Meine Meinung:
Was habe ich mich auf „Reckless“ gefreut, gehört Cornelia Funke doch zu meinen unangefochtenen Lieblingsautorinnen. Teile der Tintenwelt-Trilogie kann ich im Schlaf zitieren und wie oft ich „Drachenreiter“ und „Herr der Diebe“ schon verschlungen habe, kann ich kaum mehr zählen.
Vielleicht wurde ich gerade deshalb von „Reckless“ so enttäuscht.
Natürlich, da war er wieder, der von mir abgöttisch geliebte Schreibstil, in dem selbst die belanglosesten Dinge wie die schönsten, süßesten Melodien klingen. Ich habe die wunderbare, bildreiche Sprache mit den traumhaftesten Metaphern in mich aufgesogen und dem Klang der Worte noch lange „gelauscht“.
Auch die zahlreichen Einflüsse von Märchen haben mir ausgesprochen viel Spaß gemacht. Ich blättere regelmäßig in meinen dicken, zerfledderten Märchenbüchern, umso mehr habe ich mich jedesmal wie eine kleine Königin gefreut, wenn ein Märchenmotiv aufgegriffen wurde.
Doch diese Punkte konnten leider nicht über inhaltliche Schwächen der Geschichte hinwegtäuschen.
In der Welt hinter dem Spiegel, in der Jacob seinen Bruder Will vor der Verwandlung zum Goyl retten will, scheinen Gewalt und scheinbar beliebige, austauschbare Grausamkeiten nur unschönes Beiwerk zu sein, um die Gefährlichkeit dieser Welt zu demonstrieren, entbehren aber jeglichem Sinn – Grausamkeiten um der Grausamkeiten willen.
Die Kürze des Kapitel hat einen Lesefluss fast komplett verhindert. Trotz der großen Schrift und der schönen, aber unnötig aufplusternden Bildern habe ich relativ lange für „Reckless“ gebraucht, da die Kapitelenden fast jedesmal zu Brüchen in der Geschichte führten. Dadurch hatte die Geschichte kaum Raum sich zu entfalten, der Detailreichtum dieser Welt wird zwar angedeutet, scheint aber wie die Gewalt nur beliebig und austauschbar. Ich habe mich wirklich geärgert, dass alles nur angerissen wurde.
Genauso wie die Welt hinter dem Spiegel bleiben auch die Figuren oberflächlich. Ans Herz gewachsen ist mir außer Fuchs keine einzige, was das Mitfiebern fast unmöglich machte und die Spannung deutlich minderte. Sie bleiben letztendlich nur gesichtslose Figuren, die ohne roten Faden gehetzt durch eine ebenso gesichtslose Welt stolpern, in Gefahrensituationen, die natürlich blitzschnell wieder gelöst werden.
Nicht abgeschlossene Handlungsfäden für den Nachfolgeband bestehen noch genug, diesem werde ich wahrscheinlich auch noch eine Chance geben, in der Hoffnung, dass Vielschichtigkeit und Potential von „Reckless“ nicht länger nur Schatten in einer Nacht bleiben.
Fazit:
Der von mir geliebte Sprachstil Cornelia Funkes und herrliche Märchenelemente wurden leider mit einer haarsträubenden Oberflächlichkeit, Lieblosigkeit und Gehetztheit kombiniert. Ich vergebe enttäuschte 6 von 10 Eulenpunkten.