Beiträge von Ida

    Klappentext (von Amazon):
    »Sie bereute nichts, das Leben war schön, grauenhaft, sanft und ohne Gnade und immer stärker als ihr Herz, das sich dagegen stemmte.«
    »Betty stellte sich vor, wie ihr Leben verlaufen wäre ohne den brutalen Eingriff von außen. Vielleicht hätte sie endgültig resigniert und wäre mit den Jahren eine freundliche, ein wenig zerstreute Frau geworden, die mit ihrem Kind spazierengeht, Romane liest, Gäste empfängt, Blumen in die Vasen ordnet und das Leben sanft und ohne Bedauern davonrinnen spürt. Eine von den vielen Frauen, deren Wille gebrochen ist und die gar nicht mehr wirklich sind.« Zwei Jahrzehnte sind vergangen, als eine Frau unerkannt in das Haus ihrer Familie zurückkehrt, das sie einst verlassen hat, um eine Ehe und eine Affäre aufzugeben. Nun steht sie ihrem ahnungslosen Sohn gegenüber ... «


    Über die Autorin:
    Link zur Eulen-Rezi für "Die Mansarde" mit ausführlicher Biographie


    Meine Meinung:
    1951 kehrt Betty Russel nach dem Tod ihres ersten Mannes in die Stadt nach Österreich zurück, in der sie zwanzig Jahre zuvor einen Suizid vortäuschte und sich aus ihrem damaligen Leben mit Mann und Kind davonstahl. Nun steht ihr Haus zum Verkauf. Sie gibt sich als Interessentin aus, lernt ihren Sohn und dessen Stiefmutter kennen, die als Mädchen ihre beste Freundin war und ihrem Kind eine bessere Mutter geworden ist als sie es je hätte werden können. Betty übernachtet im Fremdenzimmer, wo sie im Nachttisch alte Fotos und Postkarten findet, und erinnert sich an das kleine Mädchen Lieserl und an die junge Frau Elisabeth, die sie einst war. So weit die Rahmenhandlung.


    Die Erinnerungssequenzen machen den Hauptteil des Buches aus und zeigen die Entwicklung eines Mädchens im Österreich der zwanziger und dreißiger Jahre, ihre Gedanken, die Gefühlswelt, den Kampf gegen eine feindliche Welt, in der sie sich nur schwer zurechtfindet. Stets muss sie sich Regeln beugen, sei es in der Klosterschule oder später als Erwachsene. Sie stammt aus gutem Hause, würde gerne etwas Handfestes arbeiten und einen Mann heiraten, der körperlich schwere Arbeit an der frischen Luft verrichtet – undenkbar. Sie ist dazu verurteilt, sich auf adrettes Aussehen und das Arrangieren von Blumen zu beschränken. Elisabeth findet einen Mann, der im kaufmännischen Bereich tätig ist und den sie wirklich liebt. Er liebt sie auch, doch er schätzt viel zu sehr die Bequemlichkeit, um sich mit Elisabeth als Person und mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. So bemerkt er nicht, was an ihr frisst, dass sie krank wird am Nichtstun, an der Sinnlosigkeit. Denn Elisabeth liebt die Herausforderung. Schon als Kind wollte sie hinter die Fassade sehen, suchte sich Freundinnen, die nicht gegensätzlicher hätten sein können und an denen sie sich aufrieb, stellte den lieben Gott und die Regeln der Kirche in Frage. Sie war gewiss, dass sie eines Tages etwas Herausragendes leisten würde. Doch dieses Etwas kommt nie. Und es gelingt ihr nicht zu sehen, dass sie in all der Belanglosigkeit ihres Lebens etwas Besonderes ist.


    Sie hat eine besondere und genaue Beobachtungsgabe, kann alles, was sie sieht, hört und riecht analysieren, nimmt Dinge wahr, die anderen verborgen bleiben und stellt Zusammenhänge her. Doch sie fängt nichts damit an, wirkt so gelähmt, dass ich sie manchmal gern geschüttelt hätte, um sie zu sich zu bringen. Sicherlich wäre es nicht einfach gewesen, in dieser Zeit als Frau etwas anderes aus ihrem Leben zu machen, aber sie kommt über ein paar zögerliche Versuche nicht hinaus, und dann flüchtet sie ganz.


    Die Geschichte ist wahrscheinlich stark autobiographisch geprägt. Sie ist wenig spektakulär und schon gar nicht spannend, schließlich wird nur erklärt, wie Elisabeth dazu getrieben wurde, ihren Selbstmord vorzutäuschen. Was danach geschah, wird nur angedeutet, und ihr Glück hat Elisabeth, die sich dann Betty nennt, wohl auch später nicht gefunden.


    Aber die Geschichte ist wundervoll geschrieben. Wahrscheinlich nicht jedermanns Geschmack – ich jedenfalls bin darin versunken, vor allem in den Beschreibungen aus den Kindertagen, die Wunder und Schrecknisse der Welt. Hier ein Auszug:


    „Am Ende des Ganges lag das böse Zimmer … Wenn sie eintrat, spürte Lieserl zunächst gar nichts. Sie setzte sich auf einen der überzogenen Stühle und sah die Rosskastanie vor dem Fenster und dahinter den leuchtenden Himmel. Aber nach einer gewissen Zeit hörte das Zimmer zu lächeln auf und legte seine heuchlerische Freundlichkeit ab. Aus der eisernen Truhe begann das Böse in den Raum zu sickern. Es stieg bis an die Knöchel, und Lieserl musste die Beine hochziehen … Lieserl spürte die drohenden Blicke der Kommoden im Rücken, aber sie wagte sich nicht umzudrehen, denn man durfte die Truhe nicht aus den Augen lassen. So lange man den Blick starr auf sie gerichtet hielt, konnte sie sich nicht öffnen, blieb der schwarze Deckel geschlossen über dem Grauen … Eines Tages entdeckte sie im bösen Zimmer den kleinen Schemel, den irgend jemand aus Versehen dort hingestellt hatte. Seine Farben waren verblasst vom ausgestandenen Schrecken und seine kurzen Beine zittrig geworden. Lieserl trug ihn in ihr kleines Kabinett, und dort stand er jetzt, noch gebrochen vor Furcht, aber auf dem Wege der Genesung. Sie vergaß nie, ihn vor dem Zubettgehen zu streicheln …“

    Originaltitel
    The Center of Everything


    Über die Autorin
    Laura Moriarty hat an der University of Kansas studiert. Für ihre schriftstellerische Arbeit erhielt sie den George-Bennett-Preis der Universität New Hampshire. "Das Versprechen meiner Mutter", ist ihr Debütroman. Laura Moriarty lebt mit ihrer Tochter in Lawrence, Kansas, und arbeitet derzeit an ihrem dritten Roman.


    Link zu ihrer Homepage


    Meine Meinung


    Evelyn lebt in Kerrville, einem Kaff in Kansas, mit ihrer Mutter in einer Sozialwohnung. Ihren Vater kennt sie nicht. Sie weiß nur, dass sie die immer verschlafen aussehenden Augen von ihm geerbt hat. Und sie hat die Befürchtung, dass sie später als Erwachsene hässlich sein könnte. Doch sie hat auch noch andere Sorgen. Ihre Mutter ist ein wenig durchgedreht, der geschenkte VW Käfer bleibt manchmal stehen, sie hat nur wenige Freundinnen, der Nachbarjunge Travis ist nicht in sie verliebt, der Großvater hält ihre Mutter für ein Flittchen, weil sie mit 17 schwanger wurde, und die Großmutter behauptet, dass man geradewegs in die Hölle kommt, wenn man nicht an den lieben Gott glaubt. Sie hat es nicht leicht als Zehnjährige im Amerika der 80er. Die Beziehung zu ihrer Mutter ist kompliziert, und dann bekommt Evelyn auch noch einen Bruder. Wieder ohne Vater. Das neue Baby ist geistig behindert und die Familie wird endgültig zum Sozialfall. Trotzdem geht Evelyn ihren Weg in der Schule, sie ist intelligent und fleißig, und obwohl sie nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht, trifft sie es am Ende aus eigener Kraft besser als viele der Klassenkameraden, die sie beneidet hat.


    Evelyn und ihre Mutter machen eine bemerkenswerte Entwicklung. Die Mutter, die anfangs kaum die Verantwortung für sich selbst tragen konnte, schafft es mit Liebe, Geduld und Hingabe, dass der kleine Bruder es lernt, sich verständlich zu machen. Sie gibt einfach nicht auf, und so gewinnt sie auch Evelyns Respekt zurück und hält ihr Versprechen: ihre Tochter zu lieben.


    Die Ich-Erzählerin Evelyn zoomt Teile ihres Lebens ganz nah heran: Wir sehen getrocknete Haferbrei-Spritzer im Haar ihrer Mutter, riechen den Kleinstadt-Mief, sind zwischen Evolutionstheorie und Schöpfungsgeschichte hin und her gerissen. Sie hat aber auch den Blick für die weite Welt, verfolgt die Nachrichten, macht sich ihre Gedanken dazu und lässt uns an einem Teil der amerikanischen Zeitgeschichte teilhaben.


    Ein wunderbares Buch über das Erwachsenwerden oder besser: über das Wachsen.

    OT: The Diviners


    Aus der Amazon.de-Redaktion
    Mit Der Eissturm gelang ihm einer der besten amerikanischen Romane der 90er Jahre. Für sein neues, fast 600 Seiten umfassendes Opus hat sich Rick Moody sieben Jahre Zeit gelassen -- zu Recht, wie das Ergebnis beweist. Wassersucher breitet ein buntes Panorama der amerikanischen Gesellschaft vor uns aus, ist eine witzige Mediensatire, ein New York-Roman, und bietet zugleich auch die so intimen und entlarvenden Beschreibungen des Zwischenmenschlichen, die schon Eissturm zu einem unvergesslichen Leseerlebnis machten. Nach nur wenigen Kapiteln hängt man bereits am Haken dieses großartigen Schriftstellers, ganz so wie der Fisch auf dem Schutzumschlag, und wartet begierig darauf, was in den nächsten Kapiteln für Figuren und Wendungen auf einen warten.


    Von beidem hat das Buch reichlich zu bieten. Im Mittelpunkt stehen die Mitarbeiter einer kleinen New Yorker Film- und TV-Produktionsfirma mit ihren Sorgen und Süchten. Bei Besitzerin Vanessa -- "Minivan" -- etwa ist es der unstillbare Hunger nach Doughnuts und ihre alkoholkranke Mutter. Und natürlich die Suche nach dem sensationellen Projekt, das die kleine Firma endlich in andere ökonomische Sphären katapultieren würde. Ihr Kompagnon Thaddeus dagegen ist ein alternder Actionfilmdarsteller, der alle Frauen flachlegt, aber eigentlich davon träumt, ein anspruchsvolles Drehbuch zu verfassen. Des Weiteren treten auf: Ein schizophrener Fahrradkurier, eine aus Liebe Geld veruntreuende Buchhalterin, eine Bestsellerautorin, die ihre Freundinnen zu Botox-Partys einlädt, ein indischer Taxifahrer, der zum Regisseur aufsteigt, fast zumindest. In jedem Kapitel rückt Moody eine andere der etwa ein Dutzend Hauptfiguren ins Scheinwerferlicht seiner strahlenden Prosa. Dass man dabei zu keiner Zeit den Überblick und schon gar nicht die Leselust verliert, liegt an seiner Fähigkeit, Charaktere zu schaffen, die zwar nicht unbedingt sympathisch sind, die man aber nicht so schnell wieder vergisst.


    Running Gag des Buches ist jedenfalls ein sagenhaftes Drehbuch zu einer großen Fernsehsaga über Wassersucher, das einen Hype in der Branche auslöst: Jeder spricht darüber, jeder möchte mitwirken und meint, den Erfolg schon in der Tasche zu haben. Allein: es ist alles nur heiße Luft, das Drehbuch, der zugrunde liegende Roman und die zugehörige Autorin existieren alle gar nicht. Sich über die Medienbranche lustig zu machen, ist vielleicht nicht das aller Originellste, aber wenn es so unterhaltsam und zugleich sprachlich so hinreißend gut gemacht ist wie hier, haben wir da wirklich nichts dagegen.


    Autor:
    Rick Moody, geboren 1961 in New York, gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Amerikas, international bekannt machte ihn sein Roman "Eissturm", von Ang Lee mit Sigourney Weaver und Kevin Kline verfilmt. Nach seinem Gesellschaftsroman "Wassersucher" erschien auf Deutsch der hochgelobte Novellenband "Paranoia", eine neuerliche Beschäftigung mit der Psyche seines Landes. Rick Moody lebt in Brooklyn, New York.


    Meine Meinung:
    Wassersucher, das sind Rosas Großvater und der Vater ihres Großvaters, die die Gabe hatten, mit Wünschelruten Wasser und die richtigen Stellen für Brunnen zu finden.


    Wassersucher, das ist die Idee für das Epos, die Fernsehsaga, den welt- und zeitumspannenden Mehrteiler, die Idee einer Produktionsassistentin und eines abgehalfterten Actionhelden, die sich verwirklichen wollen.


    Wassersucher, das sind auch die Protagonisten dieses Romans. Vanessa, die Chefin einer TV-Produktionsfirma, sorgt sich um ihre alkoholkranke Mutter und ist süchtig nach Donuts. Jaspreet ist Autist und gefangen in sich selbst. Tyrone ist Künstler, schwarzes Adoptivkind weißer Eltern, schlägt sich als Fahrradkurier durch und gerät unter Mordverdacht… Sie alle sind auf der Suche nach etwas, das ihren Durst stillt.


    In den Weiten des Internets ist davon die Rede, dass dieses Buch eine Parodie auf die Absurdität des amerikanischen Filmgeschäfts sei, eine Satire, die von Situationskomik lebe.


    Für mich ist es vor allem ein Buch über die Suche nach einem Brunnen und über das Durststillen. Manche Passagen sind voller Schönheit und Weisheit, andere sind spröde, hart und keineswegs komisch. Beim Lesen dieses Buches wurde ich auch zur Suchenden: Ich suchte nach dem Sinn, der Botschaft, nach der Lösung, die am Ende alles erklärt. Eine solche Erklärung gibt es nicht. Die Handlungsstränge verlaufen im Nirgendwo – wie im echten Leben. Die Figuren sind dazu verdammt, weiter zu suchen. Ich habe mir viele Gedanken über sie gemacht und darüber, wonach ich selbst auf der Suche bin. Das Buch hat in jedem Fall etwas geschafft: in mir einen Nachhall zu erzeugen.

    @ Delphin


    Danke! :-]


    Hey, von den Büchereulen wurden schon so viele wunderbare Giraffen nach Norwegen geschickt: die Freiheitsstatue, der Miró, die Kernspaltung, die Blattgiraffen :grin, die Giraffe der nicht-zeichnen-könnenden Vogelscheuche, Kim Meridians Sammlung ...


    Ich find' das einfach toll! :anbet

    @ pummelbär:


    Och, so zwei oder drei langweilige TV-Abende im letzten Winter. :-)


    Die Häkelanleitung für das Schwein gibt es hier (nach unten scrollen).


    Und falls jemand eine Giraffe häkeln will: Hier gibt es eine Anleitung. Ich konnte mich bis jetzt nicht dazu aufraffen. Das Gelbe auf meinem Foto sollte mal etwas anderes werden und blieb bisher unvollendet. :rolleyes

    Danke! :-]


    Eure Bilder und Comics sind genial. Da kann ich nicht mithalten. Spaß macht's trotzdem! Ich finde es toll, wie viele kreative Ideen dort eingebracht werden. Konnte sogar meinen Mann überreden, wenigstens EINE Giraffe zu schicken - aber ich darf nicht verraten, welche das ist ;-)

    Klappentext/Kurzbeschreibung des Buches:


    Die Publikation dieses großen deutschen Nachkriegsromans war eine Sensation. In keinem anderen Roman sind die Gründerjahre der DDR so ungeschönt, mit reißend und so literarisch gelungen dargestellt. Dreißig Jahre nach seinem Tod wurde mit Werner Bräunig ein Autor von hohem Rang wiederentdeckt - einer jener Frühverstorbenen, die ein außer ordentliches Werk hinterlassen.


    Angaben über den Autor:


    Werner Bräunig wurde 1934 in Chemnitz geboren. Nach umtriebigen Jugendjahren arbeitete er in Fabriken und Bergwerken, darunter im Uranbergbau der Wismut AG. 1965 wurde auf dem berüchtigten 11. Plenum der SED ein Vorabdruck aus dem Roman "Rummelplatz" so heftig angegriffen, dass der Roman nicht mehr erscheinen konnte. 1976 starb Werner Bräunig in Halle mit 42 Jahren.


    Weitere Informationen hier und hier.


    Eigene Meinung:


    Mit „Rummelplatz“ ist mir unerkannt ein Spiegel-Bestseller in die Hände gefallen. Vieles wurde über dieses Buch schon geschrieben, der Autor mit Grass und Walser verglichen. Ich hatte noch nichts davon gehört, als ich zu lesen begann, und wurde deshalb unbelastet von großen Erwartungen in dieses Buch hineingezogen: „… ein müder Wind schlich über die Äcker, schlurfte durch die finsteren Städte des Jahres vier nach Hitler, kroch im Morgengrauen ostwärts über die Elbe, stieg über die Erzgebirgskämme, zupfte an den Transparenten, die schlaff in den Ruinen Magdeburgs hingen …“ – und schon mit dem ersten Satz hatte es mich.


    Es sind Erzählstränge und Episoden über die Menschen im Nachkriegsdeutschland – dem im Westen und vor allem dem im Osten, über ihre Sorgen, ihre Erkenntnisse und ihre Entwicklungen, die hier miteinander verknüpft werden und einmal ein Großes Ganzes ergeben sollten. Dazu ist es nicht gekommen, denn der Roman wurde zu DDR-Zeiten nie veröffentlicht und blieb unvollendet. Das Manuskript wurde lange nach dem Tod Werner Bräunigs überarbeitet und der Roman 2007 aufgelegt. Und so ist es vielleicht etwas Großes geworden, aber ein Ganzes ist es nicht. Band 1 endet mit den Ereignissen um den 17. Juni 1953, Band 2 wurde wohl nie geschrieben. Dafür gibt es im Anhang andere Textversionen zu einzelnen Kapiteln; es lässt sich erahnen, wie der Autor mit seinem Stoff und dessen Umsetzung gerungen haben muss. Er schildert das Leben und Arbeiten, die Hoffnungen und die Hoffnungslosigkeit, den Kampf um einen Platz in der Gesellschaft, die Missgeschicke und Glücksmomente seiner Protagonisten so wortgewaltig und mächtig, dass ich das Buch anfangs nur in kleinen Portionen lesen konnte. Die Arbeit unter Tage im Uranbergbau bei der Wismut, das raue Männerleben, das Beherrschen der riesigen Maschinen in der Papierfabrik, die politischen Diskussionen, das Belauschtwerden, der Mangel an Fachwissen und Material, die Mitläufer, Schleimer, Parteisekretäre, die echten Kommunisten, alten Hasen, Saboteure, Nutznießer, Schläger und der Rummelplatz – Ort der bunten Lichter und der Katastrophen - werden so lebendig, dass es kaum auszuhalten ist.


    Die inneren Monologe der Protagonisten reflektieren zwar ausführlich das Zeitgeschehen, die Gedanken und Gefühle, hätten aber für meinen Geschmack kürzer und weniger zahlreich ausfallen können. Viele Szenen bleiben Fragmente, Skizzen. Die Entwicklung der Figuren und des Romans ist unfertig, und vielleicht spiegelt gerade dies das Unfertige, nicht zu Ende Gedachte der jungen Deutschen Demokratischen Republik wider. Bräunig beleuchtet seine Umwelt aus den verschiedensten Blickwinkeln, stellt unbequeme Fragen und bleibt oft die Antwort schuldig. Vermutlich gibt es auch keine endgültigen Antworten. Es bleibt dem Leser überlassen, noch lange darüber nachzudenken – das werde ich ganz sicher tun. Und das Buch irgendwann noch einmal lesen.

    Kurzbeschreibung (von Amazon)
    Eine unvergessliche, tragikomische Geschichte, erzählt von der mehrfach preisgekrönten Autorin Annie Proulx, in deren herb-poetischer Sprache jene fremde Gegend zum Sehnsuchtsland wird.
    "Schiffsmeldungen" fürs Lokalblatt soll Quoyle jetzt schreiben. Quoyle, der ewige Versager und Pechvogel, den es aus dem Staat New York auf die Felseninsel Neufundland im Osten Kanadas verschlagen hat. Quoyle, der immer schon panische Angst vor dem Wasser hatte. Und doch findet er hier in dieser kargen Landschaft, wo seine Vorfahren siedelten, so etwas wie Glück und für sich und seine beiden Töchter so etwas wie ein Zuhause ...
    Der Roman, der Annie Proulx berühmt machte!


    OT: "The Shipping News"


    Angaben über den Autor
    Annie Proulx wurde 1935 in Connecticut geboren und arbeitete u.a. als Journalistin, bis sie 1988 ihr erstes Buch veröffentlichte, den Erzählband Herzenslieder. Für ihre Romane und Erzählungen wurde sie mit allen wichtigen Literaturpreisen Amerikas ausgezeichnet, u.a. dem PEN/Faulkner Award, dem Pulitzerpreis, dem National Book Award sowie dem Irish Times International Fiction Prize. Ihr zweiter Roman Schiffsmeldungen war ein internationaler Erfolg und wurde mit Julianne Moore und Kevin Spacey verfilmt.


    mehr


    Meine Rezension
    Quoyle hatte keine schöne Kindheit, denn er war unfähig. Unfähig schwimmen zu lernen, deutlich zu sprechen, sich durchzusetzen, Ehrgeiz und Talent zu entwickeln und vor allem unfähig, normal auszusehen: ein massiger, unförmiger Körper, bleiche Haut, rötliches Haar, alles an ihm war weich. Und so ist er immer noch, als die eigentliche Geschichte anfängt. Er ist Mitte Dreißig, schlägt sich mit irgendwelchen Jobs durchs Leben und lässt sich treiben, überzeugt davon, dass er es niemals zu irgendwas bringen würde. Schließlich landet er durch die Vermittlung seines einzigen Freundes als Reporter bei einer drittklassigen Zeitung und eines Tages, o Wunder, lernt er eine hübsche Frau kennen, die ihn sogar heiratet, weil er – rein körperlich gesehen – mit männlichen Attributen sehr gut ausgestattet ist. Aus der „Beziehung“, die keine ist, denn Petal verachtet und hasst ihn nach kurzer Zeit, entstehen zwei Töchter. Quoyle muss sich allein um sie kümmern. Seine Frau betrügt ihn ständig, er erträgt es und ist tieftraurig, als sie bei einem Autounfall ums Leben kommt.


    Zu dieser Zeit tritt seine Tante auf den Plan, denn Quoyles Eltern haben sich aus dem Leben gestohlen und der Nachlass ist zu regeln. Quoyles Familie stammt aus Neufundland – dorthin will die Tante um jeden Preis zurückkehren und überredet Quoyle, mit seinen Töchtern mitzukommen.


    So kommt Quoyle nach Neufundland, in eine äußerst unwirtliche, menschenfeindliche Gegend. Menschenfeindlich ist die Natur; sie verlangt den Bewohnern Neufundlands das Äußerste ab. Es ist kalt, nass und windig. Die See und die felsige Küste fordern ihre Opfer; es wird viel gestorben in Neufundland. Die Menschen sind zwar derb und hart im Nehmen, aber herzlich, hilfsbereit und ehrlich. Idealisiert werden sie nicht. Sie haben ihre Schwächen, es gibt Streitereien und Ehebruch, Inzest, Gewalt und verlassene Alte. Und eine Zeitung, die dies alles ausschlachtet. Hier arbeitet Quoyle als Reporter und setzt sich mit seinen Artikeln gegen das Altewährte durch. Er passt hierher auf die Felseninsel, obwohl er anfangs große Schwierigkeiten hat, obwohl er nicht schwimmen kann, obwohl er sich ein Boot andrehen lässt, das bei der ersten Bewährungsprobe sinkt und ihn um ein Haar ertrinken lässt. Quoyle und seine Töchter schließen Freundschaften und kommen im Leben an. Nur das alte grüne Haus seiner Ahnen bleibt fremd für Quoyle. Nachdem es eines Tages vom Sturm ins Meer gerissen wird, ist der Zeitpunkt für einen Neuanfang endgültig gekommen.


    Die spröde Sprache des Buches passt zur Landschaft Neufundlands und erzeugt in mir ein graublau-kühl-windiges Gefühl und atemberaubende Bilder. Zu keinem Zeitpunkt habe ich Quoyle wirklich ins Herz geschlossen – aber immerhin kann ich ihn mögen und muss ihn im Laufe der Geschichte nicht mehr bemitleiden.


    Wer Wind und Kälte spüren, das tobende Meer sehen und hören und das Salz schmecken will, sollte dieses Buch unbedingt lesen!

    Kurzbeschreibung (von Amazon/kulturnews.de):


    "Er war der haushohe Favorit für den Deutschen Buchpreis 2008 - und er hat ihn verdientermaßen auch bekommen. Schon 2004 konnte Uwe Tellkamp mit einem Auszug aus "Der Turm" den Bachmann-Preis abräumen. Gerade weil die Erwartungen durch das schnell zwischengeschobene Debüt "Der Eisvogel" wieder gedämpft wurden, walzt das fast 1000 Seiten starke Mammutwerk jetzt alles nieder, und so reaktionär die jahrelange Forderung nach einem Wenderoman auch gewesen sein mag, jetzt heiligt das Ergebnis das altbackene Sehnen. Tellkamp blickt für die Zeit von 1982 bis 1989 in die Villen des Dresdener Turmstraßenviertels und zeigt dessen Bewohner zwischen staatskonformer Angepasstheit und rückwärtsgewandtem Bildungsbürgertum: Lektor Meno Rohde, der sich mehr und mehr in seine Bücherwelt zurückzieht, sein Schwager, der Chirurg Richard Hoffmann, der ein Doppelleben führt und von der Stasi erpresst wird und Hoffmanns Sohn Christian, der von der NVA direkt in die Isolationshaft wandert. Genau diese DDR-Exoten hat es gebraucht, damit Tellkamp dem Personal angemessen im altmodisch gediegenem Stil beginnen - und dann diese Kunstwelt mit der rauen Wirklichkeit des real existierenden Solzialismus und harter Prosa einstürzen lassen kann. (cs)"


    Zum Portrait von Uwe Tellkamp bei Suhrkamp


    Eigene Meinung:


    Ich habe das Buch gelesen – fast alle der 976 Seiten. Einige musste ich überlesen, es ging nicht anders. Zu ausschweifend waren manchmal die Wortspielereien und Beschreibungen, zu … nun ja, vielleicht experimentell manche Passagen für mich als literaturwissenschaftlich unbedarfte Leserin. Dafür gab es Seiten voller Poesie, die ich genossen habe. Und Erinnerungen an die alte verschnörkelte Villa, in der ich als kleines Mädchen wohnte, nicht weit von Dresden. (Zur Miete natürlich. Irgendwann zogen wir in einen Plattenbau, weil in der Villa das Wasser an den Wänden herabrieselte …) Und Beklemmungen, weil ich manches ähnlich erlebt habe wie die Figuren im Roman.


    Das Buch erzählt über zwei Welten: die des real existierenden Sozialismus in der DDR und die Zauberwelt, eine erträumte Welt, in die sich die Bewohner des Turms begeben, um aus dem Alltag zu fliehen. Sie hören Musik, lesen, diskutieren über Kunst und gelangen dadurch an einen Ort, an dem das Belauschtwerden, der Kampf mit Behörden, das mühsame Beschaffen von Arzneimitteln und Ersatzteilen keine Rolle spielen und wo sie über die reale Welt erhaben sind. Zitat (S. 365): „ Der gelbe Nebel zog durch ihre Zimmer, laugte an den Häusern, machte den Dresdner Sandstein porös, überkrustete die Dächer, fraß an den Schornsteinen … aber die Türmer hörten Tannhäuser in sieben verschiedenen Aufnahmen und verglichen sie miteinander … sie maßen das zerstörte Kurländer Palais nach, in Gedanken und auf dem Papier, während ihre Wohnungen mürbe wurden und das Holz der Dachstühle zundrig …“


    Doch die Welten lassen sich nicht trennen, und die Türmer werden von der Realität eingeholt. Am schlimmsten trifft es Christian, der sich für drei Jahre „Ehrendienst“ bei der NVA verpflichtet, um Medizin studieren zu können. Er wird wegen Verleumdung des Staates zur Einzelhaft im Dunkeln verurteilt und muss erkennen, dass man nicht von jedem Ort in die Zauberwelt gelangen kann, sondern „dass man in der Dunkelheit verrückt wird, auch wenn man noch so viele Geschichten kennt, Romane gelesen, Filme gesehen und Erinnerungen hat.“ (Zitat S. 827)


    Die Wende kommt – auch wenn die Türmer oder das „Bildungsbürgertum“ weitgehend unpolitisch sind und in keiner Weise aktiv werden.


    Das Buch ist vielschichtig. Es lässt sich als Wenderoman schmökern (wenn man die eine oder andere „zu komplizierte“ Passage auslässt) oder aber Schicht für Schicht erarbeiten. Für mich sind viele Fragen offen geblieben, und ich habe das Gefühl, mich immer noch nah an der Oberfläche zu bewegen. Aber ich empfinde dieses Buch als Bereicherung und werde es irgendwann (ja, tatsächlich!) noch einmal lesen.

    Zitat

    Original von Batcat
    Was ich wirklich wie die Pest hasse sind Menschen, die zu missionieren versuchen. Damit meine ich diejenigen die sagen: "Wie kann man nur OHNE Fleisch auskommen?" ebenso wie diejenigen, die sagen: "Weißt Du eigentlich, daß ein aaaaaaaaaaaarmes Schwein sterben mußte, nur damit Du Dir hier den Braten reinstopfen kannst?"


    Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden und sich so ernähren, wie er selbst sich gut damit fühlt.


    Leben und leben lassen.


    :write


    So sehe ich das auch. Ich esse kein Fleisch - mir tun die Tiere leid. Naiv, ich weiß! Und Tiertransporte durch ganz Europa sind einfach unnötig. Mein Mann isst gerne mal Fleisch. Damit habe ich überhaupt keine Probleme. Steaks braten muss er selbst, das kriegt er viel besser hin als ich. Aber ich koche Fleischgerichte, wenn Fleischesser zum Essen kommen (für Leute wie meinen Vater ist ein Essen ohne Fleisch kein Essen ...) und mache dann für mich irgendwas Fleischloses separat.


    Warum sollte ich anderen das Essen vermiesen, indem ich ihnen ein schlechtes Gewissen einrede? Mein Gewissen ist rein ... :-] ;-)