Beiträge von Ida

    Kurzbeschreibung (von Amazon):
    Wie eine fremdartige Blume wächst das Mädchen Assol an einer rauen Meeresküste unter Fischern auf. Eines Tages verkündet ihr ein wandernder Märchenerzähler: "Ein weißes Schiff unter riesigen, leuchtenden Purpursegeln wird die Wellen durchschneiden und geradewegs auf dich zukommen." An Bord sei ein Prinz, der sie durch seine große Liebe aus ihrem bescheidenen Leben erlöse. Seitdem wartet sie auf dieses Ereignis, lässt sich dafür klaglos verspotten und weiß nicht, dass in einem verwilderten Schloss Grey von der Seefahrt träumt. Er wird Kapitän auf einem eigenen Schiff und erfährt eines Tages von Assols Geschichte.


    Über den Autor:
    Der russische Erzähler Alexander Grin (eigentlich Grinewski, 1880 - 1932) schlug sich unter anderem als Hilfsmatrose, Fischer und Landstreicher durchs Leben. Aufgrund des Inhalts seiner Romane kam er in Konflikt mit der Partei; seine Manuskripte wurden nicht mehr verlegt und er galt lange Zeit als missliebiger Autor. Seit Mitte der 1960er Jahre werden seine Werke wieder verbreitet.


    Meine Meinung:
    Was ist das eigentlich: ein Wunder? Und können Wunder wahr werden?


    Assol glaubt fest daran. Sie ist acht Jahre alt, als ihr ein gutmütiger Mann, der behauptet, ein Zauberer zu sein, ein Wunder verspricht: Eines Morgens, wenn sie groß ist, wird weit draußen auf dem Meer das Purpursegel eines herrlichen Schiffes in der Sonne leuchten und einen Prinzen bringen, der Assol mit in sein Land nimmt.


    Das Mädchen glaubt ihm und hält fortan Ausschau nach dem Purpursegel. Sie ist allein mit ihrem Vater. Die Mutter ist tot und die anderen Kinder haben sie verstoßen, weil ihr Vater einen Mann im Sturm nicht aus dem tosenden Meer rettete. Die Leute im Dorf lachen darüber, dass sie auf das Purpursegel wartet, und behaupten, sie sei nicht richtig im Kopf. Assol bleibt für sich und gewöhnt sich an die Einsamkeit. Sie bewahrt sich ihren reinen, kindlichen Blick auf die Welt und wartet.


    Währenddessen wächst weit fort ein Junge heran, der davon träumt, zur See zu fahren und der alles daran setzt, seinen Traum zu verwirklichen. Und er schafft es. Grey wird Kapitän und bereist die Ozeane. Eines Tages geht er in Assols Gegend an Land, sieht das Mädchen und hört seine Geschichte. Er fühlt, das Assol die Eine ist, nach der er sich immer gesehnt hat, und macht sich auf die Suche nach purpurfarbenem Stoff für seine Segel.


    Und dann erfüllt sich die Weissagung des Zauberers: Das Wunder geschieht.


    Die märchenhafte Erzählung zeigt vor allem eines: dass man Wunder vollbringen kann. Wunder erwärmen das Herz und sind ansteckend. Neben dem Wahrwerden des Purpursegels geschehen nämlich auch noch andere kleine, vermeintlich unbedeutende Wunder. Die Geschichte wird in einer klaren und einfachen Sprache erzählt, es gibt - natürlich - einige idealistische Überhöhungen und ein glückliches Ende. Wunderbar.

    Originaltitel: The Gangster We Are All Looking For


    Kurzbeschreibung (von Amazon):
    Die Flüchtlinge aus Vietnam, ein Vater mit seiner sechsjährigen Tochter, landen 1978 in San Diego, Südkalifornien. Mit den Augen des kleinen Mädchens sehen wir die fremde Umgebung: Die Schulkleider kratzen, die neuen Stimmen sind laut und hart, und die Welt ist voller rätselhafter, faszinierender Dinge. Wie zum Beispiel ein wunderschöner Schmetterling in einer Glasscheibe, der um seine Freiheit weint. Den unbelebten Dingen erzählt das Mädchen nachts, wenn es nicht schlafen kann, von der Heimat, vom Boot, vom Bruder, den es vermißt, von der Mutter, auf die es wartet. Als nach zwei Jahren die Mutter nachkommt, ist die Familie zwar endlich wieder vereint, doch die Fremdheit bleibt. Der Blick des Mädchens verliert nichts von seiner Intensität, nimmt die schäbigen Wohnblocks wahr, den eigenen Körper, die Streitereien zwischen den Eltern. Und während sie heranwächst, steigen die Traumata aus der Vergangenheit immer deutlicher hervor: die Verwüstung ihrer Heimat, der plötzliche Tod ihres Bruders, der beim Fischen ertrank, die verbotene Liebe ihrer Eltern, die zum Bruch mit der Familie führte. Mit sechzehn läuft sie davon, doch sie hat noch einen weiten Weg vor sich, bis sie die Geister der Vergangenheit bannen kann.


    Über die Autorin:
    Le Thi Diem Thuy wird 1972 in Phan Thiet, Südvietnam, geboren. 1978 verließ sie Vietnam auf einem Boot, zusammen mit ihrem Vater, und wuchs in Südkalifornien, USA, auf. Inzwischen lebt sie als Autorin und Performancekünstlerin in Massachusetts und erhielt mehrere Stipendien und Auszeichnungen.


    Meine Meinung:
    Der Schmetterling ist in einer kleinen Glasplatte gefangen, die sich über und unter ihm wölbt. Wenn sie ihn gegen das Licht hält, leuchtet er goldbraun. Sie kann ihn hören, wenn sie sich die Glasscheibe ans Ohr hält, Zitat (S. 28): "Zuerst hörte ich nur meinen eigenen Atem, aber dann war da noch ein weiches Rascheln, wie Flügel an einer Fensterscheibe. Das Rascheln war ein geflüstertes Lied. Es war die Sprache des Schmetterlings, und ich glaubte sie zu verstehen."


    Sie ist sechs Jahre alt, als sie mit ihrem Vater in einem kleinen Boot übers Meer aus Vietnam flieht. Sie werden von einem Schiff der US Navy aufgenommen und kommen per Zufall nach San Diego, Kalifornien. Hier wartet sie auf die Mutter, die in Vietnam zurückblieb, und erkundet ihre neue Welt, die so anders ist als das, was sie kennt. Immerhin liegt auch in San Diego am Meer, und am Meer fühlt sie sich ihrer Mutter nahe. Überhaupt spielt das Meer eine wichtige Rolle in dem Buch; es hat ihren Bruder in Vietnam beim Fischen in den Tod gezogen, es verbindet und ist zugleich Fluchtpunkt - sie kann die Welt ausblenden, wenn sie in der Badewanne sitzt, mit dem Kopf unter Wasser geht und sich vorstellt, sie sei am Meer.


    Ihr Vater ist ihre wichtigste Bezugsperson. Sie sieht ihm sehr ähnlich und sie teilen die Schlaflosigkeit; nachts kommen die Traurigkeit und die Träume. Die katholischen Großeltern aus dem Süden akzeptierten den Vater nicht als Schwiegersohn; er stammte aus dem Norden, war Buddhist und Gangster. Er kämpfte im Krieg und kam nach dem Krieg in ein Umerziehungslager. Vielleicht ist die Liebe der Eltern zueinander nicht stark genug, um für immer zusammenzubleiben.


    Der Krieg steht nahezu unsichtbar hinter der Geschichte; seine Schrecken werden allenfalls angedeutet.


    Es geht um die Suche nach einem Platz im Leben und nach dem, was man verloren hat; es geht um den Versuch, sich zu befreien. Mit sechzehn läuft das Mädchen weg und macht sich alleine auf die Suche.


    Ein stilles, gefühlvolles Buch voller Sehnsucht und Poesie.

    Der Junge ist zehn Jahre alt und wächst Anfang der 1950er Jahre in Worcester in Südafrika auf. Er leidet darunter, anders zu sein als die anderen Jungen: Noch nie hat er Schläge bekommen, er fürchtet den Moment der Grausamkeit und des Schmerzes, der dann unweigerlich käme - doch eine einzige Tracht Prügel würde genügen, ihn in einen normalen Jungen zu verwandeln. Sie bleibt ihm verwehrt. Die Mutter ist seine wichtigste Bezugsperson, sie erzieht ihn und den kleinen Bruder, der Vater ist nur ein Anhängsel. Auch darin unterscheidet er sich von den anderen Kindern, die aus männlich dominierten Familien kommen. Er will perfekt sein; dazu gehört, immer Klassenbester zu sein, er liest und denkt gerne und kann mit den meisten anderen Kindern nicht viel anfangen. Der Junge ist ein guter Beobachter; seine Gedanken über die Lebenssituation der Engländer, Farbigen, Afrikaaner und Schwarzen und über die Tatsache, dass man eine Farm zwar besitzen aber dass die Natur einem niemals gehören kann, haben Tiefgang


    Der Junge hält Distanz zu den Menschen; bei der kühlen Erzählweise bleibt auch der Leser auf Distanz. Es wird ein Zeitraum von drei bis vier Jahren im Leben des Jungen erzählt, von seinem Bemühen, die Welt zu begreifen, von all den kleinen und größeren Begebenheiten, die einen Teenager zur Verzweiflung bringen können. Schließlich endet die Geschichte, ohne eigentlich einen Endpunkt gefunden zu haben. Der Junge lebt sein Leben einfach weiter, nehme ich an, wird erwachsen und Schriftsteller und verarbeitet und erzählt eines Tages seine Kindheitserinnerungen - auf eine zurückhaltende, klare, kluge Weise, die mir gut gefallen hat.

    Zitat

    Original von DraperDoyle
    Geht's euch eigentlich auch so? Ich bin mit meiner Weltreise bisher sehr zufrieden, ein richtiger Flop war bisher noch nicht dabei, und schon gar kein Abbrecherlein. Ich bin wirklich erstaunt, dass sich selbst in karabischen Zwergstaaten noch lesbare (und teilweise richtig gute) Literatur findet und bin auch überrascht, dass sich trotz regionaler Eigenheiten bezüglich Stil und Thematik in allen möglichen Regionen der Welt ansprechende Bücher finden :anbet


    Ich habe bei meiner Reise um die Welt auch schon einige sehr schöne Entdeckungen gemacht. Mir macht es viel Spaß, Bücher zu suchen und zu finden, auf die ich sonst vielleicht nie gekommen wäre.


    Bisher hatte ich einen Abbruch - Australien. Abbrüche "zählen" aber nicht; ich habe schon ein anderes Australien-Buch im Auge.


    Hier noch ein Link zum FAZ-Romanatlas - da kann man auf einem Globus sein Wunschziel anklicken und eine Rezi dazu lesen.


    Ich wünsche uns allen weiterhin eine gute Reise! :wave

    Ich würde mich auch freuen, wenn es den Schreibwettbewerb wieder gäbe. Die Spielregeln fand ich in Ordnung, auch den monatlichen Turnus. Bei längeren Zeiträumen könnte es passieren, dass die ersten Beiträge schon gleich zu Anfang eingereicht werden und nach 2 oder 3 Monaten, wenn es ans Bewerten und Kommentieren geht, schon ein wenig in Vergessenheit geraten sind - oder dass es am Schluss so viele Beiträge sind, dass das Bewerten und Kommentieren schon wieder zu viel Zeit kostet und zu kurz kommt. Bei einem monatlichen Wettbewerb ist es nicht so schlimm, wenn man mal keine Schreibidee oder keine Zeit hat oder den Termin verpasst - der nächste Wettbewerb kommt ja bald.


    Ähm, könnte man eine Regel einbauen, dass meine Beiträge bevorzugt mit Punkten zu versehen sind? :lache

    Originaltitel: L'aimé


    Kurzbeschreibung (von Amazon):
    Axel Gauvin, 1944 auf Reunion geboren, erzählt in zupackender Sprache von der ungewöhnlichen Liebe einer Großmutter zu ihrem Enkel. Eines Tages, auf Reunion tobt gerade ein Wirbelsturm, wird der Junge Aime zu seiner Großmutter Margrite gebracht. Die Eltern sind gestorben, Aime ist lebensbedrohlich erkrankt. Margrite, nach Außen hin rauh und bärbeißig, nimmt den Jungen auf und es gelingt ihr, nicht nur die Krankheit zu besiegen, sondern in dem Jungen Vertrauen und Lebensmut zu wecken. Sie schenkt ihm ein Stück unbeschwerter Kindheit und gibt ihm Kraft für die ersten Schritte in Richtung Erwachsenwerden. Das Auf und Ab zwischenmenschlicher Beziehungen, Glück und Verluste schildert der Autor anrührend, mit viel Liebe für seine Protagonisten, doch ohne jede Spur von Sentimentalität.


    Über den Autor:
    Axel Gauvin, 1944 auf Réunion geboren, ist Lehrer und Autor von drei Romanen in französischer Sprache, Gedichten in Kreolisch und Essays zur kreolischen Literatur. "Wenn du aufwachst, bin ich da" ist sein zweiter Roman in deutscher Übersetzung. Für seinen Jugendroman "Kindheitshunger" erhielt er mehrere Auszeichnungen.


    Meine Meinung:
    Margrite ist über siebzig und hat, meint man, alles vom Leben gesehen und keine Überraschungen mehr zu erwarten. Doch während ein Zyklon auf Réunion zu rast, Margrite ihr ärmliches Haus sturmsicher zu machen versucht, ihren Mann Bénard, der ein Angsthase und zu nichts nutze ist, beruhigen muss und sich nebenbei an Erinnerungen an ihren verstorbenen Sohn Joseph aufwärmt, ist doch etwas völlig Unerwartetes auf dem Weg zu ihr: die Liebe. Denn Joseph, der vor Jahren wegzog, heiratete und wegen eines Missveständnisses den Kontakt zu seiner Mutter abbrach, hatte einen Sohn. Margrite weiß nichts davon, bis mitten im Sturm ein Taxi vor dem Haus anhält und einen Jungen bringt, der mehr tot als lebendig ist. Er sieht aus wie Joseph und Margrite ist überglücklich, einen Enkel zu haben. Dessen Mutter ist gestorben und der Taxifahrer wurde beauftragt, dass Kind zur Großmutter zu bringen, denn sonst hat es keinen Menschen mehr. Margrite liebt es vom ersten Moment an mehr als alles auf der Welt.


    Der Junge ist so krank und geschwächt, dass sein Leben am seidenen Faden hängt. Margrite kämpft und, oh Wunder, selbst der alte Bénard hat etwas beizutragen. Seine eingebildeten Krankheiten machen ihn zu einem Fachmann in medizinischen Dingen und er hat die entscheidenden Ideen für Aimés physische Heilung. Doch der Junge ist durch schlimme Erlebnisse traumatisiert; er muss aufgemuntert und seine Lebenslust wieder geweckt werden. Die beiden Alten bekommen neue Namen: Großmutter und Großvater. Ja, selbst Margrite nennt ihren Mann nicht mehr verächtlich Bénard wie früher, sondern Großvater. Etwas Wundervolles passiert, seit Aimé in ihr Leben getreten ist. Als Großvater stirbt, trauert Aimé, und selbst Margrite stellt erstaunt fest, dass sie Großvater vermisst. Sie gibt dem Jungen alles, was er braucht, um stark zu werden und seine Angstträume zu besiegen. Dafür bekommt sie Liebe und Zärtlichkeiten, die ersten in ihrem Leben.


    Großmutter erzählt viele Geschichten, Episoden aus ihrem Leben - an einer Stelle heißt es, dass die Geschichten einen während des Zuhörens zum Lachen bringen und einen traurig machen, wenn man darüber nachdenkt. Und genau so ist auch dieses Buch geschrieben - nah an den kleinen Dingen des Lebens, voller Humor, Tiefe, Kraft und Liebe. Es duftet, wenn Großmutter Bananen röstet oder Zuckerrohr schneidet; es atmet, wenn sie Aimé beim Schlafen zusieht. Es ist bevölkert von skurrilen Figuren: Großvater, Kommunist und Atheist, trägt immer eine Bibel bei sich. Grand-gaby, Großmutters Gehilfe, hat in Vietnam gekämpft und weiß selbst, dass er ein wenig einfältig ist - doch er bringt Aimé Grillen und Käfer im Glas ans Krankenbett. Großmutters Kuh ist so eigensinnig, dass sie Dame Caoudin genannt wird, und selbst Großvaters alter Wagen hat einen Namen: Nach Kythera - natürlich gibt es auch dazu eine Geschichte.


    Die Erzählweise gefällt mir außerordentlich gut. Einige Passagen sprechen den Leser direkt mit "du" an und und lassen ihn so die Gedanken und Gefühle der Figuren noch stärker nachempfinden, dazu gibt es Wortschöpfungen, die sicherlich nicht einfach zu übersetzen waren. All das macht die Geschichte so lebendig. Ein wundervolles, traurig-schönes Buch über eine ganz besondere Liebe.

    Originaltitel: La Rebelle


    Kurzbeschreibung
    Malimouna hat Glück: Aufgewachsen in einem afrikanischen Dorf, gelingt es ihr als kleines Mädchen, der traditionellen Beschneidung zu entgehen. Doch als man sie mit vierzehn an einen 50jährigen verheiratet, wird in der Hochzeitsnacht das Geheimnis entdeckt. Malimouna muss in die nächstgelegene Stadt fliehen. Dort findet sie eine Anstellung bei einer französischen Familie, über die sie nach Europa kommt. Allein und mittellos in Paris, schlägt sie sich mit Gelegenheitsjobs durch, wird Sozialarbeiterin und macht es sich zur Lebensaufgabe, Frauen zu helfen, die Opfer männlicher Gewalt geworden sind. Schließlich kehrt Malimouna in ihre Heimat Afrika zurück, wo sie ihren vermeintlichen Traummann kennenlernt und heiratet. Mit ihm hat sie zwei Kinder. Doch schließlich muss sie entdecken, dass er heimlich eine Zweitfamilie gegründet hat ...


    Über die Autorin:
    Fatou Keïta wurde in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) geboren. Sie studierte in Frankreich, Großbritannien und den USA und unterrichtete an der Abidjaner Universität englische Literatur. In ihrer Heimat ist sie als Autorin erfolgreicher, mehrfach ausgezeichneter Kinderbücher bekannt. "Die stolze Rebellin" ist ihr erster Roman.


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    Meine Meinung:
    Malimouna wächst in einem kleinen afrikanischen Dorf auf. Dort lebt man nach festen Regeln, die niemand in Frage stellt. Sie hat eine Freundin, die in den Ferien ins Dorf kommt und ein Stück der großen weiten Welt mitbringt, denn ihre Eltern haben einige Jahre in Paris verbracht. Diese Freundschaft ist es, die Malimouna den Mut schenkt, sich mit einem Trick der Beschneidung zu entziehen. Doch als Malimouna vierzehn Jahre alt ist, wird sie von ihrem Vater an einen dicken, alten Mann verheiratet. Er nimmt sich seine vermeintlichen ehelichen Rechte mit Gewalt und entdeckt, dass Malimouna nicht beschnitten ist. Ein Skandal! Betrug! Denn nur eine beschnittene Frau ist eine wahre Frau. Das Mädchen kann flüchten; sie hat ihren Hochzeitsschmuck und etwas Geld.


    Malimouna findet einen Job als Kindermädchen und geht mit einer Familie nach Frankreich. Später wohnt sie in einem afrikanischen Wohnheim in Paris, hat verschiedene Nebenjobs, geht zur Schule. Sie erkennt, dass die afrikanischen Frauen Unterstützung brauchen und beschließt, Sozialwesen zu studieren und sich für Frauenrechte einzusetzen. Auf ihrem Weg lernt sie einen Weißen kennen und lieben und überwindet das Trauma ihrer Vergewaltigung. Das Leben an Philippes Seite ist ganz anders als das Leben einer afrikanischen Frau. Gemeinsam gehen sie nach Afrika, doch ihre Liebe überdauert die geänderten Lebensbedingungen nicht. Malimouna stürzt sich in die Arbeit und nimmt den Kampf für Frauenrechte auf. Dann trifft sie den Afrikaner Karim. Er ist lustig, aufmerksam, tolerant und beweist ihr seine Liebe, indem er ihre Mutter - die nach Malimounas Fluch Konflikten und Demütigungen ausgesetzt war - aufspürt und die beiden wieder zusammenbringt. Doch auch diese Beziehung ist nicht unproblematisch - Karims Toleranz hat Grenzen.


    Die Geschichte ist sicherlich kein literarisches Meisterwerk. Es gibt einen einzigen Handlungsstrang, der bis auf eine kleine Rahmenhandlung linear verläuft; bis auf einige wenige (vielleicht versehentliche) Perspektivwechsel ist alles aus Malimounas Sicht erzählt. Ihr Handeln ist nachvollziehbar und schlüssig. Obwohl ihre Gedanken und Gefühle erzählt werden, bleibt immer eine gewisse Distanz zum Leser - erstaunlich angesichts des Themas und doch nachvollziehbar, denn Malimouna verschließt ihre Geheimnisse in ihrem Inneren, verschließt sich vor der Welt, vor Männern und vielleicht auch ein wenig vor sich selbst. Die Probleme der Frauen in der traditionellen afrikanischen Gesellschaft, das fehlende Recht auf Selbstbestimmung und vor allem die Unmenschlichkeit und Unsinnigkeit des Beschneidens werden sachlich und ausführlich thematisiert.


    Ich hatte den Eindruck, dass es sich um eine Autobiographie handelt; nach dem, was ich über die Autorin gefunden habe, ist dies wohl nicht der Fall. Aufgrund der Art des Erzählens würde ich das Buch trotzdem als eine Art Erfahrungsbericht einordnen - lesenswert für diejenigen, die sich für die Thematik interessieren, weniger für diejenigen, die einen hohen literarischen Anspruch haben.

    Originaltitel: Les Ursitory


    Klappentext:
    Arniko wird mitten im Winter in einem Zelt am Waldrand irgendwo in Südrumänien geboren. Zwar geben ihm die Ursitory, die drei Schicksalsengel, nur wenige Stunden zu leben. Aber Arnikos Großmutter, eine weise Frau mit Zauberkräften, versteht es, den scheinbar endgültigen Beschluss der Ursitory abzuwenden. Es sind die Frauen, die fortan sein Schicksal hüten - zuerst die Großmutter, dann seine Mutter, schließlich seine Frau Orka. Arniko gilt als unverwundbar. Erst als er seine Familie und seinen Stamm verlassen will, wird ihm der Schicksalsspruch zum Verhängnis.
    Matéo Maximoff verwebt Erlebtes und Gehörtes, Legenden und Märchen und schöpft dabei aus der reichen Erzähltradition der Roma.


    Über den Autor:
    Matéo Maximoff, 1917 in Barcelona geboren, kam mit drei Jahren mit seinen Eltern nach Frankreich. Er wuchs vielsprachig auf und lernte als Einziger seiner Familie Lesen und Schreiben. Im Zweiten Weltkrieg war er während einiger Jahre unter anderem in Gurs interniert. Nach dem Krieg ließ er sich in Romainville bei Paris nieder, wo er bis zu seinem Tod 1999 zunächst als Kupferschmied, dann als Schriftsteller, Übersetzer, Fotograf, Filmer und evangelischer Prediger tätig war. 1985 wurde er für sein Lebenswerk mit der Auszeichnung "Chevalier des Arts et des Lettres" geehrt; er gilt als der erste Schriftsteller der Roma.


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    Meine Meinung:
    Arnikos Großmutter ist eine Zauberin der Roma, manche Menschen aus ihrem Stamm halten sie für eine Hexe. In der dritten Nacht nach Arnikos Geburt erscheinen die Ursitory, die drei Engel, die über das Schicksal des Neugeborenen entscheiden. Sie beschließen, dass Arniko nur eine kurze Lebensspanne zustehen soll: Die Zeit, bis ein Holzscheit im Feuer verbrannt ist. Die Großmutter überlistet die Ursitory, holt das Scheit aus den Flammen und übergibt es Arnikos Mutter zur Aufbewahrung. Solange das Holzscheit unversehrt ist, ist Arniko unsterblich. Doch der Zigeunerstamm glaubt, dass die Großmutter den Tod einiger Menschen herbeigeführt hat, und ermordet sie grausam. Arnikos Mutter flüchtet mit dem Neugeborenen und dem Holzscheit.


    Arniko wächst zu einem starken, mutigen Helden heran, der es mit jedem Feind aufnimmt und sich bemüht, verfeindete Stämme wieder zusammenzuführen. Er ist unbesiegbar - bis das Holzscheit in die falschen Hände gerät.


    Matéo Maximoff schrieb diesen Roman als Zwanzigjähriger im Gefängnis. Zwei Familien waren in Streit geraten, es kam zu einem blutigen Kampf. Die Überlebenden wurden vor Gericht gestellt. Maximoff war der jüngste Angeklagte und der Einzige, der lesen und schreiben konnte. Sein Verteidiger war von den farbigen Schilderungen Maximoffs beeindruckt und schlug ihm vor, Aufzeichnungen über das Leben der Roma zu machen, um so Hinweise für das Plädoyer zu erhalten. Statt der erwarteten Notizen erhielt er den spontan geschriebenen Roman "Die Ursitory".


    Und genau so liest sich dieses Buch: spontan geschrieben von einem unerfahrenen Autor. Die Handlung ist äußerst einfach, die Sprache ebenso, die Figuren bleiben blass. Schade, denn die Idee mit dem Holzscheit bietet viel Potenzial für eine wunderbare Geschichte. Die Lebenswirklichkeit der Roma blieb mir verschlossen. Die Einblicke in die sozialen Strukturen, die Denkweise und den (Aber)Glauben dieses Volkes waren interessant und für mich der einzige Grund, das glücklicherweise schmale Büchlein bis zum Ende durchzuhalten.

    Kurzbeschreibung (von Amazon)
    Alle, mit denen Schuumur spricht, meinen, dass es unklug sei, nach dem Tod seiner Frau mit den vier Kindern allein zu bleiben. Er jedoch flieht vor seiner Jugendliebe Gulundschaa und will seine Jurte so schnell wie möglich abbrechen. Aber seine Tochter, ein dreizehnjähriges, zu früh erwachsen gewordenes Mädchen, hat genug von der Einsamkeit und sehnt sich nach Menschen.


    Über den Autor:
    Galsan Tschinag, geboren Anfang der vierziger Jahre in der Westmongolei, ist Stammesoberhaupt der turksprachigen Tuwa. Er lebt den größeren Teil des Jahres in der Landeshauptstadt Ulaanbaatar und verbringt die restlichen Monate abwechselnd als Nomade in seiner Sippe im Altai und auf Lesereisen im Ausland. Seine Romane, Erzählungen und Gedichte schreibt er meist auf Deutsch. 1995 hat er sein zwangsumgesiedeltes Volk über zweitausend Kilometer durch die Steppe ins Stammland der Tuwa im Altai zurückgeführt. 1992 erhielt er den Adelbert-von-Camisso-Preis, 1993 den Puchheimer Lesepreis.


    Meine Meinung:
    Zwei Tage und zwei Nächte um 1960 am Altai in der Westmongolei. Eine Stute hat ihr Fohlen verloren, ein anderes Fohlen seine Mutter. Vier Kinder kämpfen darum, dass die Stute das fremde Fohlen annimmt. Die Stute wird gefesselt, das tote Fohlen aus ihrem Gesichtsfeld gebracht, gehäutet und das andere Fohlen in die Haut gehüllt, damit es den Geruch des Pferdekindes annimmt.


    Die Kinder kämpfen auch um ein wenig Liebe. Ihre Mutter ist vor einem Jahr gestorben, der Vater lässt sie oft allein, wenn er zur Jagd oder zu den Herden unterwegs ist. Die älteste Tochter Dombuk ist erst dreizehn, kümmert sich um den Haushalt und die drei jüngeren Geschwister. Sie sehnt sich nach Gesellschaft, denn die Jurte des Vaters steht oft weitab von anderen Ails. Welch ein Glück, dass Gulundshaa ganz in die Nähe zieht - auch wenn Gulundshaa über Jahre hinweg des Vaters Geliebte war; alle wussten das. Sie ist eine warmherzige Frau und hat viel Liebe zu verschenken. Gulundshaa kommt zur rechten Zeit: Die Stute hat bei ihren Befreiungsversuchen die Fesseln so fest angezogen, dass die Kinder sie ohne die Hilfe eines Erwachsenen nicht mehr lösen können.


    Doch was wird sein, wenn der Vater zurück kommt? Liebt er Gulundshaa noch immer? Und wird die Menschenmutter die fremden Kinder annehmen?


    Rückblenden führen bis zur Zeit vor Dombuks Geburt zurück, erzählen von der Zwangsverheiratung des Vaters, den Kämpfen der tuwinischen Nomaden gegen kasachische, russische und chinesische Landräuber, Leben und Sterben im Einklang mit der Natur in einer uns fernen und fremden Welt, die zu entdecken sich lohnt.

    Originaltitel: Where we once belonged


    Klappentext:
    Alofa heißt Liebe. Alofa heißt auch das widerborstige Mädchen, das sich nichts gefallen lässt, um ihr zerbrechliches "Ich" zu schützen. Umstellt von überlieferten Tabus und Träumen, unbeeindruckt von der verlogenen Spießigkeit der Erwachsenen, wächst sie auf in ihrer Mädchenclique mit Kung-Fu-Filmen, Wella-Apfelshampoo und Cornflakes. Ihr Name ist zugleich ein schweres Erbe: die Familie, die Dorfgemeinschaft setzt Hoffnung in sie, sie hilft den Jungen aus der Patsche, als einzige hört sie der verrückten Siniva zu, sie kann die Tradition retten. Doch dann wird sie eines Tages mit dem Sohn des Pfarrers erwischt.


    Die Wortkünstlerin Sia Figiel läßt sich von der mündlichen Erzähltradition Samoas inspirieren. Ihre Sprache ist so respektlos wie ihre Heldin, funkelnd wie das quirlige Stadtleben, tiefgründig wie die alten Erzählungen von Geistern und Göttern, von fliegenden Hunden und magischen Vögeln.


    Über die Autorin (lt. Schutzumschlag):
    Sia Figiel wurde 1967 in Samoa geboren. Als Performance-Künstlerin und Malerin unternahm sie zahlreiche Reisen nach Europa und Neuseeland. Heute lebt und unterrichtet sie in Samoa. Für "Alofa" erhielt sie 1997 den Commonwealth Writers Prize für das Erstlingswerk eines Autors aus dem südostasiatischen und pazifischen Raum.


    Die Übersetzerin über das Buch und die Autorin


    Interview mit der Autorin (englisch)


    Über Schriftstellerinnen aus Ozeanien, u.a. Sia Figiel


    Meine Meinung:


    Der Klappentext trifft nur bedingt zu.


    Alofa lebt mit ihrer Großfamilie in einem Dorf in Samoa. Sie geht zur Schule, zur Sonntagsschule, in die Kirche, hilft im Haushalt, trifft sich mit Freundinnen, wartet auf die Mondkrankheit (ihre erste Periode), hört viele Klatschgeschichten und samoanische Mythen, verliebt sich. Wer Verwandte in Amerikanisch-Samoa, Neuseeland, Australien oder noch besser in "Amelika" hat, ist gut dran und kann auf finanzielle Unterstützung hoffen, vielleicht sogar darauf, einen Fernseher geschenkt zu bekommen. Amerikanische Fernsehserien sind beliebt. Zwischen den Zahltagen gibt es einfaches Essen, von dem man nicht immer satt wird. Alofa würde gerne einmal Cornflakes probieren …


    Alofa bedeutet "Liebe", doch Liebe ist etwas, wovon in diesem Buch wenig zu spüren ist. Samoanische Eltern zeigen den Kindern ihre Liebe, indem sie strafen, denn Strafen heißt Erziehen und liebende Eltern erziehen ihre Kinder und lassen sie nicht wie Tiere herumstreunen. Weichherzige Eltern werden von den anderen Dorfbewohnern verachtet. Alofa bekommt viele Strafen für alle möglichen Vergehen, doch sie weiß, dass ihre Mutter sie nicht liebt, weil sie davon überzeugt ist, dass Alofa aus eigenem Entschluss ein Mädchen und kein Junge geworden ist. Und was ist schon eine Frau, die keinen Jungen zur Welt bringt?


    Es ist sehr wichtig, ein anständiges, ein braves Mädchen sein - nicht zu rauchen, nicht andauernd aus vollem Herzen zu loszulachen, sich nicht von den Jungen zuzwinkern zu lassen. Die Gebote der Erwachsenen sind zwar eindeutig, trotzdem hat jeder noch irgendwo Halbgeschwister, weil Väter häufig Affären haben. Samoanisches Spießbürgertum mit dunklen Abgründen.


    Alofa macht sich Gedanken über Oberflächlichkeit und über die Tatsache, dass sie kein "Ich" ist, sondern ein "Wir", weil man nie alleine sein kann, sondern nur als Teil eines Ganzen, des Dorfes, der Schule, der Familie wahrgenommen wird. Es gibt einige wenige Menschen, die anders sind, zum Beispiel Siniva, die als die Verrückte des Dorfes gilt. Und von ihr erfährt Alofa, dass die Agaga, die Seele, mit jedem Mal, wenn man westliche Fremdheit annimmt, ein Stück weit stirbt. Und dass es doch ein "Ich" gibt.


    Sia Figiel beschreibt Alofas Welt, den Alltag, die Farben, Gerüche und ihre Träume. Es scheint einfach aus ihr herauszufließen, unsortiert, lustig, traurig, manchmal unverständlich, oft mit tieferem Sinn und mit vielen samoanischen Redewendungen, die nicht alle im Glossar erklärt werden. Sie reiht Episoden, Mythen und Träume aneinander, schüttelt sie und lässt uns durch ihr Kaleidoskop schauen. Ein ungewöhnliches, eigenwilliges Buch und wahrscheinlich nicht jedermanns Geschmack - für mich auf jeden Fall ein Erlebnis.

    Kenneth ist Kenianer und arbeitet als Ingenieur. Er will wirken, als sei er erfolgreich, und deshalb trägt er Anzüge und tritt so auf, wie ein erfolreicher Mann seiner Meinung nach auftritt.


    Joseph stammt aus dem Kongo und ist Kellner im Colonial Grill, wo Washingtons Elite speist. Er will einen Gedichtzyklus über die Geschichte des Kongo schreiben und arbeitet seit Jahren daran.


    Und was will Ich-Erzähler Sepha Stephanos? Er flüchtete vor 17 Jahren aus Äthiopien nach Amerika und lässt sich treiben. Sein Laden am Logan Square läuft schlecht; vielleicht, weil er ihn unregelmäßig öffnet, vielleicht, weil er heruntergekommen ist und hinten in den Regalen Lebensmittel verderben. Vielleicht aber auch, weil Sepha am liebsten hinterm Tresen Romane liest, um seinem Alltag zu entfliehen.


    Die drei Einwanderer treffen sich in ihrer Stammkneipe, trinken, schwafeln und philosophieren über Afrika. Jeder hat schmerzhafte Erinnerungen an die Heimat, begrabene Träume und Einsamkeit im Gepäck.


    Eines Tages zieht Judith mit ihrer Tochter Naomi ins Stadtviertel. Sie ist die erste Weiße, die sich dort niederlässt und hat eines der heruntergekommenen Häuser am Logan Square gekauft. Mit dem Haus geschieht ein Wunder: es wird geschmackvoll saniert und erstrahlt in neuem alten Glanz. Sepha lernt Naomi kennen und schließlich auch Judith und nach einem flüchtigen Kuss macht er sich Hoffnungen auf mehr als Freundschaft. Doch auch Judith ist letztendlich eine Vertriebene. Die Unterschicht-Anwohner des Logan Square wehren sich dagegen, ein "besseres" Viertel zu werden.


    Sepha irrt weiter durch sein Leben, durch seine Erinnerungen und durch die Stadt - aber auch er hat endlich ein Ziel: Er will stolz auf sich sein können.


    Den Rezensionen, die das Buch ergreifend finden, kann ich mich nicht anschließen. Es ist zwar gut geschrieben und lässt sich flüssig lesen. Die Erinnerungen an Äthiopien und die Zustände dort scheinen mir jedoch eher vage; Sephas Erinnerungen an seinen Vater hingegen sind voller Gefühl und für mich glaubwürdig. Mehr als einmal hätte ich Sepha gerne gerüttelt und ihm gesagt, dass er endlich etwas aus seinem Leben machen muss.


    Alles in allem ein leises, nettes Buch.

    Originaltitel: The Screaming of the Innocent


    Klappentext:
    Botswana, im Süden des afrikanischen Kontinents: Die junge Amantle muss ihr soziales Jahr absolvieren, und dafür hat sie sich ein kleines Krankenhaus in einem abgelegenen Dorf ausgesucht, denn sie möchte später gerne Medizin studieren. Dort angekommen, muss sie erkennen, dass ihr Idealismus nicht unbedingt gerne gesehen ist. Die Klinik wird von zwei Krankenschwestern geleitet, die es hassen, in dieser Einsamkeit leben zu müssen, und die ihre Patienten dementsprechend behandeln. Auch Amantle geht es in dieser Hinsicht nicht besser. Eines Tages muss sie eine Rumpelkammer aufräumen, in der sie eine Kiste mit blutverschmierten Kleidern findet, auf der "Neo Kakang" steht, der Name eines kleinen Mädchens, das vor fünf Jahren spurlos verschwand. Der Mutter hatte man damals eingeredet, ihr Kind sei von wilden Tieren gefressen worden. Nun stellt sich die Situation auf einmal vollkommen anders dar. Ist das Mädchen etwa einem Ritualmord zum Opfer gefallen? Mit Hilfe einer befreundeten Anwältin beginnt Amantle die schwierige Suche nach dem wahren Täter ...


    Über die Autorin:
    Unity Dow ist Botswanas erste und einzige Bundesrichterin. Sie hat einen großen Ruf als Menschenrechtsanwältin und war maßgeblich an verschiedenen Gesetzen für die Besserstellung von Frauen im Lande beteiligt. "Die Beichte" ist ihr erstes Buch, das auf Deutsch erscheint, und das zweite aus ihrer Feder. Zuvor hat sie bereits einen viel beachteten Roman über die Aidsproblematik des Landes geschrieben. Unity Dow lebt mit ihrer Familie in Lobatse, Botswana.


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    Meine Meinung:
    Neo, ein 12jähriges Mädchen ist 1994 einem Ritualmord zum Opfer gefallen. Am Anfang der Geschichte werden die Haupttäter und, so weit es geht, deren Beweggründe für die Tat vorgestellt. Fünf Jahre später findet die Sozialarbeiterin Amantle die Kleidungsstücke des Kindes im Lagerraum der Krankenstation von Neos Heimatdorf. Die Dorfbewohner sind aufgebracht: Die Kleider waren damals spurlos aus dem Polizeiarchiv verschwunden. Die Aufklärung des Mordes scheint nach so langer Zeit ausgeschlossen, doch Amantle will den Dorfbewohnern und vor allem Neos Mutter die Genugtuung verschaffen, dass die Polizei die Vertuschung zumindest zugibt. Amantle bittet ihre Freundin, eine Anwältin, um Hilfe. Am Ende steht die Beichte eines bis dato unerkannten Mittäters und die Frage: "Wenn wir nicht wagen, dem Bösen entgegenzutreten, wer beachtet dann die Schreie der Unschuldigen?"


    Das Buch ist kein literarisches Kunstwerk und auch kein Krimi, sondern die Autorin hat ein Anliegen: Ritualmord zu thematisieren. Sie verpackt das Thema in eine Geschichte, erzählt in einer einfachen Sprache, illustriert mit vielen - nebensächlichen - Episoden über gesellschaftliche Strukturen und das Alltagsleben im ländlichen Botswana, macht rangniedere Polizeibeamte lächerlich, hebt den Mut und die Entschlossenheit einiger Frauen vielleicht ein wenig zu sehr hervor und stellt am Ende sehr plakative Fragen.


    Ich habe mich trotz des ernsten Themas beim Lesen amüsiert und einiges über Botswana erfahren. Die eigentliche Beichte hat mich schockiert - das Kind wurde bei lebendigem Leibe zerstückelt, und solche Dinge passieren wirklich, auch in der realen Welt …


    Wer mehr über Unity Dows Anliegen lesen möchte, findet hier (ab S. 10 des pdf-Dokuments) ein Interview:

    Originaltitel: Les Yeux baissés


    Kurzbeschreibung (von Amazon):
    Der Roman erzählt die Geschichte eines marokkanischen Berbermädchens aus einem kleinen Dorf im Hohen Atlas. Sie lebt dort in sehr ärmlichen Verhältnissen, bis ihr Vater sie eines Tages zu sich nach Paris holt, wo er Arbeit gefunden hat. Sie beginnt nun in einer völlig fremden Welt ein neues Leben, immer hin und her gerissen zwischen zwei Kulturen.


    Über den Autor:
    Tahar Ben Jelloun wurde 1944 in Fes (Marokko) geboren. Er studierte Philosophie in Rabat und Psychologie in Paris, wo er seit 1971 lebt. Für seinen Roman "Sohn ihres Vaters" erhielt er den Preis der antirassistischen Bewegung "SOS Racisme", für "Die Nacht der Unschuld" 1987 den bedeutendsten französischen Literaturpreis, den "Prix Goncourt".


    mehr


    Meine Meinung:
    Ein Berberdorf im Hohen Atlas Ende der 1960er Jahre. Hier lebt Fathma mit ihrem kleinen Bruder Driss bei der verhassten Tante Slima, die selbst keine Kinder bekommen kann und ihre rachsüchtige Bosheit jeden spüren lässt. Driss geht zur Koranschule, Fathma erhält keine Schulbildung. Doch sie erfindet wundervolle Traumfiguren in Traumwelten, hat ihr eigenes Alphabet aus geheimen Zeichen und zieht sich, wenn das Leben unerträglich wird, in ihre versteckte Grotte zu ihrem Hofstaat aus Kieselsteinen zurück. Und das Leben ist oft unerträglich - die Tante misshandelt die Kinder und deren Mutter tut aus Angst nichts dagegen, denn die Tante kann angeblich hexen. Die Tage vergehen langsam und eintönig, Fathma kümmert sich um die Tiere und träumt sich weg von diesem trostlosen Ort. Nur Frauen, Alte und Kinder, Skorpione, Schlangen und Ratten leben noch hier. Die Männer sind fortgegangen, weit weg nach Frankreich, um zu arbeiten, auch Fathmas Vater. Das Dorf wartet auf den Sommer, denn dann kommen die Männer zu Besuch und bringen ein wenig Leben in den roten Staub zurück.


    Driss ist Fathmas Vertrauter, er allein darf ihre Grotte betreten. Oft träumen sie gemeinsam, meist vom Vater, den sie sehr lieben und vermissen, und von "Lafrance", dem Wunderland, in dem der Vater jetzt lebt. Eines Tages stirbt Driss ganz plötzlich an einer Vergiftung durch die Tante, und der verzweifelte Vater kehrt zurück und nimmt Fathma und ihre Mutter mit nach Frankreich, um sie dem Einfluss seiner Schwester, der Hexe, zu entziehen.


    Fathma findet sich im neuen Leben in Paris schwer zurecht. Sie spricht nur Berberisch, hat kein Zeitgefühl, kann nicht lesen und schreiben und Driss ist nicht mehr da, mit dem sie ihre Ängste teilen könnte, Zitat (S. 59): "Neue Dinge waren auf mich eingestürmt, und ich wollte sie verstehen. Ich hatte das Gefühl, von heute auf morgen taubstumm geworden zu sein, von meinen Eltern vergessen und in eine Stadt geworfen, wo alle mir den Rücken kehrten, wo niemand mich ansah oder mit mir sprach. Vielleicht war ich durchsichtig, unsichtbar, vielleicht wurde ich wegen meiner dunklen Hautfarbe mit den Bäumen verwechselt. Ich verbrachte Stunden neben einem Baum. Niemand blieb stehen …" Sie beginnt sich erst einzuleben, als sie die Schule besucht und begeistert zu lernen anfängt.


    Auch in Paris gibt es Gewalt: rassistisch motivierte Anschläge. Fathma führt Tagebuch über die Todesopfer. Der Vater zieht mit der Familie aus der Gouette-d'Or, dem Araberviertel in Paris, in eine Sozialwohnung in der Vorstadt, wo es sicherer ist.


    Fathma kann sich nicht von ihrem Dorf lösen und fühlt sich oft wie in zwei Hälften, die nicht recht zueinander passen wollen. Sie macht sich wie alle jungen Mädchen Gedanken über die Liebe, und zur Liebe gehört in ihrem Volk der gesenkte Blick als Zeichen der Achtung und der Scham. Sie weigerte sich schon als kleines Mädchen, den Blick zu senken - dies blieb den seltenen Momenten mit ihrem Vater vorbehalten. Als Erwachsene setzt sie durch, dass sie einen Abendländer heiraten darf, wenn auch nach den Riten ihres Stammes. Die Ehe ist schwierig, denn auch hier treffen völlig unterschiedliche Einstellungen zum Leben aufeinander. Fathma verabscheut Unterwürfigkeit und schleudert ihrem Mann ihre Wahrheiten ungefiltert und ohne gesenkten Blick ins Gesicht. Es bleibt offen, ob ihre Liebe und Ehe zu retten ist.


    Die Handlung ist eingebettet in die Legende von einem Schatz, der am Fuß des Gebirges versteckt sein soll. Ein Mädchen soll eines Tages dem Stamm den Weg zum Schatz zeigen. Fathmas Stamm glaubt, dass sie dieses Mädchen sei. Zwanzig Jahre nach ihrer Auswanderung kehrt sie ins Dorf zurück, weil es sie nicht loslässt, und wird von den Menschen gezwungen, sie zu dem imaginären Schatz zu führen …


    Die Geschichte ist mit vielen Traumsequenzen verwoben und gleitet stellenweise ins Surreale; bei manchen Passagen bleibt unklar, ob sie in der realen Welt oder nur in Fathmas Gedankenwelt geschehen. Sehr real ist allerdings die Zerrissenheit des Mädchens zwischen zwei Welten. Für mich ist insbesondere der Teil nach der Ankunft in Paris sehr gelungen, ein Beispiel: Der Vater erklärt Fathma die Uhr und die Uhrzeit; sie prägt sich gewissenhaft ein, wann er zur Arbeit geht und wann er zurück kommt - doch er hat arbeitet in Schichten und sie kommt wieder völlig durcheinander.


    Und die Legende von dem Schatz? Das Hauptproblem in dem Dorf ist, dass die Leute - mit gesenktem Blick - in ihrer Schicksalsergebenheit verharren und keine Versuche unternehmen, ihre Lage zu verbessern. Es gibt kein Wasser und keinen Strom; das Dorf wurde anscheinend vergessen. Die Menschen leben einfach und sterben einfach, heißt es an einer Stelle. Menschlich sind sie trotzdem, die meisten zumindest, und als sie sich endlich aufmachen, um den Schatz zu suchen, ist der erste Schritt getan, um ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen.


    Das Buch ist wundervoll geschrieben und voller Poesie, der Tahar Ben Jelloun ist eine Entdeckung für mich. Vermutlich habe ich nur Bruchteile der vielen Gleichnisse verstanden - ein Grund mehr, das Buch wieder zu lesen.

    Teil des Projektes "Einmal um die Welt lesen" (Australien), abgebrochen auf Seite 88.


    Schade, das Buch hörte sich interessant an. Der Autor Mudrooroo gilt anscheinend als Begründer der so genannten Aborigine-Literatur, mehr über ihn gibt es z.B. hier zu lesen.


    In der Geschichte geht es um eine kleine Gruppe von Aborigines, welche die Missionierungsversuche der Engländer und deren Zivilisationskrankheiten überlebt hat. Doch auch sie sind krank, leiden an Depressionen und schlechtem Essen und siechen dahin. Der Schamane Jangamuttuk versucht, sie durch eine Traumzeitreise zu heilen und in eine andere Welt zu retten.


    Das Traumzeitdenken der Ureinwohner interessierte mich. Leider kann ich mit den ständigen feuchtwarmen Träumen des Missionars, den Wortwiederholungen (vielleicht liegen diese an der Übersetzung) und der zu gewollten Ironie nicht viel anfangen. Die Traumzeit konnte für mich nicht zum Leben erweckt werden. Leider.

    Originaltitel: Kartography


    Klappentext:
    Freundschaft und Liebe vor dem Hintergrund politischer und ethnischer Unruhen in Pakistan.


    Raheen und Karim kennen sich, seit sie denken können. Sie lieben »ihr« Karatschi, die gewalttätige, aufregende Millionenstadt. Als Kinder zweier eng miteinander verknüpfter Familien wachsen sie heran: Raheens Vater war mit Karims Mutter verlobt, bis er aus ethnischen Gründen diese Verbindung löste. Ein lange gehütetes Geheimnis beeinflusst auch die Kinder und vertreibt sie als Jugendliche aus der Stadt, die von Rassenunruhen erschüttert wird. Jahre später kommen sie in der geliebten Stadt wieder zusammen.


    Über die Autorin:
    Kamila Shamsie wurde 1973 in Pakistan geboren und lebt heute in London und Karatschi. Vor "Kartographie" veröffentlichte sie die Romane "In the City by the Sea" (1998) und "Salt and Saffron" (2000). Beide Romane gewannen Literaturpreise. Der aktuellste Roman ist "Verglühte Schatten".


    Meine Meinung:
    Raheen und Karim sind zusammen aufgewachsen. Sie sind einander so vertraut, dass einer die Gedanken des anderen zu Ende denken kann. Ihre Eltern sind seit ihrer Jugend eng miteinander befreundet; nichts konnte das Quartett auseinanderbringen. Nicht einmal die Tatsache, dass sie sich irgendwann entschlossen, ihre Partner zu tauschen: Raheens Vater war früher mit Karims Mutter verlobt, Raheens Mutter mit Karims Vater. Was damals passierte, wissen die Kinder nicht.


    Mit dreizehn Jahren werden sie in den Ferien zu ihrer Tante auf eine Farm geschickt, weil 1987 die Lage daheim in Karatschi zu unsicher ist. Es kommt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen. Auf der Farm kommen Raheen und Karim dem Rätsel um ihre Eltern ein Stück näher. Es ist der Zeitpunkt, an dem Karim verkündet, dass er Kartograph werden möchte. Denn niemand kennt die Namen der Straßen von Karatschi. Eine Wegbeschreibung funktioniert nicht mit Straßennamen, sondern mit Geschichten, die mit den Straßen verbunden sind: die Straße, in der man einmal einen Autodieb getroffen hat, der Kreisverkehr mit dem stillgelegten U-Boot … Raheen versteht Karim zum ersten Mal nicht mehr: Wozu braucht man Karten? Man kommt doch wunderbar ohne zurecht. Das Leben in Karatschi spielt sich ohnehin in einem engen Rahmen ab. Ohne Begleitung darf sie nirgends hin - nicht nur, weil sie ein Mädchen ist, sondern weil es nicht sicher ist, auch und gerade nicht für sie als Tochter der High Society. Das Mädchen verdängt das Karten-Problem wie auch viele andere Dinge, die sie einfach nicht sehen will. Das Geheimnis der Eltern hat mit 1971 zu tun - damals war Krieg. Raheen will es nicht hören und schwört sich, niemals danach zu fragen.


    Nach den Ferien macht Karims Vater Ernst: Er bringt seine Familie nach London in Sicherheit. Raheen muss sich von Karim trennen. Es ist das Ende eines Lebensabschnitts zu viert. Karim und Raheen sind auch Teil eines Quartetts, zu dem noch der Junge Zia und das Mädchen Sonia gehören. Vieles bleibt zwischen Raheen und Karim unausgesprochen und in den Briefen ungeschrieben.


    In Rückblenden erfährt der Leser, was 1971 geschah. Damals war es Karims Mutter, die während des Krieges gegen Ostpakistan aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit als Bengali zu den Feinden gehörte. Nun ist es Sonja, die als muslimisches Mädchen eine arrangierte Ehe eingehen soll, aber keine edle Abstammung vorweisen kann, so dass trotz des Reichtums der Eltern kein Bräutigam in Sicht ist. Und Zia, der sie liebt, kommt für Sonias Eltern nicht in Frage.


    Kann sich die Geschichte der Eltern wiederholen?


    Neben den beiden Vierergruppen gibt es in diesem Roman eine weitere Hauptfigur: Karatschi. Kamila Shamsie malt ihr Karatschi in wunderschönen und abschreckenden Bildern, es gibt die Magie der prächtigen Stadt am Meer, aber auch Todesopfer von Schießereien, Kriminalität, Unsicherheit, terroristische Anschläge. Monsunregen, Salz auf der Haut, Straßen ohne Namen, eine besondere Art der Freundschaft, die in einem unzuverlässigen System von Gesetzen und staatlicher Kontrolle unerlässlich ist.


    Die Liebesgeschichte von Raheen und Karim hat für meinen Geschmack einige Längen, zu viel Hin und Her; auf einige Missverständnisse hätte die Autorin getrost verzichten können. Die sparsame Einflechtung von Fakten über den Krieg von 1971 und die Abspaltung Bangladeshs wirkt stellenweise ein wenig bemüht, bildet aber die Grundlage für die Darstellung der ethnischen Konflikte, die Pakistan bis heute immer wieder erschüttern. Doch einige wunderschöne Sprachbilder und eine kunstvoll verwobene Geschichte machen das Buch zu einem lesenswerten Schmöker für alle, die Liebesromane vor exotischer Kulisse und mit realem Bezug mögen.