'Ulysses' - 11 Sirenen - Konzertsaal

  • Hm. Ich überspringe mal den Anfang dieses Kapitels, weil ich mit diesen Zwei(!)wort-Sätzen in dieser Masse einfach nichts anfangen kann. Auch der Rest des Kapitels ließ mehr Fragen offen, als es beantwortete. Ein Auszug:


    - S. 350-352: Alle lästern über Bloom, aber was ist denn an diesem Abend in den Ancient Concert Rooms genau passiert??? Und ist das der gleiche Abend, von dem auch auf S. 362/363 die Rede ist? Und bekommt Bloom davon gar nichts mit? Und bekommen die anderen nicht mit, dass Bloom im Nebenzimmer sitzt? Oder ist es ihnen schlicht egal?


    - S 356: Alle sind gespannt auf vier Uhr. Was war denn um vier?


    - S. 371 f: Wer ist Lionel?


    - S. 371/372: Sinniert Bloom hier über Martha oder Marion? Er scheint es zu vermischen, oder?


    Die übrigen 20 Seiten waren nicht einfacher oder verständlicher.... Die das ganze Kapitel durchziehenden verstümmelten Wörter, bei denen die letzte(n) Silbe(n) fehl(t)en, empfand ich irgendwann nur noch als kindisch und so war ich wirklich froh, als es aus Konzertsaal hinaus ging...

  • milla


    das ist eines der berüchtigsten Kapitel.


    Was Joyce tut:


    es geht um Musik, es ist ja das 'Sirenen'- kapitel.


    Diese abartigen Sätze am Anfang haben bestimmte Aussagen als Wörter und Sätze an sich, sollen zugleich aber auch Töne nachahmen, wie ein Orchester sie von sich gibt, wenn die Instrumente gestimmt werden bzw. langsam einsetzen.
    Die eifrige Joyce-Forschung und die noch eifrigeren Fans können jede Zeile oder fast jede mit einem Instrument belegen.


    Das durchzieht das ganze Kapitel, die Sätze werden also vom Autor darauf abgestimmt, daß sie die Geschichte erzählen und zugleich musikalische Qualität haben.
    Das messingfarbene Haar oder die Haarsträhne einer der Kellnerinnen ist zugleich Verweis auf (möglicherweise) ein Blasinstrument, das dann halblautmalerisch in einer anderen Zeile hervortute. Klar?


    Es ist Irrsinn. Selbst jemand wie Ezra Pound, dem wirklich keiner was über Wörter erzählen muß und der Ulysses liebte, hat sich an die Strin getippt.


    Das Kapitel ist also auch Sprachexperiment.


    Dazu kommt, daß viele Sätze und Satzfetzen Zitate sind, Zeilen aus Liedern und Opernarien. Die damals bekannt, viel gehört und gesungen waren.


    Zur Handlung selber:


    es sind zwei verschiedene Räume, man sieht sich nicht, also nicht jeder sieht jeden, man hört sich nur.
    Es geht um Geräusche.


    Bloom ist wieder der Ausgeschlossene, diesmal aber nicht als Jude, sondern als einer, der nicht viel von Musik versteht und von dem man das auch weiß.
    Er hält auch nicht viel von Musik, das ist peinlich im sangesfreudigen Irland und als Ehemann einer Sängerin, die noch dazu ein Verhältnis mit dem Gesangslehrer bzw. bekannten Sänger hat.
    Hier kreuzen sich eine Menge persönlicher Versagen von Bloom.
    Er sündigt aber selbst auch, weil er heimlich einen Brief an Martha schreibt.


    'Martha' ist zugleich der Titel einer Oper, die damals sehr bekannt war.
    Lionel ist die männliche Hauptfigur der Oper.


    Martha, die Protagonistion der Oper, Martha, Blooms Geliebte und Molly kreuzen sich in seinen Gedanken. Vermischt sich tatsächlich.


    Um vier Uhr sind Boylan und Molly verabredet, das ist also der Zeitpunkt des Ehebruchs. Jeder weiß es oder ahnt es zumindest.





    ,

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Beein druckendes Kap mitvie len schö Sä,
    aber oft kaum verständlich.


    Eine gewisse Musikalität entnehme ich diesen Kapitel schon.


    F.z.s.u.w.z.s. [SIZE=7](Fast zu schön, um wahr zu sein)[/SIZE]


    Ich frage mich, ob die musikalische Sprache dieses Kapitel im Original vielleicht noch stärker wirkt.



    Zitat

    Original von milla
    Bloom überlegt wie es wäre, einen Sohn zu haben. Wobei mir immer noch nicht ganz klar ist, wieso Väter (zumindest in der Literatur) da scheinbar immer einen Unterschied machen. Ist es nicht das gleiche Gefühl, einen Sohn oder eine Tochter zu haben?


    In diesem Kapitel denkt Bloom wieder an seinen verstorbenen Sohn Rudy:
    Zitat: Ich ebenfalls, der letzte meines Stammes. Milly, junger Student.
    Nun, meine Schuld vielleicht. Kein Sohn. Rudy. Zu spät jetzt. Oder wenn nicht? Wenn nicht? Wenn immer noch.


    Also, da Rudy gestorben ist und Milly als Mädchen nicht zählt, ist es Bloom doch sehr wichtig, einen Sohn zu haben, der seinen Namen fortführt.

  • Zitat

    Original von magali
    das ist eines der berüchtigsten Kapitel.


    Aha, gut das ich das nicht vorher wusste. Heißt das, dass es nicht mehr schlimmer geht? Dann bin ich beruhigt. :grin
    Ich musste das Kapitel jedenfalls in schönen kleinen Häppchen lesen, um überhaupt noch irgendetwas mitzukriegen...das Geschafft! am Ende des Abschnitts sprach mir aus der Seele.
    Danke, magali, für deine ausführlichen Erläuterungen. Man bekommt eine Ahnung davon, was es heisst sich intensiv mit Joyce zu beschäftigen (wovon ich weit entfernt bin). Und welchen Gewinn man daraus ziehen könnte....

  • Jeanne,


    das ist Joyce.
    Der schreckt vor nichts zurück. Pathologischer Fall :grin


    Es wird noch viiiiiiiiiiiiiiiiiiel besser. Du hast ja keine Ahnung, was man mit Sprache so machen kann.
    Ich schwör Dir, Dein Leben mit Büchern wird nie mehr sein wie es war!
    :lache

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Herr Palomar


    Hier mal ein paar englische Sätze vom Kapitelanfang und Deutungsversuche der wackeren JoycianerInnen



    Bronze by gold heard the hoofirons, steelyringing Pferdehufen: Zimbeln?
    Imperthnthn thnthnthn. Trompete?
    Chips, picking chips off rocky thumbnail, chips. Triangel,Zimbel?
    Horrid! And gold flushed more. Streicher? Bläser?
    A husky fifenote blew. Pfeife, Piccoloflöte
    Blew. Blue bloom is on the Oboe
    Gold pinnacled hair.


    A jumping rose on satiny breast of satin, rose of Castile.
    Trilling, trilling: Idolores.
    Die beiden letzten Sätze dann Einblenden Gedanken an Molly, Spanien, Oper, Arie beginnt plus Schmerz über Liebesverlust/Ehebruch: Dolor


    etc.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

    Dieser Beitrag wurde bereits 3 Mal editiert, zuletzt von magali ()

  • Das war ja eine richtige Tortur, bei der Bibliothek konnte ich mir ja noch einreden, dass mein Unverständnis aus der Unkenntnis der Shakespearestücke resultierte, aber hier :cry
    Das waren jetzt fast 50 Seiten, von denen ich zusammengenommen vielleicht 5 einigermaßen verstanden habe :-(


    Ich habe jetzt mal in die noch kommenden Teile reingelesen und ich glaube
    14 Die Rinder des Sonnengottes - Hospital
    wird noch mal richtig heftig und ich hoffe, dass der Rest gehen wird.


    18 Penelope - Bett, kenne ich ja schon, man gut, dass das Ende, wenn auch schwierig, so zumindest lesbar ist


    Aber ich denke auch, dass Joyce mein Lesen verändert hat und noch weiter beeinflussen wird.

  • Huhu buttercup,
    du hast doch hoffentlich nicht aufgegeben???
    Besorgte Grüße :-(


    Edit: Okay, habe gerade deinen Beitrag im anderen Thread gefunden. Dann bin ich aber beruhigt. ;-)

  • Ich habe dieses Kapitel mit so einer Freude begonnen und dann dass: unverständlich, unverstanden von mir. Schade. Eine Qual. Manchmal. Aber geschafft. :grin


    Das ich mich in einem Konzert befinde habe ich nicht begriffen. Dass die Stückchen musikalischen Sinn haben auch nicht. Ich vermutete mich mit Bloom in einem Pub, mit den beiden Damen als Bardamen und einer Menge schweinischer Andeutungen am Ende. Also, ein Hoch auf die Spezialisten unter Euch.


    Aber in all dem Wust gab es trotzdem ein paar merkenswerte Sätze und Beobachtungen. Vor allem die versteckten Hinweise auf den blinden Menschen haben es mir angetan und ich verfolge seine Spur durch die Kapitel. Gibt es in der älteren Odysse ein Pendant zu ihm?
    Dann der Satzbau. Teilweise schon ziemlich wirr, aber sicher heftig durchdacht. Ich erinnere nur an den Satz, in dem Bloom Richie Goulding zuhört, der ihm etwas erzählt ... (S. 374)
    Ich finde außerdem, in diesem Kapitel wird Joyce so richtig deftig, fast schon direkt und anzüglich. Das enge Hosen zu Eunuchentum und damit zum Bariton führen fand ich belustigend. (S. 365) Das die Frau mit dem Yaschmak zu ihrer Höhle nur geschäftlich Zugang erlaubt (S. 380) habe ich dann schon in Richtung Prostitution gedeutet. Und dann die Szene mit Lydia und dem Zapfhahn (S. 387), da ist die Fanatsie dann mit mir durchgegangen. Tststst.


    Schöne Wendung: Blooms leopoldenes Ohr. (S. 368 )


    Und eine abschließende Frage: was ist das, hinter der Musik? Das Gefühl? (Bezug auf S. 371)