daran - und es macht wieder so viel Spaß in eine vergangene Epoche abzutauchen…

    toll, dass du so happy mit der Lektüre bist - und danke für den ‚micheal‘ 🙈 irgendwas rutscht immer durch…. Wird ausgebessert!!

    Ja, hier habe ich auch wikipedia bemüht - außer dem Namen Bad Oeynhausen war mir nichts bekannt, z.B. wußte ich auch nichts über die "Stadt ohne Stufen". Aber das ist ja das schöne an vielen Leserunden: man lernt immer noch was dazu.


    Hier würde mich interessieren, ob Theresia Graw einen persönlichen Bezug zur Stadt hat/hatte. Falls das schon irgendwo stehen sollte, habe ich es bislang nur leider noch nicht entdeckt. ;)

    Ich stamme aus NRW, aber mit Bad Oeynhausen hatte ich bis vor Kurzem nichts zu tun. Ich stieß erst während meiner Recherche zur Nachkriegszeit meines Heimatlandes darauf: meine Lektorin vom Ullsteinverlag kommt von dort, und als wir vor zwei Jahren über mein Romanprojekt sprachen, erzählte sie mir, was ihre Oma nach dem Krieg mit der Sperrzone und den Besatzern mitgemacht hat. Ich dachte nur: kann doch nicht wahr sein, dass es aus diesem spannenden Umfeld noch keinen Roman gibt! Und schon sah ich die Figuren Anne und Rosalie vor mir, das Hotel, den Bauernhof, die Barackenstadt… Das, was die Oma meiner Lektorin damals erlebt hat, taucht allerdings nicht mehr im Roman auf. Es wäre einfach zu viel gewesen. 😅

    Tatsächlich war die Geschichte mit der Türklinke ein zeitlicher Zufall! Ich erfuhr davon, während ich das Nachwort schrieb! Verrückt - oder? Und erst ganz kurz vor meiner Premierenlesung in Bad Oeynhausen am 30. Juni - so sagte man mir da - wurde sie tatsächlich zurück gebracht. Eine Anekdote, die ich nicht so schön hätte erfinden können 😊 Das Feuer war aber von Anfang an Thema im Roman, weil es ein wichtiger Punkt der Stadtgeschichte ist. Und sich gut eignete als Situation, die Anne und Michael näher bringt.

    Die so gegensätzliche Versorgungslage war ein großes Streitthema in der Besatzungszone: Viele Deutschen warfen den Briten vor, es sich auf ihre Kosten gutgehen zu lassen. (Was die Briten natürlich abstritten.) Dass es innerhalb der Sperrzone so lässig zuging, hat mich bei der Recherche auch gewundert. Viele Infos habe ich durch eine umfangreiche TV Dokumentation der BBC über die Besatzungszeit bekommen, in der unter z.B. auch die Frauen der Soldaten zu Wort kommen und von den vielen Partys und Gesellschaften unter den Militärs berichten (das taucht im Roman auch noch auf…). Es scheinen wirklich zwei völlig verschiedene Welten gewesen zu sein. Wobei es dann mit der Verknappung der Lebensmittel in den Jahren darauf überall schwieriger wurde. - Und das Thema Gewalt gegen Frauen - ja, das erleben wir heute noch, dass so etwas im Krieg (und danach) schimmerweise an der Tagesordnung ist. Wobei es in der britischen Besatzungszone wohl kein großes Thema gewesen ist. Anders als in Berlin oder in Ostpreußen, als die Rote Armee dort einmarschierte. Letzteres thematisiere ich auch in meinem Ostpreußenroman „So weit die Störche ziehen“. Wenn man über den Krieg und die Flucht der Menschen vor den Kämpfen schreibt, kommt man um dieses Thema nicht herum. Aber - wie gesagt - die Briten galten schon damals als eher diszipliniert, Gewalt gegen Frauen war wohl eher der Ausnahmefall. Habt einen schönen Sonntag allerseits!

    Ich denke, du meinst Iris' Mann Diethart - und nicht Frank, der als britischer Soldat zurückgekommen ist, oder?

    Ich freue mich, dass ihr gut in die Geschichte reingefunden habt. Ich versuche, beim Schreiben immer, möglichst nah an meinen Figuren zu sein, damit es sich beim Lesen so anfühlt, als schaute man ihnen über die Schultern. Das Schwierige dabei ist, die Ereignisse und Gefühle konsequent aus der damaligen Warte zu schildern - und nicht aus dem Wissen, das wir heute haben. Wie haben die Menschen damals gedacht und gefühlt, nachdem ihnen jahrelang die Parolen der Nazi-Propaganda eingetrichtert wurden? Das ist eines der Themen von „Don’t kiss Tommy“: Wie diese jungen Frauen ganz allmählich „aufwachen“ und wie ihnen bewusst wird, was in den vergangenen Jahren in Deutschland los war. Die meisten Menschen empfanden das Kriegsende tatsächlich erst mal als „Zusammenbruch“ und nicht als „Befreiung“, wie wir heute. Für viele war es ein langer Weg zu erkennen, wie sehr sie in den Jahren der Nazi-Diktatur manipuliert wurden und was für grauenvolle Dinge geschehen sind. (Und manche haben es leider nie begriffen bzw. eingestanden.) Ich hatte das Glück, bei der Recherche für diesen Roman auf etliche Berichte und Tagebuchaufzeichnungen von Menschen zurückgreifen zu können, die das Ende des Kriegs in Bad Oeynhausen und die Übernahme der Stadt durch die Amerikaner und dann die Briten selbst miterlebt haben. Das hat mir sehr geholfen, ein Gefühl für die Stimmung in der Stadt zu bekommen, die ja durchaus widersprüchlich war. Aber etwas haben alle Einwohner gleichermaßen empfunden: Den Schock der Ausquartierung, nachdem man in den ersten Wochen nach dem Krieg so erleichtert gewesen war, dass Bad Oeynhausen die Bombennächte glimpflich überstanden hatte. Innerhalb weniger Tage musste die Leute sehen, wo sie blieben, alle Gewissheiten und Zukunftsplanungen waren über den Haufen geworfen. Das muss schon schlimm gewesen sein! - Von der Sperrzone und dem Hauptquartier der Briten dort hatte ich übrigens bis vor zwei Jahren auch noch nie etwas gehört, obwohl ich in NRW aufgewachsen bin. Erst als ich anfing, über die Nachkriegszeit in meinem Heimatland zu recherchieren, stieß ich darauf und fand, dass das eine tolle Vorlage für einen Roman ist. - Ich bin gespannt, wie es euch beim Weiterlesen geht.