Hm :gruebel,
das klingt mir alles zu tragödienmäßig. Und neue Erkenntnisse sind das auch nicht.
Sicher wächst das Geld nicht auf Bäumen, erst recht nicht im Verlagsgeschäft. Das dürfte sich aber mittlerweile herumgesprochen haben. Wer reich werden will, sollte sein Glück lieber in der Wirtschaft suchen und nicht als Autor, und natürlich kann man das beklagen, aber es ist ja nicht so, dass man es nicht vorher gewusst hätte.
Aus finanzieller Sicht betrachtet leidet der Autorenberuf - wie alle anderen Kreativ-Berufe - zunächst mal unter dem Problem, dass es jede Menge Idealisten gibt, die sich auch mit schlechter Bezahlung zufrieden geben. Das ist nicht viel anders als z.B. in der Computerspiele-Entwicklung: Die Studios profitieren von Legionen begeisterter Kiddies, die sich frisch aus dem Studium in ein unbezahltes 70-Stunden-die-Woche-Praktikum nach dem anderen stürzen und gern den eigenen Rechner noch mitbringen.
Debüt-Autoren sind so scharf darauf, endlich einen Verlag zu finden, der sie veröffentlicht, dass sie gern mit Stundensätzen von unter 50 Cent arbeiten.
Das alles funktioniert, weil der Idealismus eng mit Hoffnung verknüpft ist: Der Hoffnung auf den großen Durchbruch, die große Karriere, die "Entdeckung" des eigenen Talents durch die wohlmeinende Öffentlichkeit, was sich dann primär in unsterblichem Ruhm und sekundär im damit verbundenen Reichtum niederschlägt.
Und selbst die Mittelschicht professioneller Autoren, die sogar ein bescheidenes Auskommen von ihren Bucheinkünften bestreiten können, wechselt deshalb nicht den Job und wird Steuerberater oder Immobilienmakler - weil sie das Bücherschreiben dafür viel zu sehr lieben, und weil diese Liebe vom (finanziellen) System platt gesagt ausgenutzt wird.
Auf der anderen Seite erlaubt das Verlagsgeschäft - von der Produktion der Bücher bis hin zum Käufer - so, wie es im Moment aufgestellt ist, aber auch keine rasend viel höheren Tantiemen im Mittel, da müsste sich eher grundsätzlich was ändern. Aber das ist wieder eine ganz andere Thematik, und die hier auch noch auszuwalzen, dürfte den Rahmen sprengen.
Die unter amerikanischen Bestsellerautoren seit Kindle Selfpublishing sehr beliebte Idee, einfach selbst die Bücher als E-Books rauszubringen und damit den Zwischenhändler rauszuschneiden, funktioniert natürlich auch nur in einem sehr begrenzten Rahmen:
Richtig gut kann das nur einer tun, der nicht nur sein Handwerk als Autor exzellent beherrscht, sondern aufgrund seiner Bekanntheit und Fanbase im Markt auch ein anständiges Lektorat, Korrektorat und Covergestaltung vorfinanzieren kann, weil er davon ausgehen darf, dass sich die paar tausend Dollar locker wieder einspielen, wenn das Ding auf den Markt kommt.
Wenn also zum Beispiel ein Barry Eisler seine Kurznovellen für $5 auf den e-Markt schmeißt, und einen Roman für $8,99, verdient er sich natürlich dumm und dämlich. Aber Barry Eisler hat auch mehrere hunderttausend Fans, die seine Bücher sofort vorbestellen, wenn sie bei Amazon angekündigt werden.
Wenn Lieschen Müller, die immerhin auf jahrzehntelange Erfahrungen im Baby-Tagebuch-Schreiben zurückblicken kann, einen Horrorthriller über mordlüsterne Balkonstiefmütterchen im Selbstverlag als e-Book veröffentlicht, gelangt sie allenfalls über schieren Preiskampf in die dreistelligen Bestellränge, und auch das nur, wenn Klappentext und Cover suggerieren, dass ordentlich Sex und Werwölfe auf dem Balkon vorkommen. Ihr unlektoriertes Werk zu 1,99 EUR bedrängt damit aber wiederum die Bücher der oben genannten Bestsellerautoren, die über kurz oder lang gezwungen sind, ihre Preise dem Markt anzupassen, sonst ist eines Tages die Fanbase in die Jahre gekommen und es läuft nicht mehr. Wenn nun Barry Eisler für $1,99 verkaufen muss, dann kann er sich den Stress auch fast schon wieder sparen, denn das ist nicht viel mehr als das, was er als Tantieme für's Hardcover gekriegt hätte, und da hätte sich dann der Verlag um Lektorat, Cover, Werbung und Vertrieb gekümmert.
Die schöne neue Welt des eBooks für den Autor hat hier m.E. einen ganz gewaltigen Hinkefuß, zumindest mittelfristig gesehen.
Last but not least muss sich jeder Autor fragen, ob er - auch wiederum mittelfristig - im eBook-Markt mit mehreren Millionen mittelgrausiger Hobbyschreiber konkurrieren möchte, wo sein einziges Instrument - sofern er sich nicht schon Fans erarbeitet hat - der (niedrige) Preis ist und die Amazon Bestsellerlisten bzw. 'vergleichbare Titel' Links, in die reinzukommen genauso abenteuerlich ist wie das Unterfangen, ohne besonderen Werbeeinsatz des Verlags länger als zwei Wochen auf dem Neuheiten-Stapeltisch im Buchladen zu liegen und danach, wenn's nicht raketenartig gezündet hat, erst im Reihenregal und dann in der Versenkung zu verschwinden. Und was der Kunde nicht sieht, das kauft er nicht.
Ist das wirklich die perfekte Welt für den Autor, in der es keine geldgierigen Verlage mehr gibt, sondern nur noch jeder sich selbst der nächste ist, und in der alles - vom Lektorat bis zum Vertrieb - selbst in die Hand genommen werden muss?
Ja, höhere Tantiemen wären schön.
Ja, es wäre auch schön, wenn nicht um die 100.000 reguläre Verlags-Neuerscheinungen pro Jahr in Deutschland dazu führen, dass ein Buch ohne Premium-Werbepaket nicht länger als 4 - 6 Wochen hat, um sich im Markt zu bewähren.
Es wäre wundervoll, wenn viele Buchkäufer sich nicht bei einem Buchpreis von 14,90EUR, wie ihn viele Kleinverlage aus kalkulatorischen Zwängen aufrufen müssen, entrüstet schnaubend abwenden und empört erklären, dass sie höchstens 9,99 EUR ausgeben würden, aber eigentlich die meisten Bücher bei Tauschticket oder eBay für Centbeträge erwerben.
Und man kann sich auch fragen, warum der Einzelbuchhandel in der (finanziellen) Krise zu stecken behauptet, wenn dort 40-50% des Nettobuchpreises als Marge hängen bleiben und nich verkaufte Bücher an die Verlage zurückgeschickt werden können, die deshalb wiederum klagen, sie könnten jetzt schon alle Beteiligten in der Produktionskette kaum noch bezahlen.
Und auch das Bestseller-Geschäft mit eingekauften Super-Lizenzen würde sicher überdacht werden, wenn sich nicht die meisten Käufer genau auf diese Bücher stürzen würden.
Also?
Heult doch, könnte man sagen.
Keiner hat euch gezwungen, Autor zu werden. Mich auch nicht. Ich will's trotzdem sein. Und ganz ehrlich ... es gibt schlimmeres.
LG, Andrea