"Der Weg der Frauen" mit dem Untertitel der Reihe "Das Pensionat an der Mosel" von Marie Pierre (Maria W. Peter) erschien im Heyne Verlag, 2025, tb brosch., 559 Seiten und stellt den abschließenden Band der sehr lesenswerten und sehr unterhaltsamen Trilogie um ein Mädchenpensionat in Thionville/Diedenhofen, Mosel in Lothringen dar. Ich habe mich sehr gefreut - kannte ich doch bereits die beiden wundervollen Vorgängerromane der historischen Reihe, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt und ganz in meiner Kindheits- und Wohnortnähe verortet ist - die ProtagonistInnen, die einem bereits ans Herz gewachsen sind, endlich wiederzusehen.
Wie die Autorin stamme auch ich aus der Grenzregion Saarland/Lothringen/Luxemburg/Elsass, deren Historie oftmals durch Kriege und Weltkriege eine Besondere war. (Das Elsass, Lothringen wie auch das Saarland gehörten zum einen Frankreich, zum anderen Deutschland an in der Vergangenheit). Personifiziert werden sie durch Pauline, der Leiterin und Lehrerin des Pensionats an der Mosel als Lothringerin aus Metz; durch den preußischen Offizier Erich von Pliesnitz, der im Grunde wenig von Frauen hält (was mit dessen eigener Geschichte sehr viel zu tun hat) und der dennoch großen Respekt und auch tiefere Gefühle für Pauline hegt, die ihm mit ihrer Geradlinigkeit, ihrer Intelligenz und auch ihrem Mut, den eigenen Weg zu gehen und sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen und Probleme möglichst eigenständig zu lösen, sehr imponiert, er sehr von ihr angetan ist. Desweiteren treffen wir den Gärtner und früheren (schuldlos in Haft geratenen) Sträfling Vincent wieder, der an Haus und Garten der Schule nach dem Rechten guckt und ein Auge auf Camille, das Stubenmädchen geworfen hat, das ihrerseits eine eigene Geschichte mitbringt. Die Schülerinnen; besonders Ernestine, die später einmal Journalistin werden will, Brunhilde, die für ihr Leben gerne liest, zwei Schwestern, die später ein Restaurant eröffnen wollen und andere mehr treffen wir in diesem Schuljahr, in dem einige ihren Abschluss machen werden, wieder.
Sorgen bereiten diesmal das Schicksal um Sophie, die in Metz in Haft genommen wird, da sie Frauenparolen an Wände schmierte und Schlimmeres tat, woraufhin ihre Eltern sie mit sich nach Luxemburg nehmen und nach einiger Zeit durch viel Zureden von Pauline das Mädchen zurückkehren darf; allerdings stark verändert, introvertiert, auffallend ruhig und apathisch. Was ist nur mit ihr los?
Zum Eklat kommt es schließlich, als klar wird, dass es eine Denunziantin innerhalb des Pensionats gibt, die Informationen an die Eltern der SchülerInnen weitergibt, die niemand von außerhalb wissen kann: Des Rätsels Lösung muss man schon selbst erkunden, aber ich kann nur sagen, dass es eine Freude und ein großer Lesegenuss für mich war, den Geheimnissen und Rätseln auf die Spur zu kommen, die dieser Romanreihe viel Spannung geben. Großartig und authentisch werden die Personen und deren Gefühls- und Handlungswelt greifbar und man fühlt sich eine Weile in Lothringen anno 1912 angekommen, wobei die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten natürlich ebenfalls ihren Platz im Roman finden. Man freut sich und leidet besonders mit Pauline und Erich, die einem wie die zwei Königskinder erscheinen, die sich lieben, "aber konnten zusammen nicht sein". Auch hier darf man gespannt sein, wie die Romanreihe endet.
Wie bei den zwei Vorgängern, legt Marie Pierre, deren Stil und sprachliche Ausdruckstiefe ich sehr schätze, Wert auf Kernthemen, der in diesem Band als "die Rechte der Frauen" (oder sollte ich besser schreiben "die gesellschaftlichen Einengungen von Frauen") bezeichnet werden, wobei der Kampf der Frauen um Mitspracherechte, Wahlrecht, das Recht, einen Beruf auszuüben und nicht in jedem Falle den gesellschaftlich vorgezeichneten Weg beschreiten zu müssen, im Mittelpunkt steht: Ihren SchülerInnen die Erkenntnis mitzugeben, dass es sehr wichtig ist, seinen eigenen Weg zu finden und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, (sie lebt es vor) ist Pauline überaus wichtig und soll auch gerne bis zur Leserschaft vordringen: Ohne diese Frauen, die vor 100 Jahren unter schwierigen Bedingungen sogar Haft und oftmals Ausgrenzung und Schlimmeres auf sich nahmen, indem sie sich gegen die Unfreiheit und Unterdrückung auflehnten, sähe es um die Frauenrechte noch heute vermutlich schlechter aus - und selbst in der aktuellen Zeit gibt es noch einiges "nachzubessern".
Etwas wehmütig klappt man den Roman am Ende zu, denn Historie auf solch' unterhaltsame und sehr gut recherchierte Weise - auch noch im benachbarten Lothringen meist spielend und mit wirklich liebenswerten Figuren - bekommt man nicht alle Tage zu lesen. Das Warten hat sich gelohnt; ich kann jedem, der gerne historische und bestens recherchierte (mit weiteren Tipps am Buchende zu der Grenzregion) sowie unterhaltsame, berührende Romane liest, diese Reihe bis zum finalen Band mehr als empfehlen. Mein Dank geht an Marie Pierre und ich hoffe sehr auf einen neuen Roman, oder noch besser - auf eine Romanreihe! Von mir daher die höchste Bewertung mit 5 Sternen und Platz im Regal der 'Lieblingsbücher'.
5*****/10 P.
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ASIN/ISBN: 3453427246 |