Beiträge von finsbury

    (Im Nachwort wird das ja etwas relativiert, denn so ein Wal ist in weiten Teilen tatsächlich ungenießbar. :staun)

    Und in den anderen auch, jedenfalls für Menschen mit kontinentalen Ernährungsgewohnheiten. Ich habe letztes Jahr in Ilullisat (Grönland) Mattaq probiert, das ist getrocknete Walhaut mit einer Speckschicht in Würfeln geschnitten. Obwohl ich nur einmal hineingebissen habe, hatte ich den Geschmack mehrere Stunden im Mund. :uebel

    Das Buch hat mir so gut gefallen, dass ich es innerhalb von zwei Tagen gelesen habe. Allerdings finde ich, dass das letzte Drittel etwas abfällt und am Ende ist mir zuviel Friede, Freude, Eierkuchen. Da fand ich vieles dick aufgetragen: der Besuch von Kaufmann, das wie oben schon erwähnte plötzlich angehende Licht, als Aminata "Stille Nacht" singt, das Angebot des Ministeriumsjobs, der mütterliche Wunsch "Mach mich stolz" und dann die Geschichte mit Polly und Aminata.

    Das war z.T. sehr nah am Kitsch, und ich hatte das eigentlich nach den furiosen ersten ca. dreihundertfünfzig Seiten anders erwartet.
    Dennoch war das Buch insgesamt eine tolle Lektüre, gerade in der jetzigen Zeit und ich freue mich, dass ich euch gerade noch für diese Leserunde gefunden habe. Vielen Dank, dass ich noch so kurzfristig teilnehmen konnte.

    Ironmonger baut hier ja mit seinem abgeschotteten Dorf ein Modell.

    Diese Geschichte hier ist natürlich weichgezeichnet und ALLE sind so gut. A

    Und da stimme ich dir zu, hier sind die Leute - zumindest bis jetzt - fast zu gut, um wahr zu sein. Das Böse kommt immer nur von außen wie die Raubzüge. Aber ich denke auch nicht, dass so eine Situation, wie von Hobbes angenommen wird, über längere Zeit zu völliger Anarchie führen würde, weil die Menschen wie die die meisten in Gruppen lebenden Säugetiere sehr schnell wieder soziale Strukturen herstellen würden, denn letzten Endes ist es uns evolutionär so eingepflanzt, dass wir nur als Gruppe überleben können. Allerdings würde es sicher Kämpfe zwischen den Gruppen geben.

    Eigentlich begreife ich mich selbst als Optimisten, aber ich bin wohl der Einzige hier, der Joes "Visionen" für real hält. :wow Aus der Sicht eines alternden Mannes, der sich, sowohl aus den Umständen als auch dem Charakter seiner Frau ergebend, ihrer Treue unsicher sein muss, ist der jüngere Konkurrent schlichtweg ein unerträglicher Albtraum. Da mag auch ein Priester mal seinen Mordphantasien erliegen ...

    Ich denke auch, dass Ironmonger es zwar etwas in der Schwebe lassen wollte, es aber schon genügend Andeutungen gibt, dass der Pfarrer tatsächlich Joe das Wasser nicht aktiv gereicht hat und dadurch seinen Tod billigend in Kauf genommen hätte.
    S.358 Mitte der Hardcover-Ausgabe: "Alvins Gesichtsausdruck war eine brodelnde Mischung aus Furcht und Verachtung, 'Ich habe nicht versucht, Sie zu töten, Joe. '"
    Und auf S. 359 Mitte: "'Tun Sie das nicht, Joe', sagte Hocking. Er hatte den Blick abgewandt. 'Wir waren beide dem Tode nah. Und wir beide leben noch. Machen Sie es nicht unnötig kompliziert mit Ihren Verschwörungstheorien.'"
    Und zwischendrin streitet er ab, aus Joes Fieberreden den Wunsch nach Wasser herausgehört zu haben. Ich finde, dadurch legt Ironmonger dem Pfarrer die Schuld sehr nahe.

    Zu dem Grund, warum Janie ins Dorf kam: Auf S. 255 der Hardcover-Ausgabe steht, dass Kaufmann sie in das Dorf geschickt hat, nachdem Joes Mitarbeiter mithilfe der Ummeldung des Autos bei der Versicherung herausgefunden hatte, dass er in St. Piran war. Janie wollte nur noch fliehen, nachdem die beiden anderen aus den oberen Etagen tot waren, und Kaufmann empfahl ihr St. Piran, weil er davon ausging, dass Joe den Ernst der Lage mithilfe des Programms frühzeitig erkannt hätte und daher vorbereitet sei, was ja auch stimmt, so scheinbar chaotisch das Ganze vielleicht wirkt.

    Ich finde seine Anschaffungen allerdings gar nicht chaotisch, sondern in der kurzen, ihm zur Verfügung stehenden Zeit und zunächst nur auf seine Muskelkraft angewiesen, als sehr sinnvoll. Nur seine Verachtung für Hygieneartikel, insbesondere auch Windeln für die Babys zeigt den anhanglosen Stadtmenschen mit wenig Ahnung. Und Klopapier nimmt in der Tat viel Platz weg, wie die Hamsterer, die unser aller Klopapier in ihren Wohnungen haben, sicherlich und hoffentlich leidvoll feststellen müssen.:lache

    Auch wenn der Pfarrer so hochmütig von der Autarkie des Dorfes spricht, von Getreide ist da nicht die Rede, und Fisch als Grundnahrungsmittel ist zwar möglich, wird aber sicher bald von den anderen Küstenbewohnern auch stark frequentiert sein. Hülsenfrüchte, Getreide sowie Obst- und Gemüsekonserven sind schon notwendig, um eine einigermaßen ausgewogene Ernährung zu gewährleisten, insbesondere auch angesichts des nahenden Winters, in dem noch nicht mal in Cornwall eine zweite Obst- und Gemüseernte einzuholen ist.

    Das liest sich ja wie geschnitten Brot, dieser Roman! Ich hatte einen kleinen Hänger gleich im ersten Kapitel wegen der vielen Namen, aber als ich das überwunden hatte, konnte ich gar nicht mehr aufhören mit Lesen.

    Das Hobbes-Zitat am Anfang stimmt einen wirklich etwas düster, wie du Ellemir , oben schon schreibst, und hier am Anfang ist ja noch gar nicht abzusehen, wie es weitergeht. Von Joe wird im Prolog aus der Sicht der Dorfbewohner ja auch immer in der Vergangenheit gesprochen, was nicht unbedingt seinen Tod, aber doch wohl die Aufgabe des Dorfs als seinen Wohnort bedeutet.

    Die Rettung des Wals durch die gemeinsame Anstrengung aller Dorfbewohner empfinde ich auch wie viele von euch als Wohlfühlstelle, die einen an das Bessere im Menschen glauben lässt und sich stark abgrenzt von den Kapiteln, in denen Joe auf die eiskalte Finanzwelt zurückblickt.
    Ich finde das Buch so spannend, dass ich in einem Rutsch schon bis Seite 140 gelesen habe, weshalb ich jetzt hier erstmal nicht fortsetze.

    Wollen wir hoffen, dass sich die sinnvollen, umwelt- und menschenfreundlichen Entwicklungen durchsetzen. Je älter ich werde, desto pessimistischer bin ich aber in dieser Hinsicht. Ich glaube schon, dass sich die Menschheit irgendwann entweder dem Klimawandel anpasst oder diesen etwas abmindern kann, aber das wird wohl nicht ohne viel Leid und Konflikte abgehen.


    Wenn ihr hier Lust habt, vielleicht mal die "Bösen Philosophen" von Philip Blom zu lesen, würde ich da gerne mithalten. Historisch schließt sich dieses Buch recht gut an das hier Gelesene an.

    Der Austausch hat mir Spaß gemacht. Eine schöne Leserunde, wenn ich auch recht spät eingestiegen bin. Danke.

    Da hast du wohl Recht. Schade, dass nur wenige Leute solche Bücher lesen wie dieses oder sich anders mit dem beschäftigen, was dem Gedeihen der Menschheit insgesamt und mit ihr der Erde als unserem Lebensraum schon immer im Wege stand und heute mehr denn je im Wege steht.

    Ich bin nun fertig mit dem Buch. Den Epilog finde ich sehr bitter, aber leider auch sehr realistisch.

    Die zweite Hälfte des Buches , in dem es um den zweiten Teil der Kleinen Eiszeit im 17. Jahrhundert und die dortige sozioökonomische und kulturelle Entwicklung ging, hat mir noch besser gefallen. Das war einmal eine richtig gute Philosophiegeschichte, die sich im realen Umfeld erdet und die Wirkung darauf zeigt.

    Interessant ist die Weise, wie die Juden ihre Regeln interpretieren. Wie sie den Spagat schaffen zwischen der Pflicht der buchstabengetreuen Anwendung der Gesetze und den Gegebenheiten des Alltags.

    Den Abschnitt habe ich gerade gelesen. Eigentlich ist das doch auch schon irgendwie lustig und selbstironisch, wenn die Talmudisten bei der Auslegung des Gesetzes zum "eigenwilligen und ungehorsamen Sohn" selbst schreiben, dass es den bei ihrer Auslegung gar nicht mehr geben kann. Wer isst schon jeden Tag anderthalb Kilo nicht koscheres Fleisch und trinkt ein Fass italienischen Wein? Auch die Auslegung des "gehorcht unserer Stimme nicht" im Sinne, dass die Eltern den Jungen gleichzeitig mit den gleichen Worten und mit der gleichen Tonhöhe ermahnen müssen, damit der Tatbestand des Nichtdaraufhörens festgestellt werden kann, ist doch wirklich sehr buchstabengetreu. Aber alles, was der Menschlichkeit dient, ist in Ordnung, egal wie weit man es bei Beachtung religiöser Vorschriften herbeiziehen muss.

    Erschüttert war ich von dem Ausmaß der Judenpogrome in Osteuropa zu der hier dargestellten Zeit: 100 000 Tote bei einer sehr viel geringeren Bevölkerung als heute, das ist schon auch hier eine frühe Form des Völkermordes.

    "Das eherne Zeitalter" habe ich nun auch abgeschlossen. Mir ist vorher zwar bewusst gewesen, dass die Niederländer im 17. Jahrhundert eine große Handelsmacht waren, aber ihre auch sozioökonomisch-philosophische Vorreiterrolle war mir so nicht klar. Gut finde ich immer wieder, wie Blom die Epochenparadigmen an Individuen verdeutlicht. Dabei hat mir auch die Bildanalyse des Stillebens von Maria van Osterwijk besonders gefallen. Schade, dass das Buch keine Farbtafeln hat. Das wäre durchaus hilfreich. Wieder habe ich einiges dazugelernt über den Merkantilismus und einige mir bisher kaum bekannte Philosophen. Manchmal ärgere ich mich ein wenig über nicht ganz saubere logische Bezüge, z.B. im Kapitel über den Offizier im Ruhestand, wo es zu Beginn nicht verständliche Zahlenwerte gibt, oder bei Gassendi und Fludd, wo die Bezüge auch manchmal unklar sind. HIn und wieder hätte auch ein Mehr an Synonymen nicht geschadet, da es hin und wieder auffällige Adjektivdoppelungen gibt. Aber das ist wirklich Nebenbei-Meckerei. Der Erkenntnisgewinn durch dieses Buch ist für mich als Nicht-Historiker durchaus beträchtlich.

    Inzwischen habe ich das erste Kapitel "Gott hat uns verlassen" gelesen und finde gut, dass Blom hier mit Zitaten aus zeitgenössischen Dokumenten arbeitet. Insgesamt bin ich über die Zusammenhänge und Auswirkungen durch die obengenannte "Kulturgeschichte des Klimas" schon recht gut informiert. Aber ich habe mich gefreut, im Zusammenhang mit dem Klima von John Dee, Giordano Bruno und Montaigne zu hören. Besonders Montaigne könnte sich eventuell zu einer Folgelektüre entwickeln.


    Die einleitende Bildbetrachtung gefällt mir auch sehr gut und motiviert zum Weiterlesen.