Patricia Koelle-Wolken - Der Garten der kleinen Wunder

  • Von einem zauberschönen Garten und 'leisen' Menschen


    Wir alle kennen sie: Die eher 'laute' Fraktion der Menschheit, die extrovertiert ist, überall (gut) ankommt und hoppla, hier bin ich sagt - voller Selbstbewusstsein und Charme sowie einem Lächeln, die jede Situation (scheinbar) mit links meistert. Und da gibt es auch die leisen, stillen Charaktere. Die, die niemand bemerkt, die leicht übersehen werden, die sehr introvertiert bis hochsensibel sind, sich nicht zutrauen, eine Rede vor einem Pulk von Menschen zu halten und Menschenmengen generell meiden. Die mit Reizüberflutungen zu kämpfen haben.

    In Patricia Koelle-Wolken's Roman "Der Garten der kleinen Wunder" geht es im Kernthema um die Introvertiertheit mancher Menschen und die Hochsensibilität. Aber auch darum, dass jeder Mensch einen Mentor brauchen kann, der ihn zum richtigen Zeitpunkt unterstützt, ihn erkennt und an ihn glaubt. Die positiven Veränderungen sind dann oft (nur) die Konsequenz daraus....

    Vica (14) lebt neben Toya und Bär und fühlt sich magnetisch angezogen von dem bunten Mandarinfisch, der in Toyas Garten steht. Es entwickelt sich eine leise Freundschaft zwischen den beiden, trotz des großen Altersunterschieds. Denn Toya fühlt sich an ihr eigenes Ich erinnert und möchte Vica einen Rahmen für ihr Leben geben, um sich zu entfalten (so wie Wille es bei ihr instinktiv vor vielen Jahren getan hat). Sie lädt Vica kurzerhand immer wieder ein und auch Bär (mit seiner eigenen Geschichte) mag Vica sehr; erinnert sie ihn doch um seine kleine Schwester, die er vor langer Zeit verloren hat.

    So verfolgen wir die Freundschaft an dem Ort, der einen eigenen Zauber besitzt: Toyas Garten und lauschen der Geschichten, die sich um die ProtagonistInnen spinnen. Wir lernen Mamoun, den marokkanischen Gewürzhändler kennen, Herr Kowiecki, der Antiquar, bei dem Toya aushelfen durfte und der ihr Talent zum Zeichnen entdeckte, entdecken die Schönheit von Quallen und Korallen (von denen Toya Fotos von Marc, ihrem Freund, erhält, um sie in ihre Buchgestaltung einzubinden) und gehen mit in ein Aquarium, in dem alles begann. Weitere HauptprotagonistInnen sind schöne Pflanzen wie der Bart-Iris (die bei etwas Abstand zueinander besser gedeihen, ebenso wie bei manchen Menschen) und der Garten, dem bald eine Neuauflage in Vicas Elternhaus folgen sollte. Micki, eine Bekannte von Bär, hilft hier ehrenamtlich und mit großer Passion mit und soll auch noch eine Rolle im Roman bekommen.

    Florian, Vicas Vater, ist Augenchirurg und zuerst nicht sehr angetan von der Freundschaft seiner Tochter und Toya; dies ändert sich jedoch, als Toya sich ihm vorstellt und er mit der bunten Welt im Nachbarsgarten 'kollidiert'. Es ist schön zu lesen, wie sich eher starre Charaktere, die festgefahren (und zuweilen spießig) sind, auch verändern können, wenn sie in anderem Umfeld sind und längst Verschüttetes in sich ausgraben. Vica macht Gartenarbeit viel Freude, sie ist glücklich, als sie ihr eigenes Beet, einen Steingarten, 'komponieren' darf. Im Gegensatz zur Schule, die ihr eher Magendrücken bereitet, erblüht sie regelrecht in Toyas Gartenpracht. Letztere ist auch sehr poetisch beschrieben und jedem müsste hier das Gärtnerherz leuchten: Der Garten als ein Glücks- und Kraftort; die beeindruckende Farbenvielfalt des prächtigen Gartens und die Empfindungen Vica's kann ich bestens nachempfinden, da ich das Glück hatte, einen sehr passionierten Gärtner zum Vater zu haben; auch gehören Iris zu meinen Lieblingspflanzen.

    In diesem poetischen und flüssig zu lesenden Roman kann man die wundersamen Veränderungen von Menschen nachlesen, die von ihrer Natur her eher zurückgezogen sind; deren Verhalten oft missgedeutet wird und die es aufgrund ihrer Introvertiertheit (oder sogar einer Hochsensibilität) zuweilen schwer haben. Sie brauchen Ruhe und Verständnis, um sich entfalten zu können; so die Autorin. Dem kann ich mich nur anschließen, da ich selbiges auch früh bei meinem Bruder bemerkte, der mit Sicherheit hochsensibel war und oft (durch sein Verhalten) dadurch missverstanden wurde.

    Fazit:

    Ein Roman über einen 'zauberschönen' Garten und leise Menschen, die die nötige Empathie, auch Ruhe und Unterstützung sowie einen Ort brauchen, an dem sie sich voll entfalten können. In poetischer Sprache gelingt es P. Koelle-Wolken auch, die Leserschaft in Bezug auf 'eher leise Menschen' zu sensibilisieren. Ich empfehle ihn gerne weiter und vergebe 4* und 88° auf der Belletristik-Couch.


    4****

    ASIN/ISBN: 349901713X