Inka Parei - Was Dunkelheit war

  • Titel: Was Dunkelheit war
    Autorin: Inka Parei
    Verlag: btb
    Erschienen: Februar 2007
    Seitenzahl: 169
    ISBN: 3442732611
    Preis: 8.00 EUR


    Inhalt:
    Ausgezeichnet mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis: Ein lebensmüder Mann, ein bedrohlicher Fremder, eine Leiche im Keller. Frankfurt 1977: Ein altersschwacher Mann hat soeben eine Wohnung in dem Mietshaus bezogen, das er von einem Kriegskameraden geerbt hat, einem gewissen Müller, an den er sich nicht mehr erinnern kann. Und während der Alte auf Krücken versucht, sich in dem fremden, verrotteten Haus zurechtzufinden, holt ihn seine Geschichte allmählich ein: Ein Fremder wird zur Bedrohung. Die Wanne im Keller, meint er, enthält eine Leiche. Und ist Müller nicht jener Kamerad, mit dem er im russischen Gefangenenlager Dienst getan hatte?


    Autorin:
    Inka Parei wurde 1967 in Frankfurt am Main geboren, lebt in Berlin. Ihr erster Roman „Die Schattenboxerin“ wurde mittlerweile in neun Sprachen übersetzt.


    Meine Meinung:
    Inka Parei schafft sehr schöne Wortgebilde, allerdings steht die Handlung dahinter ein wenig zurück, sie (die Handlung) schleppt sich ein wenig. „Was Dunkelheit war“ reicht leider nicht an ihr Erstlingswerk „Die Schattenboxerin“ heran. Im Laufe des Lesens habe ich den Handlungsstrang immer mal wieder aus dem Auge verloren, und musste dann wieder einige Seiten zurückblättern. In sprachlicher Hinsicht habe ich absolut nichts zu beanstanden, da findet sich bei Inka Parei nichts zu kritisieren. Vieles in der Handlung bleibt schemenhaft, das Buch läuft nicht so richtig „geradeaus“ und ich habe mich mehr als einmal im „Nebel dieses Buches“ stochern sehen.
    Das Buch ist kein Flop – aber auch kein Highlight. Es ist ordentlicher Durchschnitt, mehr leider nicht.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Ein alter Mann, der bald sterben wird, ein altes Haus, schmutzig-schmuddelig, innen wie außen, das sind die Hauptpersonen dieses Dramas, die eine nicht einen Augenblick verlassen beim Lesen. Den Namen des Mannes erfährt man nie, das Haus dagegen ist genau lokalisiert, es steht in Frankfurt, an einer ganz bestimmten Stelle einer ganz bestimmten Straße. Auch der Zeitpunkt ist festgelegt, es ist der sechste September, die dazugehörigen Ereignisse weisen auf das Jahr, 1977.
    Der alte Mann erwacht, es ist Nacht. Ein Geräusch hat ihn geweckt. Als ihm klar wird, daß jemand unten im Haus gegen eine Tür klopft, macht er sich mühsam auf den Weg, um zu öffnen. Es stellt sich heraus, daß sich der Gast des winzigen Hotels, das sich im Haus befindet, ausgesperrt hat. Der alte Mann hilft ihm aus der Klemme und kehrt in seine Wohnung zurück. Das ist der erste Teil der Handlung und so ziemlich der einzige, dem man beim Lesen einigermaßen geradlinig verfolgen kann.
    Die Begegnung mit dem fremden Gast löst in dem Alten eine Erinnerung aus, der rasch andere Erinnerungen folgen, ungeordnet, einfach von äußeren Reizen oder Stimmungen abhängig. Wie ein Bohrer gräbt sich das Denken des Mannes in seine Vergangenheit, während gleichzeitig bestimmte Ereignisse und Taten seiner Vergangenheit einen Weg nach oben suchen. Die Erinnerungen vermischen sich mit den Erlebnissen, Eindrücken und Impulsen der beiden Tage vor dem sechsten September.
    Alles verschwimmt, früher und heute, der Krieg, Schuld, das Haus und seine Räumlichkeiten, die Nachbarn, der ‚deutsche Herbst’. Erinnerungsfetzen, Träume, Wachträume, Halluzinationen. Am Ende ist der alte Mann tot.


    Daß es sich ganz wunderbar liest, ist das große Verdienst der Autorin. Die Geschichte ist ungemein spannend, man kann sich dem Sog der Worte nicht entziehen. Dieses Buch zu lesen, ist ein Erlebnis. Man wird Bilder finden darin, die eine nicht mehr loslassen. Es sind Bilder von Dunkelheit, von Kälte, Schwärze, Tiefe. Von Fremdheit. Das ist großartig gelungen.


    Dennoch war ich nicht zufrieden. Rein äußerlich gesehen ist es kein Roman. Es sind knapp 160 Seiten, mit großen Buchstaben bedruckt, 26 Zeilen pro Seite. Es gibt nur einen Handlungsstrang, alles geht von einer einzigen zentralen Figur aus. Es ist eine Erzählung. Aber zu Erzählungen können Verlage heutzutage nicht mehr stehen, nehme ich an. Das ist das kleinste Problem.


    Für das erste Kapitel hat die Autorin 2003 den Bachmannpreis gewonnen und den Publikumspreis des Wettbewerbs gleich dazu. Die Kritik hat sich äußerst lobend geäußert über die Fähigkeit der Autorin, in so jugendlichem Alter - Parei ist 1967 geboren - das Sterben eines alten Mannes so präzise und authentisch beschreiben zu können. Eben das ist mich ein Trugschluß bei der Einschätzung dieses Texts. Dieser Trugschluß führt mich dazu, was ich für den eigentlich Fehler halte.


    Zunächst einmal kann niemand, der lebendig ist, das Sterben beschreiben. Was wir beschreiben, sind bestimmte Eindrücke und Vorstellungen vom Sterben. Diese sind weitgehend gesellschaftlich bestimmt, bedingt und angesehen. Daher gibt die Autorin ein authentisches Bild von den derzeit gültigen Vorstellungen vom Sterben, nicht vom Sterben selbst. Tatsächlich beschreibt sie unsere Konventionen. Sie läuft ihnen an keiner Stelle zuwider. Nicht bei den Schilderungen des Sterbens, nicht in der Motivik. Der Text ist von Grund auf konventionell.


    Der alte Mann leidet unter einer Kriegsschuld. Sie zerstörte sein Leben, machte ihn kalt und quasi-bindungsunfähig. Dieser Schuld muß er sich stellen, ehe er stirbt. Kein origineller Gedanke, sondern im Gegenteil einer von höchster gesellschaftlicher Gültigkeit, nahezu politisch korrekt.
    Seine Wanderungen durch das alte Haus - wirklich? halluziniert? - , auf der Suche nach der Erinnerung, die ihn mehr und mehr quält, enden im Keller, auf dem Kohlehaufen. Die Kohle, die aus den Tiefen der Erde kommt, war mir ein bißchen zuviel der Symbolik. Ganz zu schweigen vom Auffinden der Wehrmachtsuniform und der Gasmaske, selbst wenn auch das nur ein Traum gewesen sein soll. Und natürlich ist das Haus als Labyrinth wiedergegeben.
    Einer der Mieter ist ein Metzger, der für Blut und Leichen steht. Und möglicherweise für Betrug. Seine blankgewienerte Arbeitsbank benutzt seine kleine Tochter als Spiegel, um sich Lippenstift und Rouge aufzulegen. Rot.
    Es gibt einen Ausflug in den nahen Park, das dortige Gartenhaus Brentanos ist mit Brettern vernagelt. Der Park ist heruntergekommen, am Kiosk lungern Säufer, ein Kind wird verletzt. Auch das war mir zu dick aufgetragen, dieses Versperren deutscher Geistesgröße. Und dann wieder diese sehr kleinbürgerlich geprägte Frage dahinter: kann Kultur Krieg und Schuld verhindern? Die Fragestellung ist schon mehr als schwierig, aber wenn schon, muß man sie diskutieren, nicht plakatieren, wie es hier geschieht.


    Äußerst problematisch schließlich der Versuch, die Ereignisse vom September 1977 miteinzubeziehen. Es sind die Tage der Entführung Schleyers, mit einer Handvoll Toter, denen in kurzer Zeit noch viel mehr Tote folgen werden. Nie war der Tod in den friedlichen Straßen der BRD so präsent. Die Angst war nahezu greifbar. Die Menschen liefen buchstäblich mit eingezogenem Nacken herum. Und schrien gleichzeitig nach mehr Blut und Rache. Es war entsetzlich.
    Eben dieses Entsetzen vermisse ich in Pareis Erzählung. Da ist einiges an Grauen spürbar, das aber speist sich aus den Kriegserinnerungen. Die Parallelisierung der Ereignisse, damals Krieg, jetzt RAF, mit der Brücke der fragwürdigen Vergangenheit des Entführten und manchen verqueren Vorstellungen der Täter, halte ich nicht für gelungen. Während der Abstand zum Krieg von der Autorin her gesehen zu groß ist, ist er zum deutschen Herbst zu gering. Tatsächlich arbeitet hier eine Enkelin die Schuld der Großväter ab - wieder einmal - , während die ‚Schuld’ der eigene Zeit bei weitem noch nicht reif dafür ist, be - und verarbeitet zu werden.
    Daß der Protagonist dieser 2005 erschienenen Erzählung ein alter Mann ist, kommt einer auch schon sehr vertraut vor. Offenbar befinden wir uns literarisch gesehen in der Zeit alter, hinfälliger Männer. Eine Mode. Sie wird vergehen, wie alle Moden.


    Was bleibt von diesem Text? Der Eindruck einer meisterinnenhaften Sprachbeherrschung, ein präziser Blick auf Gegenstände, der auch Überraschendes zutage bringt. Eine beeindruckende Fähigkeit, Verschwommenes, Verschwimmendes festzuhalten, es zu beschreiben und sofort wieder loszulassen, was dem Text eine starke Dynamik verleiht. Blicke auf Dunkelheit und Schatten, die ihresgleichen suchen.
    Das alles wird unseligerweise aufgehoben durch die letzten vierzehn Zeilen, in denen der Tod kommt. Im Ringen und Keuchen. Und im Licht. Wie es sich eben gehört.


    Sehr zu empfehlen wegen der sprachlich-stilistischen Leistung. Thematisch bringt es allerdings nichts Neues.



    edit: Schreibfehler und eine Auslassung korrigiert

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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  • Dieses Buch hat 168 Seiten - und ich bin auf keiner einzigen damit warm geworden.


    Der Schreibstil war für mich sehr verworren, holprig, unklar.
    Die Autorin verliert sich in für die Geschichte völlig irrelevanten Details, was es mir schwer gemacht hat, überhaupt am Ball zu bleiben.
    Ich glaube, ich habe sehr viele Sätze einfach nur gelesen, und haften geblieben ist wenig bis gar nichts - kein gutes Zeichen.
    Verstanden habe ich die Geschichte dann wohl auch nicht.
    Schade, verschenkte Zeit...


    Hat mir überhaupt nicht gefallen, gibt nur 4 Punkte.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“