Schreibwettbewerb 01.12.2020 - 31.01.2021 Thema: "Damals"

  • Thema 01.12.2020 - 31.01.2021:


    "Damals"


    Vom 01.12.2020 bis 31.01.2021 23:59 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den aktuellen Schreibwettbewerb zum Thema „Damals“ per PN (Sprechblasensymbol, „Konversationen“) zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 01.02.2021 eingestellt.


    Wer mitschreiben möchte, sendet bitte eine PN an den Account SchreibwettbewerbOrg. Wir schicken euch dann die Zugangsdaten für den Account Schreibwettbewerb. Das Passwort bitte vertraulich behandeln! Ihr meldet euch als Schreibwettbewerb an und sendet euren Beitrag an SchreibwettbewerbOrg. Dadurch sind alle Beiträge anonym. Nach der Veröffentlichung (nach dem 31.01.2021) sendet bitte eine zweite PN mit dem Titel eures Beitrags und eurem Namen an SchreibwettbewerbOrg, damit wir die Beiträge zuordnen können. Das Orga-Team wird erst nach der eigenen Punktevergabe in diese Beiträge schauen.


    Regeln:

    - Die Grenze für die Beiträge ist bei 600 Wörtern.

    - Abgabeschluss ist um Mitternacht.

    - Mitschreiben darf, wer mindestens 50 buchrelevante Beiträge hat oder seit mehr als 6 Monaten Mitglied ist.

    - Abstimmen darf, wer mindestens 25 buchrelevante Beiträge hat oder seit mehr als 3 Monaten Mitglied ist.

    - Als Thema vorgegeben werden kann ein Wort, ein Satz oder ein (selbstgeknipstes/gezeichnetes) Bild (ihr müsst das Urheberrecht haben).


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 600 Wörter zu verwenden. Wir behalten uns vor, Beiträge mit mehr als 600 Wörtern nicht zum Wettbewerb zuzulassen!

  • Billiges Vergnügen

    von R. Bote


    „Gar nicht so schlecht, der Laden!“ Aus dem Mund von Nils kam das einem Kompliment gleich. Er stand auf dem gepflasterten Hof vor einer Scheune, die zur Party-Location umgebaut worden war, hielt eine Bierflasche in der Hand und grinste breit. „Hätte ich nicht gedacht. Und wenn man genug getrunken hat, dann vermisst man noch nicht mal mehr die knallige Leuchtreklame.“ „Du bist blöd!“, beschied ihn Emily. „Ist doch rundum gut hier. Dann war das deine Idee, Linda?“

    Die Angesprochene nickte. „Toll!“, lobte Emily. Sie zog Linda mit sich zur Seite, weg von Nils. „Besser als das High Life. Da hätte ich wahrscheinlich gar nicht mitgekonnt.“ Leichte Röte überzog ihre Wangen. „Viel zu teuer.“ „Der Tipp war von meiner Mutter“, gab Linda zu. „So ähnlich haben sie es damals auch gemacht.“


    ***


    „Ich hab das High Life und den Bunker-Palast angemailt“, eröffnete Nils dem Abiparty-Komitee. „Wie besprochen. Also, es würde klappen, und ich finde, die Preise sind okay.“ Er grinste. „Schließlich macht man nur einmal Abi.“ „Halblang!“, warf Linda nach einem Blick auf die ausgedruckten E-Mails ein. „Ich finde das schon ziemlich heftig.“ „Billiger kriegst du’s nirgends“, behauptete Nils. „Und wir brauchen eine geile Location, sonst können wir’s gleich lassen.“ „Na toll!“, versetzte Linda. „Deine Eltern bezahlen dir das, und ich krieg das Geld für meinen Anteil auch. Aber es hat nicht jeder ein fettes Sparschwein.“ Sie legte einen Flyer auf den Tisch, den sie extra ausgedruckt hatte. „Schaut euch das hier mal an!“, forderte sie die anderen auf. „Da kann man genauso toll feiern, ohne dass jeder gleich dreistellig zahlt.“


    ***


    „Was ist los?“, wollte Lindas Mutter wissen. Ihre Tochter war gerade rechtzeitig zum Abendessen vom ersten Treffen des Komitees zurückgekommen, das die Abiparty vorbereitete, und nagte ziemlich lustlos an einem Butterbrot. „Ach, wir haben diskutiert, wo die Party steigen soll“, erklärte Linda. „Die anderen wollen entweder das High Life oder den Bunker-Palast mieten.“ „Und das gefällt dir nicht?“, folgerte ihre Mutter. „Na ja, cool wär’s bestimmt“, räumte Linda ein. „Aber das kostet doch bestimmt wahnsinnig Geld. Wenn wir das umlegen, ich glaube, manche könnten das gar nicht bezahlen.“ „Und die anderen stört das nicht?“, wollte ihre Mutter wissen. Linda zuckte mit den Schultern. „Wir wissen noch nicht genau, was es kostet, Nils fragt bis nächste Woche nach. Aber mit allem Drum und Dran werden’s bestimmt zehn- oder zwanzigtausend Euro, liest man doch immer wieder. Wie war das denn, als du Abi gemacht hast?“ „Wir haben auch gefeiert“, versicherte ihre Mutter. „Aber damals gab’s noch keine Läden, die sich drauf spezialisiert haben, sich mit Rundum-Sorglos-Paketen eine goldene Nase zu verdienen. Wir haben das alles selbst organisiert, das war zwar eine Menge mehr Arbeit, aber es hat auch Spaß gemacht, und billiger war’s allemal.“


    ***


    „Habt ihr schon eine Idee, wo die Party steigen soll?“ Die Zwölftklässler standen in der Fünfminutenpause auf dem Flur vor dem Klassenzimmer. Bens Frage war an Nils und Linda gerichtet, denn die gehörten zu dem Komitee, das die Abiparty vorbereiten sollte. „Ich bin fürs High Life“, antwortete Nils. „Das ist cool.“ „Der Bunker-Palast soll auch nicht schlecht sein“, warf Felix ein. „Da könnt ihr ja auch mal fragen.“

    Lindas Blick fiel auf Emily. Deren Gesicht hatte merklich Farbe verloren, als die Namen der beiden Diskos gefallen waren. Jetzt wandte sie sich ab und ging weg, Linda konnte gerade noch sehen, dass sie die Lippen zusammengepresst hatte. Was war am High Life so verkehrt, oder am Bunker-Palast? Dann dämmerte es ihr, und plötzlich war sie auch nicht mehr sicher, ob das, was Nils und Felix sich vorstellten, wirklich eine gute Wahl war.

  • Mit freundlichen Grüßen

    von Booklooker


    Er öffnete seine Haustür und sah wie jeden Tag als erstes in den Briefkasten. Das Herz stockte ihm als er sah, was dort drin gelegen hatte: Eine Postkarte mit weißem Hintergrund und aufgemalten Blutspuren mit nur vier Worten auf der Rückseite: „Ich habe Dich gefunden!“ Was konnte das bedeuten? Die Treppe kam ihm länger vor als je zuvor, als er sich Stufe für Stufe nach oben in den dritten Stock schleppte. Als er den DIN-A-4 großen Zettel sah, der an der Wohnungstür hing, riss er ungläubig die Augen auf. Der Zettel war ebenfalls weiß und wies Blutspuren auf. Diesmal lautete der Text: „Na, hast Du schon Angst?“ Mit hämmerndem Herzen lehnte er sich an den Türrahmen und überlegte, was er tun sollte. Die Polizei rufen? Seinen besten Freund um Beistand bitten? Konnte man sowas auf die leichte Schulter nehmen? Das war ja eindeutig eine Drohung. Aber weshalb?


    Er fasste sich ein Herz, ging die Treppe hoch, schloss die Wohnungstür auf und knipste das Licht an. In der Wohnung sah es aus als hätte eine Bombe eingeschlagen. Die Wände waren mit Blut (oder war es Kunstblut?) beschmiert und die gesamte Einrichtung lag in Trümmern. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, sich selber einzugestehen, dass er handeln musste, denn in einer halben Stunde würde seine Frau nach Hause kommen. Die Postkarte und auch den Zettel an der Tür hätte er schnell verschwinden lassen können, nicht aber dieses Durcheinander. Er überlegte, ob er seine Frau vielleicht etwas länger von zu Hause fern halten konnte. Sie war ein so ordnungsliebender und nicht immer einfacher Mensch, dass er ihr diesen Schlamassel nicht antun wollte und lieber selber Ordnung schaffen wollte. Es blieb dann aber noch die Überlegung offen, ob es notwendig war, diese Vorgänge der Polizei zu melden. Wenn er seinem besten Freund einen Rat geben müsste, würde er ihn direkt drängen, die 110 zu wählen, aber er hatte ein seltsames Störgefühl, das er sich nicht erklären konnte.


    Plötzlich hörte er ganz leise, gerade am Rande des bewussten Hörens, Geräusche, die ihm bekannt vorkamen. Oh nein! Seine Frau war schon im Hausflur. Jetzt musste er schnell handeln. Er löschte das Licht, rannte zur Tür und stellte sich mit einem dümmlichen Grinsen vor die Wohnungstür. „Hallo Schatz! Hast Du Lust auf Sushi? Wir könnten mal wieder essen gehen. Unser Hochzeitstag ist doch…. in drei Wochen.“ Mist! Das klang total aufgesetzt. Seine Frau stutzte, legte den Kopf schief und sagte: „Sag mal, warum sind denn da rote Farbspritzer an der Wohnungstür? Wolltest du etwa renovieren?“ Mist, Mist, Mist, Mist! „Äh, nein. Ich weiß auch nicht so ganz genau, wo die her kommen. Ich habe sie gar nicht gesehen bis gerade.“ Aber da hatte sie sich schon an ihm vorbei in die Wohnung gedrängelt. Mit vor dem Mund geschlagener Hand stand sie in dem Chaos und sagte leichenblass: „Irgendwann musste es ja mal soweit sein.“


    „Was meinst du denn damit?“ Er verstand die Welt nicht mehr. Hatte er bis eben noch gedacht, dass sie völlig ausrasten würde, wenn sie das Chaos sehen würde, war er jetzt umso erstaunter, dass sie sich irgendwie ertappt fühlte. „Kannst du dich noch an meinen Ex-Freund erinnern, der mir kurz vor der Trennung fremd ging? Ich habe dir davon erzählt.“ Da brauchte er nicht lange überlegen, natürlich wusste er um wen es ging. Immerhin hatte sie zum Anfang ihrer Beziehung über kaum etwas anderes geredet. Es war eine harte Bewährungsprobe ihrer noch jungen Beziehung gewesen. „Ich habe ihn nicht verlassen. Ich habe ihn, nun ja, wie sagt man? Liquidiert? Ich glaube, seine damalige Affäre hat mich nun doch gefunden.“

  • Partyplaner

    von Breumel


    "Und? Haben wir jetzt alles?"

    "Lass uns die Liste nochmal durchgehen. Kuchen habe ich gebacken."

    "Sind da auch keine Laktose, Nüsse oder Gluten drin?"

    "Nein. Und dass ich normalen Zucker genommen habe muss die Bio-Beate ja nicht wissen. Nach irgendwas muss der Kuchen schließlich schmecken."

    "Ist denn von den Gästen jemand Veganer?"

    "Keine Ahnung – von selbst bestimmt nicht. Sarah wird schließlich erst sieben! Aber ich stelle noch Teller mit Obststücken und Rohkost hin."

    "Und was gibt's zu trinken?"

    "Ich habe Sprudelwasser gekauft. Das fülle ich in Glaskrüge und die PET Flaschen verstecke ich unter der Spüle. Mit dem Sodastream bin ich bei so viel Kindern sonst nur noch am aufsprudeln. Und für diejenigen, welche stilles Wasser wollen, gibt's Krüge mit Leitungswasser. Dazu noch naturtrüber Apfelsaft, dann können wir Schorle machen."

    "Meinst du nicht dass Sarah enttäuscht ist, wenn es keine Fanta gibt?"

    "Dann wollen aber alle Kinder Fanta trinken, und Petra und Beate werden einen Vortrag über die Schädlichkeit von kindlichem Zuckerkonsum halten…"

    "Wenigstens Bionade?"

    "Na gut. Aber nicht die grüne, da sind bestimmt Farbstoffe drin."

    "Was machen wir dann nach dem Kuchenessen? Spiele?"

    "Ja. Ich habe Sarah gefragt, was sie in der Schule gerne spielen."

    "Und?"

    "'Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?' zum Beispiel."

    "Muss das bei einer Mädelsgruppe nicht 'Fischerin' heißen?"

    "Peter! Ganz so schlimm sind die Muttis dann doch noch nicht."

    "Aber fast."

    "Jedenfalls können wir das spielen. Besser als 'Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?'"

    "Oh Gott, lass das bloß keinen hören, sonst bist du als Rassistin gebrandmarkt."

    "Vermutlich… Dann brauchen wir noch Spiele ohne Gewinner."

    "?"

    "Ja, damit es keine Verlierer gibt."

    "Hast du zu oft Obstgarten gespielt? Bei Brettspielen mag das ja noch funktionieren, aber auf einem Kindergeburtstag… Ich dachte an Topfschlagen. Da ist jeder mal dran und alle kriegen das gleiche."

    "Aber die welche schon dran waren langweilen sich dann so schnell und machen nicht mehr mit."

    "Oder eine Schatzsuche? Das kommt doch immer gut an. Ich male eine Schatzkarte und die Schatztruhe verstecken wir im Garten."

    "Passt! Dann müssen wir die nur füllen."

    "Süßigkeiten, so wie früher?"

    "Ich hätte noch Gummibonbons. Grünohrhasen und Fred Ferkel."

    "Ob das Aylin essen darf, wenn das wie ein Schweinchen aussieht?"

    "Die sind vegan. Aber ich kann auch Tropenfrüchte und Wunderland in der Rainbow Edition holen. Regenbogenfarbene Einhörner und Regenbögen mit LOVE Aufschrift – vermutlich auch nicht gerade der Favorit bei Aylins Familie, aber politisch voll korrekt."

    "Und was gibt's zum Abendessen? Früher hatten wir immer Würstchen mit Pommes."

    "Schweinefleisch und Fastfood?"

    "Spielverderberin!"

    "Pommes sind schon okay, die gibt's schließlich nicht ständig. Ich habe sogar vegane Mayonnaise gekauft, die ist nicht nur laktosefrei, sondern laut Aufkleber sind da gar keine Allergene drin."

    "Und keine Geschmacksträger?"

    "Ich war ja auch skeptisch, aber letztens beim Tag der offenen Tür im Tierheim hatten die die auch. Die schmeckt wirklich nicht schlecht."

    "Wenn du's sagst. In meiner Kindheit hatten wir nicht so viele Allergien. Höchstens mal Heuschnupfen, oder Nickel wegen der Jeansknöpfe."

    "Damals saßen wir auch zu fünft auf der Rückbank und wurden nach Hause gefahren, und im Kombi saßen noch welche im Kofferraum…"

    "Und was ist jetzt wegen der Würstchen?"

    "Ich mache Geflügelwiener warm. Und wir können noch Paprika, Möhren und Kohlrabi aufschneiden."

    "Hast du auch Bier kaltgelegt?"

    "Meinst du es holen auch Väter ab? Die Mütter trinken eher ein Glas Sekt."

    "Nein. Für mich. Wenn alle weg sind und ich mir Pommes, Rostbratwurst mit zuckerhaltigem Curryketchup und echter Mayonnaise reinziehe – so wie früher…"

  • Vorbei, aber nicht vergessen

    von Marlowe


    Ist es falsch, in der Vergangenheit zu schwelgen? Vorbei ist vorbei, schau nicht zurück, sieh nach vorne. Für eine lange Zeit mochte es stimmen alle Kraft nach vorne auszurichten. Aber die Zukunft ist schneller als das Verstehen, das Verdauen der Vergangenheit, das Bedauern verpasster Gelegenheiten oder die Gewissheit, eine gute Entscheidung getroffen zu haben. Wir stolpern in das Kommende, wir straucheln, wir gehen aufrecht, wir schlendern. Nur um dann plötzlich los zu rennen. Erster sein, immer bereit nichts zu verpassen, zu genießen, das Leben mit beiden Händen zu packen und dabei zu merken, diese Fülle ist nicht zu fassen, dazu bräuchte es viele Arme und Hände.


    Das eigene Leben verläuft linear mit vielen Wendungen wegen hunderter Abzweigungen, die rufen hier lang und es klingt verlockend, sie wollen verführen diesen und nicht jenen Weg zu gehen. Entscheidungen sind getroffen, nicht mehr rückgängig zu machen, schau bloß nicht zurück, die nächste Minute kann entscheidend sein.


    Die nächste Minute ist immer entscheidend für den Rest, der noch kommt. Doch irgendwann wird aus dem Lebenslauf ein ruhiges Sein, ein Schlendern in das Kommende mit der Zeit für das Erinnern.


    Er dachte oft zurück. Wäre er in Gesellschaft gewesen, meistens hätte diese ihn dabei lächeln sehen. Aber es sah ihn ja niemand. Reisen in das Gewesene genießt man am intensivsten im Alleinsein.


    Sie tauchten alle immer wieder auf. Menschen, mit denen er den Weg eine Weile gemeinsam gegangen war. Orte, an denen er gerne gewesen war, die er deshalb mehr als einmal besucht hatte, um sie mehrfach zu genießen.


    Konzerte, bekifft und angetrunken glückselig, die er lange Zeit vergessen hatte. Doch plötzlich tauchten sie auf, zuerst nur die Bilder, dann die Töne und zu guter Letzt sogar die vertrauten Gerüche. Gras, Bier, Pommes, billiges Parfum, teures Parfum, Schweiß, alles vermischt und wieder so vertraut als wäre er gerade dort.

    Partys und Treffen mit Leuten, die er meistens nicht leiden konnte, aber die nützlich waren oder sein konnten. Sie benutzten ihn, er benutzte sie, es war ein Spiel, ein nie endendes Schauspiel menschlicher Falschheit und Schauspielerei. Auch hier tauchten sie auf. Geräusche und Gerüche. Das Klirren der Gläser, das Gemurmel von Stimmen, das Klappern der Bestecke, schrilles Kichern oder tiefes Lachen, Schweinebratenduft und Zigarettenrauch.


    Frauen als Partnerinnen, Freundinnen, Wegbegleiterinnen, Helferinnen, Feindinnen.

    Das Lachen jeder Einzelnen, das Flüstern, die Bedeutsamkeit der Blicke, der Duft ihrer Haare, der Geschmack ihrer Haut. Aber auch der hasserfüllte Ton, das Scheppern von Geschirr, wuterfüllte Augen und betrunkener Zungenschlag.


    Doch er lächelte, gerade jetzt musste er daran denken, wie es damals anfing, als er die Frau seines Lebens kennenlernte. Auch das war vorbei, aber wie alles andere niemals vergessen. Die Augen geschlossen tauchte er hinab in diese Zeit. Nur in der Erinnerung zählt Glück doppelt und dreifach.

  • Wunderbare Jahre

    von Inkslinger


    Tjana schnaubt frustriert. „Ich werde kirre!“

    Sischa schaut von seiner Zeitung auf und mustert sie lange. „Was soll ich dazu sagen, Schatz? Glückwunsch?“

    Tjana stöhnt. „Echt lustig. Guck dir mal diesen Schlamassel an!“

    Sie deutet auf den Haufen Fotos, der vor ihr auf dem Küchentisch liegt. „Ich finde einfach kein schönes Familienfoto für Oma. Sie hat schon 9 ½ Mal deswegen angerufen.“

    „9 ½ Mal?“

    „Genau. Neun Mal hat sie zugegeben, sich aus diesem Grund zu melden. Einmal hat sie ihr krankes Haustier vorgeschoben. Aber ich weiß es besser!“

    „Oh nein, was ist denn mit Fido?“

    „Nichts! Das ist es ja gerade! Fido geht es gut. Er hatte sich nur an einem Menschenkind verschluckt und ein bisschen gehustet. Oma dramatisiert immer alles.“

    „Hat sie denn auch darauf geachtet, dass der Mensch sauber war? Die sind voller Bakterien. Das kann gefährlich für Raptoren werden. Ein kleiner Virus, und sie gehen ein.“

    Tjana straft ihren Mann mit einem vernichtenden Blick. „Fido. Geht. Es. Gut. Kannst du dich vielleicht mal für mein Problem interessieren, bitte?“

    Sischa faltet die Zeitung zusammen. „Natürlich, Schatz. Tut mir leid.“


    Tjana nickt zufrieden und atmet tief durch. „Das hier ist eine Katastrophe. Es gibt nur ganz wenige Fotos, auf denen wir alle drei drauf sind.“

    Sie zieht ein paar Bilder aus dem Haufen und schiebt sie ihrem Mann rüber, der sie geflissentlich begutachtet. „Dieses hier sieht doch ganz gut aus.“

    Tjana schaut auf und schüttelt energisch den Kopf. „Nein! Auf dem hast du nur drei Augen auf, das sieht total scheel aus!“

    Sischa hebt noch eins hoch. „Und was ist falsch an dem?“

    „Dein Tentakelbart. Wie ein Ursus ums Gemächt. Der geht gar nicht.“

    Er ging zum nächsten über. „Das hier finde ich aber wirklich gut.“

    Tjana lächelt. „Ja, das ist schön. Aber das können wir auch nicht nehmen.“

    „Aber wieso denn, um Zorks Willen?“

    Seine Frau nimmt ihm das Foto aus der Hand und hält es neben das Gesicht ihres Sohns, der rechts von ihr am Tisch sitzt und lustlos Futter in sich rein schaufelt. „Na, guck doch mal richtig hin.“


    Sischa gehorcht. Stück für Stück vergleicht er die Züge seines Sprosses mit dem auf dem Bild.

    Der abgebildete Junge strahlt mit seinen blauen Zähnen munter in die Kamera. Jedes seiner sieben Augen ist offen und aufgeweckt. Die Hufe stehen brav zusammen und die Schaufeln sind zu einem freundlichen Hallo erhoben.

    Der Junge am Tisch scheint - trotz offensichtlicher Ähnlichkeiten – das komplette Gegenteil zu sein. Ungewaschene Tentakeln hängen schlaff vom Kinn herab und hindern Essensreste daran, zurück in die Schüssel zufallen. Violette Pusteln prangen zwischen seinen Augen, von denen es nur eins mühsam offen halten kann. Die Zähne, die träge die Nahrung zerkleinern, sind unnatürlich weiß, als hätten sie alle Farbe verloren.

    „Oh mein Zork. Du hast recht. Somon sieht sich gar nicht mehr ähnlich. Wie alt ist denn das Foto?“

    „Zehn Erdumrundungen.“

    Sischa ist fassungslos. „Das kann doch nicht... Wieso...“

    Tjana nimmt seine Schaufel in ihre. „Pubertät, mein Schatz. Pubertät.“