Beiträge von Bartlebooth

    Hallo zusammen,


    Ich bitte um Nachsicht für mich armen Erstkommentator, wenn es der einen nicht ausführlich genug, dem anderen zu schnoddrig sein sollte. Ich habe mein Bestes gegeben ;-).


    Hunger Ich bin fast vom Stuhl gefallen (wörtlich zu nehmen), als am Ende die zerfleischte Leiche gefunden wurde. Schockeffekte um ihrer selbst willen kann ich nicht leiden. Dazu dann noch die Kriegserinnerungen an den Erbfeind. Das ergab für mich alles keinen Sinn.


    Nachts in der Ruine Beziehungsruinen die erste. Ganz flüssig zu lesen, aber leider sehr abgenudeltes Thema. Ich hatte am Ende eine kurze Vision von Horst Tappert.


    Arabische Nacht ChickLit goes AlQuaeda - zwei Sachen, die mich für sich genommen schon nerven, das konnte mit mir vor dem Text nicht gutgehen; noch dazu heißt die Hauptfigur John Sinclair - gibts da nicht diese Heftchen?


    Feuer und Flamme Unerklärliche farbige Schrift; dieses Annehmen des Schicksals, weil man ungewollt auch ein Kind usw. ist mir persönlich zu moralisierend.


    Little Boy Lag eigentlich nahe, wo der Abwurf sich doch diesen Monat rund jährte. Gute Idee, leider eher unspektakulär in Szene gesetzt.


    Herr von Olpe War natürlich ein Geniestreich den Fontane umzudichten, dessen Ruinen wir alle noch hersagen können. Kalauert mir aber etwas zu sehr. "Weit und breit" war das Passepartout, das stets zum Einsatz kam, wenn sich Einfälle und Versmaß verabschieden wollten. "Schon" auf "Saison" zu reimen, ist ein Schkandal ;-).


    Ende eines Lebens Beziehungsruinen die zweite. Nichts für ungut, aber ich möchte solche Dialoge nicht lesen. Hat was von einer Vorabendserie.


    In diesen Nächten Schöner Titel, war mir insgesamt aber zu blumig geschrieben; inhaltlich plätscherte es so dahin, ohne wirklichen Höhepunkt.


    Die letzten Tage einer Ruine Die Pointe war mir auch zu moralisierend. Mit so was kann ich allgemein sehr wenig anfangen. Ich empfinde das als erhobenen Zeigefinger.


    Auferstanden Mein Platz 2. Schon alleine für die Namenspolizei. Ich hätte nicht ARD und ZDF, sondern Sat1 und PremiereSport (oder wie heißt das?) umbenannt ;-). Wohnraum ab 15 m² zu öffentlichem Raum zu erklären, ist auch großartig. Insgesamt amüsant zu lesen mit vielen solcher netten kleinen Ideen.


    Sara Kann ein Werwolf wirklich "Annabell" heißen? Und das auch noch auf Nachfrage mit einleitendem "Na gut" zu Protokoll geben? Neeein. Das wäre als würde Graf Dracula Otto mit Vornamen heißen und sich vor dem Biss mit vollem Namen vorstellen. Viel zu dick aufgetragen, um gruselig zu sein. "Es ist unter uns, röchelte er" - also nein. Aber lustig wars schon ;-).


    Erkenntnis Mein persönlicher Sieger. Ich mag die Lakonie dieses kleinen Textes, ich mag den Dialog (vor allem das abgebrochene "Seku..."), ich mag diese albernen Kommandanten mit den doofen Namen. Und die Auflösung ist so, äh, unlogisch, dass ich sie nach ein paar Minuten Sackenlassen richtig gut fand.


    Ein Bargespräch Nicht richtig witzig, nicht richtig tiefsinnig, blieb irgendwie alles auf halbem Wege stecken, wirkte dabei sehr bemüht, das zu verbergen.


    Toter Briefkasten Beziehungsruinen die dritte. Eigentlich ganz nett begonnen, die Auflösung war mir aber dann viel zu kitschig.


    Kind aus der Vergangenheit Die Mutter des Retters der Menschheit "Sheila Ahern" zu nennen, ist mutig. Als die Gestalten mit den wallenden Vollbärten auftauchten, musste ich lachen. Das Ganze ist irgendwie eine Mischung aus Asterix und Rosemary's Baby.


    Der Neuanfang Lebensruine wird von Beziehung und dem netten Sparkassensachbearbeiter vorm totalen Zerbröckeln bewahrt. Tut mir leid, ging gar nicht.


    Pompeji Dies ist die Nummer drei, weil ich den Text sprachlich für den besten halte. Beziehungsruinen die vierte war für mich thematisch allerdings eigentlich schon jenseits der Schmerzgrenze.


    Ewig Netter Einfall, ein Bauwerk selbst erzählen zu lassen; ist aber irgendwie bei mir nicht angekommen. Sprachlich etwas holprig, insgesamt zuviel Getue außenrum und zu wenig Geschichte.


    Herzlich, B.

    Hallo zusammen, hallo magali,


    Zitat

    Ich habe übrigens nicht gesagt, daß Sprache damit linear wird, ist, als lineares Medium verwendet werden kann.


    Ohne dass ich weiß, was genau du unter einem "linearen Medium" verstehst, möchte ich sagen: Da habe ich mich wohl etwas unklar ausgedrückt. Aber in deinen Beiträgen steckt doch der Gedanke einer linearen Progression: Je größer das Reservoir, aus dem ich wählen kann, desto wahrscheinlicher die Chance, den "richtigen", den "genauesten" Ausdruck für das, was ich denke zu finden. Niemand sprach von "Wortflut", die Diskussion hat schon soviele Nebenstränge, dass wir uns bemühen sollten, nicht noch möglichst viele hineinzulesen ;-).


    Zitat

    Die Ausgangsfrage war, ob man seinen Wortschatz als beschränkt empfindet und wenn ja, was tun?


    Das ist richtig. Und in deiner Formulierung kommt dasselbe zum Ausdruck wie in Ines' Frage: Beschränktheit = Mangel => muss behoben werden. Darin steckt erneut der Gedanke einer linearen Progression. Und gegen diesen Gedanken argumentiere ich seit meinem ersten Posting. Ich darf mich mal selbst zitieren:

    Zitat

    Ich glaube, ich würde die Begrenztheit des eigenen aktiven Wortschatzes nicht als Mangel beschreiben, wie du es tust, also als Verlust von Ausdrucksmöglichkeit


    und hinterher gleich nochmal Tom aus einem etwas aktuelleren Beitrag

    Zitat

    Aber ich verneine, daß ein Buch automatisch besser ist, wenn der Autor sich eines umfangreicheren Wortschatzes bedient hat


    und ich würde ergänzen: auch nicht, wenn er einen größeren Wortschatz zur Verfügung hat, sich aber dafür entschieden hat (und diesen Gedanken der bewussten Auswahl machst du doch immer stark, magali) auf 90% davon zu verzichten. Denn durch den größeren Wortschatz, so interpretiere ich dich mal weiter, hat er eigentlich eine größere Ausdrucksfähigkeit (lineare Progression), dh wenn er genau die wenigen Worte verwendet, die er verwendet, dann können wir davon ausgehen, dass diese für seinen Zweck genau die richtigen sind. Genau in diesem Sinne habe ich auch deine Frage an mich verstanden, ob Kafka sich "bewusst", "zu einem bestimmten Zweck" einschränkt.
    Liegt nicht genau an diesem Punkt unser Dissens? Ich glaube eben nicht daran, dass je größer der Wortschatz, desto höher die Wahrscheinlichkeit das richtige oder angemessene Wort zu finden (und vielleicht liegt auch hier eine Verwirrung in Bezug auf den Begriff der "Angemessenheit" vor). Es git Schriftsteller mit einem sehr eingeschränkten Wortschatz (zB Agota Kristof), deren Vokabular aber ausreicht, um gute Literatur zu schreiben, weil das Gelingen ihres Erzählens eben nicht von einem großen Wortschatz, sondern von anderen Faktoren abhängt. Und es geht (ich sags jetzt lieber noch einmal) nicht nur um die absolute Zahl der verwendeten - da scheinen wir uns ja alle einig zu sein -, sondern auch um die Zahl der prinzipiell zur Verfügung stehenden Wörter.


    Herzlich, B.

    Zitat

    Je genauer man sich ausdrückt, desto klarer wird, was man sagen will. Desto besser ist das Erzählte.


    magali, ich glaube, du hast zuviel Carnap gelesen ;-). So linear ist erstens Sprache nicht, dass man sagen könnte, man könne sie immer besser lernen, so dass sie immer transparenter würde. Jedes einzelne Wort wirkt doch auch auf unterschiedliche Rezipienten unterschiedlich, da stimme ich Tom zu. Außerdem gilt nicht: je größer der (verwendete) Wortschatz, desto klarer die Sprache.
    Und das Erzählte kann auch von seinen Unschärfen leben, da muss nicht immer jedes Wort wie ein Skalpell zum Einsatz kommen. "Angemessenheit" finde ich so ad hoc den angemesseneren Begriff als "Genauigkeit".

    Hallo magali,

    Zitat

    verstehe ich Dich richtig, daß Du bei Kafka eine freiwillige Einschränkung siehst mit dem Ziel der Präzision?


    Nein, ich glaube, so eine Behauptung könnte ich mit meinem Gewissen gar nicht vereinbaren ;-). Ob Kafka das "freiwillig" macht, mit Vorbedacht und zu einem bestimmten Zweck - wie soll ich das rausfinden? Ich lese nur seine Texte und habe den Eindruck, dass er Präzision sehr viel über Bildlichkeit herstellt und nicht so sehr über das Semantik. Kafkas Texte haben, wie ich finde, einen überdurchschnittlich ausgeprägten Hang zu Metaphorik.


    Es ist mE schon auch wichtig das nicht aus den Augen zu verlieren, was Tom ganz am Anfang gesagt hat. Ich weiß nun nicht, was Ines für Texte schreibt (Tom schrieb: im historischen Bereich, das lässt noch Interpretationsspielräume zu); solch stark metaphorisierende, allegorisierende Verfahren wie bei Kafka eignen sich wahrscheinlich weniger für jemanden, dem es darauf ankommt ein möglichst realistisches und unmittelbar zugängliches Bild einer bestimmten Epoche zu beschreiben. Die Sprache muss auch in ihren Mitteln natürlich irgendwie dem Zweck angepasst werden.


    Columbo, deinen Kochvergleich finde ich auch ganz gut, würde dem aber in meinem Sinne noch hinzufügen: Der Profi kann dann plötzlich auch wieder nur mit Salz, Pfeffer und Knoblauch (Maggi vielleicht nicht gerade ;-)) eine Raffinesse erzeugen. das wird natürlich dem Gericht eine ganz bestimmte Richtung geben, man wird mehr auf den Eigengeschmack der Zutaten achten als auf das Feuerwerk der 1000 Gewürze. Meine Güte, wir sind ja echt die Metaphernkönige ;-).


    MaryRead , Ja, das finde ich auch extrem schwierig, wenn der Auszug eine gewisse Qualität hat, man also nicht schon nach drei Zeilen merkt: Keine Zeichensetzung, schlechte Formulierungen etc.pp.


    Herzlich, B.


    PS Ich hoffe, ich wiederhole jetzt nicht alles, habe gerade gesehen, dass ungefähr schon wieder 5 Einträge gemacht worden sind...

    Hallo Ines,


    Ja, ich verstehe, was du meinst und bin mit dir einer Meinung, dass es erstrebenswert ist, sich einen großen Wortschatz anzueignen, weil mit ihm die Wahrscheinlichkeit steigt, für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.
    Allerdings ist es ja so, dass Texte auch mit einem sehr eingeschränkten Vokabular in der Lage sind, präzise zu sein (darauf will ich die ganze Zeit mit dem Pynchon/Kafka-Vergleich hinaus ;-)). Dh einerseits stimme ich dir im oben genannten Sinn zu; andererseits - und darauf kommt es mir an - scheint die Ausdrucksfähigkeit eines Textes nicht automatisch mit einer absolut gesehen größeren Bandbreite im Lexikon zu steigen. Das ist dann noch einmal etwas anderes als die Unterscheidung zwischen Kargheit und Ausgeschmücktheit, auf die du in deinem letzten Beitrag anspielst. Ich empfinde Pynchons Sprache (ich bleibe jetzt der Einfachheit halber mal bei diesem Beispiel) nicht als überladen im Sinne eines Füllhorns schwülstiger Adjektive, die er über den Text ausgießen würde, das tut er nicht. Er hat aber in deinem Sinne ein größeres sprachliches Reservoir, aus dem er schöpft, als eben Kafka (auf englisch fällt mir gerade niemand ein, vielleicht kann jemand helfen), erreicht dadurch allerdings keine höhere Präzision, wenn ein Computerprogramm vielleicht auch doppelt soviele unterschiedliche Worte auf der gleichen Seitenanzahl finden würde.
    Dh Präzision wird nicht allein im Lexikon hergestellt, sondern auch auf anderen Ebenen; so können Wiederholungen, Wortumstellungen, Assonanzen, bestimmte Verteilungen bei wörtlicher Rede oder dgl. mehr doch ebenso die Präzision eines Textes erhöhen. Das ist wenigstens mein Eindruck.


    Und was ich auch sehr wichtig finde und oben schon angesprochen habe: Die spezifische Eingeschränktheit eines Wortschatzes ist eben die deine und gibt Texten doch auch eine gewisse Unverwechselbarkeit. Und das ist doch auch ein wichtiges Ziel.
    Die Diskussion ist wirklich sehr spannend. :-)
    Ich bin jetzt auch erstmal weg, wenn auch nicht bis Samstag. ;-)

    Hallo Ines,


    Sprachentwicklung in der einen oder anderen Form findet wohl permanent statt. Es geht dabei aber mE nicht ausschließlich darum, den aktiven Wortschatz auszubauen. Eine Ausdrucksfähigkeit erhöht sich doch nicht linear mit der Anzahl der verwendeten unterschiedlichen Wörter.
    Mein Bsp. war vielleicht nicht klar genug: Würdest du sagen, Pynchons Ausdrucksfähigkeit ist größer als die Kafkas? Oder Bernhards? Nur weil er in seinen Texten einen viel größeren Wortschatz hat?
    Ich hoffe, wir posten gerade nicht aneinander vorbei; die Knappheit deiner Antwort macht es mir im Moment nicht leicht zu verstehen, ob ich dir auf die Füße getreten bin (wobei ich nicht wüsste womit, es also erstmal nicht annehme, ansonsten bitte ich schon mal vorsorglich um Verzeihung) oder ob die drei !!! kennzeichnen sollen, dass ich deine Frage richtig verstanden habe. :-)


    Herzlich, B.

    Hallo zusammen, hallo Ines,


    Ich glaube, ich würde die Begrenztheit des eigenen aktiven Wortschatzes nicht als Mangel beschreiben, wie du es tust, also als Verlust von Ausdrucksmöglichkeit. Es gibt ja bestimmte Schriftsteller, die einen extrem variantenreichen Wortschatz haben (etwa Pynchon); dann gibt es wieder solche, bei denen Kargheit Programm ist (etwa Kafka). Der spezifische Wortschatz ist doch auch etwas, woran man Texte erkennen kann, er ist eine Art Fingerabdruck. Es ist natürlich eine eigene und sehr interessante Fähigkeit, Stile kopieren zu können, aber zur eigenen Ausdrucksfähigkeit gehört doch auch eine Vertrautheit mit dem spezifischen Wortmaterial, die ich durch die persönliche Sprachentwicklung gewonnen habe (das sehe ich wie Doc) und die in einem thesaurierten (kann man das sagen?) Text manchmal auch verloren geht. Ist es nicht schön, wenn du sagen hörst: Man erkennt diesen Text als deinen?


    Zum Thema Zeit (juhu, Linguistik!): Präteritum und Perfekt haben ja noch Reste von Aspekten in sich. "Gestern sah ich eine Katze" klingt deshalb für mich auch falsch; im Gegensatz zu "letztes Jahr lag ich eine Zeit im Krankenhaus" - das könntest du mich bisweilen wohl auch sagen hören.
    Aber Sprache hat eine Tendenz zur Auslagerung, so dass das Perfekt und auch der mit "würde" gebildete Konjunktiv über kurz oder lang die Oberhand gewinnen, einfach weil es einfacher ist, sich ein PPP zu merken (und dazu ein Hilfsverb, das ich im Präsens ohnehin kennen muss), als eine ganze Palette von Konjugationen. Dieses letzte Wissen wird dann eben irgendwann zum Zeichen einer besonders ausgefeilten Sprache oder zum Kennzeichen von Schriftsprache (wie magali schon sagte). Für den alltäglichen Gebrauch tendiert Otto N. zur Einfachheit.


    Herzlich, B.

    "Das Parfum" ist tatsächlich das zweite Buch, auf das die Beschreibung zutrifft. Ich gebe mal die Daten von Wikipedia für den "Vorleser":
    "Schlinks "Der Vorleser" stellt einen der wenigen Bestseller deutscher Autoren auf dem amerikanischen Buchmarkt dar. Der Vorleser wurde in 27 Sprachen übersetzt und war das erste deutsche Buch, das auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times stand."
    Ich bin ehrlich verblüfft darüber, dass du niemanden kennst, der dieses Buch gelesen hat. Ich wurde Ende der 90er derart massiv mit Fragen zu diesem Buch bombardiert (und zwar hauptsächlich nicht von Literaturstudierenden, obwohl die es auch alle gelesen hatten, dieses Buch hatte irgendwie jede/r gelesen außer mir), dass ich es dann 2000 endlich satt hatte und es las.
    Ich weiß auch nicht, was mit Braunschweig los ist... ;-)


    Herzlich, B.

    Hallo zusammen, hallo Sterntaler,


    *wunder* nicht so richtig bekannt? Ich möchte mal sagen "Der Vorleser" ist das Buch, das im Ausland mit deutscher Gegenwartsliteratur schlechthin assoziiert wird; es ist weltweit auf so ziemlich jeder germanistischen Leseliste zu finden und eines der erfolgreichtsen deutschsprachigen Bücher der letzten Jahrzehnte.


    Ich bin über diesen Erfolg nachgerade fassungslos. Ich habe mich darüber seinerzeit sehr ausführlich mit einigen Bekannten ausgetauscht. Ich finde das Buch hochgradig verharmlosend. es gab in der englischen Presse vor ca. zwei Jahren auch einen ziemlichen Wirbel darum. Ich konnte bis dahin gar nicht glauben, dass dieses Buch außer mir niemand so gelesen hat.


    Abgesehen davon hat mich diese sexuelle Initiationsgeschichte des pubertierenden Bengels auf den ersten 90 Seiten des Buches extremst gelangweilt.


    Herzlich, B.

    Hallo Tom,


    Na, also diesen Metaphernsturm, den du da am Ende veranstaltest, den finde ich deutlich lustiger als das gesamte Duve-Buch.
    Ich meine: ja, deine Inhaltsangabe ist auch für mich nachvollzihebar, widerspricht aber nicht der Kritik, die ich an dem Buch habe, nämlich dass die Figuren weitestgehend aus Klischees bestehen. Da hätte mich mal eine Gegenposition interessiert.
    "Verkopft" ist das Buch sicher nicht; man könnte das aber auch ins Gegenteil verkehren und sagen: Den Kopf braucht man für dieses Buch nicht, es breitet einen Morast aus Sinnlichkeit aus und drapiert auf ihm eine Reihe lächerlicher Figuren.
    Interessant fände ich, wenn du sagen könntest, was du an dem Buch "knochentrocken" fandest. Ich kann mit diesem einen Wort in Bezug auf den "Regenroman" erstmal gar nichts anfangen.


    Herzlich, B.

    Hallo zusammen,


    Auch ich finde den "Regenroman" ein ziemlich schlechtes Buch und irgendwie sehr symptomatisch für eine ganz bestimmte oberflächelnde Schreibe der 90er. ich will mal versuchen, es zu beschreiben.
    Die Figuren sind platt, platter gehts kaum. Sie sind fies oder ängstlich, sie sind allenfalls Typen, Abziehbilder ohne jede Tiefe. Die Kiezgröße hat einen Boxclub, einen protzigen Mercedes und ist einfach nur Macho; ihr "Vollstrecker ist so ein Typ, der immer im Hintergrund steht und keine Miene verzieht, im Zweifel aber "dem Paten" loyaler gegenübersteht als dem ältesten Freund; die Frau ist ein verschüchtertes Mäuschen, die nur durch die Blicke der anderen lebt und die Lesbe ist zwei Meter groß, sieht aus wie ein Kerl und repariert Maschinen. Differenzierter gings wohl nicht.
    Das Ende ist ein Feuerwerk reißerischer Einfälle (eigentlich nicht nur das Ende). Dyke, deine Bemerkung in der Leserunde, Martina nehme am Ende ihr Leben selbst in die Hand, finde ich fast ein bisschen zynisch vor dem Hintergrund dessen, was sie tut.
    Insgesamt war mir das zu grell, lachen konnte ich an keiner Stelle. Sprachlich fand ichs auch nichts Besonderes; ich habe von Karen Duve seither nichts mehr angefasst und habe es auch nicht vor.


    Herzlich, B.

    Hallo zusammen,


    Ich hatte von dem Buch eine ziemlich andere Wahrnehmung. Zum einen fand ich es ziemlich flüssig zu lesen, die Sprache war zwar manchmal etwas slanglastig (habs auf Englisch gelesen), aber oft auch einfach mit sehr authentisch wirkenden und witzigen Fehlern durchsetzt.


    Zum anderen fand ich es aber nicht nur deshalb sehr humorvoll, sondern auch, weil die ganze Handlung nach und nach immer mehr ins Absurde drehte (und sie ist von Anfang an schon sehr überzeichnet). Dieses sehr langsame Kippen zerstreute dann auch nach und nach meine Wut, die ich auf Seite 200 wie Fritzi noch hatte, denn plötzlich wurde mir klar, dass das Ganze u.a. eine ziemlich makabre Parodie auf die texanische Justiz ist. Satire, ja.


    Insofern hatte bich keine Lust, irgendwen zu schütteln, denn auch die eklatanten Logik- und Gerechtigkeitslücken bei diesem durchgeknallten Prozess schienen mir nach und nach keine einfach Abbildung, sondern einfach nur noch stilisierter Wahnsinn zu sein. Und mittendrin Vernon Little, der sich das alles am Ende doch gut zunutze macht.


    Ich fands toll.


    Ausführliche Rezension

    Ich bin drollige dreiunddreißig. Und letztes Jahr habe ich einfach mal ganz frech einen ungefähr Zehnjährigen, der an der Bushaltestelle ein Gespräch mit mir angefangen hat, zurückgesiezt. Das hat ihn überhaupt nicht beeindruckt.

    Hallo zusammen, hallo taciturus,


    Ich habe grundsätzlich große Probleme mit Bernhards Prosa. Das liegt vor allem an dem, was du treffend als

    Zitat

    Refrainartige Wiederholungen bestimmter Phrasen


    beschreibst.
    So sehr es mich aber in seiner Prosa anstrengt, ja fast nervt, so sehr liebe ich dieses Stimittel in seinen Dramen. Ich kann mich Alice also nur anschließen und mich als Fan seiner Bühnenstücke outen - wenn ich auch andere Favoriten habe ("Heldenplatz" kenne ich dabei noch nicht), nämlich "Vor dem Ruhestand" und "Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen".
    Ich wollte mich bei allen Vorbehalten nicht bis auf alle Zeiten der Prosa Bernhards verweigern (brauche nur immer mal wieder eine Pause von ihr) und bin aufgrund deiner sehr positiven Besprechung nun doch fast geneigt Holzfällen die nächste Chance zu geben. Oder hast du noch einen anderen Tip?


    Herzlich, B.

    Ja, das ist ein spannendes Thema, allerdings im "Antigone"-Ordner ein bisschen OT. Darum nur soviel: Es ist natürlich schwierig für Lehrer, prinzipiell jede Lektüre unterrichten können zu sollen (ich gehöre nicht zu denen, die denken, Lehrer hätten eigentlich nur Ferien und würden sich in denen auch noch hauptsächlich langweilen). Dh irgendwoher müssen sie sich informieren und die meisten haben leider nach ihrem Studium keine Lust mehr, sich in schwierige Fachliteratur einzulesen, sondern benutzen dann lieber Lektürehilfen o.ä. Das ist ihnen anzulasten.
    Von einem/r engagierten Lehrer/in würde ich erwarten, dass er/sie sich vor der Unterrichtseinheit noch einmal mehr anschaut als eine Lektürehilfe und das Kindler, sondern dass er/sie sich vielleicht nochmal einen Nachmittag in eine UB setzt und dort recherchiert. Wenn man dabei dann nicht nach kürzester Zeit auf Hegel stößt, macht man bei seiner Recherche etwas falsch.


    An der Uni ist es so: Wenn dein Bsp. sich auf ein Seminar bezieht, in dem es meinetwegen zentral um den Gegensatz von weltlicher und religiöser Sphäre in der Literatur ging, dann kann man natürlich einen Text wie die "Antigone" hernehmen und nur diesen einen Aspekt beleuchten, sollte dann redlicherweise nicht verschweigen, dass es sich um ein Rezeptionsphänomen handelt und eine christliche Lesart eigentlich ein Anachronismus ist (was sie mE nicht unmöglich macht, ich sehe das nicht ganz so streng wie Iris). War es aber ein Sophokles-, ein antike Dramen-, gar ein spezielles Seminar zum Antigone-Stoff, dann war deine Dozentin einfach schlecht vorbereitet.


    Herzlich, B.

    Zitat

    Original von Ronja


    An der Uni wird allerdings nicht immer die von Iris erklärte Interpretation gelehrt.


    Meine Dozentin ist auf diesen Aspekt überhaupt nicht eingegangen. Bei uns wurde nur die "Religion - weltliche Ansichten" und die "dem Fluch der Familie nicht entgehen können" Thesen betrachtet.


    Hallo Ronja,


    Ich wollte nicht so verallgemeinernd klingen. Mein Beitrag sollte nur darauf hinweisen, dass man bei einer fundierten "Antigone"-Interpretation eigentlich kaum an Hegel vorbeikommt, es sei denn, man stellt sich sehr blind, denn der ist für die Antigone einfach sehr grundlegend und breit rezipiert. Dh natürlich nicht, dass man seine Interpretation automatisch am einleuchtendsten finden muss. Judith Butler hat sich zB sehr stark gegen die Geschlechterzuweisung in Hegels Interpretation gewendet.


    Herzlich, B.

    Halli hallo,


    Die gängige "Antigone"-Interpretation ist doch eigentlich die aus der "Phänomenologie des Geistes", die Antigone als "ewige Ironie des Gemeinwesens" sieht. Es geht auch bei Hegel eher um eine Entgegensetzung von "Allgemeinwohl und Privatwohl", wie Iris das gesagt hat, als um eine Entgegensetzung von weltlicher und religiöser Sphäre. Bei Hegel wird das Ganze dann auch noch durch den Geschlechtergegensatz ergänzt: Der Mann Kreon muss sich in der männlichen öffentlichen Sphäre um das Gemeinwohl kümmern, während die Frau Antigone - als Repräsentantin der häuslichen weiblichen Sphäre - sich es leisten kann, das Privatwohl über das Allgemeinwohl zu setzen. Diese Interpretation ist nicht unwidersprochen geblieben, doch das würde jetzt wohl zu weit führen.
    Es ist aber nicht so, dass "die Germanistik" "den Deutschlehrern" veraltete Interpretationen an die Hand gibt. Das Problem ist, dass die Deutschlehrer/innen ihr Wissen meist eher aus völlig unzureichenden und tatsächlich veralteten (oder vielmehr: einfach schlechten, denn Hegels Interpretation ist ja nun auch schon fast 200 Jahre alt) Interpretationshilfen beziehen statt aus ihrem Studium. Die heutige Lehrerausbildung scheint mir ohnehin ein größeres gewicht auf das "Wie" als auf das "Was" zu legen - eine beklagenswerte Entwicklung, wie ich finde. Aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema.


    Herzlich, B.

    Hallo Iris,


    Tschuldigung, ich muss mich nochmal melden. Ich habe auf einer Website die Einleitung zur Neuauflage von "Der dressierte Mann" gefunden. Allerdings auf englisch:



    Außerdem ist auf der Website das erste Kapitel mit diesem Reifenwechsel-Bsp. abgedruckt, das ich mit Staunen gelesen habe. Geht die "Argumentation" darüber wirklich nicht hinaus?


    Herzlich, B.

    Hallo zusammen, hallo Delphin,


    der Phaidros ist ja auch noch in ganz anderer (und in einem Bücherforum vielleicht nicht ganz nebensächlichen) Hinsicht sehr interessant. Hier wird nämlich die platonische Auffassung der Schrift als lebloses Abbild der Rede skizziert. Die Schrift, so Platon sinngemäß, sei wie ein Kind, das von seinem Vater irgendwann zwangsläufig verlassen wird (nämlich beim Tod des Autors), dann aber zu schwach ist, für sich selbst zu stehen.


    Ist das (spätestens seit den 60ern, Derrida hat da in seiner "Grammatologie" versucht, die Schrift zu rehabilitieren) ja sehr stark angefochtene platonische Schriftkonzept eines, mit dem ihr etwas anfangen könnt? Ist der Autor also wie ein Vater zu seinem Text und ist der Text tatsächlich verloren, wenn ihm seine "Eltern" nicht mehr beistehen (können)?


    Herzlich, B.