Titel: Dr. Sex (The Inner Circle)
Autor: T.C. Boyle
Seiten: 544
Verlag: dtv
Vorab: Ich war mir über die Kategorie hier im Forum nicht sicher. Aber es wird das Leben einer realen Figur, Alfred Kinsey, aus Sicht einer fiktiven Person, die mit ihm zusammenarbeitet, beschrieben. Es ist sicher keine klassische Biographie, aber ich fand hier passt es trotzdem am besten.
Inhalt
Beschreibung von Amazon schrieb:Alles anzeigenBoyles geniales Porträt des Mannes, der im prüden Amerika des Jahres 1939 die sexuelle Revolution auslöste.
»Hör mal, ich wollte dich fragen, ob du dich vielleicht mit mir verloben möchtest... Du weißt schon, für diesen Kurs.«
Es ist das Jahr 1939, und auf dem Campus der Universität Indiana ist eine Revolution ausgebrochen. Alfred Kinsey, ursprünglich Zoologe, beschäftigt sich mit dem Sexualverhalten von Männern und Frauen - und das rein empirisch. Unter dem harmlos klingenden Titel »Ehe und Familie« gibt er Aufklärungskurse, die durch die Präsentation von drastischen Dias Furore machen.
John Milk, ein junger, ehrgeiziger, aber in sexuellen Dingen völlig unbedarfter Student, lernt Kinsey persönlich kennen und wird dessen erster Mitarbeiter. Kinseys Projekt ist gewaltig: Er will so viele Personen wie möglich zu ihren sexuellen Erfahrungen, Vorlieben und Gewohnheiten befragen und gleichzeitig Angaben zu deren sozialem Hintergrund und physischer Konstitution sammeln, um der Sexualforschung eine Basis zu geben. John Milk ist von diesem Mann fasziniert und wird einer seiner treuesten Anhänger und uneingeschränktesten Verfechter. Und doch gerät er in einen Zwiespalt, denn da gibt es eine junge Frau, die er liebt und mit der er leben will ...
T. C. Boyle erzählt die Geschichte eines ebenso genialen wie fanatischen Helden, für den die sexuelle Aufklärung das höchste aller Ziele ist, und zeichnet ein Porträt der prüden, bigotten Gesellschaft des Amerika der vierziger und fünfziger Jahre.
Autor
Portrait von Amazon schrieb:Tom Coraghessan Boyle, geboren 1948 in Peekskill, New York, unterrichtet an der University of Southern California in Los Angeles. Für seinen Roman ›World's End‹ erhielt er 1988 den PEN/Faulkner-Preis. Als Enfant terrible der amerikanischen Gegenwartskultur wurde T. C. Boyle zum Pop- und Literaturstar seiner Generation.
Meinung
Dr. Sex war mein Erstlingswerk von Boyle, und ich wusste nicht genau, was ich zu erwarten hatte. Auf das Buch aufmerksam wurde ich über einen Podcast, in dem über Bisexualität gesprochen wurde, und da wurde unter anderem Dr. Sex als Buch hervorgehoben, in dem die H-Skala erklärt wurde. Dementsprechend war das auch gewissermaßen meine Erwartungshaltung, und die war falsch. Mir sagte Kinsey vorher gar nichts, und glücklicherweise war die H-Skala an sich gar kein Schwerpunkt des Buches, sonder nur ein Teil davon. Wir lernen Kinsey relativ am Anfang seiner Sexualstudien kennen, er hat seine Methode etabliert, aber noch keine Mitarbeiter, und auch noch in zoologischen Studien tätig. Mit John Milk treten wir ein in die Welt von Dr. Kinsey, der als junger Student erst in der zu der Zeit skandalösen Vorlesung sitzt und für die Teilnahme er eine Verlobung inszenieren muss, um teilnehmen zu dürfen. Darauf nimmt John Milk an der Studie teil, lernt Dr. Kinsey kennen, fängt als studentische Hilfskraft erst in der Fakutätsbibliothek an und wird kurze Zeit später erster Mitarbeiter in Dr. Kinseys Forschungsschwerpunkt der menschlichen Sexualität. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und privatem immer mehr, schon sehr früh entwickelt sich eine Affäre von Kinsey und John Milk, und der Faktor sexuelle Übergriffe in Abhängigkeitsverhältnissen zieht sich durch das Buch. Das Buch scheut keine Konflikte, zwischen John Milk und seiner späteren Ehefrau, zwischen allen Kollegen, zwischen den Familien und Alfred Kinsey und seiner Frau. Boyle schafft es dabei, die Motive und ein Lebensbild zur freien Sexualität aufzuzeigen, mit allen Problemen, aber auch der Ausblick, wie wichtig ein Selbstverständnis der eigenen Sexualität ist.
Ob es teilweise Gefangene ihrer Zeit sind, ob Boyle absichtlich alle Charaktere so aufbaut, dass es zu Problemen kommt, wirklich sympathisch ist mir im Buch niemand. Darum habe ich mich mit dem Lesen teilweise auch schwer getan. Auf der anderen Seite schwang durchgehend eine Faszination mit, mit der Zeit, mit der Forschung, mit den Charakteren. Und das hat mich bei der Stange gehalten.