Ich war sehr gespannt auf dieses Buch, weil ich vor längerer Zeit Das Wüten der Welt von diesem Autor gelesen habe und begeistert war. Demnach hatte ich mir eine genauso spannende und unterhaltsame Lektüre erhofft, bin jedoch zu dem Schluß gekommen, dass Der Schneeflockenbaum qualitativ keineswegs an das oben genannte Buch heran kommt.
Es dreht sich alles um eine lebenslange Freundschaft zwischen einem namenslosen Ich-Erzähler und seinem Sandkastenkumpel Jouri. Beide stehen stets ein wenig im Abseits. Der Ich-Erzähler aufgrund einer üblen desozialisierenden Darmerkrankung, die ihn ständig und in den unmöglichsten Situationen laut furzen und auf die Toilette rennen lässt. Der andere, Jouri, aufgrund der Tatsache Sohn eines Kollaborateurs zu sein. Die Eltern anderer Kinder ermuntern diese natürlich nicht zum Umgang mit Jouri.
Wie es die Umstände so wollen, werden der Ich-Erzähler und Jouri gute Freunde - Jouri stört der Gestank, den der Ich-Erzähler oftmals ausbreitet und weswegen er gemieden wird, nicht. Selbstverständlich werden sie auch älter. Und auf einmal beginnt die Misere: Jouri spannt seinem Freund sämtliche Freundinnen aus. Kaum hat sich der Ich-Erzähler in eine junge Dame verguckt, ist Jouri schon zur Stelle um sie ihm auszuspannen. Dieses Szenario zieht sich sogar bis zur Ehe der beiden Männer hin. Überraschend dabei ist, wie loyal der Ich-Erzähler stets gegenüber seinem Freund bleibt. Das wirkt gelegentlich schon recht unglaubwürdig.
Maarten 't Harts Kernaussage ist kurz und bündig. Wohin es führen kann, wenn destruktiven Neidgefühlen nachgegeben wird und was das mit verpassten Chancen zu tun hat, davon handelt dieses Buch. Wahrscheinlich geht es auch um die Schwierigkeiten des "Erwachsen werden", aber dies sicher nur am Rande.
Der beliebte niederländische Autor besitzt einen amüsanten und lockeren Stil, den er auch hier einsetzt. Er ist ein sehr guter Erzähler. Letztlich rettet diese Tatsache das Buch, denn schon früh zieht sich die Thematik hin. Augenscheinlich dreht dreht sich alles um die Ausspannerei, aber leider ist weit weniger ersichtlich, wo es letztendlich hinführen soll. Jouri spannt eben am laufenden Band die Freundinnen aus, aber na ja, nach der dritten müssen nicht noch drei weitere folgen. Irdendwann besteht der Wunsch nach Aufklärung.
Die Unklarheiten - auch in Bezug auf den Titel - lösen sich natürlich auf. Allerdings bleiben große Überraschungen bis zum Ende hin aus. Die Figuren als farblos zu bezeichnen wäre unangebracht, aber sie bleiben entfernt, da die Motivation für ihre Handlungsweise nicht klar dargestellt wird. Man liest, man findet seltsam, was das vor sich geht, aber man leidet oder freut sich sicher nicht mit den Figuren. Das hat wohl den Grund, das eine Unklarheit doch bestehen bleibt: warum der Ich-Erzähler und Jouri ein Leben lang befreundet bleiben, erschließt sich mir beim besten Willen in keiner Weise.
Wie Herr Palomar schon schreibt, spielt auch in diesem Roman die klassische Musik wieder eine bedeutende Rolle. Die große Leidenschaft des Autors zu dieser Musikrichtung muss man zwar nicht teilen, aber es schadet nicht ein wenig Interesse dafür übrig zu haben, um der Langatmigkeit entgegen zu kommen.
Fazit
Eine ruhige und mäßig unterhaltende Geschichte, die ein wenig mehr Plot vertragen hätte. Die Kernbotschaft ist recht dürftig und wird im Laufe der Erzählung schlichtweg überstrapaziert. Es schadet nicht dieses Buch zu lesen, aber es macht auch nichts, wenn man es nicht tut. Vielleicht eher als Hörbuch...