Song of the Wolf - Rosanne Bittner

  • Ich kann diese Denkweise nicht verstehen. Mein Volk versucht nicht, andere dazu zu bringen, wie wir zu sein. Wir leben auf die Art, die wir uns ausgesucht haben und lassen andere ein gleiches tun.* (Medicine Wolf, Seite 146)


    Bibliographische Angaben meiner gelesenen Ausgabe:

    521 Seiten, kartoniert

    Herausgeber: Don Congdon Associates, Inc., New York, 2018 (Erstauflage Bantam Books, 03/1992)

    ISBN-10: 1-948835-03-7

    ISBN-13: 978-1-948835-03-9



    Zum Inhalt (eigene Angabe)


    Als sechsjähriges Mädchen wurde Medicine Wolf in der Wildnis von einem Rudel Wölfe vor dem sicheren Tod bewahrt. Seither hat sie eine spirituelle Verbindung mit den Wölfen, hat immer wieder Visionen und wird von Wölfen beschützt. Zur jungen Frau herangewachsen, wird ihre besondere Begabung immer stärker ausgeprägt und sie wird zur „heiligen Frau der Cheyenne“.

    Mit Bear Paw ist sie seit ihrer Kindheit verbunden, teilen beide doch die selben Visionen. Zusammen führen sie die Cheyenne durch die immer schwerer werdenden Zeiten, kommt doch eine Welle Siedler nach der anderen und nimmt den Indianern ihr angestammtes Erbe.

    „Song of the Wolf“ ist die Geschichte vom Untergang des freien Lebens der Cheyenne. Medicine Wolf und Bear Paw sind fiktive Gestalten, die beschriebenen Ereignisse lassen sich jedoch in den Geschichtsbüchern nachlesen. Bis hin zum tragischen Ende einer stolzen Nation.



    Über die Autorin


    Rosanne Bittner wurde 1945 geboren und begann schon während der Schulzeit zu schreiben. Ihr erstes Buch verkaufte sie 1983; bisher sind über sechzig Romane von ihr erschienen. Sie ist seit 1965 verheiratet und zweifache Mutter. Sie lebt in der Nähe des Lake Michigan.


    Informationen im Internet:

    Die Webseite der Autorin (in englischer Sprache)



    Meine Meinung


    Es hat ein paar Tage nach dem Lesen der letzten Seite gebraucht, um wieder zur Ruhe zu kommen, die Gedanken zu sammeln. Mit diesem Buch habe ich nach derzeitigem Stand mein diesjähriges Jahreshighlight gelesen, was den Versuch einer sinnvollen Rezension des Gelesenen nicht gerade einfacher macht.


    Dabei war der Handlungsablauf eigentlich von vornherein klar; da das Buch die „wahre Geschichte der Cheyenne“ (U4-Text) zum Inhalt hat und mir die im Großen und Ganzen bekannt ist, sollte es keine großen Überraschungen geben. Aber da hatte ich nicht das unglaubliche Erzähltalent der Autorin in Betracht gezogen, was ich von früher gelesenen Büchern allerdings hätte wissen können. Letztlich ist es eben doch ein sehr großer Unterschied, ob man einen geschichtlichen Handlungsverlauf in einem Sachbuch oder in einem sehr gut erzählten Roman liest. Der Abstand zu den Figuren (fiktiven wie historischen) wird geringer, das Miterleben (und Mitleiden) größer, die Emotionalität kann sich ins schier Unermeßliche steigern. In diesem Miterleben-Lassen hat es die Autorin zur Meisterschaft gebracht, so daß sich Figuren wie Handlung tief ins Gedächtnis einprägen. Noch heute muß ich immer wieder an Cheyenne Zeke und Abigail Trent Monroe, die Hauptfiguren der Savage-Destiny-Reihe (Link zu Band 1) denken, die sich unauslöschlich in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Ein selbes ist Rosanne Bittner mit Bear Paw und Medicine Wolf gelungen. Wer einmal deren Lebens- und Leidensweg verfolgt hat, wird sie wohl nie wieder vergessen.


    Wie in manchen anderen Büchern (nicht nur dieser Autorin), gelingt auch hier eindrucksvoll die Verschmelzung von Fakt und Fiktion, von Traum und Realität. Als sechsjähriges Mädchen werden Medicine Wolf und ihre Mutter von Crows gefangen genommen und entführt; Medicine Wolf kann entkommen und ist in der Wildnis ganz auf sich alleine gestellt. Nur durch die Hilfe einer Wölfin und deren Jungen kann sie überleben - die Verbindung zu den Wölfen, mit denen sie von da an eine fast schon spirituelle Verbindung hat, wird ein Leben lang halten, der Geist der Wölfe wird sie leiten in der Zeit, da sie als Heilige Frau der Cheyenne fast schon den Status einer Prophetin erreicht.


    Und so erleben wir lesend denn die Geschichte vom Niedergang des freien Lebens der Cheyenne aus Sicht der Betroffenen mit. Beginnend in den noch relativ ruhigen Zeiten um 1846, über den Vertrag von Laramie, das Massaker am Sand Creek, die Schlacht am Little Big Horn und folgend die endgültige Niederlage. (Kein Spoiler - ergibt sich aus dem U4-Text.)


    Selten bis noch nie habe ich so gute Schilderungen und Zusammenfassungen gelesen, was in der Beziehung zwischen Weißen und Indianern falsch gelaufen ist, weshalb es nie eine Chance für eine friedliche Lösung geschweige denn für ein friedliches Zusammenleben gab (und gibt?) - kurz gesagt, weil die Weißen kamen und alles, was sie vorfanden, als ihr Eigentum betrachteten. Weil sie ihre eigene Lebensweise ad absolutum setzten und nicht mal denken konnten, daß man auch auf andere Weise leben könnte. Und schließlich, weil sie jeden Vertrag**, jedes Versprechen, jede Zusage brachen, sobald sie etwas wollten, worauf die vertraglich verzichtet hatten, Stichwort Goldrausch. (Vgl. beispielsweise S. 174 und S. 205ff, als Medicine Wolf nach rund zwei Jahren, die sie bei einer weißen Familie gelebt hat, zurück zu ihrem Volk kommt und von ihren Erfahrungen berichtet oder auch S. 491, nach der Schlacht am Little Big Horn ).


    Ein herausragender Roman, der nach derzeitigem Stand mein Jahreshighlight ist. Den ich sicher irgendwann nochmals lesen werde. Wenn einige Zeit vergangen ist, denn die Todesrate ist extrem hoch. Wenn man die Historie kennt, kann das allerdings nicht anders sein.


    Das Ende sei „herzzerreißend aber erhebend“***, so steht es auf dem Buchrücken. Und in der Tat, genau so hat die Autorin es geschrieben. Es hat mich dabei an das Finale der Savage-Destiny-Reihe erinnert, als dort die Geschichte von Cheyenne Zeke und Abigail Trent Monroe auserzählt war. Jene letzten Szenen und Bilder haben sich mir unauslöschlich eingeprägt. Hinzu kommen nun die letzten Szenen mit Medicine Wolf und Bear Paw. Mögen sie in Frieden ruhen, wo auch immer sie jetzt sein mögen.


    Hört alles. Seht alles. Vielleicht wird das Leben eines Tages wieder so sein. Vielleicht wird die Zeit kommen, wenn wir das Lied des Wolfes wieder hören werden ... **** (Black Elk, Oglala Sioux, Aus der „Widmung“)



    Mein Fazit


    Vom freien Leben in der Prairie bis hin zum Untergang einer Lebensform und Kultur. Emotional, hart und unerbittlich erzählt aus Sicht der Unterlegenen. Nicht nur ein „Lied“, eine grandiose Saga. Absolut unvergeßlich.



    Anmerkung und Originaltext


    * = I cannot understand this thinking. My people do not try to make others be like us. We live the way we choose and let others do the same. (Medicine Wolf, S. 146)


    ** = Bis auf einen: den Vertrag von Fredericksburg, Texas, vom 9. Mai 1847, zwischen deutschen Siedlern und den Comanchen. Die Einhaltung des Vertrages wird noch heute alljährlich gefeiert.


    *** = „Heart-wrenching, yet gloriously uplifting“ liest man auf der U4.


    **** = Hear it all. See it all. Perhaps one day life will be like that again. Perhaps the time will come when again we hear the song of the wolf ...



    ASIN/ISBN: 1948835037

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")