Thomas Hürlimann - Vierzig Rosen

  • Titel: Vierzig Rosen
    Autor: Thomas Hürlimann
    Seitenzahl: 364
    Verlag: Ammann-Verlag
    Erschienen: August 2006
    ISBN: 3250601004
    Preis: 19.90 EUR


    Inhalt:
    Wir kehren mit Thomas Hürlimann zurück zur außergewöhnlichen Familie Katz - bereits bekannt aus der Novelle Fräulein Stark -, begleiten sie vom Zweiten Weltkrieg bis in die Zeit ihres Aufstiegs. Marie Katz, die talentierte Pianistin, liiert sich mit dem aus einfachen Verhältnissen stammenden Max Meier, der sich an die Spitze der Regierung hocharbeiten will. Eine Erfolgsgeschichte, an dem die klug im Hintergrund operierende Frau ihren wesentlichen Anteil hat. Sie verfügt über den notwendigen Stil, er hat den Willen und die Kraft. Vierzig Rosen sind das Symbol ihrer Liebe, einer Liebe, die manch große Belastung auszuhalten hat und für beide zu einer prägenden Lebensreise vom Morgen in den Abend wird.


    Autor:
    Thomas Hürlimann, 1950 in Zug geboren, studierte Philosophie in Zürich und Berlin. Für sein Schaffen wurde Hürlimann mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Rauriser Literaturpreis (1982), dem Joseph-Breitbach-Literaturpreis (2001) und dem Jean-Paul-Preis (2003). Seine Werke wurden in 15 Sprachen übersetzt. Hürlimann lebt in Berlin.


    Meine Meinung:
    Hürlimann erzählt drauflos, offensichtlich macht es ihm Freude, anderen Menschen eine Geschichte zu erzählen. Man kann sich diesem Autor bedenkenlos anvertrauen. Seine Sprache ist freundlich, Düsternis liegt ihm nicht. Seine Sprache ist auch von einer besonderen Kraft, die den Leser in seinen Bann zieht. Hürlimann hätte es verdient, dass man ihm im Literaturzirkus etwas mehr beachtet. Es gibt nicht so sehr viele Bücher, die das „Hürlimannsche Niveau“ erreichen. Hürlimann ist der Beweis dafür, dass aus der Schweiz nicht nur sehr leckere Schokolade kommt, oder dass man dort seine Cents auf einem Nummernkonto deponieren kann, sondern auch der Beweis dafür, dass großartige Literatur in der Schweiz nichts Ungewöhnliches ist. Ein lesenswertes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ich habe das Buch zum Geburtstag geschenkt bekommen, sogar signiert :-) (nein, nicht zum 40sten, davon bin ich zum Glück noch ein paar Jährchen entfernt) und gleich gelesen. Und ich muss Voltaire hier ein bisschen widersprechen. Ich kann nicht verstehen, wie man sich diesem Autor, bzw. seinem Erzähler "bedenkenlos anvertrauen" kann.


    Ich finde das durchaus nicht harmlos und nett geschrieben -- hinter der netten Fassade lauern Abgründe, die zumindest mich haben erschauern lassen.
    Die Nachricht, die Oskar am Vorabend des Geburtstags überbringt, die Kälte von Max in der Beziehung, der Marie für seine Karriereambitionen benutzt, die erdrückende "Freundin", das gruselige Ritual des Zeitanhaltens, das ja der Tod der Ungeborenen ist, nichtmal die Hölle wird Marie als Lebensraum zugestanden...
    Marie gibt ihr Selbst auf, nur um von der verlogenen, korrupten, kulturlosen, antisemitischen Spießergesellschaft des Provinzstädtchens endlich akzeptiert zu werden und sich der tumben Männerwelt unterzuordnen, obwohl sie eigenltich viel stärker und talentierter ist als die alle zusammen. Sicherlich ein Schicksal vieler Frauen dieser Generation....



    Und wieso sollte "großartige Literatur" in der Schweiz ungewöhnlicher sein als in Deutschland? :gruebel

  • flashfrog
    Aufgrund deiner Meinung über das Buch, werde ich es in nächster Zeit sicher noch einmal lesen, deine Bemerkungen dabei im Kopf habend bzw. auf einem Zettel notiert neben mir.
    Du hast wahrscheinlich nicht so larifari gelesen wie ich...... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Nein, der Unterschied ist: Ich bin eine Frau. :-)



    Danach müssten dann Frauen und Männer eine völlig unterschiedliche Sichtweise haben, wenigstens was dieses Buch angeht.
    Darüber muss ich jetzt ersteinmal ein wenig grübeln...... :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zunächst mal:
    Ich habe das Buch nicht gelesen.
    Nach einem anderthalbstündigen, durch Herrn Hürlimann vorgetragenen Auszug aus diesem Werk, hatte ich einfach nicht mehr das Bedürfnis danach...


    Vielleicht war die Textstelle ungünstig gewählt (obwohl ich dem Autor schon zutraue, eine interessante Passage zu wählen), oder ich hatte einen schlechten Tag, jedenfalls hat mich die Lesung davor abgeschreckt, dem Roman eine Chance zu geben.

  • Voltaire : Ja, ich überlege auch gerade, ob es zu dem Thema schon einen Thread gibt...
    Für Männer scheint es (auch heute noch!) ganz natürlich, gedankenlos und selbstverständlich über das Leben von Frauen zu verfügen, als Vater, großer Bruder, Ehemann, Stammhalter, als Politiker, Soldaten, katholische Geistliche, als Professoren, Wirtschaftsbosse und Lobbyisten... :gruebel
    (Ausnahme im Buch: der schwule Maler, der eh außerhalb der Gesellschaft steht und quasi als Kollateralschaden Meiers Ego und Machtstreben zum Opfer fällt.)
    "Großartige Literatur" ist nie nett und harmlos. ;-)



    Seestern : Was genau hat dich denn bei der Lesung abgeschreckt?

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Seestern : Was genau hat dich denn bei der Lesung abgeschreckt?


    Die Passage, die Hürlimann gelesen hat, war irgendwie sehr nichtssagend, m.M.n....
    Sehr viele Beschreibungen, fast keine Handlung.
    Das hat mich dann abgeschreckt.
    Wie gesagt, vielleicht eine etwas ungünstige Textstelle...


    Gruß, Sarah

  • Zitat

    Original von flashfrog
    Für Männer scheint es (auch heute noch!) ganz natürlich, gedankenlos und selbstverständlich über das Leben von Frauen zu verfügen, als Vater, großer Bruder, Ehemann, Stammhalter, als Politiker, Soldaten, katholische Geistliche, als Professoren, Wirtschaftsbosse und Lobbyisten... :gruebel
    (Ausnahme im Buch: der schwule Maler, der eh außerhalb der Gesellschaft steht und quasi als Kollateralschaden Meiers Ego und Machtstreben zum Opfer fällt.)
    "Großartige Literatur" ist nie nett und harmlos. ;-)


    Das ist mir jetzt ein wenig zu pauschal. Habe leider auch schon Frauen erlebt - und es waren gar nicht so wenige - die sich männlicher als Männer aufführten oder die als "fundamentalistische Feministinnen" durch die Gegend gewackelt sind.


    Ich für mein Teil verfüge beispielsweise über keiner Frauen Leben...... :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


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  • Zitat

    Original von flashfrog
    Voltaire : Lies bitte nochmal genau, was ich schrub, nicht nur die ersten 4 Wörter.
    Dir scheinen zumindest die entsprechenden Protagonisten und Mechanismen im Roman nicht aufgefallen zu sein... ;-)



    Ich hab schon mehr gelesen als deine vier ersten Wörter, ich habe sie nur hervorgehoben, weil in ihnen eine Pauschalisierung stand, die dann durch den weiteren Text untermauert wurde.


    Mag sein, dass mir da was im Roman nicht aufgefallen ist, das will ich gar nicht ausschließen, mir fällt nämlich öfter mal was nicht auf - aber meinen Pauschalierungsvorbehalt in deine Richtung halte ich trotzdem aufrecht.

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  • Da steht nicht "alle Männer ohne Ausnahme" (im Gegenteil), da steht nicht "generell" sondern differenziert in welcher Hinsicht und gesellschaftlichen Funktion, und das stammt auch nicht von mir sondern ist dem Buch entnommen.


    Vielleicht solltest du den Roman tatsächlich nochmal lesen...:-)

  • Thomas Hürlimann ist ja eine bekannter Schweizer Autor....
    aber ich muss gestehen, dass ich noch nie etwas von ihm gelesen habe.


    Nun glaube ich aus den Reaktionen hier herauszulesen, dass die Frauen von seinen Werken nicht so begeistert sind....aber ich konnte noch nicht so recht herauslesen warum das so ist....
    ....hat er ein spezielles Frauenbild, das wir Frauen nicht mehr haben möchten?


    Wenn das so ist, dann müsste ich sagen, ich mache in Zukunft noch einen weiteren Bogen um Hürlimann herum...
    ....und Schweizer Männer sind auch nicht besser als anderswo :lache
    Es gibt sie auch bei uns noch immer die "ewig Gestrigen"....die "Frauen an den Herd-Rufer" sind auch bei uns noch nicht ganz verstummt...im Gegenteil, sie scheinen sich wieder mehr zu formieren :fetch


    Oder geht es um etwas anderes?


    Grüessli Joan

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Joan : Neinnein, ganz im Gegenteil!
    Hürlimann beschreibt ja die patriarchalen Strukturen, die Frauen in der Gesellschaft nach dem 2. Weltkrieg fesseln und beschneiden, eben um sie zu kritisieren! Und das Spießertum und den wirtschaftlich-politischen Filz, die kathoische Bigotterie und den verdeckten Antisemitismus und den Kult der Mittelmäßigkeit...
    Hinter der netten Fassade verbirgt sich beißende Satire. :-)
    (Mich hat das sehr an Keller erinnert.)


    Und es ist eine sprachlich glänzend erzählte Familiengeschichte.
    Joan, du soltest das Buch unbedingt lesen!

  • Voltaire : Der Text hat eine faszinierende musiklische Struktur mit seinen Leitmotiven, Wiederholungen und Variationen.
    Es ist sicher lohnend, diesen Leitmotiven beim Wiederlesen einmal nachzuspüren:
    den Weiblichen: dem Flüssigen, dem Blut, der Zeit, dem Wasser, der Musik, dem Erzählen, dem Wachsen...


    und den männlich konnotierten Motiven: dem Festen, den Dogmen, den Mauern, dem Gebirge, den Frauenfüße verkrüppelnden Schuhen, den Scheren...


    der Vergangenheit und der Zukunft, dem Jüdischen und dem Katholischen...



    Ich werde das Buch sicher auch noch einmal lesen.


    Eine Leserunde zu dem Roman wäre bestimmt spannend.
    Ich könnte den Autor beim Bücherfest am Wochenende mal fragen, ob er eventuell Lust hätte, eine solche zu begleiten... :gruebel

  • Zitat

    Original von flashfrog


    Eine Leserunde zu dem Roman wäre bestimmt spannend.
    Ich könnte den Autor beim Bücherfest am Wochenende mal fragen, ob er eventuell Lust hätte, eine solche zu begleiten... :gruebel


    Prima Idee, das mit der Leserunde und das mit dem Autoren fragen. :-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


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  • Flashfrog
    Achso....ja, dann könnte ich also meine Kreise um Hürlimann wieder enger ziehn und einen etwas längeren Hals machen Richtung Buch :lache


    Diesem Literatur-Genre bin ich halt vor Jahrzehnten schon ziemlich untreu geworden....aber ohne Ausnahmen keine Regel.


    Und der Mann ist mir jetzt richtig sympathisch geworden....aufgrund Deiner Aufklärungsarbeit....


    Danke und Grüessli Joan

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    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Voltaire : Das wird wohl nix werden, anscheinend kann sich Wolke vor Autoren, die sich hier zerpflücken lassen möchten, kaum retten, und das Forum ist leserundentechnisch fürs ganze nächste Jahr ausgebucht.


    Ich hab mir jetzt mal "Fräulein Stark" gekauft...



    Joan : Bin gespannt auf die Lesung beim Bücherfest morgen, ob der Mann wirklich so sympathisch ist wie seine Bücher. :-)
    Zumindest hat er etwas geschafft, was ich in 20 Jahren nicht geschafft habe: Meine Mutter für Literatur zu begeistern! :anbet

  • Original von flashfrog
    Voltaire : Das wird wohl nix werden, anscheinend kann sich Wolke vor Autoren, die sich hier zerpflücken lassen möchten, kaum retten, und das Forum ist leserundentechnisch fürs ganze nächste Jahr ausgebucht.


    Schade, aber ich denke, es steht uns frei, hier in diesem Fred über das Buch zu schnacken. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

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