Regenroman - Karen Duve

  • Die ziemlich einhellige Meinung, die hier geäußert wird, ist negativ und das kann ich verstehen. Denn der "Regenroman" ist ein gnadenloses Buch, ein Buch, das dem Leser eine ihren "Sinn" nicht offenbarende Handlung vorsetzt, und diese bis zum Erbrechen detailliert schildert, sie seziert. Sie wird dem Leser serviert - ganz nach dem Motto "Friss oder stirb!".


    Und das Buch kann einem die Stimmung verregnen, denn wenig in der Handlung ist erfreulich. Leon, erfolgloser Dichterfürst mit den falschen Freunden, und Martina, eig. Roswitha, die immer jemanden braucht, an den sie sich klammern kann (sei es nun Mann oder Hund) und erkennen muss, dass auch diese beiden sie nicht beschützen können, hat es in die trostlose und doch in ihren Augen so hübsche Moorlandschaft verschlagen. Horden von Schnecken, ein Haus, an dem scheinbar nichts mehr intakt ist, und ein aufgebrachter Boxer halten die Stimmung beständig auf dem Tiefpunkt, d.h. sie wird eigentlich immer schlimmer.


    Und dieses Schlimmerwerden wird akribisch geschildert, unglaublich kraftvolle Vergleiche und eine Sprache, die sich nicht dazu hinreißt, sich in der Handlung zu verlieren oder auf die Tränendrüsen zu drücken, sondern stattdessen eine eher beschreibende Funktion einnimmt, zwingen den Leser in diesen trostlosen Morast. Ja, sie ist trocken und lakonisch ... und bissig. Ich hatte fast das Gefühl, als weide sie sich genüsslich am Schicksal der Figuren.


    Es ist ein böses Buch. Es schildert Gemeines und das anscheinend gerne. Vergewaltigung, Mord, Tod, Krankheit, Schneckenplage und dazu herrlich überzeichnete Charaktere, denen man das Ausfüllen ihrer Klischees wirklich abnimmt, da sie Individualität erhalten. Und wenn man zwischen den Unsympathen genauer schaut, mindestens einen Sympathieträger gibt es. Martina, die mit ihrem Leben nicht klarkommt, sich an andere klammert - und enttäuscht wird, zerstört wird (durch das "Versagen" ihres Mannes, Missachtung durch ihre Familie und auch den Wunsch, anderen gefallen zu wollen.) Allein das "Vater, ich habe gesündigt!" ist bezeichnend.


    Und ihr Ende ist ungewiss. Denn so genau auch alles geschildert ist, vieles bleibt der Vorstellung und (automatischen?) Interpretation des Lesers anheimgestellt. Wie geht es mit ihr weiter? Was ist mit dem Krämer?
    Man kann manches auf zwei Arten in diesem Buch lesen.


    Ich weiß nicht, ob es ein Buch zum Empfehlen ist, da ich die schlechten Meinungen verstehe - meinen Geschmack hat es jedoch getroffen.


    Fazit
    Mir hat das Buch gefallen, all die armseligen Gestalten, der Regen, das Moor, die ganze trostlose Handlung - vor allem aber überzeugt Karen Duve durch ihren Schreibstil.


    9/10 Punkten


    :wave bartimaeus

  • ..ich bin durch Zufall zu dem Buch gekommen - und im Gegensatz zu meisten - ja es hat mir gut gefallen.


    Sicherlich kein Buch zum Lachen, aber ich finde Duve hat ganz gut den Verfall, das Aufweichen von Grenzen und Regeln beschreiben können.


    Ich finde "reinschnuppern" sollte jeder mal, und niemand muss bis zum
    Ende durchhalten, ...


    :wave

  • Ich bin erstaunt ûber die gegensätzlichen Reaktionen, die das Buch hervor ruft. In den Neunigern habe ich es mir eine Zeit lang zur Aufgabe gemacht jedes Jahr zu Weihnachten einen deutschen Roman zu lesen. Wenigstens einen im Jahr. Das war bis auf T. Brussig und eben den Regenroman von Tante Duve eine ziemliche Mühsal. Sie hat einen sprachlich ganz wunderbares Buch geschrieben. Voller hintergründiger Anspielungen, subtil, spannend, zynisch, hinreissend komisch. Besser geht es kaum.

  • Ich habe mich durch diese Buch gequält - und fand es einfach nur widerlich.


    Hinterher habe ich mich gefragt, warum ich es zuende gelesen habe, eigentlich war mir der Anfang schon unsympatisch. Jede Situation wird bis ins kleinste beschrieben, eine Aneinanderreihung von Adjektiven.


    Es beginnt ziemlich langweilig, in dem das Leben von Leon beschreiben wird. Er bekommt nach allgmeinen Maßstäben wenig auf die Reihe und vegetiert vor sich hin. Freunde hat er keine. Er bezeichnet Harry als seinen Freund, räumt aber sofort ein, das er ihn eigentlich nie sieht.


    Als besagter Harry ihm einen Kiezkontakt verschafft, greift er ohne Zögern zu. Er hinterfragt zu keiner Zeit, warum er plötzlich zu Geld kommt. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Leon ist seinen Geschäftspartnern nicht gewachsen, negativer Höhepunkt ist die detailliert beschriebene Vergewaltigung seiner Ehefrau.


    Trübe Stimmungen heraufbeschwören ist das eine - das ist Karin Duve gut gelungen. Eine Vergewaltigung detailliert zu beschreiben - das geht für mich gar nicht!

  • ... habe mich bei dem Buch köstlich amüsiert. Ein Spiel mit Klischees (zu viele, um wirklich welche zu sein - hier steckt ganz klar Absicht drin) und dem Magen des Lesers (ich habe zufällig einen starken, weshalb mich die Reizversuche angenehm belustigt haben).
    Schnell runter gelesene Ferienlektüre, die doch einige Bilder im Gedächtnis hinterlassen (der auf dem Schneckeneimer ausrutschende Lastwagen, die nach einer Analvergewaltigung kottriefend vorgenommene Fellatio etc.). Viele kleine, schmutzig/eklige Episoden - hier ist für jede/n was dabei :wave

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)