Beiträge von SueTown

    Ich habe angefangen und erst einmal bis Seite 40 gelesen.


    Wie schon bei "Easter Parade" gelingt Yates gleich zu Beginn die dunkle Atmosphäre zu schaffen. Diese bedrückende Theateraufführung und die Proben...


    Zitat

    ...die Players registrierten immer wieder in ihren gegenseitigen Blicken die Vorahnung des Scheiterns, im kleinlauten Nicken und Lächeln beim Abschied, in der hektischen Eile, mit der sie zu ihren Wagen aufbrachen und nach Hause fuhren, wo vielliecht noch ältere, weniger deutliche Vorahnungen des Scheiterns auf sie lauerten.
    Seite 14


    Dann der Rückblick auf Frank Wheelers Jugend. Es entwickelt sich gleich eine Sympathie für diesen jungen Mann, der es erst recht schwer hat sich bemerkbar zu machen aber dann aufblüht und bewundert wird.


    Und als sehr bedrückend empfinde ich Franks Verlangen seiner Frau nach der misslungenen Aufführung helfen zu wollen, aber ständig abgewiesen zu werden. Sie will ihn nicht an sich heran lassen, was wohl auf vielfache gegenseitige Enttäuschungen zurückzuführen ist. Ich kann das Gefühl sogar ein stückweit nachvollziehen. Das ist es ja auch, was Yates so glaubhaft und erschreckend macht. Jeder findet sich zu irgendeiner Zeit in einer Beziehung in einer solchen oder ähnlichen Situation wieder.

    Originaltitel: Diabel na dzwonnicy
    Erschienen: 2000
    TB, 208 Seiten


    Inhalt: (Inhaltsangabe des Buches)
    Zwischen Polen und Litauen, mit einem kurzen Intermezzo in Deutschland, spielt diese hinreißende Familiengeschichte. Es geht los mit der Jugendzeit der Großväter und ihren zahlreichen Kindern, deren Leben sich durch die Ereignisse der Zeit ebenso spektakulär wandelt wie der Charakter der Städte Lemberg und Wilna, in denen sie aufwachsen. Edward, ein tiefgläubiger Katholik, der einen Kirchenchor nach dem anderen gründet und leider viel zu früh an der Schwindsucht stirbt. Mietek, das schwarze Schaf, der mit seiner kommunistischen Gesinnung die Familie zur Verzweiflung treibt, sich jedoch unter der deutschen Besatzung gewitzt durchschlägt: mit kunstvoll geschnitzten, höchst unanständigen kleinen Holzfiguren.


    Über den Autor (laut Amazon)
    Marek £awrynowicz, geboren 1954, verdiente sich seinen Lebensunterhalt u. a. als Arbeiter, Konditor und Buchhändler, bevor er begann, Satiren für den Rundfunk zu schreiben. Er hat eine Gedichtsammlung, einen Band mit satirischen Erzählungen und drei Romane veröffentlicht. Zur Zeit ist £awrynowicz als Redakteur beim Warschauer Rundfunk tätig, wo er den Bereich Satire betreut.



    Einleitender Liedvers


    Meinung
    Da habe ich gleich zu Beginn des Jahres eine Perle aus dem SuB gefischt! Eigentlich wollte ich vor der Yates-Leserunde noch "Schweigeminute" von Lenz lesen, da fiel mir dieses Buch beim Sortieren in die Hände. Einfach Hinreißend! Ganz nach dem Motto: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht!"


    Einmal angefangen kann man sich dieser genialen und intelligenten Lektüre, ein Stück polnisch-litauischer Zeitgeschichte, nicht mehr entziehen. Dabei geht es dem Autor nicht um eine detaillierte geschichtliche Zusammenfassung, das Wissen um die Zusammenhänge wird größtenteils vorausgesetzt, sondern vielmehr darum, die (Über)Lebensstrategien der Generationen bis nach dem zweiten Weltkrieg festzuhalten.
    Die Figuren sind absolut skurril und liebenswert, das was sie tun noch viel skurriler und grotesk, die Erzählstruktur unglaublich humorvoll aber zu keiner Zeit verharmlosend. Das Elend zu Kriegszeiten, die Verfolgung, der stalinistische Terror, die Repatriierung; alles ist zwischen den Zeilen, teilweise auch darin, zu lesen aber nicht ausgeführt. Es ist ein Streifzug durch die Geschichte - auf liebevoll humorige, manchmal auch satirische, Weise in Situationskomik umgesetzt. Überleben hieß in dieser Familie gänzlich unverdrossen Befehlsgewalten hinters Licht zu führen. Und das im ganz großen Format.
    Ein bisschen kommt die Geschichte wie eine rasante Fahrt durch das Zeitgeschehen daher. Es macht Mühe den Stationen zu folgen. Allerdings förderte das Tempo wiederum ein Gefühl der zeitlichen und räumlichen Orientierungslosigkeit, welche auch die Figuren ihr Leben lang verfolgt hat. Und bei all diesem Tempo schafft es Lawrynowicz doch bedeutende und ergreifende Augenblicke einzufangen. Das ist es auch, was dieses Buch besonders macht.
    Mein Fazit:
    Eine tolle Entdeckung und uneingeschränkte Leseempfehlung! Ich hoffe, dass dieses Büchlein noch jede Menge Leser/innen anzieht. Verdient hat es diese allemal.


    Hier noch zwei kleine Auszüge:

    Zitat

    Großvater war unterwegs, um für den Zaren zu fallen, und er sang, um sich etwas Mut zu machen und die täglichen Sorgen zu vergessen.
    Eigentlich hatte Großvater nur eine große Sorge: Vor einem Jahr hatte er Großmutter Anna, eine sehr energische und entschlossene Person, geheiratet; vor einem Monat hatte er ihr beim Kreuz geschworen, daß er sich in keinem Fall umbringen lassen werde, und vor einer Woche hatter er bei Gott geschworen, daß er bereit sei, für den Zaren zu fallen. Wie der liebe Gott diesen Widerspruch lösen sollte, wußte Großvater beim besten Willen nicht. (Kapitel I, Seite 7)


    Zitat

    Vater schlief nicht. Er dachte nach, über sich, über seinen Vater, über den Großvater, über die Vorfahren, und er wunderte sich, wie schnell sie vergangen waren. Wie im Riesenrad auf dem Rummelplatz: Kaum kommt der Mensch nach oben, begeistert sich für die Welt, schon geht es wieder abwärts. (Kapitel VII, Seite 132)

    Zitat

    Original von Gummibärchen
    Ob ich es schaffe, das Buch noch vorher zu lesen? Würd ich eigentlich gern machen, bevor ich reingehe :gruebel


    Weiß aber gar nicht, ob es als Buch meins ist :gruebel


    Lese mit uns und finde es heraus - unsere Leserunde dazu beginnt in genau 45 Minuten. :-]

    Ich habe mir heute das Buch von meinen unzähligen Weihnachtsbuchgutscheinen in englischer Sprache bestellt (Light Years)und freue mich schon auf's Eintreffen. Es klingt jedenfalls ganz nach meinem Geschmack. :-)

    Für alle, die auch an gebrauchter englischsprachiger Literatur interessiert sind, gibt es bei www.betterworld.com z.T. sehr gute Angebote. Und bei den derzeitigen Wechselkursen kommt man ohnehin gut weg beim Kauf. :-] Zu beachten allerdings, dass man nicht über einen bestimmten Betrag hinaus bestellen sollte, wegen Einfuhrabgaben (ich glaube, derzeit liegt dieser Betrag bei 22 Euro, wobei zu beachten ist, dass die Versandgebühren dem zu verzollenden Wert angerechnet werden). Alles darunter ist abgabenfrei. Zollgebühren fallen, soweit ich weiß, bei Büchern nicht an.

    Zitat

    Original von buzzaldrin


    Und mit Zeiten des Aufruhrs wird er deine Wieder-Entdeckung des Jahres 2009, ich ahne das jetzt schon ... :grin


    Da bin ich mir auch sehr sicher. :-] Obwohl... Tobias Wolff und James Salter warten auch noch darauf von mir entdeckt zu werden. :-)

    Zitat

    Original von buzzaldrin
    Ich war einfach ein wenig erstaunt, als ich das gelesen habe - vor allem, da das Buch von anderen Kritikern ja doch eigentlich häufig als epistolary novel beschrieben wird.


    Zu Recht erstaunt. Es ist auch irreführend. Ich hatte(habe) keine Kritiken gelesen und war von daher sehr unvoreingenommen. :grin

    Ich hatte die Briefe als eine Art Tagebuchführung aufgefasst, wobei dies eben in Briefform geschah, um das sarkastische auch rüberbringen zu können. Würde man als reinen Tagebuchaufschrieb einfach nicht so schreiben. Gerade zu Beginn hat mich das in die Geschichte "gelockt", da gerade der Gedanke daran, dass er diese Dinge wirklich an den Premier schreibt, überaus erheiternd ist. Allerdings relativiert sich das recht bald und eigentlich macht sich der Briefcharakter nur am Anfang eines jeden Kapitels bemerkbar. Es spielt ja dann auch wirklich keine Rolle mehr.

    Ich habe das Buch vor ein paar Wochen in der von Delphin verlinkten englischen Ausgabe gelesen und war ebenfalls begeistert. Balram ist ein toller Ich-Erzähler, der die, eigentlich alles andere als, lustige Geschichte mit ihren sehr realen Fakten unterhaltsam sarkastisch zu erzählen weiß. Es gibt wirklich unzählige Sätze und Pointen, die man hier zitieren könnte, aber auch ich bin der Meinung, man sollte das Buch unbedingt selbst lesen und den schwarzen Humor genießen!