Tylers neuer Fall (Arbeitstitel)

  • Hallihallo,


    ich arbeite an meiner eigenen Welt und siehe da, meine Geschichte scheint etwas Kriminologisches zu werden.


    Ich finde, dass ich als Schreiberin schnell in eine Betriebsblindheit verfalle und mir einfach die Erfahrung fehlt, um zu erkennen, wo eine Geschichte funktioniert und der Leser in die erfunde Welt eintauchen kann.


    Deshalb lade ich ein kleines Stück vom Anfang hoch. Sagt mir einfach, was es bei euch auslöst oder nicht.

    Erhellt mich.


    Vielen Dank:)


    Ps: Meine Deutschlererin im Abi meinte immer, ich habe ein Problem mit dem Ausdruck. Erklären, was sie damit meint, konnte sie aber nicht.

  • 1

    “Kommen sie rein, Dechant.”

    Rudolph stellt die Tasse ab und wühlt mit seinen Wurstfingern in einem wankenden Aktenturm.

    “Setzen.”

    Ich berühre Berni, als ich Platz nehme. Er hängt als Kristallspitze um meinen Hals. Seine Händchen drückt wie eine winzige Klammer die Außenseite meines Zeigefingers und streicht zart wie ein Blütenblatt über meine Haut. Ich blicke hinab. Durchsichtige Glaskügelchen, nicht größer als der Nagel des kleinen Fingers, in denen flache purpurnschillernde Pupillen zu mir aufsehen, treten an den Seiten des Kristall hervor. Berni zwinkert mir zu und küsst mit seinem Püppchenmund meine Fingerspitze und sinkt in meine Handfläche. Eine winzige Umarmung, die ich trotzdem am ganzen Körper spüren kann.

    Ich würde Berni nie in seiner Hauptgestalt mit ins Büro nehmen. Ich glaube Rudolph weiß, dass ich einen Geistführer habe. Aber ich kann mir bei einem solch bornierten Mann nicht vorstellen, dass er das gut heißt. Rudolph lebt mit seinen verstockten Ansichten einfach in der falschen Zeit. Darüber hinaus zeigt sich Berni auf unsere beider Sinnen nur Menschen, die wir mögen und achten. Alle anderen bemerken nicht, wie Berni mich begleitet wie ein Mond einen Planeten.

    Regen trommelt gegen die Fensterscheibe. Eine Windböe lässt das Glas erzittern. Berni versteift sich wieder. Heute ist es so dunkel, dass in Rudolphs Büro gleich zwei Lampen brennen. Es riecht wie in einem alten Kleiderschrank.

    “Guten Morgen, Herr Rudolph. Ich denke Monetti wird am Donnerstag nochmals in den Zeugenstand ge...”

    “Ist egal, sie sind abberufen. Übernimmt Cletus Hutch.”

    “Wie bitte?”

    Ich drücke Berni. Anscheinend zu fest, den er windet sich in meiner Hand und ich lasse ihn los.

    “Still jetzt. Sie übernehmen den hier.”

    Rudolph knallt eine kohlgrüne Akte auf den Tisch.

    Ich spüre wie Berni hinter mein Ohr huscht und sich an die Krempe hängt, wie eine Katze an eine Mauer, die sie erglimmen will.

    Rudolphs Ansage brennt wie eine harte Schelle gegen meine Wange. Für einen Moment summt es in meinem Ohren und ich weiß nicht mehr wo ich bin und erkenne den fetten Kerl vor mir nicht. Ich versuche in seinen Augen zu lesen. Er blickt weg. Seine Wangen hängen in einem Bogen herab wie bei einer Bulldogge. Ein trockener Bart aus Kaffee umringt seine wulstigen Lippen und lässt ihn aussehen, als wäre seine Hinterntür nach vorn gewandert. Mein Magen schimpft augenblicklich mit meinem Hirn, warum es solch einen Vergleich anstellt und Berni erschauert.

    “Nun machen sie schon. Nehmen sie die Akte und dann raus.”

    “Ich bin mitten in einem Prozess. Sie können nicht...”

    “Natürlich kann ich.”, bellt er mich an. “Sie machen, was ich ihnen sage, Dechant. Und jetzt raus hier. Hutch wartet.”

    2

    Berni stampft als kleiner Spielzeugsoldat über meinen Schreibtisch, als ich die Dokumente zu Monettis Fall in eine blaue Mappe schiebe und sie Cletus gebe.

    “Hutch dankt.”, flötet Cletus.

    Dieses elende Zahnpastalächeln. Ich könnte reinschlagen. Ich sehe regelrecht wie die Schneidezähne aufschwingen wie ein Gartentor. Hau bloß ab. Mein Herz ballt sich zur Faust und lodert heiß. Ich verdränge das Brennen. Es gibt nichts, wofür ich mich schämen müsste. Berni fuchtelt mit seinen Fäustchen.

    Der letzte Blick auf die Mappe schmerzt.

    Ich lasse mich auf den Stuhl fallen. Berni rennt zu mir, setzt sich auf meinen Arm und sieht mich mit großen dunklen Äuglein an. Das darf einfach nicht wahr sein. Rudyard Randolf Rudolph. Was für ein blödsinniger Name, für einen noch blödsinnigeren Mann.Seine Eltern hätten die Vornamen anders anordnen können, damit wenigstens sein Name etwas Harmonie verbreitet, was ihm im Leben nie gelingen wird. Aber anscheinend waren die genauso blöde wie ihr ausgewachsenes Elend im grauen Tweet, das nach Mottenkugeln stinkt und wie der hässlichste Köder der Welt aussieht. Wobei das eine Beleidigung für jeden Hund ist. Selbst die sehen von hinten besser aus, als er von vorn.

    Berni springt auf. Schnappt sich einen Stift, der in seinen Händchen aussieht wie ein Baumstamm und schreibt Rudolphs Namen auf den Notizblock. Dann kritzelt er wild darüber, wobei Rauchwölkchen aus seinen Öhrchen puffen. Er legt den Stift ab und präsentiert mir mit ausgestreckten Armen sein Kunstwerk. Ein Lächeln übermannt mich.

    Ich betrachte die Akte. Ihre Farbe erinnert mich an Grünkohlsuppe. Eigentlich liebe ich Grünkohl, doch alles aus Rudolphs Händen widert mich an. Berni lehnt sich an meine Hand und beugt sich über sie.

    Ich habe dafür gesorgt, dass sich die Beweise für Monettis Unschuld häufen. Aber das bedeutet Rudolph nichts. Das hier ist persönlich. Ihm hat es von Anfang an nicht gefallen, dass Herr Klück sich über seinen Kopf hinweg dafür entschied, mich als erste Frau in die Abteilung Amtsverteidigung aufzunehmen.

    Und jetzt sorgt er dafür, dass ich diesen Fall nicht beenden kann, weil ich nicht so weit kommen darf, bei der ersten Verteidigung, die ich alleine führe. Anders kann es nicht sein. Der krönende Erfolg steht nur seinem Neffen Cletus Hutch zu und ich konnte die Arbeit dafür erledigen.

    Mein Kopfschütteln bekomme ich erst mit, als ich damit aufhöre. Berni hüpft auf die Akte und blickt mich besorgt an. Ein bitterer Geschmack breitet sich auf meiner Zunge aus. Ich stütze die Ellenbogen auf den Tisch und vergrabe das Gesicht in den Händen. Ich muss einfach kurz verschwinden und mir einen kleinen Raum des Rückzugs schaffen.

    Alle möglichen Schimpfwörter rasen durch meinen Kopf. Verdammt soll er sein. Der Teilzeitjob bei Jimmys rückt wieder in den Vordergrund. Weniger Arbeit. Mehr Freizeit. Scheiß aufs Geld. Nur weg von Rudolph und seinem ignoranten Pack. Wie gern würde ich diese Chance ergreifen. Aufrecht von dannen gehen mit selbstbewusst erhobenen Kopf. Rudolph wird das nicht beeindrucken, dass ist mir klar. Er sieht höchstens seine Ansichten bestätigt. Eine Frau in seinem Job ist eine Beleidigung, da sie nie so autoritär und außerordentlich wie ein Mann sein wird.

    Berni streichelt mir über den Kopf und lehnt sich an meine Schulter. Ich weiß, dass er jetzt einer Babypuppe gleicht. Nur selten nimmt er an unliebsamen Orten eine größere humane Form an. Meistens bleibt er lieber ein Vierbeiner.

    Reis dich zusammen. Zeig nicht, wie sehr dich das trifft, sage ich zu mir.

    Ich hebe den Kopf. Berni drückt mir einen Kuss auf die Wange. Kurz lehne ich meine Stirn gegen seine und sehe mich dann im Großraumbüro um. Ein paar Schreibtische sind leer. Das feuchte kalte Wetter der letzten Wochen fordert seinen Tribut und der Krankenstand ist hoch. Berni wirft sich eine Decke über die Schultern und zittert heftig aber kurz, als kommt er von der Kälte draußen in einen warmen Raum herein.

    Dann lege ich die Hände auf die Akte. Ich öffne das schwarze Band, was diese zusammenhält, und schlage sie auf.

  • 1

    “Kommen sie rein, Dechant.”

    Rudolph stellt die Tasse ab und wühlt mit seinen Wurstfingern in einem wankenden Aktenturm.

    “Setzen.”

    Ich berühre Berni, als ich Platz nehme. Er hängt als Kristallspitze um meinen Hals. Seine Händchen drückt wie eine winzige Klammer ...

    Mein erster Eindruck ist eine zu hektische Erzählweise. Du lässt dem Leser keine Zeit ein Bild im Kopf aufzubauen, sondern springst gleich zum nächsten.

    Hier hat man zuerst die Wurstfinger im Blick und dann gleich den Aktenturm. Besser fände ich das Adjektiv wegzulassen und eine längere Umschreibung zu wählen:

    ... und wühlte mit seinem Wurstfingern in dem Aktenstapel, der sich dabei gefährlich über den Rand seines Schreibtisches schob.


    Bevor Berni drankommt muss jedenfalls ein Absatz rein - schließlich hat er mit dem Vorherigen Dialog nichts zu tun. Da würde ich auch erst noch ein paar Details zu den beiden Männern zu deren Vorstellung/Charakterisierung anbringen.

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    Von den vielen Welten, [...] ist die Welt der Bücher die größte. (Hermann Hesse)


    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

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  • Ja, die Erwähnung, dass die Ich-Erzählerin eine Frau ist, kommt mir zu spät. Auch würde ich gern möglichst bald ihren Vornamen erfahren. Cletus könnte sie damit ansprechen.


    Ansonsten schreibst Du schon farbenfroh und mit Interesse aufbauender Spannung.


    Die Vergleiche sind gut aufeinander abgestimmt - von wegen Bulldogge - Köter usw.

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    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

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  • Bei Bernis Größenveränderungen solltest Du darauf achten, ob das immer stimming zu seiner Umgebung ist. Ein Winzling, der am Kragen hängt kann einem kaum über den Kopf streichen. Auch eine Babypuppe reicht nicht über den ganzen Kopf.

    Manchmal ist es besser die Erklärung für ein Bild vorher zu liefern als sie nachzuschieben, denn das stockt den Lesefluss und macht das Ganze holprig.

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    :lesend Tom Liehr: Im wechselnden Licht der Jahre

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  • :wave Gern geschehen! Das hat mich gerade gut ein wenig beschäftigt.

    Übe Dich schön weiter- es lohnt sich trotz Mühe:brief

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