• Cleverness, das ist, wenn zwei Sportwagen in der Pampa stehen und ihre Scheinwerfer vergebens das Nichts zu erleuchten versuchen.


    Dem Allradantrieb des Audi TT Roadster quattro gelingt es dank 190 PS dessen 1465 kg Leergewicht plus Insassen in 7,7 Sekunden auf 100 Stundenkilometer und weiter bis zu 226 zu beschleunigen. Das BOSE Soundsystem (im Advance Paket plus enthalten) mit dynamischer Fahrgeräuschkompensation, 8 Hochleistungslautsprecher, inklusive ein Centerfill und ein Basslautsprecher, 5-Kanal-Verstärker mit einer Gesamtleistung von 180 Watt, fünf Equalizer, exakt auf die Akustik des Innenraums abgestimmt, spielt eine CD von MC Solaar, dessen Sneakers niemals die Bodenhaftung verlieren.
    Es wird nicht Regnen diese Nacht. Immanuel blickt hinaus auf ein Feld irgendwo vor der Stadt, an dessen Rand er seit fast einer Stunde parkt. Er hat auf Regen gehofft, auch wenn Regen auf einem Faltdach bei weitem nicht so sexy klingt, wie Regen auf dem Dach eines richtigen Autos. Er reißt eine weitere Packung Zigaretten auf, hat eine halbe Flasche Wodka geleert, als ihm einfällt, dass Nachdenken manchmal keinen Sinn macht. Dass, wenn er nachgedacht hätte, nicht mitten in der Nacht mitten in der Pampa stehen würde, unter keinem Umstand noch fähig, zurückzufahren.


    Dem Heckmotor des Porsche Carrera 4 gelingt es dank 325 PS dessen 1450 kg Leergewicht plus Insassen in 5,1 Sekunden auf 100 Stundenkilometer und weiter bis zu 280 zu beschleunigen. Maria braucht weniger als eine Dreiviertelstunde von dem Anruf (inklusiver umständlicher Wegbeschreibung dank mangelnder GPS-Koordinaten) über das Entwenden des Wagens ihrer Eltern bis mitten in der Pampa steht.
    „Ich kann das Auto meiner Mutter nicht einfach hier mitten in der Pampa stehen lassen“, seufzt Maria. „Hier gibt es bestimmt Dorfjugend in der Nähe, die sich bis spätestens morgen früh damit umbringt.“ Ihr Atem kondensiert, sie nimmt einen kräftigen Schluck aus der Wodkaflasche. „Blödes Arschloch! Warum musst du auch immer so schrecklich depressiv sein?“


    Ein Tier bewegt sich im Licht der Scheinwerfer, verschwindet wieder; der Natur wird es über kurz oder lang schon gelingen, es umzubringen.
    „T. wird genauso wenig begeistert sein, wenn er erfahren sollte, dass degeneriertes Landleben seinen TT um den Träger einer Werbetafel für Quellwasser gewickelt hat“, seufzt der Immanuel.
    „Gib mir eine Zigarette“, stöhnt Maria entnervt. „Nein, bau mir einen Joint und tue mir einen Gefallen: stirb endlich, bevor ich dich irgend wann einmal umbringe! Und gib mir das Zeug, du baust Joints grundsätzlich schief. Lass das die M. machen, ok?“


    Erneut taucht ein Kaninchen im Licht der Scheinwerfer auf. Kaninchen besitzen eine schier unbegrenzte Potenz, was ihnen theoretisch ermöglicht, Myriaden an Nachkommen zu zeugen. Glücklicherweise sorgen Nahrungsmangel und die wenigen noch lebenden Raubtiere dafür, dass nicht alle Nachkommen den darauf folgenden Winter erleben, der zu dem dafür sorgt, dass einige von ihnen erfrieren und sich im nächsten Jahr nicht auch noch weiter fortpflanzen.
    „Du weißt, dass ich auch nicht mehr Auto fahren sollte“, seufzt Maria und reicht Immanuel die Tüte. „Wir sitzen hier fest! Und weißt du, warum?“
    „Weil ich ein depressives Arschloch bin?“
    „Nein. Ja! Weil ich mich nicht beherrschen kann. Weil ich so dämlich bin, hier raus zufahren, wenn du mich anrufst.“
    „Ach, komm schon! Wie oft hast du mich bereits angerufen, weil du irgendwo besoffen versackt bist? Und ist es meine Schuld, dass du unbedingt mit dem Auto hier raus fahren musstest?“
    „Hätte ich ein Taxi nehmen sollen?“
    „Ja. Das wäre ein Zeichen von Cleverness gewesen.“
    „Arschloch!“ leert Maria den letzten Schluck Wodka und wirft die Flasche parallel zu den Scheinwerferlichtern in die Nacht hinein. „Und nun? Ein Taxi rufen? Das kommt nie hier raus! Das denkt nur, wir wollen es verarschen.“
    „Deshalb habe ich dich angerufen.“
    „Um mich zu verarschen?“


    Ihr Kuss schmeckt nach Wodka, wie Küsse schmecken sollen. Die Lichter der Stadt sind von der Pampa hier aus nicht zu sehen, aber sicherlich hören sie nicht gleich auf Grund eines Kusses auf zu leuchten. Die meisten Menschen schlafen eh schon, einige werden am nächsten Morgen vielleicht nicht wieder aufwachen und einige ihrer Hinterbliebenen an ihren Grab weinen, andere erst nach der Testamentseröffnung. Vielleicht verreckt auch gerade irgendwo ein arme Junkie an einer Überdosis oder ein reicher Junkie krepiert an einer Lüge, die sein Arzt in den Totenschein schreibt um den Schein zu wahren.
    „Irgendwo Kondome?“ fragt Maria. „Nein? Auch gut, dann eben ungeschützter Verkehr, ich nehm die Pille. Erst kürzlich wurde festgestellt, dass Sperma über die Schleimhaut der Vagina Depressionen dämpfen kann; das stand in der ZEIT und wenn man dich so sieht, kann Frau wirklich depressiv werden. Ich hoffe, dein letzter HIV-Test ist nicht allzu alt.“


    Es dauert nicht mehr lang, dann versucht die Sonne dem neuen Tag ihr Licht anzudrehen. Die Jeunesse dorée ist bereits erloschen, die Scheinwerfer ebenso.

  • Christoph,
    endlich mal eine einigermaßen realistische Frau. :grin
    Aber ich glaube, sie hätte 'Kondome' dabeigehabt. Sicher aber hätte sie sie nicht so genannt.


    Der zweite Abschnitt ist mir zu technisch, die Verbindung zum Rest der Handlung klappt bei mir nicht. Kommt mir zu lang vor.
    Mag daran liegen, daß ich mich weder für technische Daten noch für Markennamen interessiere. Es gibt aber sicher ein Zielpublikum dafür.


    Das Wort Pampa wird zu oft gebraucht, 'Sinn machen' mag ich gar nicht, geht wohl als Jargon der beiden durch, wie 'Pampa' auch. Gesprochene Sprache ins Schriftliche übertragen ist immer ein Problem, es wird schnell eintönig.
    'regnen' 3. Abschnitt 4. Wort klein? Letzter Satz in dem Abschnitt: fehlt Personalpronomen.



    Sonst: die üblichen Verdächtigen. Sex and drugs and...


    Aber auch eine Spur verrückt, vielleicht hat mich das angesprochen.


    :wave

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich wollte es ja nie wieder tun. Schreibe dir dennoch ein kleines Feedback auf die Geschichte, weil ich sie wesentlich besser finde als den Kram den du vorher hier reingestellt hast. Es klingt nicht mehr so fürchterlich aufgesetzt. Den ersten Satz habe ich allerdings nicht verstanden und die Kaninchenstory fand ich überflüssig. Insgesamt hat mir der Text gefallen. Einige Phasen richtig gut.
    So ab jetzt werde ich dich nie wieder kritisieren, wie immer versprochen.


    alles Gute


    Luc

  • Zitat

    Original von magali
    Aber ich glaube, sie hätte 'Kondome' dabeigehabt. Sicher aber hätte sie sie nicht so genannt.


    Einerseits ja. Andererseits nicht, wenn sie wußte, sie würden miteinander schlafen und geschützen Verkehr lediglich als notwendiges Übel bei Unbekannten sieht. Die AIDS-Hilfe versucht uns ja weiß zu machen, es wäre das größte zwischenmenschliche Vergnügen in Latex zu kommen, aber so richtig das gleiche ist es ja nicht, eher so etwas wie der Unterschied zwischen Zucker und Aspartam.


    Danke übrigens für die Rechtschreibkorrektur. :-)


    LG,
    Christoph

  • Schreib doch mal was du so schreibst. Romane, Kurzgeschichten? Seit wann lässt dich die Schreiberei nicht mehr los? Betrachtest du es, als reines Hobby? Welche Schritte unternimmst du, um besser zu werden, falls du mehr anstrebst? Kannst auch gerne per PN antworten.


    Luc

  • Zitat

    Original von Luc
    Schreib doch mal was du so schreibst. Romane, Kurzgeschichten? Seit wann lässt dich die Schreiberei nicht mehr los? Betrachtest du es, als reines Hobby? Welche Schritte unternimmst du, um besser zu werden, falls du mehr anstrebst? Kannst auch gerne per PN antworten.


    Hauptsächlich Kurzgeschichten, dazu Tagebuch, ich bin an zwei Romanen und, eher selten, Lyrik, das alles seit ca. 12 Jahren. (Rest via PN. :-))


    LG,
    C.

  • Christoph ,
    aber warum fragt sie dann noch danach? Eine letzte, eher unbewußte Verneigung vor der Konvention? Ein Automatismus?


    Die AIDS-Hilfe verkauft einem etwas als Vernügen, eben weil sie weiß, daß das Vergnügen seit HIV endgültig vorbei ist.


    Doe Sache mit den Kaninchen hat mich geplagt, seit ich den Text gelesen habe.
    Ich finde imemr noch, daß sie von der Gewichtung her zu schwerfällig kommt.
    Aber da ist noch ein zweites Referenzsystem enthalten, ja?
    Die Namen Maria-Immanuel plus Kaninchen (= Hase-Venus), Fruchtbarkeitssymbolik?
    Und dann wieder Deine Verbindung zur Frage nach Sinn von Leben resp. ewiger Untergang und Entstehung

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    aber warum fragt sie dann noch danach? Eine letzte, eher unbewußte Verneigung vor der Konvention? Ein Automatismus?


    Diese Frage ist berechtigt, allerdings ist Maria, neben einem jungen, authentischen Mädchen, gleichzeitig eine Figur dieser Geschichte, was gewissen Verpflichtungen der Literatur gegenüber nach sich zieht. Sicherlich könnte sie ohne weiteres die Kondome nicht nur außen vor, sondern auch verbal vollständig weg lassen, dann würde aber der Leser der Geschichte nie von diesem Aspekt erfahren. Sozusagen ist Marias im Kern, aus logischer Perspektive sinnlose Erwähnung ein Tribut an die Literatur.


    Zitat

    Die AIDS-Hilfe verkauft einem etwas als Vernügen, eben weil sie weiß, daß das Vergnügen seit HIV endgültig vorbei ist.


    Ungeschützter Verkehr ist gefährlich, da stimme ich zu. Wenn du Pech hast, verspielst du dein Leben, und wenn du Pech hast, zeugst du ein Leben.


    Zitat

    Aber da ist noch ein zweites Referenzsystem enthalten, ja?
    Die Namen Maria-Immanuel plus Kaninchen (= Hase-Venus), Fruchtbarkeitssymbolik?
    Und dann wieder Deine Verbindung zur Frage nach Sinn von Leben resp. ewiger Untergang und Entstehung


    *lächel*


    LG,
    Christoph

  • Du ballerst aber viel in kurze Texte. Volle Ladung.
    Ich weiß nicht, ob das das Ganze nicht überfordert.


    Ich entscheide mich immer für Sparsamkeit. Natürlich ist in dem Fall Vorsicht zu wahren, damit keine Sparversion rauskommt.



    und *lächel*, mhm.
    Ich hatte ein *grins* erwartet.


    :grin

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Du ballerst aber viel in kurze Texte. Volle Ladung.
    Ich weiß nicht, ob das das Ganze nicht überfordert.


    Du musst doch nicht aufessen. Die Ebenen, die der Leser nicht aufnimmt, wird er auch nicht vermissen. Oder sie hinterlassen, ein unbestimmbares Gefühl - noch schöner. Text sollte kein reiner Informationsträger sein, sondern gleichzeitig wie ein Katalysator wirken, der eigene Prozesse im Leser auslöst, bzw. der Text als Medium wird vom Leser gefiltert und daraus entsteht der eigentliche Text. Für den einen ist der Autor dann depressiv, für den anderen manisch, für den einen arrogant, für den nächsten philosophisch, für wieder jemanden alles auf einmal oder gar nichts oder einfach nur doof...


    LG,
    Christoph

  • Es kann aber auch ein Gefühl des Unbefriedigtseins entstehen, ein unbestimmtes Abwehrgefühl, weil man nicht genug verstanden hat.
    Von daher bin ich für eine gewisse Entschiedenheit in der LeserInennführung.


    Alles kann ein/e LeserIn nie erfassen. Autorin/Autor erfassen ja auch nicht alles beim Schreiben. Man webt zuweilen Fäden, ohne daß man es merkt.


    Rückschlüsse vom Text auf den Seelenzustand von Autorin/Autor halte ich für falsch.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Es kann aber auch ein Gefühl des Unbefriedigtseins entstehen, ein unbestimmtes Abwehrgefühl, weil man nicht genug verstanden hat.


    Zitat

    Von daher bin ich für eine gewisse Entschiedenheit in der LeserInennführung.


    Das setzt eine Überlegenheit dem Leser gegenüber voraus. Ich sehe Schreiben eher auch als gleichzeitigen Prozess des Forschens.


    Zitat

    Rückschlüsse vom Text auf den Seelenzustand von Autorin/Autor halte ich für falsch.


    Ich für notwendig. Eine Trennung Autor / Text ist ab einem gewissen Punkt (Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte, Montageanleitungen etc.) unmöglich.


    LG,
    C.