Ein heisses Jahr - Philippe Djian

  • Diogenes, 2023

    240 Seiten

    OT: 2030


    Kurzbeschreibung:

    Eines Morgens stößt Greg auf eine Reportage über das ›Mädchen mit den Zöpfen‹, das 2018 mit ihrem Klimastreik eine globale Bewegung ausgelöst hatte. Über zehn Jahre sind seitdem vergangen, und wenig hat sich getan. Gerade noch hat Greg gegen sein Gewissen Forschungsergebnisse über die Schädlichkeit eines Pestizids gefälscht. Gleichzeitig unterstützt er seine Nichte Lucie und ihr Engagement für das Klima. Als er dabei die Umweltaktivistin Véra kennenlernt, wird Gregs Weltbild auf den Kopf gestellt.


    Über den Autor:

    Philippe Djian, geboren 1949 in Paris, ist viel herumgekommen. Er lebte in New York, Florenz, Bordeaux und Lausanne und wohnt heute in Biarritz und Paris. Auf einer Autobahnmautstelle, bei einem seiner Gelegenheitsjobs, tippte Philippe Djian sein erstes Manuskript. Sein dritter Roman, ›Betty Blue‹, wurde zum Kultbuch. ›Oh …‹ erhielt 2012 den Prix Interallié und wurde mit Isabelle Huppert unter dem Titel ›Elle‹ verfilmt.


    Mein Eindruck:

    Philippe Djians neuer Roman ist eine Überraschung, denn er bildet die nahe Zukunft ab. Grosse Hitze wegen Klimakrise, Demonstrationen, Attentate. Die Stimmung brodelt.

    Das ist alles glaubhaft geschildert, schliesslich kennt man das ansatzweise schon jetzt.


    Der Protagonist Greg ist ein Mann in der Krise und zwischen allen Stühlen.

    Er ist ein getriebener.


    Vieles an dem Roman finde ich grossartig, aber das Ende erscheint mir zu lapidar. Man bleibt ratlos zurück.


    Davon abgesehen ist Ein heisses Jahr nicht gerade langweilig. Ich habe das Buch mit Spannung gelesen.

    Daher einer der besseren Romane Djians der neueren Zeit..


    ASIN/ISBN: 325707249X

  • Daher einer der besseren Romane Djians der neueren Zeit.

    Mein letzter von ihm war "Oh ...", und den fand ich sehr mäßig. Ist dieser hier im Vergleich besser oder noch schlechter? Und warum vergleichst Du nur mit den Romanen der "neueren" Zeit? Darf man die Höhe von "Rückgrat" oder "Erogene Zone" überhaupt nicht mehr erwarten? Ist das völlig außer Sichtweite?

  • Bei Oh war ich doch eher mit dem ganzen Buch ratlos, daher finde ich Ein heißes Jahr auf jeden Fall besser.


    Rückgrat habe ich hier liegen, aber noch nicht gelesen.

    Erogene Zonen auch nicht.


    Ich finde, Djian hat heutzutage eine andere Art der Lakonie als es z.B. bei Betty Blue der Fall war. Daher liegt ein Vergleich zu den neueren Romanen einfach näher.

  • Nahe Zukunft.


    Der Roman Ein Heißes Jahr, von dem

    französische Autor Philippe Djian spielt in der nahen Zukunft.

    Die Klimakatastrophe hat schon krass stattgefunden. Das Wetter ist extrem trocken, wenn es mal regnet verdunstet das Wasser.

    Dann gibt es Personen in einem Labor. Der Chef Anton gibt falsche Ergebnisse raus und Greg hilft ihm das zu vertuschen.

    Greg ist eigentlich sympathisch, er geht sogar mit seiner Nichte auf Demonstrationen.

    Dann stirbt ein Mensch an einem giftigen Mittel, das sie vertuscht hatten. Da dreht er durch.

    Das hat der Autor perfekt erzählt, es war oft dramatisch.

    Der Autor hat die Innere Monologe Gregs und seine Ängste gut eingefangen.

    In dem Roman hat er das Thema Umweltschutz gut umschrieben.

    Er schreibt fesselnd spannend.

    Ich konnte mich in diese Geschichte so richtig hinein ziehen lassen.

  • Im Alter auch nicht besser


    zweisterne.gif


    Im Jahr 2030 – so lautete auch der Originaltitel des Romans, also „2030“ – hat der Klimawandel voll zugeschlagen. Die Sommer sind trocken und unfassbar heiß, und wenn es regnet, dann monsunartig, weshalb die Böden kaum noch dazu in der Lage sind, die gewaltigen Wassermassen aufzunehmen. Autos mit Verbrennungsmotor und überhaupt Privatfahrzeuge sind zur absoluten Ausnahme geworden. Dafür gibt es autonom fahrende und fliegende öffentliche Verkehrsmittel, und für zu Hause VR mit so perfekter Immersion, dass man die Realität tatsächlich manchmal vergisst. Ansonsten aber läuft das Leben wie vorher, also im Jahr 2018, als dieser Roman erschien, und als, wie sie im Roman genannt wird, „das Mädchen mit den Zöpfen“ die Bewegung „Fridays for Future“ initiierte. Die Bewegung gibt es in Djians Zukunftsentwurf immer noch, aber das Mädchen ist natürlich älter geworden und hat soeben ein anklagendes Sachbuch veröffentlicht, und in der Buchhandlung von Véra findet eine stark besuchte Lesung statt. Véra verkauft weiterhin Papierbücher und gehört der Bewegung ebenfalls an. Eine andere Jüngerin ist die Nichte von Greg, und Greg ist die Hauptfigur dieses Romans. Der steht, wenn man so will, auf der gegenüberliegenden Seite. Er fährt einen fossilbetriebenen Porsche und betreibt mit seinem Schwager ein Labor, das Gutachten für die Industrie anfertigt. Einer der Klienten dieses Labors ist ein Pharmaunternehmen, das ein umstrittenes Pestizid herstellt, für das Gregs Labor immer wieder positive Bescheide ausstellt, die aber überwiegend falsch sind. Man ist dem Labor auf der Schliche, und während Gregs Schwager Anton mit der Situation skrupellos umgeht, drängt Gregs Gewissen immer stärker darauf, sich zu positionieren. Denn er ist eigentlich ein Guter, was immer deutlicher wird, vor allem, als er Véra kennenlernt und sich in sie verliebt.


    Ich bin mit Djian eigentlich längst durch. Seit „Rückgrat“ (1988) hat mich keiner seiner Romane mehr wirklich überzeugt, und spätestens nach dem extrem ärgerlichen „Reibereien“ (2007) wollte nie wieder einen anfassen, geschweige denn lesen, habe aber für „Oh ...“ (2012) eine Ausnahme gemacht, nur, um festzustellen, dass es nicht besser geworden ist, sondern eher grausiger. Das betrifft nicht nur die Figuren und Plots und die wiederkehrenden, sehr maskulin konnotierten Erotikfantasien, sondern mehr und mehr Djians Sprache und Erzählweise, die immer flacher und wirrer zu werden scheinen, was durch seine bevorzugte Un-Struktur – Dialoge werden nicht hervorgehoben, es gibt kaum Absätze und keine Kapitel, die Perspektive wechselt sprungartig von einer Figur zur anderen – auch noch verstärkt wird. Und trotzdem hat mich das Urteil einer befreundeten Person nach diesem Roman greifen lassen, in der Hoffnung, dass Djian vielleicht im Alter – er wird in diesem Jahr 75 – seine spezielle Form, seine Wildheit und seine Themen wieder auf das Niveau der Achtziger und frühen Neunziger bringt. Oder in die Gegenwart transformiert.

    Macht er aber leider nicht.


    Immerhin lässt sich „Ein heißes Jahr“ schnell lesen, denn es ist (wie die meisten seiner neueren Werke) kurz (220 Seiten) und großzügig gesetzt, weshalb auch das Erraten der Dialoganteile und der dazugehörigen Sprecher kaum nennenswert Zeit kosten. Es ist aber außerdem und in der Hauptsache lapidar, und es ist von einer erschütternden Naivität und Unkenntnis beherrscht; „Ein heißes Jahr“ ist ein Reissbrettroman ohne Fundament. Das Handeln der Hauptfiguren folgt bloßer Willkür, ist oft überhaupt nicht nachvollziehbar oder wenigstens schwach begründet, jedenfalls sind die Twists unsauber vorbereitet und wenig glaubhaft. Eigenartigerweise unterhält die Geschichte trotzdem während der ersten zwei Drittel einigermaßen, aber in Richtung Ende setzt das komplett aus.


    Was in „Ein heißes Jahr“ gelingt, das ist die Atmo. Djian bringt das Extremwetter und die Reaktion seiner Figuren auf dieses Wetter gut rüber, lässt einen die Hitze nachgerade spüren. Mehr Gutes fällt mir zum Buch allerdings nicht ein. Die Geschichte ist schlecht angelegt und schlecht erzählt, und das Personal muss sich grober erzählerischer Willkür unterwerfen. Das letzte Drittel des Romans ist reine Quälerei, und das saublöde Ende ist schlicht aus der Hölle.