Schreibwettbewerb 01.09.2020 - 31.10.2020 Thema: "Urlaub"

  • Thema 01.09.2020 - 31.10.2020:


    "Urlaub"


    Vom 01.09.2020 bis 31.10.2020 23:59 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den aktuellen Schreibwettbewerb zum Thema „Urlaub“ per PN (Sprechblasensymbol, „Konversationen“) zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 01.11.2020 eingestellt.


    Wer mitschreiben möchte, sendet bitte eine PN an den Account SchreibwettbewerbOrg. Wir schicken euch dann die Zugangsdaten für den Account Schreibwettbewerb. Das Passwort bitte vertraulich behandeln! Ihr meldet euch als Schreibwettbewerb an und sendet euren Beitrag an SchreibwettbewerbOrg. Dadurch sind alle Beiträge anonym. Nach der Veröffentlichung (nach dem 31.10.2020) sendet bitte eine zweite PN mit dem Titel eures Beitrags und eurem Namen an SchreibwettbewerbOrg, damit wir die Beiträge zuordnen können. Das Orga-Team wird erst nach der eigenen Punktevergabe in diese Beiträge schauen.


    Neue Regeln:

    - Die Grenze für die Beiträge wird auf 600 Wörter erhöht.

    - Abgabeschluss ist um Mitternacht.

    - Mitschreiben darf, wer mindestens 50 buchrelevante Beiträge hat oder seit mehr als 6 Monaten Mitglied ist.

    - Abstimmen darf, wer mindestens 25 buchrelevante Beiträge hat oder seit mehr als 3 Monaten Mitglied ist.

    - Als Thema vorgegeben werden kann ein Wort, ein Satz oder ein (selbstgeknipstes/gezeichnetes) Bild (ihr müsst das Urheberrecht haben).


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 600 Wörter zu verwenden. Wir behalten uns vor, Beiträge mit mehr als 600 Wörtern nicht zum Wettbewerb zuzulassen!

  • Ohne Auftrag

    R. Bote


    „Ich biete Ihnen 2000. Spesen gehen extra.“ Das Angebot war verlockend für Saskia, die Privatdetektivin: 2000 Euro dafür, dem Ehemann der Frau nachzuspüren und Beweise dafür zu sammeln, dass er fremdging. Trotzdem überlegte Saskia, ehe sie schließlich zusagte, den Auftrag zu übernehmen. Irgendwie hatte sie kein gutes Gefühl dabei, vor einer Scheidung, die schmutzig zu werden versprach, einer Partei Munition gegen die andere zu verschaffen. Aber war das eigentlich so viel anders als das, was sie normalerweise machte? Wenn ein Arbeitgeber sich von einem Mitarbeiter trennte, nachdem sie Beweise beschafft hatte, dass dieser Mitarbeiter mit falschen Krankschreibungen betrog, dann war das doch auch eine Art Scheidung. Dazu kamen zahlreiche Aufträge, unterhaltspflichtige Elternteile entweder aufzuspüren oder aber nachzuweisen, dass sie entgegen ihren Behauptungen genug Geld hatten, um ihren Verpflichtungen nachzukommen.


    Viel Zeit, sich vorzubereiten, hatte sie nicht. Schon zwei Tage später saß sie im Flugzeug nach Barcelona, acht Reihen hinter dem Ehemann, der zusammen mit einer Kollegin auf dem Weg zu einem Geschäftstermin war. Von ihrer Auftraggeberin wusste sie, dass der Mann als Abteilungsleiter für eine Firma arbeitete, die Niederlassungen in etlichen Ländern hatte. In der baskischen Metropole traf er sich mit anderen Führungskräften zum Austausch. Vernetzung war ausdrücklich erwünscht, und die Ehefrau argwöhnte, dass ihr Mann sich dabei vor allem mit der Kollegin „vernetzen“ würde, die ihn begleitete – vorausgesetzt, ihm lief nicht ein noch interessanterer Flirt über den Weg.


    Tatsächlich hätte Saskia viele Möglichkeiten gehabt, fotografische „Beweise“ zu schaffen, dass der Mann seiner Kollegin näher stand, als man seiner Ehefrau zu tolerieren zumuten konnte. Hier ein bisschen aus dem Kontext gerissen, dort ein bisschen mit dem Bildausschnitt gespielt, sodass weitere Anwesende, die ein anderes Licht auf die Szene geworfen hätten, nicht zu sehen waren – Saskia hätte sich leicht den Bonus verdienen können, den die Ehefrau ihr im Erfolgsfall in Aussicht gestellt hatte. Solche Fotos wären kein gerichtsfester Beweis gewesen, aber doch genug, um den Mann in ein schlechtes Licht zu rücken. Zumindest unbewusst hätten sie den Richter, der über die Schuld am Scheitern der Ehe befinden musste, beeinflusst.


    Saskia bekam fast ein schlechtes Gewissen, dass sie diesen Mann beschattete. Normalerweise hatte sie es mit Leuten zu tun, die es verdient hatten, dass man ihnen nachspürte: Sie schadeten ihrem Arbeitgeber und natürlich auch den Kollegen, die die Arbeit mit machen mussten, oder sie drückten sich vor ihrer Verantwortung für Ex-Partner und Kinder. Hier hatte sie es jedoch mit jemandem zu tun, der durch und durch integer war, und sie beschlich das Gefühl, dass sie helfen sollte, ihn über den Tisch zu ziehen.


    Als sie am dritten Abend in Barcelona in der Hotelbar den freien Hocker neben ihm okkupierte, war das also auch kein Versuch, selbst etwas zu provozieren, was ihre Auftraggeberin gegen ihren Mann hätte verwenden können. Genauer gesagt hatte sie die Frau längst wissen lassen, dass es keinerlei Anzeichen dafür gab, dass ihr Mann fremdging, und damit den Auftrag abgeschlossen. Zur Zufriedenheit ihrer Klientin war das sicherlich nicht, aber das lag in der Natur der Sache und hatte sie noch nie so wenig gestört wie bei diesem Fall.


    Sie kam mit ihrem Sitznachbarn ins Gespräch, ohne nennenswert etwas dafür tun zu müssen. Erst war es der übliche Smalltalk, dann machte die Eröffnung, dass sie aus der gleichen Heimatstadt kam, den Mann neugierig. „Auch dienstlich hier?“, erkundigte er sich. „Nein, nein.“ Saskia schüttelte den Kopf. Für die Wahrheit fehlten wohl noch ein oder zwei Gläser. „Ich mache nur Urlaub.“

  • Fläzfreuden

    Inkslinger


    Es war ein schöner Sommertag. Nicht so heiß und drückend, wie es im Hochsommer manchmal ist, sondern angenehmes Frühherbstwetter. Die Blumen im Garten der Meyers blühten noch, doch die orange leuchtenden Baumwipfel kündigten schon die nächste Jahreszeit an.

    Fiona öffnete ihr rechtes Auge einen Spalt und linste prüfend zu der Gartenliege, die neben ihrer stand. Zufrieden stellte sie fest, dass sie immer noch belegt war. Ein ungewohntes Gefühl, nicht mehr alleine zu sein.

    Fiona hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, ihre große Schwester Vanessa jemals wieder zu sehen. Sechs Jahre hatten die beiden Schwestern nicht mehr miteinander geredet. Zuviel war zwischen ihnen passiert, Gesagtes nicht mehr rückgängig zu machen. Ihr letzter Streit hatte sehr lange schwer in der Luft gehangen und jedes Familientreffen zu einer Qual gemacht. Doch jetzt war sie endlich wieder da.


    Vanessa bemerkte den verstohlenen Blick ihrer Schwester und schnaubte. „Du kannst es auch nicht lassen, oder, Fi?“

    Fiona richtete sich auf. „Was meinst du?“

    „Du denkst, ich bau' immer Scheiße. Deswegen guckst du so herablassend!“

    „Stimmt gar nicht! Ich wollte nur wissen, ob du wirklich da bist oder ob ich träume.“

    Vanessa lachte gehässig. „Ein Alptraum, oder wie? Wenn ich träumen würde, wärst du garantiert nicht mit mir hier im Garten. Ich wäre auf 'ner Tour durch die Welt. Mit viel Alk, Hasch und nackten Männern! So etwas machst du nicht einmal in deinen Träumen, verklemmte Schwester.“

    Fiona grinste breit. „Das denkst du. Das, was du alles nicht über mich weißt, ist mehr, als du jemals wissen und wieder vergessen könntest! Ich weiß, dass du gerne woanders wärst, aber du bist selbst Schuld, dass du hier nun mit deiner langweiligen Schwester rumhängen musst.“

    Vanessa seufzte und betrachtete traurig ihre elektronische Fußfessel. „Da hast du wohl Recht. Vielleicht ist es doch nicht so übel, mit dir hier zu fläzen. Besser als Knast.“

    Ihre Schwester nickte. „Sag' ich doch. Und wenn dir langweilig wird, kann ich dir gerne ein paar Stories über mich erzählen.“

  • Opa und der kleine Bär

    Johanna


    Es war einmal ein kleiner Bär

    Der fragte sich:“wo komm ich her?“

    Er fragte seine Mutter, die in der Küche stand.

    Sie meinte nur:“aus einem fernen Land,

    soweit ich weiß, weit übers Meer“


    Auch Papa Bär konnt dazu nicht viel sagen,

    „Da mußt Du schon den Opa fragen“

    So lief er flugs zum Opa rüber,

    in der Hoffnung, der sei klüger.

    „Oh ja“, sagt der, „Der Ursprung liegt in meinem Magen“.


    "Vor vielen Jahren, ich lebte in Australien,

    war jung, wollt reisen und woanders hin.

    Erkunden wollte ich die Welt,

    sehen, obs andernorts mir mehr gefällt.

    Die Fahrt war schön und ein ganz besonderer Gewinn.


    So war ich unterwegs sehr lang,

    nahm Eindrücke auf, die ich verschlang.

    Abenteuer erlebte ich sehr viele,

    sah mich aber noch immer nicht am Ziele.

    Bis eines Tages ich erreichte, hier unsren Hang


    Ich hatte Durst und Hunger, es drückte mir die Blase,

    da stieg ein wunderbarer Duft in meine Nase.

    Vor einer Hütte kochte eine Frau, so ganz versunken.

    Sofort war ich vor Liebe völlig trunken.

    So erreichte ich der Welt schönste Oase.


    Ihr Essen war jedes Mal wie ein Gedicht,

    das siehst Du ja an meinem Gewicht.

    Das war Deine Oma, wie Du Dir kannst denken

    So wundersam kann das Schicksal uns lenken.

    Und so endet mein Reisebericht"

  • Idylle, grasgrün

    polli


    Die Sonne war bereits über der Flussniederung aufgegangen, als eines der Kaninchen seinen Bau am Ende des dicht bewachsenen Dammes verließ. Es schickte sich gerade an, ein paar Kräuter zu zupfen, als es auf der Wiese, die zum Wasser führte, eine Bewegung wahrnahm. Es erschrak. Ein Fuchs?

    Es war nur eine graue Gans, die das Grün, das sie umgab, herausrupfte. Ärgerlich. Das Kaninchen nahm seinen Mut zusammen und näherte sich dem Eindringling. „Was machst du hier auf unserer Wiese?“

    Die Gans hob den Kopf. „Fressen. Sieht man doch.“

    „Ich meine, woher kommst du und was willst du hier?“

    „Ganz schön neugierig. Also gut: Ich komme aus dem Norden und brauche Veränderung. Anderes Futter, schöne Landschaft, keinen Stress. Du verstehst?“

    „Äh, so ungefähr“, sagte das Kaninchen. „Du bist also touristisch unterwegs.“

    „Kann man so sagen“, bestätigte die Gans und ließ einen matschigen Klacks unter sich fallen. Das Kaninchen rümpfte die Nase. „Problem damit?“, fragte die Gans.

    „Na hör mal, das ist unsere Wiese. Hier leben unsere Familien, hier spielen unsere Kinder, hier ernähren wir uns. Es wäre besser, wenn du weiterziehst.“

    „Nicht so kleinlich, du Nagetier, hier ist genügend Platz. Außerdem habt ihr es so schön, da kommt man als Urlauber einfach gern hierher. Ich sage nur: Ma-le-risch.“ Drei weitere Graugänse tauchten hinter den Gräsern auf und nickten zustimmend. „Außerdem sind wir freie Wildgänse, wir lassen uns von niemandem Vorschriften machen.“

    „Verstehe.“ Das Kaninchen machte kehrt und beeilte sich, die anderen zu informieren.


    Am Abend hörte man aus dem Bau am Fuße des Dammes eine lebhafte Diskussion zwischen den Pessimisten, die gegen die Touristen waren (die verdrecken alles, die fressen und saufen, die sind gar nicht an der herrlichen Landschaft und an uns als Kaninchen interessiert), und den Optimisten, die dazu rieten, sich auf das Neue, das der Tourismus mit sich brachte, einzulassen. „He, Leute, äh, Kaninchen, vielleicht werdet ihr dann mal etwas offener. Es gibt eine Menge zu entdecken in dieser Welt, lasst uns mit den Gänsen anfangen und sie hier begrüßen.“

    Es wurde spät, sehr spät, als das letzte der skeptischen Kaninchen klein beigab und den anderen versicherte, es wolle auf keinen Fall intolerant sein, und ja, auf der Wiese wäre wirklich genügend Platz für Einheimische und Urlauber. Schließlich kehrten diese irgendwann nach Hause zurück.

    „Hoffentlich“, murmelte es aus der Skeptiker-Ecke, dann wurde die Versammlung beendet.


    Am nächsten Morgen beäugten die Kaninchen die Schar der Wildgänse. Es waren ­etwa dreißig, nein, fünfzig. Oder doch eintausend. Kaninchen sind bekanntlich nicht gut im Zählen. Auf jeden Fall ging das zu weit. Ihr idyllisches Fleckchen hatte sich über Nacht in eine graubraune Fläche verwandelt, gesprenkelt von jeder Menge Gänsekot. Was für ein Scheiß! Die Kaninchen waren fassungslos. Schließlich rief eines: „Wir sollten sie zur Rechenschaft ziehen und verlangen, dass sie unsere zerstörte Landschaft in Ordnung bringen, verdammt noch mal.“ Und ein anderes forderte: „Verjagt das Pack!“

    Die wilden Gänse beäugten ihrerseits das Graubraun um sie herum. „Ziemlich trostlos“, sagte die eine. „Bisschen heruntergekommen, die Gegend.“ Und eine dritte: „Also Urlaub würde ich hier niemals machen. Lasst uns abhauen, irgendwohin in den Süden. Wo es schön ist.“

    Die anderen nickten. „Und ma-le-risch.“ Dann flogen sie davon.


    Falls ihr euch fragt, was aus den Kaninchen wurde: Sie blieben in der Gegend und warteten ab, bis Gras über die Sache gewachsen war.

  • Hawaii 3.0

    Breumel


    Leise rauschten die Wellen. Der Geruch von Salz und Ozon lag in der Luft. Durch das dichte Gewebe des Sonnenschirms konnte sie erahnen, wo die Sonne stand. Er spendete genug Schatten, um ohne Sonnenbrille lesen zu können, weshalb sie ihr als Haarreif diente, damit ihr die Haare in der leichten Brise nicht in die Augen fielen.


    Es war warm, trotz des Windes. Eine Virgin Colada wäre jetzt genau das richtige. Oder doch lieber ein frisch gepresster Orangensaft mit zerstoßenem Eis? "Relaxa, einen frischen Orangensaft mit Crushed Ice bitte." "Orangensaft mit Crushed Ice, kommt sofort."


    Hinter dem Beistelltisch war ein Sockel mit eingelassener Tür. Der Türrahmen begann zu blinken, dann schob sich die Tür auf und ihr Getränk wurde sichtbar. Sie nahm es heraus und stellte es auf die Metallplatte auf dem Tisch. "Relaxa, Getränkekühlung ein." Mit einem Pling wurde die Aktivierung der Kühlplatte bestätigt.


    Der Saft schmeckte wunderbar kühl und frisch. Zufrieden widmete sie sich wieder ihrem EReader. So musste Urlaub sein – Liegestuhl im Schatten, Lesen, Getränke auf Wunsch.


    Nach einer halben Stunde wurde es ihr doch zu warm. Schwimmen gehen? Aber dann wäre sie nass, und darauf hatte sie jetzt keine Lust. Das Meer hatte natürlich eine ideale Temperatur, aber für mehr als eine Abkühlung war es nicht lang genug. Zum sportlichen Schwimmen hätte sie eine Gegenstromanlage buchen müssen und darauf hatte sie verzichtet. Heute wollte sie einfach nur ein wenig abschalten. "Relaxa, Temperatur minus zwei Grad." "Die Temperatur wird auf 24 Grad gesenkt." Schon wurde der Wind etwas kühler.


    Der Liegestuhl war bequem und mit einer Auflage aus Memoryschaum gepolstert. Trotzdem wurden ihr langsam die Schultern schwer vom Halten ihrer Lektüre. Zeit für eine Massage. Sie ließ den EReader auf den Beistelltisch sinken und legte sich bequem hin. "Relaxa, Massage 20 Minuten." Mit einem bestätigenden Pling begann die Liege zu vibrieren. Massageköpfe fuhren hoch und glitten drehend und knetend über ihre Muskeln. "Relaxa, Buch vorlesen." Eine angenehme Männerstimme begann, ihr Buch ab dort wo sie abgebrochen hatte vorzulesen. Jetzt nur nicht einschlafen…


    Ein Weckerklingeln schreckte sie auf. "Sehr geehrter Gast, ihre gebuchte Zeit ist abgelaufen. Bitte kleiden Sie sich an und verlassen sie ihr Urlaubsparadies. Möchten Sie verlängern? Dann sagen Sie 'Relaxa, Verlängerung' und geben die Dauer an." Kurz kämpfte sie mit der Versuchung. Aber sie sollte rechtzeitig heim gehen, morgen war viel zu tun. Und die Urlaubskapseln waren nicht billig.

    Seufzend stand sie auf, hielt die Hand über den Sensor in der riesigen Palme und trat durch die sich öffnende Tür in die Umkleide. An der Wand hingen Werbeplakate: "Urlaub wie sie es wollen - Individuell, ungestört, klimaneutral" und "Meine Stadt - meine Träume - mein Urlaub". Fotos von blauem Himmel, türkisfarbenem Meer und schneeweißem Sand, wahlweise idyllisch einsam oder mit spielenden Kindern, weckten die Sehnsucht nach dem nächsten Tag am "Strand". Nachdem sie sich angezogen hatte, ging sie zum Ausgang. Ein kurzes Scannen ihres Fingerabdrucks und ihre Rechnung wurde gebucht. "Auf Wiedersehen Frau Neumann, bitte beehren Sie uns bald wieder bei Hawaii 3.0." "Auf Wiedersehen!"


    Entspannt verließ sie das Gebäude und trat in den grauen Nieselregen. So einen Urlaubstag sollte sie sich öfter gönnen!

  • Was man halt so denkt (wenn man am Strand herumliegt und die Seele baumelt stressfrei herum)

    Marlowe


    Mein Fresse, das hatte sich wirklich gelohnt diesmal. Der Strand dieser Insel war wunderschön. Weicher, fast seidener Sand, den man für Eieruhren hätte verwenden können. Aber was sich da so auf dem Sand tummelte, das war wirklich die Krönung.


    Klar, aus meiner männlichen Sicht, aber selbst die Typen hier wirkten irgendwie jugendlich kräftig. Durchtrainiert spielten einige gekonnt Beachvolleyball, andere flanierten durch die Liegenden hindurch und musterten die Schönheiten des Strandes in der Hoffnung, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.


    Aber auch die Frauen, eine wunderschöner als die andere. Ob liegend oder vorbeischlendernd. Wer hier die Augen schloss um seine Ruhe davor zu haben war entweder impotent oder Bischof oder verheiratet und stand unter Beobachtung seiner Angetrauten. Kein Wunder, dass viele der Männer auf dem Bauch lagen und Sonnenbrillen trugen. Jede Reaktion konnten sie so verbergen, im Sand oder unter der Brille.


    Konnte mir nicht passieren, ich war diesmal alleine unterwegs. Meine Lebensabschnittsgefährtin machte Bildungsurlaub, auf eigenen Wunsch. Kein Wunder, wenn man das ganze Jahr mit Kochen unterfordert war, bildete sie sich eben in diesen Tagen weiter. Ich hatte ihr eine Koch-Rundreise durch Südeuropa empfohlen, aber den Hinweis hatte sie nicht verstanden.


    Egal, ich ließ den weichen Sand zwischen meinen Fingern rieseln, fand dabei eine kleine Muschel, die ich neugierig betrachtete, dann aber weg schnippte. Ups, sie wirbelte durch die Luft und fiel der schwarzhaarigen Schönheit drei Meter entfernt auf den frisch eingeölten Rücken. Und blieb kleben als diese sich erschrocken aufrichtete und ich ihr fein modelliertes Gesicht endlich sah.


    Meine Fresse, dachte ich wieder. Ob die wohl gut kochen konnte? Aber mit dem Aussehen musste sie gar nichts können, außer zu existieren, da zu sein um anderen zu zeigen, zu was die Evolution fähig war. Auch eine schöne Aufgabe. Mal ehrlich, warum soll man sich in solchen Augenblicken fragen, was der Sinn des Lebens ist?


    Genieße den Tag, die Stunden, die Minuten, es könnte die letzte sein. Ich schlürfte meinen Campari, der bestimmt noch nicht mein letzter für heute war. Aber ich war zu faul, um jetzt schon für den nächsten aufzustehen.


    Irgendwo in der Ferne hörte ich ein paar Leute völlig unpassend lamentierend streiten. Zu weit weg, um zu verstehen, worum es da ging. Aber es störte meine friedliche Stimmung. Die Stimmen kamen näher, wurden lauter.


    Plötzlich erhielt ich einen Schlag auf den Kopf, jemand riss an meinen Haaren und ich schrie vor Schreck und Schmerz laut auf. Meine Kochkünstlerin zerrte mir meine wunderbare neue 3D-Video-Headsetbrille mit eingebauten Minicomputer vom Gesicht. Der Strand verschwand, die Seele huschte zurück und hörte mit dem Baumeln auf. Ich war wieder zurück in der Hölle des Alltags.


    „Hörst Du nicht, wenn ich Dich rufe,“ fauchte sie mich an, aber bevor ich antworten konnte, schimpfte sie weiter. „Es ist mir ganz egal, was Du davon hältst. Aber ich will richtig unterwegs sein, ich will die Gebäude anfassen, die ich da bewundere, ich will die Oberflächen streicheln und spüren.“


    Ich dachte an die schwarzhaarige Strandschönheit, schluckte kurz und meinte: „Ich verstehe Dich ja, geht mir doch auch so. Sobald die Pandemie vorbei ist, verreisen wir wieder richtig, versprochen. Du nach Griechenland, ich auf irgendeine schöne Insel.“


    „Ja, von wegen,“ sagte sie, „wir verreisen zusammen, wie es sich gehört. Ein bisschen Bildung kann Dir auch nicht schaden.“


    Soviel zur Demokratie in der Beziehung, aber na ja, das dauert sicher noch länger, bis Reisen wieder möglich werden. Ich würde die Schwarzhaarige dafür bald wieder sehen, der Computer speichert schließlich alles ab. Als Zeichen meines guten Willens spendierte ich ich uns also großzügig eine Grillplatte für zwei Personen beim Griechen um die Ecke.


    „Komm,“ sagte ich, „es dauert eine Dreiviertelstunde bis sie geliefert wird, das reicht für ein paar schöne Berührungen.“ Sie lächelte, wir hatten irgendwie beide gewonnen, zumindest für diesen Urlaubsabend.