Das Evangelium der neuen Welt - Maryse Condé

  • Btb, 2023

    320 Seiten

    OT: L'Evangile du nouveau monde


    Kurzbeschreibung:

    An einem Ostersonntag finden Monsieur und Madame Ballandra, ein älteres, kinderloses Ehepaar, ein Neugeborenes in ihrem Gartenschuppen. Pascal, der Säugling, ist überaus hübsch - dunkelhäutig, mit glatten, schwarzen Haaren und Augen, die so graugrün sind wie das Meer, das die Karibikinsel umgibt. Niemand kann sagen, woher der Junge kommt. Aus Europa? Aus Afrika? Aus Asien? Doch nicht nur sein Aussehen weckt die Neugier der Inselbewohner. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dieses Findelkind könnte ein ganz besonderes Geschenk an die Menschheit sein: Vielleicht hatte Gott der Vater ja zwei Söhne und den Jüngeren nun zu ihnen geschickt? Ein neuer Messias, der den Auftrag hat, die Welt so zu verändern, dass sie toleranter und friedlicher wird. Kaum erwachsen, zieht Pascal los, auf der Suche nach seiner wahren Bestimmung.


    Über die Autorin:

    Maryse Condé, 1934 in Pointe-à-Pitre auf Guadeloupe geboren, gilt als eine der großen Erzählstimmen unserer Zeit. Mit 16 Jahren ging sie zum Studium nach Paris und lebte später mehrere Jahre in Westafrika. Maryse Condé unterrichtete u.a. an der Sorbonne und war Professorin für französische Sprache und Literatur an der Columbia University in New York. Bekannt wurde Maryse Condé durch die Familiensaga "Segu", in der sie die Geschichte der westafrikanischen Familie Traoré erzählt. Sie wurde u.a. mit dem Prix de l'Académie Française, dem Prix Marguerite Yourcenar sowie dem Alternativen Literaturnobelpreis ausgezeichnet. 2020 wurde ihr in Frankreich der nationale Verdienstorden verliehen. Maryse Condé verstarb im April 2024 im Alter von 90 Jahren.


    Mein Eindruck:

    Ein Alters- und Abschiedswerk. Sehr entspannt, locker. Maryse Condé musste sich nichts mehr beweisen. Und ist doch nicht zahm geworden.

    Das Buch ist eine milde Satire, dabei dennoch ein kritisches Gesellschaftsporträt. Themen, auf die angespielt werden sind Rassismus, Korruption, Armut

    Der jesusgleiche Pascal wird von seinen reichen Adoptiveltern liebevoll aufgezogen, Doch der leibliche Vater wird von manchen wie ein Gott angesehen.

    Pascals Vatersuche ist gleichzeitig eine Sinnsuche.

    Es gibt nicht nur Szenen auf der Karibikinsel. Pascal kommt rum in der Welt, eine Zeitlang sogar in den USA.


    Ein stimmiges Abschiedsbuch einer großen Autorin.


    ASIN/ISBN: 3442773660

  • Ich lese das gerade und weiß nicht, ob ich's beenden werde. Diese zeitlich und geografisch adaptierte Nacherzählung der Jesusgeschichte mit, wie Palomar schrieb, (sehr) mild satirischen Aspekten macht mich vor allem stilistisch total fertig. Es mag sein, dass die Naivität und Simplizität des Erzählstils (und auch der Übersetzung) beabsichtigt sind, aber solche Sätze und Formulierungen finden sich in großer Zahl im Text: "Ihre Beziehung nahm eine ungeahnte Entwicklung: Sie klebten, salopp gesagt, zusammen wie Kletten, oder, ganz einfach, wie Mutter und Sohn." Dazu kommt, dass man die "milde Satire" mit der Lupe suchen muss und trotzdem nicht wirklich findet, aber spannend, überraschend oder sonstwie wirklich unterhaltsam wird es leider auch nie. Tatsächlich fasst die Autorin relevante Geschehnisse knapp zusammen, walzt dann aber wieder Belanglosigkeiten aus, findet kein erzählerisches Maß. Okay, das ist ein Alters- und Abschiedswerk, aber nach meinem Dafürhalten kein sonderlich gutes, jedenfalls ungefähr bis zur Mitte.

  • Ich habe mich dann doch noch durchgequält. Die im Jahr 2024 verstorbene Maryse Condé, die als "die Stimme der Karibik" galt, hatte diesen - ihren letzten - Roman vom Krankenbett aus einer Freundin diktiert. Condé litt an einer neurodegenerativen Erkrankung. Berühmt wurde sie 1984 mit ihrem Roman "Segu - die Mauern aus Lehm", der ein Bestseller war und überall auf der Welt wahrgenommen wurde.


    Ich hatte von Condé schon hier und da gehört, habe mir aber "Das Evangelium" aufgrund der Besprechung bei den Eulen gekauft und dann lange liegenlassen, nachdem ich die ersten paar Sätze und den Klappentext gelesen hatte und bereits ahnte, eine Fehlentscheidung getroffen zu haben. Die Autorin erzählt mehr oder weniger das Neue Testament nach, also die Jesusgeschichte, indem sie ein wohlhabendes Paar, das auf Martinique lebt und dort eine florierende Gärtnerei namens "Garten Eden" betreibt, in der eigenen Scheune ein Kind finden lässt, das dort wohl absichtlich deponiert wurde. Der Roman erzählt - hauptsächlich in Episoden, zwischen denen sich die Zusammenhänge nicht immer gleich oder überhaupt nicht ergeben - vom Leben dieses Jungen, der Pascal heißt und von dem das Gerücht geht, er wäre der Sohn Gottes. Also der zweite Sohn Gottes, Jesus' Bruder, quasi.


    Ich hatte mit dem Roman große Schwierigkeiten, um es noch nett auszudrücken, was nicht daran lag, dass er eine so intensive religiöse Konnotation in sich trägt (wobei es ansatzweise darum geht, diesen Mythos zu entzaubern). Es lag eher daran, dass "Das Evangelium der neuen Welt" einfach sprachlich, stilistisch und dramaturgisch ziemlich schlecht ist, dass es kaum erkennbare Zusammenhänge gibt, dafür großräumige Auslassungen, eine wirre Figurenflut und einen Protagonisten, der in seiner tumben Naivität unaufhörlich nervt. Die wesentlichen Elemente bleiben ausgespart, also etwa, wie Pascal an seine Jünger kommt, wie sich der Kult um ihn herum tatsächlich entwickelt, was er bei seinen Unterrichtsstunden tatsächlich verkündet. All das bleibt bestenfalls angedeutet, während der junge Mann zwischen Beziehungen zu betörenden Frauen herumstolpert und den Behauptungen der sehr schwachen erzählerischen Klammer zu folgen genötigt wird. Dabei gehen die wichtigen Themen des Romans komplett unter, in dem es um Kolonialismus, Rassismus, das Nord-Süd-Verhältnis, den Einfluss der Kirchen, Korruption und viele andere Fragen geht. Weil der Text erzählerisch kaum auszuhalten ist und die Motive wie feine Kiesel zwischen den Behauptungsbrocken versickern, verlieren diese Motive ihre Bedeutung fast vollständig.


    Die Ehrungen, die das Buch erfuhr, galten natürlich vor allem, eigentlich nur der Autorin, die tatsächlich auch als Anwärterin für den "richtigen" Literatur-Nobelpreis gehandelt wurde, was, okay, ja auch von Haruki Murakami immer wieder behauptet wird, und vielleicht sogar von Coelho. Jedenfalls ist es aus literarischer Perspektive nur schwer zu ertragen. Es ist einfach kein gutes Buch.