Himmlischer Frieden – Lai Wei

  • Ullstein, 2025

    560 Seiten


    OT: Tiananmen Square

    Übersetzt von Judith Schwaab


    Kurzbeschreibung:

    Lai wächst in einem trubeligen Arbeiterviertel in Peking auf. Ihr Vater redet nicht, die Mutter interessiert sich nur für das Geschehen auf dem Hausflur, einzig die Großmutter ist wirklich präsent, kompromisslos in ihrer Liebe zu ihren Enkeln. Als Kind lernt Lai bei einem Nachbarschaftsstreich die Härte des Regimes kennen. Bald darauf auch die erste Liebe. Durch Gen bekommt sie Zugang zu Büchern und Bildung – und schließlich ein Stipendium an der renommierten Peking-Universität. Dort eröffnet sich ihr eine neue Welt. Eine Welt, in der die Meinung frei gesagt wird, und sich Widerstand gegen das Regime formiert. Es ist 1989 und ein Geist der Veränderung liegt in der Luft …


    Über die Autorin:

    Lai Wen wurde 1970 in Peking geboren. Sie lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in England, nachdem sie China 1989 nach den Protesten am Platz des Himmlischen Friedens verlassen musste.


    Über die Übersetzerin:

    Judith Schwaab, Jahrgang 1960, studierte Italienische Philologie. Sie ist Lektorin und Übersetzerin aus dem Englischen und Italienischen, unter anderem von Anthony Doerr, Daniel Mason, Jojo Moyes, Sue Monk Kidd, Maurizio de Giovanni und Stefania Auci. Für ihre Übersetzung von Chimamanda Ngozi Adichies "Blauer Hibiskus" erhielt sie 2020 den Internationalen Hermann-Hesse-Preis.


    Mein Eindruck:

    Diesen Roman finde ich wichtig, weil er an ein Ereignis von Bedeutung erinnert.

    Die Protestbewegung der Studenten in China und die brutale Niederschlagung am Platz des himmlischen Friedens 1989.

    Die Autorin wie auch ihre Hauptfigur Lai waren dabei, nicht in führender Position, aber voller Überzeugung.

    Vorher werden aber noch lange ihre Kindheit und Jugend, Familie, Freundschaften und erste Liebe gezeigt.

    Später lebte sie in Kanada und heute in England. Daher ist dieser Roman anscheinend auch auf Englisch verfasst worden.


    Für meinen Geschmack war die Erzählperspektive zu jugendlich gehalten, aber das macht ja auch Sinn. Das Reflektierende kommt eigentlich erst im Epilog. Der Stil ist gefällig, eigentlich sogar nicht schlecht.


    Am Ende kann ich sagen, dass ich den Roman gerne gelesen habe.


    ASIN/ISBN: 3550202865

  • Lai, ein schüchternes und ängstliches Mädchen, wächst in eher einfachen Verhältnissen auf. Ihr Vater, ein Intellektueller, redet kaum, ihre Mutter ist distanziert. Auch ihr kleiner Bruder und ihre Großmutter gehören zu ihrem direkten Umfeld. Schon als Kind lernt sie die Härte des chinesischen Regimes kennen…


    „Himmlischer Frieden“ ist der Debütroman von Lai Wen.


    Vier Teile mit insgesamt 39 Kapiteln, an die sich ein Epilog anschließt: Die Struktur des Romans ist ebenso sinnvoll wie schlüssig. Erzählt wird in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Lai. Die Handlung umspannt im Wesentlichen die Jahre 1970 bis 1989 und spielt in China.


    Der Schreibstil ist eindrücklich, unaufgeregt und dank etlicher authentischer Dialoge anschaulich. Teilweise ist zudem eine poetische Note erkennbar.


    Im Fokus steht Lai, eine realitätsnah gezeichnete Figur. Auch die übrigen Charaktere wirken lebensecht.


    Nicht zufällig trägt die Protagonistin denselben Namen wie das Pseudonym der Autorin, denn der Roman hat autobiografische Züge und beinhaltet einige Erinnerungen aus der Kindheit und Jugend. Er beschreibt einen nicht geringen Teil ihres Lebens, nämlich das Aufwachsen und Erwachsenwerden im totalitären China der 1970er- und 1980er-Jahre. Vorwiegend geht es dabei um zwischenmenschliche Beziehungen, zunehmend aber auch um das Eindringen der Politik in den Alltag. Freundschaften, familiäre Verbindungen und Liebe nehmen breiten Raum ein.


    Anders als es der Titel vermuten lässt, spielt die blutige Niederschlagung des friedlichen Aufstands im Jahr 1989 auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ in Peking nur eine sehr kleine Rolle. Dieses historische Ereignis taucht erst zum Schluss des Romans auf.


    Auf den rund 550 Seiten ist die Geschichte durchaus bewegend und regt zum Nachdenken an. Allerdings weist sie einige Längen auf.


    Das reduzierte, künstlerisch anmutende Covermotiv ist sowohl hübsch als auch inhaltlich passend. Der Titel, der sich am englischsprachigen Original („Tiananmen Square“) orientiert, weckt meiner Ansicht nach jedoch falsche Erwartungen.


    Mein Fazit:

    „Himmlischer Frieden“ von Lai Wen ist ein besonderer, lesenswerter Roman, der nicht nur unterhält, sondern auch interessante Einblicke bietet.


    Ich vergebe 4 von 5 Sternen.