Das Nest - Sophie Morton-Thomas

  • Pendragon Verlag, 2025

    304 Seiten

    OT:‎ Bird spotting in a small Town


    Kurzbeschreibung:

    An einem einsamen englischen Küstenort, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Freude findet sie nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann. Doch Frans stilles Leben wird plötzlich erschüttert, als die Lehrerin ihres Sohnes verschwindet und Roma in der Nachbarschaft ihr Lager aufschlagen. Zwischen Gerüchten und Anschuldigungen kommen Geheimnisse ans Licht, denen Fran verzweifelt zu entfliehen versucht. Als die Lehrerin tot aufgefunden wird, droht alles auseinanderzubrechen. Langsam, ruhig und bedrohlich entfaltet sich in diesem Krimi Noir ein Familiendrama vor beeindruckender Kulisse. »In diesem atmosphärischen Vorstadt-Noir stellt Sophie Morton-Thomas bestehende Vorurteile gekonnt in Frage.« Sunday Times


    Über die Autorin:

    Sophie Morton-Thomas wuchs in West-Sussex auf und war schon immer vom Schreiben begeistert. Bereits früh schrieb sie Kurzgeschichten, mit denen sie für mehrere Preise nominiert war. Mit »Travel by Night« hat sie bereits einen erfolgreichen Roman veröffentlicht.


    Mein Eindruck:

    Das Nest ist in meinen Augen ein Familiendrama an der Küste Norfolks, obwohl es durch eine verschwundene, vielleicht ermordete Lehrerin,im Ansatz auch einen Kriminalplot gibt.


    Erzählt wird aus Sicht von Fran, die einen Wohnwagenpark hat. Sie ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. Mit ihrer Schwester ist die Beziehung schwierig und ihre Nichte Sadie verhält sich merkwürdig.


    Hinzu kommt eine zweite Erzählperspektive durch den Roma Tad.


    Das Buch hat eine eigentümliche Atmosphäre, vielleicht bedingt durch das Kleinstadtleben und den Familienbeziehungen.


    Bird Spotting in a Small Town, so der Originaltitel, ist ein düsterer Roman mit beklemmender Prosa und mit langsamen Erzähltempo.



    ASIN/ISBN: 3865329098

  • Sophie Morton-Thomas: Das Nest, OT: Bird spotting in a small Town, aus dem Englischen von Lea Dunkel, Bielefeld 2025, Pendragon Verlag, ISBN 978-3-86532-909-7, Klappenbroschur, 301 Seiten, Format: 20.6 x 13.5 x 2 cm, Buch: EUR 22,00, Kindle: EUR 19,99.


    Fran hat einen Wohnwagenpark …


    Vor wenigen Jahren ist Fran Redlock (39) mit ihrem Mann Dom und ihrem Sohn Bruno (11) von Surrey nach Norfolk in ein abgelegenes Küstendorf gezogen. Dom macht beruflich „irgendwas mit Finanzen“, Fran hat einen Wohnwagenpark gekauft und ist, neben dem „Familienmanagement“, vollauf damit beschäftigt, die Anlage zu verwalten, in Schuss zu halten und die Urlaubsgäste zu betreuen.


    Ihr geliebtes Hobby, das Malen, ist dabei auf der Strecke geblieben. Was sie immer noch mit großer Hingabe macht: Vögel beobachten. Besonders die Zwergseeschwalben haben es ihr angetan. Als sie ein Nest dieser seltenen Bodenbrüter entdeckt, ist sie überglücklich. Als Leser hat man den Eindruck, dass sie sich für dieses Gelege genauso verantwortlich fühlt wie für ihre problembehaftete Familie.


    … und eine problematische Familie


    Frans griesgrämiger Ehemann Dom scheint Geheimnisse zu haben und redet kaum noch mit ihr. Dabei war das doch mal die große Liebe! Sohn Bruno plappert zwar ständig, aber was ihn wirklich bewegt, davon hat Fran keine Ahnung. Das weiß allenfalls Brunos gleichaltrige Cousine Sadie, die mit ihren Eltern in einem von Frans Mobilheimen wohnt. Mietfrei, denn weder Ros – Frans jüngere Schwester – noch ihr Lebensgefährte Ellis haben einen Job. Doch davon, dass die beiden an ihrer prekären Situation etwas ändern wollen, ist nichts zu spüren. Sie kreisen ergebnislos um ihre Probleme, vernachlässigen darüber ihre Tochter und verlassen sich in allem auf Fran, die einen zunehmend deprimierten Eindruck macht.


    So schleppt sich die Familie durch ihr trostloses Leben, bis zwei Veränderungen eintreten, die alles auf den Kopf stellen werden: Brunos und Sadies Schulklasse bekommt eine neue Lehrerin und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wohnwagenpark schlägt eine Roma-Familie ihr Lager auf.


    Die neue Lehrerin mischt die Gemeinde auf



    Sadie freundet sich mit Tad (65), dem verwitweten Chef der Roma-Sippe, an und mit dessen kognitiv eingeschränkter Tochter Jade. Cousin Bruno hält sich lieber an Tads Bruder Charlie (Mitte 40), denn der versteht, wie Brunos Mutter, etwas von Vogelkunde, und kochen kann er auch!


    Wer reißt hier V ö g e l n die Köpfe ab?


    Die Eltern kriegen nur am Rande mit, was ihre Kinder treiben. Fran wird erst hellhörig, als sie unterwegs immer wieder Vogelkadaver findet, denen man den Kopf vom Körper gerissen hat. Das ist das Werk eines Menschen! Wenn hier ein Verrückter unterwegs ist, sind womöglich auch die Kinder in Gefahr. Sollten jedoch Bruno und Sadie selbst für den gewaltsamen Tod der Vögel verantwortlich sein, was Fran nicht ausschließen kann, läuft hier gewaltig was schief!


    Ms McConnell wird vermisst


    Die Vogelmorde treten in den Hintergrund, als Ms McConnell eines Morgens nicht zum Unterricht erscheint und auch nicht erreichbar ist. Zur selben Zeit wie sie ist auch Ellis verschwunden, Sadies Vater. - Miteinander durchgebrannt? Eher nicht! Ellis war wegen der Suspendierung seiner Tochter nicht gut auf die Lehrerin zu sprechen. Hat er ihr etwas angetan? Auf jeden Fall sucht ihn jetzt die Polizei.


    Die Kinder scheinen mehr zu wissen als sie zugeben, die Roma ebenfalls. Doch die würden ihr Wissen schon aus Prinzip nicht mit der Polizei teilen.


    Unangenehme Wahrheiten


    Nach und nach erfahren wir, was wirklich geschehen ist …


    Ach ja … nichts ist auch nur annähernd so abgelaufen, wie Fran und die Leser:innen sich das zusammengereimt haben. Wir hatten aber nicht alle relevanten Informationen.


    Düstere Atmosphäre


    Die Atmosphäre in der Geschichte ist düster und unheimlich. So ein verwaister Wohnwagenpark im Winter hat ja auch ein bisschen was von einem „Lost Place“, vor allem, wenn sich ständig Unerklärliches und Bedrohliches ereignet. Da sieht man schnell Gespenster. Das und die wunderbare Sprache hat mich bei der Stange gehalten – und natürlich meine Neugier. Wer hat was getan und warum? Und wer schleppt hier welche finsteren Geheimnisse mit sich herum? Das wollte ich unbedingt wissen, auch wenn mir außer Tad keine der Personen sympathisch war.


    Mit den Erklärungen am Schluss hatte ich ein paar Akzeptanzprobleme: „Was? Und das soll niemand gewusst haben? Bitte, das ist ein Dorf!“


    Das kann man doch nicht so lassen!


    Vielleicht ist das der Grund für den für mich unbefriedigenden Schluss. Schon klar: Im wahren Leben geht’s auch nicht immer für alle Beteiligten gut aus, aber hier dachte ich: „Leute, das war es jetzt? Im Ernst? Das kann man doch nicht so lassen! Da muss doch einer was unternehmen!“ Das wiederum ist ein Zeichen dafür, dass man als Leser die Figuren ernst nimmt und mit ihnen mitfühlt. So gesehen hat die Autorin wohl das allermeiste richtig gemacht.


    Die Autorin


    Sophie Morton-Thomas wuchs in West-Sussex auf und war schon immer vom Schreiben begeistert. Bereits früh schrieb sie Kurzgeschichten, mit denen sie für mehrere Preise nominiert war. Mit »Travel by Night« hat sie bereits einen erfolgreichen Roman veröffentlicht.


    ASIN/ISBN: 3865329098

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

  • Zerstörte Nester


    Das Leben von Fran an einem kleinen Küstenort verläuft ziemlich monoton; jeder Tag gleicht dem anderen. Die täglichen Pflichten als Ehefrau und Mutter scheinen sie immer mehr zu belasten. Auch die Aufgaben rund um den Campingplatz, den Fran dort seit zwei Jahren betreibt, rauben ihr die Kraft und ihre wertvolle Zeit. Die Zeit, die sie lieber mit der Beobachtung der an der Küste lebenden Vögel verbringt. Denn Fran ist eine leidenschaftliche Vogelbeobachterin, die stundenlang dem Treiben der unzähligen Vögel zusehen kann. Fran hofft sehnlichst eine Zwergseeschwalbe entdecken zu können:

    „Eine Zwergseeschwalbe zu sehen, würde diese Woche – nein, würde dieses ganze Jahr aufwerten.“ (39)

    Bis dahin verläuft die Geschichte monoton; sehr ruhig erzählt die Autorin über Frans Alltag und ihre Liebe für Vögel. Obwohl hier und da Anmerkungen fallen, die ich zu dem Zeitpunkt nicht zuordnen konnte, empfand ich das Buch zuerst als nicht besonders interessant, fast langweilig.


    Vieles ändert sich, als im Dorf, direkt am Frans Campingplatz, die reisenden Roma ihre Wohnmobile aufstellen. Die Roma bringen eine gewisse Unruhe mit sich, für viel Aufregung sorgt auch neue Lehrerin, die von den meisten Eltern sehr kritisch beäugt wurde.


    Die Geschichte bekommt dramatische Züge, als plötzlich die unbeliebte Lehrerin verschwindet und später tot aufgefunden wurde. Gleichzeitig entdeckt man an verschiedenen Orten kleine Vögel mit abgetrennten Köpfen und auch die Kinder verhalten sich äußerst merkwürdig.


    Ab diesem Moment konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Obwohl weiterhin ruhig erzählt, bekommt die Geschichte dramatische Risse, die Atmosphäre wirkt viel geheimnisvoller und bedrohlicher, und die Handlung wirft immer mehr Fragen auf.


    Zum Schluss weckt die Geschichte viele Emotionen: überraschende Wendungen enthüllen zum Teil schockierende Geheimnisse. Der Mordfall wurde zwar aufgeklärt, die Auflösung wirkte jedoch ziemlich konstruiert. Auch Frans abschließende Entscheidung war für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe das Buch mit gemischten Gefühlen zugeklappt.


    FAZIT: ein ruhiger, atmosphärisch dichter Roman über dysfunktionale Familien, über gefährliche Gerüchte, Vorurteile und Geheimnisse, über Nester, die man selbst zerstört.

  • Eine düstere Geschichte mit einem gelungenen Abschluss ....

    In zwei unterschiedlichen Erzählsträngen lerne ich die beiden Hauptcharaktere des Romans „Das Nest“ von der Autorin Sophie Morton-Thomas kennen. Dabei handelt es sich zum einen um die Mobile Home Park Betreiberin Fran, die mit ihrem Mann Dom und ihrem elfjährigen Sohn Bruno – was für ein Name für einen kleinen Jungen – eine Familie bildet. Ganz in der Nähe wohnt ihre Schwester Rosalie, die ebenfalls mit Mann und Kind – der elfjährigen Sadie – wohnt. Das Verhältnis zwischen den beiden Schwestern ist angespannt. Weder Ros noch ihr alkoholabhängiger Mann verdienen Geld und leben so auf Frans Kosten mietfrei in einem der Mobile Homes. So ist es wenig verwunderlich, dass Fran immer wieder den Abstand sucht, indem sie sich der Vogelbeobachtung widmet.

    Im zweiten Strang treffe ich auf Tad, einem „Reisenden“, einem Roma, dessen Clan sich in einem angrenzenden Feld zu Frans Park mit ihren Wohnwägen niedergelassen haben. Zu Anfang ist noch unklar, wie die beiden Stränge bzw. die darin auftauchenden Charaktere zusammengehören, doch nach und nach entfaltet sich dazu eine Geschichte, die von familiären Abgründen nur so wimmelt …

    Suggeriert hatte mir der Klappentext, dass es sich bei dem Buch um einen Krimi, verbunden mit einem Familiendrama handelt. Den Krimi konnte ich aber – abgesehen von dem Verschwinden der Lehrerin – hier so für mich nicht entdecken. Für mich war es ein tatsächlich ein düsteres Familiendrama, in dem es nicht eine einzige Person gab, die auch nur eine Spur von Glücklichsein aufweisen konnte. Gut gefallen hat mir, dass sich tatsächlich ein „Nest“ wie ein roter Faden durch das Buch zog, was den Titel sehr passend machte, dass es sich dank der kurzen Kapitel sehr gut lesen ließ und dass mich das Ende überraschte und somit wieder etwas versöhnlich stimmte. Dennoch kann ich hier leider nur drei von fünf Sternen vergeben, ich wurde einfach nicht so richtig warm mit der Geschichte.